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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 06.07.1999
Aktenzeichen: 5 U 1196/98
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 1
§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG

Ein Gewinnspiel, bei dem das Publikum nach dem Erklingen von ein und/oder zwei Musikstücken, die in zeitlich für das Publikum nicht vorauszusehenden Abständen gespielt werden, bei einem Radiosender anrufen muss, um einen ausgelobten Gewinn von bis zu 200.000,-- DM zu erlangen, ist unzulässig. Die Unlauterkeit liegt in der Verbindung eines sehr hohen Gewinns mit den Zwang, den Sender über eine unbestimmte Zeit hinweg verfolgen zu müssen.

KG Berlin Urteil 06.07.1999 - 5 U 1196/98 - 102 O 217/97 LG Berlin


hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, den Richter am Kammergericht Crass und die Richterin am Landgericht Kingreen auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. Januar 1998 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung wegen der Untersagung in Höhe von 150.000,00 DM und im übrigen in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 150.000,00 DM.

Gründe

Der Kläger ist die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs e.V.. Die Beklagte betreibt den privaten Radiosender 94 3 r.s.2.

In der Zeit vom 27. Januar bis zum 31. Januar 1997 ließ die Beklagte bei Endverbrauchern Postkarten einwerfen, in denen sie mit folgenden Angaben warb:

"Bei 94 3 r.s.2 können Sie zur Zeit 100.000,00 Mark gewinnen und verdoppeln, wenn Sie uns diese Postkarte zurückschicken. Einfach ausfüllen, Radio einschalten und dann hören Sie, wie Sie 200.000,00 Mark gewinnen können!"

Der Verbraucher musste, wenn er an dem Gewinnspiel teilnehmen wollte, auf der Postkarte sein Einverständnis erteilen, dass die Beklagte ihn während der laufenden Rundfunksendung im Rahmen des Gewinnspiels anrufen durfte.

Am 3. Februar 1997 veröffentlichte die Beklagte in der Berliner Zeitung eine Anzeige, in der sie das Gewinnspiel bewarb.

In der entsprechenden Radiosendung der Beklagten lobte sie einen Gewinn von 1.000,00 DM an denjenigen aus, der sich, nachdem ein bestimmtes, vorher bekanntgegebenes Lied in dem Musikprogramm gespielt wurde, als 10. Anrufer bei der Beklagten meldete. Wurden zwei bestimmte, vorher benannte Musikstücke gespielt, so lobte die Beklagte 100.000,00 DM an den 10. Anrufer aus. Die Höhe des gewonnenen Geldbetrages verdoppelte sich, wenn der Anrufer Mitglied im "94 3 r.s.2 Gewinnclub" war.

Nachdem der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 5. Februar 1997 abgemahnt hatte, erwirkte er eine einstweilige Verfügung des Senats vom 13. Mai 1997 - 5 W 3259/97, durch die in Änderung des Beschlusses der Zivilkammer 15 des Landgerichts vom 10. März 1997 - 15 O 112/97 - der Beklagten das streitgegenständliche Verhalten untersagt wurde. Unter dem 23. Juni 1997 übersandte der Kläger der Beklagten ein Abschlussschreiben. An Kosten für dieses und die Abmahnung hatte der Kläger 465,45 DM.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass diese Werbeaktion sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. der Beklagten bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Teilnahme an einem Gewinnspiel davon abhängig zu machen, dass das Publikum nach dem Erklingen von ein und/oder zwei Musikstücken, die in zeitlich für das Publikum nicht vorauszusehenden Abständen gespielt werden, bei der Beklagten anrufen muss, um einen ausgelobten Gewinn in Höhe von bis zu 200.000,00 DM zu erlangen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 465,45 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (19. August 1997) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen:

Der Antrag sei zu unbestimmt, weil er nicht erkennen lasse, ab Auslobung welchen Betrages eine unzulässige Verbindung zwischen der Gewinnchance und der Notwendigkeit, diese durch Zuhören zur realisieren, hergestellt werde. Die Durchführung von Verlosungen, bei denen die Notwendigkeit bestehe, das Rundfunkprogramm zu hören, sei bei allen privaten Hörfunksendern üblich.

Die Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts hat durch das am 6. Januar 1997 verkündete Urteil, auf das Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Die Beklagte rügt:

Der Antrag des Klägers, der nicht nur das konkrete Gewinnspiel erfassen wolle, sei unzulässig. Die untere Verbotsgrenze sei nicht ersichtlich. Die Kriterien der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Gewinnnspielen seien nicht ohne weiteres auf diesen Fall zu übertragen, weil die angesprochenen Verkehrskreise nicht zur Vornahme wirtschaftlicher Entschließungen veranlasst würden. Da sie sowohl das Programm als auch die Teilnahmemöglichkeit unentgeltlich erhalten würden, fehle die Leistung eines Einsatzes. Die Verbindung ihres Gewinnspiels mit der Notwendigkeit der Konsumtion ihres Programms sei an sich zulässig und üblich. Fünf- und Sechsstellige Geldgewinne würden von den angesprochenen Verkehrskreisen der bis zu 35-Jährigen keineswegs als außerordentlich spektakulär empfunden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger erwidert:

Das wettbewerbswidrige Gepräge sei in der Höhe des ausgelobten Betrages zu sehen. Nach der allein maßgeblichen Verkehrsauffassung sei davon auszugehen, dass Gewinne bis zu 200.000,00 DM nur bei der Beklagten zu haben seien, wie sich u.a. auch aus dem Anzeigentext "Nur bei 94 3 r.s.2 gibt's die großen Geldgewinne!" ergebe.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Akten 15 O 112/997 des Landgerichts Berlin haben vorgelegen und sind zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger ist klagebefugt nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, da ihm alle Industrie- und Handelskammern und die meisten Handwerkskammern angehören, die nach § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG selbst zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der gegebenen Art prozessführungsbefugt wären (vgl. BGH GRUR 1995, 122 - Laienwerbung für Augenoptiker).

Die Klage enthält auch einen bestimmten Klageantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und in der Zwangsvollstreckung, wenn dem gestellten Antrag im Erkenntnisverfahren Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH GRUR 1992, 561, 562 - Unbestimmter Unterlassungsantrag II). Ob der Klageantrag Inhalt und Umfang des begehrten Verbots hinreichend bestimmt erkennen lässt, ist nicht allein nach dem Wortlaut des Antrags, sondern auch unter Heranziehung des Vorbringens zu entscheiden, auf das sich die Klage stützt (BGH GRUR 1990, 611, 616 - Werbung im Programm). Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens bestehen im Streitfall gegen die Formulierung des Klageantrages keine Bedenken, der das näher beschriebene Gewinnspiel mit einem Höchstgewinn 200.000,00 DM erfasst. Der Kläger hat mit seinem Vortrag deutlich gemacht, dass Gegenstand seines Begehrens - unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Wiederholung von Gewinnspielen der beanstandeten Art - die konkrete Verletzungsform mit einer gewissen Verallgemeinerung ist.

Die Klage ist auch begründet.

- Klageantrag zu 1. -

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 13 Abs. 2 Nr. 2, 1 UWG.

Der Senat hält in anderer Besetzung an den Gründen seines Beschlusses vom 13. Mai 1997 - 5 W 3259/97 - fest, in denen es bezogen auf die Beklagte als Antragsgegnerin u.a. heißt:

"Gewinnspiele, die lediglich den Charakter einer Gratisverlosung tragen, sind nicht grundsätzlich unzulässig. Dies gilt nach Auffassung des Senates auch dann, wenn diese Veranstaltungen spektakulären Charakter gewinnen. Erst das Hinzutreten besonderer Umstände kann der Veranstaltung den Stempel der Unlauterkeit aufprägen (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 167).

Der Senat sieht hier einen derartigen Umstand darin, dass die Antragsgegnerin durch die Auslobung von Gewinnen bis zu 200.000,00 DM ihre Kunden, die Rundfunkhörer, übertrieben anlockt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Unlauterkeit nicht allein in der Höhe des ausgelobten Gewinnes, sondern in der Verbindung eines von den angesprochenen Verkehrskreisen als spektakulär empfundenen Gewinnes mit dem Zwang, eine bestimme Musiksendung über längere Zeit hinweg verfolgen zu müssen, um die Möglichkeit zu erhalten, an dem Gewinnspiel tatsächlich teilnehmen zu können. Damit zwingt die Antragsgegnerin die an dem Gewinnspiel interessierten Verbraucher über längere Zeit ihr Produkt, ihre Radiosendung, zu beziehen, ohne dass die Antragsgegnerin diese Hörer durch ihre den Kriterien des Leistungswettbewerbs entsprechenden Leistungen überzeugt haben muss. Ein Gewerbetreibender handelt aber wettbewerbswidrig, wenn er zu Zwecken des Wettbewerbs die Spiellust des Kunden dadurch für sich ausnutzt, dass er sie in irgendeiner Form mit dem Absatz seiner Ware oder marktlichen Verwendung sonstiger Leistungen verkoppelt (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdnr. 147).

Damit überschreitet die Antragsgegnerin eindeutig das, was auch unter Berücksichtigung der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 GG und unter Beachtung des schärfer werdenden Wettbewerbes auf dem Rundfunkmarkt noch hingenommen werden kann."

Diese Ausführungen sind noch dahingehend zu ergänzen, dass es sich um eine sog. aleatorische Veranstaltung ohne Einsatz handelt, die im Allgemeinen zulässig ist. Beurteilungsmaßstab ist die Frage, ob das aleatorische Werbemittel nicht mehr nur Aufmerksamkeitswerbung ist, sondern in ihrer Sachfremdheit zum Ersatz des Leistungswettbewerbs wird (vgl. Köhler/Piper, § 1 UWG Rdnr. 57). Unlauterkeitskriterien sind die Kopplung der Teilnahmeberechtigung mit dem Warenabsatz sowie übertriebenes Anlocken durch wertvolle Gewinne. Diese Voraussetzungen erfüllt das Gewinnspiel der Beklagten, wobei allerdings nicht die Freiheit des Kaufentschlusses des Teilnehmers, sondern nur die der Wahl eines Radiosenders mit seinen inhaltlichen Angeboten und Werbezeiten spürbar beeinflusst wird. Die Unlauterkeit liegt hier in der Verbindung eines sehr hohen Gewinns, der ein durchschnittliches Jahresnettoeinkommen der jungen Hörer weit überschreiten wird, mit dem Zwang, den Sender über eine unbestimmte, ggf. auch längere Zeit hinweg verfolgen zu müssen. Durch diese Ungewissheit, wie lange die Sendung angehört werden muss, unterscheidet sich der Fall auch von sonstigen Gewinnspielen in Sendern. Für den Ausnahmecharakter ihrer Preise spricht auch schon die eigene Werbung der Beklagten "Nur bei 94 3 r.s.2 gibt's die großen Geldgewinne".

Dieser Begründung steht auch nicht entgegen, dass die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Gewinnspielen bisher den Gesichtspunkt hervorgehoben hat, die Teilnahme dürfe nicht mit dem Warenabsatz verkoppelt werden, wenn durch diese Kopplung die angesprochenen Personen dazu verleitet werden können, ihre wirtschaftlichen Entschließungen nicht im Hinblick auf die Eigenschaften und Preise der Waren, sondern im Hinblick auf sachfremde Motive zu treffen (vgl. BGH GRUR 1989, 434, 436 - Gewinnspiel; BGH GRUR 1990, 611, 616 - Werbung im Programm). Bei der Übertragung der dort entschiedenen Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist es ohne Bedeutung, dass den Hörern keine wirtschaftliche Entschließung abverlangt wird. Wirtschaftliche Auswirkungen hat die Entscheidung, eine gewisse Zeit den Radiosender der Beklagten zu verfolgen, jedenfalls, auch wenn dies für den Hörer kostenlos ist. Aus der Sicht der Wettbewerber handelt es sich um ein mit dem Kauf einer Ware vergleichbares Verhalten, weil sich die Gewinne statt durch die Zahlung von Kaufpreisen mit der Steigerung der Hörerquote und der Werbeeinnahmen zugunsten eines Konkurrenten und zu Lasten der anderen erhöhen. Dieses eignet sich auch, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.

- Klageantrag zu 2. -

Aus den zutreffenden Gründen des Landgerichts hat der Kläger die Zahlungsansprüche wegen der Kosten der Abmahnung und des Abschlussschreibens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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