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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.08.2009
Aktenzeichen: 4 Ws 86/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 397a Abs. 1
Die Grundsätze, die für die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. KG, Beschluss vom 27. Februar 2006 - 3 Ws 624/05 -) und die rückwirkende Bestellung eines Zeugenbeistandes entwickelt worden sind (vgl. KG, Beschluss vom 25. Februar 2008, NStZ-RR 2008, 248 m.w.Nachw.), gelten auch für die rückwirkende Bestellung eines Nebenklägervertreters als Beistand, d.h. sie ist grundsätzlich nicht zulässig.
KAMMERGERICHT

Beschluß

Geschäftsnummer: 4 Ws 86/09

1 AR 1189/09

In dem Sicherungsverfahren gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 6. August 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Nebenklägers gegen die Ablehnung der Bestellung seiner gewählten Vertreterin zum Beistand durch Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. Juli 2009 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Nebenkläger.

Gründe:

Der Beschwerdeführer ist durch Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. April 2009 als Nebenkläger in dem gegen den Beschuldigten geführten Sicherungsverfahren zugelassen worden. Nachdem das Landgericht seinen Antrag, ihm nach § 397a Abs. 2 StPO Prozesskostenhilfe unter Bestellung seiner gewählten Vertreterin als Beistand zu gewähren, (unanfechtbar) abgelehnt hatte, stellte der Nebenkläger mit Schreiben vom 29. Juni 2009 den Antrag, auf Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO; er wiederholte diesen Antrag über die Nebenklägervertreterin in der Hauptverhandlung am 14. Juli 2009. Die Kammer blieb bei ihrer ablehnenden Entscheidung, ohne allerdings darauf einzugehen, dass der Nebenkläger nunmehr behauptet hatte, ihm stehe eine Beiordnung nach §§ 397a Abs. 1 Satz 1, 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu. Durch Urteil der Kammer vom 14. Juli 2009 - rechtskräftig seit dem 22. Juli 2009 - ist die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt worden. Der Nebenkläger wendet sich mit seiner am 17. Juli 2009 bei Gericht eingegangenen Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung der Kammer vom 14. Juli 2009, ihm seinen bisherigen gewählten Vertreter als Beistand zu bestellen. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaft, da die Ablehnung der Beistandsbestellung nach einhelliger Ansicht grundsätzlich mit diesem Rechtsmittel anfechtbar ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl., § 397a Rdn. 19 m.w.Nachw.).

Der Nebenklägervertreter hat zwar kein eigenes Beschwerderecht. Vorliegend ergibt sich jedoch aus der Zusammenschau des Beiordnungsantrages und der Beschwerdeschrift noch hinreichend deutlich, daß die Beschwerde für den Beschwerdeführer eingelegt worden ist.

2. Die Beschwerde ist aber unzulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels ist unter anderem das Vorliegen einer Beschwer des Rechtsmittelführers (vgl. BGHSt 28, 327, 330; 16, 374; Meyer-Goßner, aaO. vor § 296 StPO Rdn. 8 m.w. Nachw.). Eine Beschwer liegt nur vor, wenn die ergangene (oder abgelehnte) Entscheidung einen unmittelbaren Nachteil für den Betroffenen enthält, seine Rechte und geschützten Interessen eine unmittelbare Beeinträchtigung erfahren haben und wenn die Beseitigung einer fehlsamen Erwägung dem Beschwerdeführer die Aussicht auf eine andere, ihm günstigere Entscheidung eröffnet (vgl. KG, Beschluss vom 4. Juni 2009 - 2 Ws 199/09 - m.w.Nachw.). Daran fehlt es hier. Denn das Verfahren war mit der Entscheidung des Landgerichts am 14. Juli 2009 und deren Rechtskraft am 22. Juli 2009 endgültig abgeschlossen. Für die Tätigkeit als beigeordneter Beistand besteht demnach kein Bedürfnis mehr (vgl. OLG Düsseldorf JZ 1984, 756). Die Grundsätze, die für die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. KG, Beschluss vom 27. Februar 2006 - 3 Ws 624/05 -) und die rückwirkende Bestellung eines Zeugenbeistandes entwickelt worden sind (vgl. KG, Beschluss vom 25. Februar 2008, NStZ-RR 2008, 248 m.w.Nachw.), sind für die rückwirkende Bestellung eines Nebenklägervertreters als Beistand vergleichbar. Durch die Nebenklage wird denjenigen Verletzten, die besonders schutzwürdig erscheinen, die Gelegenheit gegeben, in dem Verfahren ihre persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen, insbesondere durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich gegen die Verharmlosung ihrer Verletzungen zu wehren (vgl. Meyer-Goßner aaO. vor § 395 Rdn. 1, m.w.Nachw.). Die Bestellung eines Beistandes dient auch nicht dem Kosteninteresse des Nebenklägers und schon gar nicht seines Vertreters, sondern verfolgt allein den Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, daß ein Geschädigter in vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten Fällen (§ 397a Abs. 1 StPO) oder (§ 397a Abs. 2 StPO) bei schwieriger Sach- und Rechtslage, in denen der Nebenkläger seine Interessen nicht selbst ausreichend wahrnehmen kann oder ihm das nicht zuzumuten ist, rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (vgl. zu der Bestellung als Pflichtverteidiger BVerfGE 39, 238, 242; OLG Düsseldorf StV 1984, 66; wistra 1992, 320; Senat, Beschluß vom 11. Februar 2005 - 5 Ws 656/04 -). Die von dem Nebenkläger mit seiner Beschwerde gewünschte rückwirkende Beiordnung würde ausschließlich dem verfahrensfremden Zweck dienen, dem Beistand für ein bereits abgeschlossenes Verfahren einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen, nicht jedoch einen ordnungsgemäßen Rechtsbeistand des Nebenklägers für das Verfahrens zu gewährleisten (vgl. KG, Beschluss vom 25. Februar 2009 aaO.). Dies ist mit dem Normzweck des § 397a StPO nicht zu vereinbaren.

Soweit die Rechtsprechung in besonderen Ausnahmefällen vor allem wegen einer Korrektur gerichtlicher Versäumnisse eine nachträgliche Beiordnung eines anwaltlichen Beistandes (§ 397a Abs. 1 Satz 2 StPO) oder der nachträglichen Gewährung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 397a Abs. 2 StPO zugelassen hat (vgl. KG, aaO. Beschluss vom 25. Februar 2008 m.w.Nachw.), sind diese Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben, denn die Kammer hatte den - erneuten - Antrag in der Hauptverhandlung beschieden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.



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