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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 27.03.2001
Aktenzeichen: 5 U 10467/99
Rechtsgebiete: AGBG, UWG, PAngVO


Vorschriften:

AGBG § 22
AGBG § 22 a
UWG § 1
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 3
PAngVO § 1 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:

Wer entgegen § 1 Abs. 1 S. 1 PAngVO bei der Werbung für Flugreisen deren Preis in der Weise angibt, dass "reiner" Flugpreis und zwangsläufig anfallende Steuern und Sicherheitsgebühren gesondert ausgewiesen werden, verschafft sich einen greifbaren Wettbewerbsvorteil vor gesetzestreuen Mitbewerbern, Denn es besteht die Gefahr, dass die angesprochenen Verbraucher zu der Auffassung gelangen, auch das Flugpreisangebot der rechtstreu werbenden Konkurrenten enthalte Steuern und Sicherheitsgebühren nicht.

Ein solcher Verstoß gegen die PAngVO ist auch "wesentlich" im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 10467/99 16.O.271/99 LG Berlin

Verkündet am: 27. März 2001

Lohey, Justizsekretärin

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase und die Richter am Kammergericht Dr. Pahl und Crass auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. November 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Flugreisen, die bestimmte Reiseziele betreffen, gegenüber privaten Endverbrauchern Flugpreise zu nennen, ohne die zusätzlich zu entrichtenden Luftsicherheitskosten/Auslandssteuern in den genannten Preis einzubeziehen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen und zu fördern. Dabei verfolgt er insbesondere das Ziel, solchen unlauteren Wettbewerb zu unterbinden, der sich zum Nachteil der Verbraucher auswirkt. Auf seinen Antrag ist er vom Bundesverwaltungsamt mit Wirkung zum 1. Januar 2001 in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22 a des AGB-Gesetzes (AGBG) eingetragen worden.

Die Beklagte ist eine Fluggesellschaft. Sie schaltete am 6. März 1999 in der Zeitung "Rheinische Post" folgende Anzeige:

Der Kläger hält diese Werbung für wettbewerbswidrig, da die Beklagte bewusst und planmäßig gegen die Preisangabenverordnung und damit auch gegen § 1 UWG verstoße, da sie die Luftsicherheitskosten und die Auslandssteuern nicht in den Endpreis einbeziehe.

Er nimmt deshalb die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage gemäß dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Flugreisen, die bestimmte Reiseziele betreffen, gegenüber privaten Endverbrauchern Flugpreise zu nennen, ohne die zusätzlich zu entrichtenden Luftsicherheitskosten/Auslandssteuern in den genannten Preis einzubeziehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingereichte und begründete - mithin zulässige - Berufung des Klägers erweist sich als begründet. An seiner Klagebefugnis gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG besteht kein Zweifel, da er in die Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne des § 22 a AGBG eingetragen ist.

Es kann dahinstehen, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auch aus § 22 AGBG zusteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Preisangabenverordnung, jedenfalls § 1 Abs. 1 PAngVO, als verbraucherschützende Vorschrift im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 AGBG anzusehen ist, obwohl sie in dem - allerdings nicht abschließenden - Katalog des § 22 Abs. 2 AGBG nicht aufgeführt ist (bejahend Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Auflage, AGBG 22 Rdnr. 10). Weitere Voraussetzung ist, dass § 22 AGBG nicht als nachrangig gegenüber Unterlassungsbegehren nach § 13 UWG anzusehen ist (so aber Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Auflage, § 22 Rdnr. b am Ende). Einer Entscheidung dieser angesichts der Neuregelung des § 22 AGBG noch wenig diskutierten Fragen bedarf es hier nicht, da sich der Unterlassungsanspruch des Klägers jedenfalls aus § 1 UWG ergibt.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die beanstandete Werbung gegen § 1 Abs. 1 Preisangabenverordnung (PAngVO) verstößt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngVO hat der Kaufmann, der dem Letztverbraucher Waren oder Leistungen anbietet oder unter Angab von Preisen wirbt, die Endpreise anzugeben. Dazu gehören im vorliegenden Fall auch die Flughafengebühren und Auslandssteuern. Unerheblich ist, wie unten weiter dargelegt, ob diese Preisbestandteile an den Werbenden oder an Dritte fließen. Die bei jeder Flugreise zwangsläufig anfallenden und bei der Buchung zu entrichtenden Flughafengebühren müssen daher im Endpreis enthalten sein (vgl. BGH GRUB 1981, 140 f. -"Flughafengebühr"), dies gilt auch für sonstige Flughafenabgaben (Steuern und Sicherheitsgebühren), die ebenfalls Bestandteil des anzugebenden Endpreises sind (vgl. Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, PAngV § 1 Rdnr. 28; OLG Köln RRa 2000, 61; OLG München MD 1999, 911; OLG Düsseldorf NJWE-WettbR 1998, 104).

Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf stützen, dass ihr diese Gebühren und Steuern gar nicht zufließen. Aus der von ihr herangezogenen Entscheidung BGH GRUB 1994, 225 f. - "Teilzahlungspreis III" - ergibt sich nichts Anderes. Es heißt dort lediglich, dass die PAngVO dem Kaufmann die Angabe von Endpreisen, die nicht seinem wirklichen Angebot entsprächen und von ihm selbst dem Verbraucher auch nicht in Rechnung gestellt würden, nicht vorschreibe. Nur Letzteres mag anzunehmen sein, da die Beklagte die Steuern und Sicherheitsgebühren nicht notwendigerweise selbst einzieht, diese vielmehr bisher in der Regel auf den Flughäfen gesondert eingezogen worden sind. Die Beklagte verkennt jedoch, dass ihr (Gesamt-)Angebot darin besteht, den Verbraucher zu einem bestimmten Preis von einem Ort A nach B zu transportieren, z. B. nach Mallorca zu fliegen. Sie bietet diesen Flug an und beschreibt so ihre Leistung. Unter diesen Umständen hat sie aber den Preis zu benennen, den der Verbraucher aufzubringen hat, um mit ihr sein Flugziel zu erreichen. Anders verhält es sich in dem Fall "Teilzahlungspreis III" (BGH a.a.O.). Dort bot der beklagte Kfz-Händler Autos zu einem Barpreis an und wies anhand von Finanzierungsbeispielen auf die Möglichkeit einer Finanzierung durch ein Bankinstitut, also das Angebot eines Dritten, hin. Dieser Hinweis hatte mit seinem wirklichen - eigenen - Angebot nichts zu tun, denn unabhängig von jeder Finanzierung oder mit Hilfe einer anderen Finanzierung waren die angebotenen Kraftfahrzeuge käuflich zu erwerben. Da es nicht um eine von ihm selbst angebotene Finanzierung ging, war von ihm auch nicht zu fordern, dass er alle Angaben machte, die bei der Bewerbung eines Verbraucherkredits vorgeschrieben sind. Wie dargelegt, liegt der Unterschied zum vorliegenden Fall darin, dass die von der Beklagten angesprochenen Fluginteressenten, wenn sie von dem Angebot, etwa nach Mallorca zu fliegen, Gebrauch machen wollen, den Flugpreis und die Flughafengebühren und Steuern zu zahlen haben. Ohne den Gesamtbetrag einschließlich Gebühren und Steuern zu zahlen, können sie von dem Angebot der Beklagten keinen Gebrauch machen.

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. BGH a.a.O. "Teilzahlungspreis III"; Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, § 1 Rdnr. 669 mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung unter Rdnr. 671; Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, nach UWG § 3 Rdnr. 17) handelt es sich bei der PAngVO zwar um wertneutrale Vorschriften. Ihre Regelungen sind Ausdruck ordnender Zweckmäßigkeit und verfolgen andere Ziele als das UWG. Sie erschöpfen sich darin, von einem Unternehmer bei einer Werbung mit Preisen die Angabe seines Endpreises zu verlangen. Eine weiterreichende, wettbewerbsbezogene Bedeutung kommt den Regeln der PAngVO danach nicht zu. Der Verstoß gegen eine derartige wertneutrale Norm ist jedoch regelmäßig - so auch hier - dann wettbewerbswidrig, wenn der Handelnde - hinzutretend zum Gesetzesverstoß - bewusst und planmäßig vorgeht, obwohl für ihn erkennbar ist, dass er dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann (vgl. Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, § 1 Rdnr. 659). Auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kommt es nicht an. Das Merkmal der Planmäßigkeit schließt nur versehentliche, auf bloßer Unachtsamkeit beruhende, einmalig bleibende Verstöße aus, um die es hier fraglos nicht geht.

Der Gesetzesverstoß hat im gegebenen Fall insbesondere auch zu einem greifbaren Wettbewerbsvorteil geführt, der geeignet ist, die Wettbewerbslage zugunsten der Beklagten spürbar zu beeinflussen (vgl. zu diesem Erfordernis BGH GRUR 1985, 886/888 -"Cocktailgetränke", 1992, 3201321 - "RSA/Cape"). Zwar ist davon auszugehen, dass die von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise den wirklichen Endpreis ohne weiteres durch einfache Addition ermitteln können. Es ist jedoch schon nicht ausgeschlossen, dass bei dieser Addition Fehler unterlaufen, die auf Seh- und/oder Rechenschwierigkeiten zurückzuführen sind: Andererseits reicht der bloße Umstand, dass sich jemand aufgrund des hervorgehobenen "reinen" Flugpreises mit der Anzeige beschäftigt, noch nicht ohne weiteres aus, einen sachlich ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung anzunehmen. Geboten wird jedenfalls eine Groborientierung. Die ist jedoch in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise unzutreffend, wenn - wie hier - Preisbestandteile hinausgefiltert werden. Denn rechtstreue Wettbewerber können auf diese Art der Werbung nicht reagieren. Sie sind gemäß den Vorschriften der PAngVO verpflichtet, Endpreise anzugeben, die die Bestandteile Gebühren/Steuern beinhalten. Auf den Umstand, dass sie Endpreise angeben, dürfen sie auch nicht, zumindest nicht werbemäßig, hinweisen, da sie sonst Gefahr liefen, ihrerseits wegen wettbewerbswidriger Werbung mit "Selbstverständlichkeiten" in Anspruch genommen zu werden. Dies hat nach Auffassung des Senats zur Folge, dass es eine relevante Anzahl von Interessenten geben wird, die auch rechtstreu beworbene Endpreise lediglich als Flugpreise ansehen, zu denen noch Gebühren, auf die nicht hingewiesen wird, hinzu kommen. Rechtstreu Werbende sähen sich unter diesen Umständen dem Verdacht ausgesetzt, dass auch ihre Endpreise keine solchen sind. Dies verschafft der Beklagten aber fraglos einen greifbaren Wettbewerbsvorteil. Dieser wird noch dadurch verstärkt, dass Interessenten angesichts der Vielfalt der erforderlichen Additionen von einem realistischen Vergleich der angebotenen Preise abgelenkt werden können, da sie im Hinblick auf den "Dschungel" von Zusatzkosten abstumpfen. Bei alldem ist zu berücksichtigen, dass Flugreiseangebote nicht so kritisch durchgesehen werden, wie etwa Angebote auf dem Immobilienmarkt. Letztlich geht es doch "nur" um Preise, die für eine Urlaubsreise - gegebenenfalls auch für eine Geschäftsreise - von Bedeutung sind. Dies ist dem Erwerb von Immobilien nicht gleichzustellen.

Der Kläger ist auch aktivlegitimiert (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG). Der Anspruch des Klägers betrifft eine Handlung, durch die wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass dem Wort "wesentlich" in § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht zwingend dieselbe Bedeutung zukommen muss wie demselben Wort in Nr. 2 dieser Vorschrift. Denn im Rahmen der Nr. 3 bezieht sich das Erfordernis der Wesentlichkeit auf die Belange der Verbraucher, während es in Nr. 2 um das Funktionieren des Wettbewerbs geht. Es sind also Handlungen vorstellbar, die nur in einer Hinsicht "wesentlich" sind. Der Senat schließt sich der Auffassung des OLG München (NJW-RR 1999, 485 f.) an, derzufolge ein Verbraucherverband wie der Kläger befugt ist, Verstöße gegen die Preisangabenverordnung zu verfolgen, denn diese berühren wesentliche Verbraucherbelange. Die Preisangabenverordnung enthält zwar wertneutrale Ordnungsvorschriften. Deren Zweck ist es aber, dem Verbraucher einen Preisvergleich zu ermöglichen und dadurch allgemein den Wettbewerb zu fördern. Die Preisangabenverordnung hat in diesem Sinne eine verbraucherschützende Zielrichtung. Verstöße gegen sie berühren damit wesentliche Verbraucherbelange, und zwar nicht nur einzelner Verbraucher, sondern speziell hier einer beträchtlichen Gruppe. Immerhin geht es hier um eine Werbung für Flüge in beliebte Urlaubsziele, für die sich naturgemäß viele Verbraucher interessieren (zustimmend zur Entscheidung des OLG München auch Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Auflage, Rdnr. 466). Ob bei einer Klage eines Verbandes im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG genauso entschieden würde, kann offen bleiben (vgl. dazu auch OLG München MDR 1999, 911).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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