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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.07.2009
Aktenzeichen: 4 Ws 72/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 118 Abs 5
Die Nichteinhaltung der Höchstfrist des § 118 Abs. 5 StPO führt grundsätzlich nicht zu einer Aufhebung des Haftbefehls oder der Freilassung des Angeklagten.
KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer: 4 Ws 72/09

1 AR 964/09

(404) 81 Js 1834/09 (24/09); 530 Qs 26/09

In der Strafsache gegen

wegen schweren Landfriedensbruchs u.a.

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 20. Juli 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeschuldigten gegen den die Haftfortdauer anordnenden Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29. Mai 2009 wird verworfen.

Von einer Auferlegung der Rechtsmittelkosten wird abgesehen; seine notwendigen Auslagen trägt der Angeschuldigte selbst.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Angeschuldigten mit der vor dem Amtsgericht Tiergarten - Jugendschöffengericht - erhobenen Anklageschrift vom 7. Mai 2009 zur Last, sich am 1. Mai 2009 in Berlin wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und wegen Sachbeschädigung strafbar gemacht zu haben. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Anklageschrift vom 7. Mai 2009 Bezug genommen. Der Angeschuldigte ist am 1. Mai 2009 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seit dem 2. Mai 2009 auf Grund des an diesem Tage vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin erlassenen Haftbefehls (382 Gs 221/09) in Untersuchungshaft. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die von dem Amtsgericht Tiergarten in dem Haftprüfungstermin angeordnete Haftfortdauer bestätigt. Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Angeschuldigten hat keinen Erfolg.

Die Strafkammer hat in dem auch dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger bekannt gemachten Beschluss vom 29. Mai 2009 eingehend dargelegt, weshalb sie eine Änderung der Haftverhältnisse, insbesondere die beantragte Aufhebung des Haftbefehls, ablehnt. Dem Inhalt dieses Beschlusses vermag der Senat nur wenig hinzuzufügen. Er gibt den Sachstand ausführlich und zutreffend wieder und die Erwägungen der Strafkammer überzeugen. Der Senat nimmt deshalb auf den Inhalt dieses Beschlusses Bezug und verwirft die Beschwerde als unbegründet; zu den Ausführungen der Verteidigung ist folgendes anzumerken:

a. Der zwischen dem Antrag auf Haftprüfung am 2. Mai 2009 und dem nach Fertigung und Erhebung der Anklage anschließend anberaumten Haftprüfungstermin vor dem Jugendschöffengericht am 19. Mai 2009 liegende Zeitraum von wenig mehr als vierzehn Tagen rechtfertigt die Aufhebung des Haftbefehls nicht. Unabhängig davon, dass auch die Nichteinhaltung der Höchstfrist von vierzehn Tagen, innerhalb derer nach § 118 Abs. 5 StPO die mündliche Verhandlung über den Haftprüfungsantrag durchzuführen ist, nicht zur Aufhebung des Haftbefehls und der Freilassung des Angeschuldigten aus der Untersuchungshaft führt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2005 - 3 Ws 381/05 - m.w.Nachw.), war vorliegend der Antrag auf Bestimmung eines Haftprüfungstermins bei dem zuständigen Schöffengericht erst mit der Anklage am 12. Mai 2009 eingegangen, so dass gegen die Terminierung am 19. Mai 2009 nichts zu erinnern ist.

b. Der Angeschuldigte muss auch mit der Verhängung einer Jugendstrafe rechnen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Zwar ist der Verteidigung insoweit Recht zu geben, dass bei der Bildung einer Einheitsstrafe nach § 31 JGG das neue Urteil unter Zusammenfassung eigenständiger Würdigung der in dem früheren Urteil rechtskräftig festgestellten Straftaten und der neuen Straftaten originär auf diejenige Rechtsfolge zu erkennen ist, die das Gericht - nach etwaiger veränderter Beurteilung der erzieherischen Bedürfnisse - für sämtliche begangenen Straftaten als angemessen ansieht (vgl. Eisenberg JGG, 13. Aufl. § 31 Rdn. 38 m.w.Nachw.). Angesichts des relativ schnellen Bewährungsbruchs seitens des Angeschuldigten, muss jedoch mit einem erheblichen Erziehungsbedarf gerechnet werden, so dass es auf die Ausführungen der Verteidigung weder zu den Vorwürfen in dem einzubeziehenden Urteil noch zu der vorliegenden Sache entscheidend ankommt. Inwieweit sich der Anklagevorwurf in der vorliegenden Sache bestätigen lässt, muss der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben. Woher die Verteidigung jedoch die Überzeugung nimmt, dass sich der Angeschuldigte nun - nach einem Bewährungsbruch - alleine die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und keine Straftaten mehr begehen wird, ist nicht erkennbar.

c. Entgegen der Auffassung des Verteidigers besteht auch Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Die Untersuchungshaft soll nicht nur die Durchführung des Strafverfahrens gewährleisten, sondern auch die spätere Vollstreckung des auf Freiheitsentzug lautenden Urteils sicherstellen (std. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 27. Dezember 2007 - 4 Ws 166/07 -, vom 31. März 2006 - 4 Ws 58/06 -; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl., vor § 112 Rdn. 4; jeweils m. w. Nachw.). Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr kommt es nicht darauf an, dass bestimmte Umstände vorliegen, aus denen die Fluchtgefahr abgeleitet werden kann. Vielmehr besteht hier eine Straferwartung, bei der nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 27. Dezember 2007 a.a.O. m. w. Nachw.) nur zu prüfen ist, ob Tatsachen gegeben sind, die die hieraus herzuleitende Fluchtgefahr ausschließen oder mindern können. Solche liegen hier nicht vor. Seine Bindungen zu seiner Familie sind offenbar eher gelockert, nachdem er wegen erheblicher Streitigkeiten ausgezogen und in seiner Vernehmung vor der Polizei am 2. Mai 2009 behauptet hatte, seine Mutter sei nicht mehr seine Erziehungsberechtigte. Der Angeschuldigte absolviert seit eineinhalb Jahren einen Berufsvorbereitungskurs. Er lebt in einer betreuten Wohngemeinschaft; obwohl den Betreuern klar gewesen sein musste, dass der Angeschuldigte unter Bewährung stand, er also besonderer Betreuung bedurfte, waren sie offenbar nicht in der Lage zu verhindern, dass der Angeschuldigte sich unter noch festzustellendem Alkoholeinfluss an den Straftaten am 1. Mai 2009 beteiligte. Die Gefahr, dass er sich dem Strafverfahren entzieht, ist angesichts dieser Umstände erheblich, unabhängig davon, ob der Angeschuldigte seine Auslandsbeziehungen, die sich nicht nur auf den Vater beziehen dürften, dabei nutzt oder in Deutschland untertaucht. Mildere Mittel, der Fluchtgefahr zu begegnen, sind derzeit nicht erkennbar (§ 116 StPO).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 74 JGG.



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