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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: 5 U 226/04
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 34
BGB § 712 Abs. 1
BGB § 737
HGB § 117
HGB § 127
HGB § 140
Selbst wenn das für Personenvereinigungen erwogene Abstimmungsverbot des Betroffenen bei Maßnahmen aus wichtigem Grund auf das Vereinsrecht übertragen werden könnte, bliebe im gerichtlichen Verfahren betreffend das Stimmrecht zu entscheiden, ob ein wichtiger Grund tatsächlich vorliegt.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 U 226/04

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase, die Richterin am Kammergericht Kasprik-Teperoglou und den Richter am Kammergericht Dr. Pahl am 22. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

1.

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 14. September 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin - 16 O 426/04 - wird zurückgewiesen.

2.

Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens nach einem Wert von 50.000,00 EUR zu tragen.

Gründe:

A.

Der Antragsteller wurde unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Bezeichnung im Jahr 1949 als Dachverband gegründet. Seine direkten Mitglieder sind die jeweiligen Landesverbände. Dazu zählte bzw. zählt auch der Antragsgegner, der bis zum 27. Mai 2002 den Namen "Jnnnnnn - Vnnn Bnnn e.V." führte. Die in den Landesverbänden organisierten Journalisten gehören dem Antragsteller nur mittelbar an, es sei denn, die jeweilige Satzung des Landesverbandes bestimmt eine unmittelbare Mitgliedschaft. Nach der Satzung des Antragsgegners ist dies nicht der Fall.

Nach einer Vereinbarung des Antragstellers mit den Innenministern des Bundes und der Länder ist er neben wenigen anderen Verbänden zur Ausgabe bundeseinheitlicher Presseausweise berechtigt. Diese Aufgabe durfte er auf die Landesverbände delegieren, wovon er Gebrauch machte. Für die in Berlin lebenden Journalisten stellte daher der Antragsgegner die Presseausweise aus.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen des auf dem außerordentlichen Verbandstag des Antragstellers am 16. Juli 2002 - in offener Abstimmung - ergangenen Beschlusses, durch den der Antragsgegner mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen wurde. Der Antragsteller wirft dem Antragsgegner vor, Vorstandsmitglieder des Lnnnnnnn Bnnnnn und des Antragsgegners hätten die Vorstandswahlen des am 15. Mai 2004 abgehaltenen Gewerkschaftstages des Lnnnnnnn Bnnnnn und die Vorstandswahlen des am 6. Juni 2004 abgehaltenen Gewerkschaftstages des Antragsgegners manipuliert. Dabei hätten Vorstandsmitglieder des Lnnnnn nn Bnnnnn unberechtigt Personen (die kurzzeitig vorher Aufnahmeanträge gestellt hatten) wie Mitglieder an den Wahlen des Lnnnnnnn Bnnnnnn teilnehmen lassen. Ein Teil dieser Personen hat dann - satzungsgemäß grundsätzlich zulässig - einen Wechsel vom Lnnnnnnn Bnn nnnn zum Antragsgegner gefordert. Diese Personen haben am 5. Juni 2004 - wie Mitglieder - auch an den Vorstandswahlen des Antragsgegners teilgenommen. Der Antragsteller behauptet, Überweisungsschreiben (betreffend den Mitgliederwechsel) des Lnnnnnnn Bnnnnn vom 28. Mai 2004 seien nach dem 5. Juni 2004 rückdatiert worden. Der Antragsgegner meint hingegen, die genannten Personen hätten jeweils als berechtigte Mitglieder bei den Vorstandswahlen mitgestimmt.

Das Landgericht hat die Anträge des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (im Wesentlichen: Verbot der Namensführung, der Nutzung der Domain "www.d nnnnnn ", der Ausgabe bundeseinheitlicher Presseausweise und Herausgabe vorhandener Blankette) zurückgewiesen. Es fehle an einem Ausschlussgrund, denn eine "Rückdatierung" der Überweisungsschreiben sei nicht glaubhaft gemacht und eine vorbestehende wirksame Mitgliedschaft im überweisenden Landesverband müsse der aufnehmende Landesverband nicht überprüfen. Im Übrigen hätte allenfalls der abgewählte, nicht aber der amtierende Vorstand insoweit eine Prüfungspflicht verletzt und die Einhaltung der internen Satzungsbestimmungen des Antragsgegners berühre die Interessen des Antragstellers nicht - wie für einen Ausschluss nach § 3 Abs. 3 der Satzung des Antragstellers erforderlich - unmittelbar, sondern nur mittelbar.

B.

Die Berufung des Antragsstellers ist unbegründet, § 522 Abs. 2 ZPO.

I.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH unterliegen vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte; diese muss jedoch in grundsätzlicher Anerkennung der Vereinsautonomie bestimmte Grenzen einhalten. Seit langem anerkannt ist, dass die Gerichte jedenfalls nachprüfen können, ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet ist, sonst keine Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist (BGHZ 87, 337 [343]). In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung hat der BGH entschieden, dass die Gerichte auch darüber zu befinden haben, ob die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegt wurden, bei objektiver und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Tatsachenermittlung zutreffend festgestellt worden sind (BGHZ 87, 337 [345]); die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die herangezogene Vorschrift gehöre hingegen zu den Maßnahmen, die ein Verein in Ausübung seiner Vereinsgewalt eigenverantwortlich zu treffen habe und die gerichtlich daher nur in den genannten engen Grenzen nachprüfbar seien (BGHZ 87, 337 [345]; BGHZ 47, 381 [384]). Für Monopolverbände und Vereinigungen mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich, bei denen die Mitgliedschaft für den einzelnen aus beruflichen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen von erheblicher Bedeutung ist, hat der BGH die Grenzen noch enger gezogen (BGHZ 102, 265/ 277).

II.

Der Beschluss des Verbandstages des Antragstellers vom 16. Juli 2004 zum Ausschluss des Antragsgegners ist schon wegen eines Verfahrensfehlers unwirksam. Denn er ist schon nicht satzungsgemäß (in geheimer Abstimmung) zustande gekommen.

1.

Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 4 der Satzung des Antragstellers (nachfolgend "Satzung") findet eine geheime Abstimmung "bei Beschlussfassungen in personellen Angelegenheiten" statt, falls ein Mitglied des Verbandstages dies verlangt.

Ein Antrag auf eine geheime Abstimmung über die Beschlussfassung zum Ausschluss des Antragsgegners ist auf dem Verbandstag gestellt worden. Ob dieser Antrag § 13 Abs. 2 Satz 3 der Satzung (Verlangen von einem Drittel der Delegierten notwendig) oder § 13 Abs. 2 Satz 4 der Satzung (Verlangen eines Mitgliedes genügt) unterfiel, war von der Versammlungsleitung des Antragstellers eigenständig rechtlich zu prüfen. Ein "Wahlrecht" zwischen diesen Satzungsbestimmungen bestand weder für die Versammlungsleitung des Antragstellers noch für den beantragenden Delegierten, zumal es fernliegend wäre anzunehmen, der eine geheime Abstimmung verlangende Delegierte wolle auf den Schutz aus § 13 Abs. 2 Satz 4 der Satzung verzichten und sich freiwillig dem Erfordernis einer "Vorabstimmung" nach § 13 Abs. 2 Satz 3 der Satzung aussetzen. Auf den Wortlaut des Antrages zur geheimen Abstimmung (der hier ohnehin uneingeschränkt gestellt war) kommt es daher nicht an, ebensowenig auf die von der Versammlungsleitung geäußerte Einordnung als Antrag nach § 13 Abs. 2 Satz 3 der Satzung, wenn dies rechtlich unzutreffend war.

2.

Der Beschluss zum Ausschluss des Antragsgegners betrifft eine "personelle Angelegenheit" (zur "objektiven" Auslegung von Satzungen BGH, NJW 1997, 3368, 3369).

a) Dass die Frage der Mitgliedschaft vereinsrechtlich grundsätzlich eine personelle Angelegenheit ist, legen schon ungezwungen der Wortlaut der Satzungsbestimmung und der Sinn einer geheimen Wahl nahe. Nach dem Wortsinn können "personelle Angelegenheiten" sowohl solche natürlicher als auch juristischer Personen sein.

b) § 13 der Satzung unterscheidet - beginnend in seiner Überschrift - "Beschlussfassungen und Wahlen". "Beschlussfassungen in personellen Angelegenheiten" sind schon deshalb weiter zu verstehen als nur auf "Wahlen" bezogen.

In § 13 Abs. 2 Satz 4 der Satzung ist aber nicht der allgemeine Begriff "Wahlen" verwendet worden, sondern der jedenfalls weitergehende Begriff "Beschlussfassungen".

c)

§ 13 Abs. 2 Satz 4 der Satzung erfasst daher zum einen etwa Beschlussfassungen über eine Ehrenmitgliedschaft nach § 26 Abs. 1 der Satzung und Amtsenthebungen nach § 27 Abs. 2 der Satzung, weil damit zwanglos eine natürliche Person betreffende Vereinsangelegenheiten berührt sind. Eine geheime Wahl soll den Delegierten die Möglichkeit eröffnen, ohne Rücksicht auf persönliche Beziehungen zu den vom Beschluss betroffenen oder anderen Mitgliedern (mit eigenen persönlichen Interessen) allein nach Sachgesichtspunkten zu entscheiden.

Dies gilt aber um so mehr für einen Ausschluss eines Landesverbandes nach §§ 3 Abs. 3 Satz 2, 10 Abs. 2 lit. j der Satzung. Denn der Ausschluss betrifft unmitttelbar zwar nur den jeweiligen Landesverband als juristische Person. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 der Satzung sind aber auch die einzelnen Mitglieder der Landesverbände (die - wie hier durch die Satzung des Antragsgegners - keine unmittelbare Mitgliedschaft bei dem Antragsteller erhalten haben) "mittelbare Mitglieder" des Antragstellers. Sie sollen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 der Satzung sogar die gleichen "Rechte und Pflichten" haben wie die als unmittelbare Mitglieder des Antragstellers organisierten Mitglieder anderer Landesverbände. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit derartigen "mittelbaren Mitgliedern" wirksam auch Pflichten auferlegt seien können (die Frage einer "Mitgliedschaft" offen lassend bei fehlender "direkter" Mitgliedschaft: KG, 9. Zivilsenat, ArbuR 1977, 189, 190; die Entscheidung des Senats im KG - Report 2000, 17, betrifft keinen Fall einer "mittelbaren" Mitgliedschaft im vorliegenden Sinne eines Vereinsverbandes). Denn selbst außenstehenden Nichtmitgliedern können - etwa im Zusammenhang mit einem Aufnahmeantrag - in der Satzung Schutzrechte eingeräumt werden (BGH, NJW 1987, 2503, 2504). Ob § 3 Abs. 1 Satz 4 der Satzung auch den "mittelbaren" Mitgliedern eigene Rechte zur Geltendmachung von Satzungsverstößen usw. gewähren will, mag im Hinblick auf § 4 der Satzung fraglich sein. Jedenfalls aber will § 3 Abs. 1 Satz 3, 4 der Satzung ausdrücklich die "mittelbaren Mitglieder" soweit als möglich personell in den Antragsteller einbinden und eine Gleichbehandlung ermöglichen, nicht zuletzt auch zur Stärkung eines solidarischen Verhaltens aller unmittelbaren und mittelbaren Mitglieder. Dies bestärkt die Annahme, dass bei der Auslegung des § 13 Abs. 2 Satz 4 der Satzung der Begriff einer "personellen Angelegenheit" nicht unterschiedlich interpretiert werden darf, je nach dem, ob eine "unmittelbare" oder nur "mittelbare" Mitgliedschaft einer natürlichen Person in Rede steht. Im Falle einer "unmittelbaren" Mitgliedschaft der natürlichen Person auch im Vereinsverband (vermittelt durch entsprechende Satzungsbestimmungen des Vereinsverbandes und des Mitgliedvereins) drängt sich die Annahme einer "personellen Angelegenheit" um so mehr auf, wenn der Ausschluss des Mitgliedvereins zugleich auch zum "Ausschluss" der natürlichen Person aus dem Vereinsverband führt.

§ 3 Abs. 2 Satz 2 der Satzung lässt eine mittelbare persönliche Mitgliedschaft (der einzelnen Mitglieder der Landesverbände des Antragstellers) dann enden, wenn die Zugehörigkeit des jeweiligen Landesverbandes zum Antragsteller beendet wird. Damit bewirkt der Beschluss zum Ausschluss eines Landesverbandes zugleich auch eine pauschale Beendigung der mittelbaren "persönlichen Mitgliedschaft" der einzelnen Mitglieder der Landesverbände des Antragstellers. Ein solcher Beschluss stellt damit in seiner Wirkung ebenso einen "Ausschluss" dar, denn die persönliche Mitgliedschaft wird ohne Einverständnis des betroffenen Mitgliedes durch eine Willensentscheidung des Antragstellers entzogen. Auch insoweit sind daher nachhaltig persönliche Beziehungen der Delegierten tangiert, die jedem von ihnen hinreichend Veranlassung geben können, eine geheime Abstimmung zu verlangen, um ohne persönlichen Druck aus den Beziehungen zu betroffenen Mitgliedern des vom Ausschluss betroffenen Landesverbandes oder zu Mitgliedern seines eigenen Landesverbandes und dessen mehrheitlicher Stellungnahme entscheiden zu können. Die Handlungsfähigkeit des Antragstellers wird durch eine solche Einbeziehung des Mitgliedschaftsausschlusses in § 3 Abs. 2 Satz 4 der Satzung nicht nachhaltig eingeschränkt.

3.

Der Delegierte des Antragsgegners war auch nicht als ein "Richter in eigener Angelegenheit" von der Beschlussfassung über den Ausschluss des Antragsgegners - und damit auch von diesbezüglichen Verfahrensanträgen - ausgeschlossen.

a)

Die Regelungen zu Beschlussfassungen des Gesamtvorstandes und des Bundesvorstandes schließen in §§ 19 Abs. 4, 25 Abs. 4 der Satzung das Stimmrecht eines Mitgliedes dieser Organe des Antragstellers bei eigenen Angelegenheiten aus. Für das weitere "Organ" des Antragstellers - den Verbandstag, § 8 lit.a der Satzung - sieht die entsprechende Regelung zu Beschlussfassungen in § 13 der Satzung einen derartigen Stimmrechtsausschluss nicht vor.

b)

Nach § 34 BGB ist ein Mitglied nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäftes mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft.

Bei dem vorliegenden Beschlussgegenstand (Ausschluss des Antragsgegners aus dem Verein) ging es weder um den Abschluss eines Rechtsgeschäftes noch um die Einleitung eines Rechtsstreits, sondern allein um eine vereinsinterne mitgliedschaftliche Angelegenheit (vgl. hierzu BGH, NJW 2002, 3704, 3707). Die Voraussetzungen des § 34 BGB liegen deshalb nicht vor (vgl. OLG Köln, NJW 1968 , 992, 993).

c)

Die in § 34 BGB geregelten Fälle einer Interessenkollision sind grundsätzlich abschließend aufgeführt und einer ausdehnenden Auslegung nicht zugänglich (OLG Köln, a.a.O.).

Der Gesichtspunkt, niemand dürfe Richter in eigener Sache sein, war schon bei der Schaffung des BGB bekannt. Wenn der Gesetzgeber in § 34 BGB auf eine dahingehende Allgemeinregelung verzichtet und nur für wenige, bestimmte Fälle einen Stimmrechtsausschluss normiert hat, dann will er es grundsätzlich den Vereinen überlassen, in eigener autonomer Entscheidungsfreiheit über ihre innere Ordnung zu befinden, insbesondere ob etwa in den Satzungen weitergehend auch andere Fälle einer Interessenkollision erfasst werden sollen (vgl. BGH, NJW 1981, 744). Dies trägt den vielschichtig denkbaren Fallgestaltungen einer Befangenheit und möglichen unterschiedlichen Bewertungen derselben durch die Vereine Rechnung.

Angesichts der typischer Weise gegebenen Vielzahl von Mitgliedern eines Vereins und ihrer Stimmberechtigung grundsätzlich mit gleichem Gewicht ist eine Majorisierung der Beschlussfassung allein durch das "befangene" Vereinsmitglied regelmäßig ausgeschlossen. Auch die Stimme des "Befangenen" Vereinsmitgliedes kann hingegen noch als sinngebender Ausdruck der Meinungslage im Verein verstanden werden. Der Stimmrechtsausschluss wirkt präventiv. Auch wenn ein Vereinsmitglied bei einer Beschlussfassung (persönliche) Sonderinteressen verfolgt ( und deshalb "befangen" sein könnte), muss dies nicht notwendig im Hinblick auf das Gesamtinteresse des Vereins zu nachteiligen Ergebnissen führen.

d)

Allerdings soll ein Stimmverbot für Mitglieder einer Personenvereinigung dann eingreifen, wenn über Maßnahmen zu entscheiden ist, die die Gemeinschaft gegenüber dem einzelnen Mitglied aus wichtigem Grund vornehmen will. Grundlage hierfür soll ein dahingehender, in den §§ 712 Abs. 1, 737 BGB, §§ 117, 127, 140 HGB zum Ausdruck gekommener, allgemeiner Rechtsgedanke sein (BGH, NJW 2002, 3704, 3707 m.w.N.).

aa)

Es ist aber schon zweifelhaft, ob dieser für eine Wohnungseigentümergemeinschaft ausgesprochene Grundsatz auch auf das Vereinsrecht übertragen werden kann.

Die oben genannten Regelungen sind auf Personengesellschaften bezogen, deren Gesellschafter typischerweise durch ein Band besonderen persönlichen Vertrauens verbunden sind. Dieses konstituierende Element des persönlichen Vertrauens ist regelmäßig in hohem Maße berührt, wenn gegen ein einzelnes Mitglied aus wichtigem Grund vorgegangen werden soll. Die in den oben genannten Regelungen vorgesehenen Stimmverbote können daher als Ausdruck und Schutz dieses besonderen Vertrauensverhältnisses verstanden werden. Darüber hinaus erfolgt die Mehrheitsbildung für Beschlüsse einer Personengesellschaft - entgegen der Zweifelsregelung der §§ 709 Abs. 2 BGB, 119 Abs. 2 HGB - häufig nicht nach "Köpfen", sondern Einlagenhöhe (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 709 Rdn. 2). Ein Mehrheitsgesellschafter kann dann nicht zeitnah schon durch einen Gesellschafterbeschluss aus wichtigem - und damit regelmäßig zeitlich dringendem - Grund von der Geschäftsführung usw. abberufen werden, wenn er mit seiner "Mehrheit" an der Abstimmung teilnehmen darf.

Ob ein solches besonderes persönliches Vertrauensverhältnis typischerweise auch zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft besteht und deshalb die oben genannten Regelungen interessengerecht übertragbar sind, kann hier dahingestellt bleiben. Immerhin beziehen sich die Regelungen des Wohnungseigentumsrechts nach § 10 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative WEG hilfsweise auf das Recht der Gemeinschaft, auf das ergänzend teilweise auch das Personengesellschaftsrecht Bezug nimmt (z. B. § 731 Satz 2 BGB).

Das Vereinsrecht ist hingegen körperschaftlich strukturiert. Ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den Mitgliedern ist bei einem Verein in der Regel nicht konstituierend, denn der Verein soll typischerweise für einen fortlaufenden Mitgliederwechsel offen sein. Deshalb kann im Vereinsrecht auch dem Gewicht der Meinungsbildung kraft Mehrheit größere Bedeutung zukommen (jedenfalls bei der Stimmabgabe als Mitglied, anderes mag für Organbeschlüsse in Betracht kommen) als einem Schutz der persönlichen Vertrauensgrundlage zwischen den Vereinsmitgliedern und einer präventiven Sicherung sachlich orientierter Beschlussergebnisse. Typischerweise wird in Vereinen auch nach "Köpfen" abgestimmt (gleiches Stimmengewicht eines jeden Mitglieds), so dass das "betroffene" Mitglied mit seiner Stimme allein die Beschlussentscheidung nicht majorisieren kann.

bb)

Selbst wenn aber das oben genannte Stimmverbot im Fall einer aus wichtigem Grund beabsichtigten Maßnahme auch im Vereinsrecht eingreifen sollte, so müsste konsequent auch die zum Schutz des von der Stimmabgabe ausgeschlossenen Mitgliedes mögliche gerichtliche Überprüfung einschränkungslos zugelassen werden.

Denn abschließend wird über das Stimmrecht des betroffenen Mitglieds im gerichtlichen Verfahren danach entschieden, ob ein wichtiger Grund tatsächlich vorliegt (BGH, NJW 2002, 3704, 3708). Im Rahmen dieser verfahrensrechtlichen Prüfung des wichtigen Grundes (als hinreichende Grundlage eines Stimmverbots) kommt der Beschlussfassung des Vereins also kein - aus der Vereinsautonomie folgender - Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zu.

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein wichtiger Grund für eine Ausschließung des Antragsgegners vorlag. Denn der Vereinsausschluss war jedenfalls unverhältnismäßig.

(1)

Die Ausschließung aus einem Verein ist die einschneidenste Maßnahme, die ein Verein gegen ein Mitglied verhängen kann. Grundsätzlich darf die Ausschließung nur das letzte und äußerste Mittel sein, und sie kommt dann nicht in Frage, wenn andere gangbare Wege zur Beseitigung des Missstandes vorhanden sind (BGHZ 16, 317, 322 für eine GmbH).

(2)

Die dem Antragsgegner (bzw. seinen Organen) vorgeworfene Manipulation seiner Vorstandswahl stellt eine bislang vereinzelte Fehlhandlung dar. Sie trifft unmittelbar nur die Mitglieder des Antragsgegners, auch wenn eine mittelbare "Ausstrahlung" auf den Antragsteller und sein Ansehen nicht verkannt werden soll.

Soweit Organmitglieder des Antragsgegners automatisch kraft Satzung des Antragstellers auch Teil von Organen des Antragstellers sind, wirkt sich dies nicht notwendig erheblich aus, denn eine "Majorisierung" dieser Organe des Antragstellers allein durch Organmitglieder des Antragsgegners ist fernliegend. Die "Manipulation" selbst betrifft im Wesentlichen nur Formalien einer ordnungsgemäßen (förmlichen) Mitgliedsaufnahme. Dass die an den genannten Vorstandswahlen teilnehmenden "neuen" bzw. "überwiesenen" Mitglieder schon keine zur Mitgliedschaft befugten Journalisten waren, hat der Antragsteller jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. Der kurzfristige Beitritt vor einer Mitgliederversammlung (mit vollem Stimmrecht) ist satzungsgemäß möglich, ebenso ein solcher (zudem begründungsloser) Mitgliederwechsel zu einem anderen Landesverband. Unstreitig ist auch, dass die "neuen" Mitglieder beitreten und dann auch den Landesverband wechseln wollten. Es ist ebensowenig ersichtlich, dass die Vorstandsmitglieder des Antragsgegners und des Landesverbandes Brandenburg an sich die Formalien nicht hätten einhalten können. Ihnen könnte insoweit mithin allenfalls eine Nachlässigkeit - und gegebenenfalls deren Vertuschung - vorgeworfen werden. Dass ein Organmitglied des Landesverbandes Brandenburg bei den Wahlen des Antragsgegners als "Strippenzieher" aktiv gewesen sein soll, ist so lange rechtlich unbedenklich, als diese Person aufgrund eigener privater Kontakte zu Mitgliedern des Antragsgegners auf deren Entscheidung werbend Einfluss genommen haben sollte; darüber geht der Vortrag des Antragstellers auch nicht hinaus.

Ist unmittelbar nur die ordnungsgemäße Willensbildung der Mitglieder des Antragsgegners berührt, dann ist - auch für die "Ausstrahlung" auf den Antragsteller - grundsätzlich das weitere Verhalten dieser Mitglieder maßgeblich. Entspricht die in Rede stehende Wahl nach ihrer Durchführung und ihrem Ergebnis nicht den Vorstellungen der Mitglieder, steht es ihnen frei, die Wahl vor den Gerichten anzufechten. Ein solches "vereinsinternes" Klärungs- und "Reinigungsverfahren" ist grundsätzlich vorrangig vor Sanktionen von Dritten, die außerhalb des Vereins stehen. Die "mittelbare" Betroffenheit des Antragstellers hätte ihm hier - trotz des an sich bestehenden Solidaritätsgrundsatzes zu seinen Landesverbänden - erlaubt, Mitglieder des Antragsgegners zur Einleitung überprüfender gerichtlicher Verfahren zu ermuntern und ihnen - als eigenen mittelbaren Mitgliedern und wegen der mittelbaren Betroffenheit des Antragstellers - rechtliche Unterstützung und finanzielle Hilfe zukommen zu lassen. Derartiges wäre auch keine "Sanktion", die einer satzungsmäßigen Grundlage bedurft hätte.

Wird die in Rede stehende Wahl schon von Mitgliedern des Antragsgegners erfolgreich gerichtlich beanstandet, entfallen ihre Wirkungen und auch ein etwaiger "ausstrahlender" Makel. Auch der Antragsteller geht davon aus, dass zwischenzeitlich im Verfahren Landgericht Berlin 27 O 486/04 rechtskräftig festgestellt worden ist, dass die Durchführung der Hauptversammlung vom 05. Juni 2004 nichtig war. Schon im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Ausschluss lag die Einleitung derartiger Verfahren nahe und hätte - wie erörtert - vom Antragsteller gefördert werden können. Unter diesen Umständen erscheint der sofortige Ausschluss des Antragsgegners (der auch - wie aufgezeigt - zu einem Ausschluss aller "mittelbaren" Mitglieder des Antragstellers führt) jedenfalls unverhältnismäßig, und zwar auch unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Schutzes des Antragstellers als Koalition aus Art. 9 Abs. 3 GG (vgl. hierzu BVerfG, NJW 1999, 2657). Die Vorwürfe des Antragstellers berühren - wie erörtert - unmittelbar nur die innere und äußere Ordnung des Antragsgegners. Das Verhalten des Antragsgegners richtet sich nicht "zielgerichtet" gegen von dem Antragsteller nach außen hin vertretene Positionen. Mit dem Ausschluss drohte sich die Spaltung innerhalb der Mitgliedschaft des Antragsgegners zu verfestigen. Ein Abwarten einer gerichtlichen Überprüfung hätte dies weitgehend vermieden, insbesondere wenn der Antragsteller vor übereilten Austritten beim Antragsgegner gewarnt hätte bzw. nunmehr zu einer Rückkehr ermuntern würde.

Der Ausschluss trifft wesentlich die - auch nach Auffassung des Antragstellers - ganz überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Antragsgegners, die keinen Anteil an der vorgeworfenen Wahlmanipulation haben, selbst die Mitglieder des Antragsgegners, die - offenbar sogar erfolgreich - den Vorwurf gerichtlich haben klären lassen und damit einer Manipulation entgegen getreten sind. Mitglieder darauf zu verweisen, sie könnten sich anderen Landesverbänden des Antragstellers anschließen oder einen eigenen neuen Verband gründen, ist vorliegend unzureichend. Dies folgt nicht zuletzt schon daraus, dass - wie die Organisationsstruktur des Antragstellers zeigt - die Mitglieder sich und ihre Interesse ortsnah vertreten wissen wollen. In jedem Fall müssten die Mitglieder aber ihren bisherigen Landesverband verlassen. Dieser würde - nicht zuletzt dadurch - zerschlagen werden. Soweit nach den Wahlen im Mai/Juni 2004 Mitglieder bereits den Antragsgegner verlassen haben sollten, um sich einer anderen Organisation anzuschließen, mag eine - gerichtlich erzwungene - Wiederholung der Wahl wegen der nunmehr verfestigten Mehrheiten keine völlige "Heilung" der damaligen Wahlmängel bewirken. Es war aber insoweit gerade der Antragsteller, der mit dem Ausschluss des Antragsgegners und der Austrittsaufforderung an dessen Mitglieder diese Situation befördert hat.

Es war auch nicht der Antragsgegner, der von sich aus "kommentierend" und angreifend den Weg in die Öffentlichkeit gesucht hätte. Die Stellungnahmen des Vorstandes des Antragsgegners überschritten auch nicht die Grenzen hin zu einer "Schmähkritik".

e)

Darüber hinaus könnte sich vorliegend der Antragsteller auch gegenüber dem Antragsgegner nicht auf einen Stimmrechtsausschluss des die geheime Wahl beantragenden Delegierten (des Antragsgegners) berufen. Denn der Antragsteller hat auf dem Verbandstag diesen Delegierten vorbehaltslos als antragsbefugt angesehen und daraufhin eine - als geboten postulierte - Abstimmung über eine geheime Wahl durchführen lassen. Damit sind Delegierte der anderen Landesverbände davon abgehalten worden, jedenfalls hilfsweise einen eigenen Antrag zur geheimen Wahl zu stellen. Hätte der Antragsteller auf einen Stimmrechtsausschluss (und ein deshalb fehlendes Antragsrecht) des Delegierten des Antragsgegners hingewiesen, so hätte es hier mehr als nahe gelegen, dass dann Delegierte jedenfalls des Lnnnnnnn Bnnnnnn (der ja mit dem Antragsgegner zusammengewirkt haben soll) den Antrag gestellt hätten, um ihn jedenfalls nicht schon an der Förmlichkeit des Stimmrechtsausschlusses scheitern zu lassen.

4.

Es kann vorliegend auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verfahrensfehler einer offenen Abstimmung angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse und -ergebnisse irrelevant gewesen wäre.

a)

Die Delegierten haben kein imperatives Mandat. Soweit sie sich untereinander absprechen, bleibt dies freiwillig. Dass sie dem Wohl des Verbandes verpflichtet sind, schließt vorliegend eine Abstimmung gegen einen Ausschluss des Antragsgegners nicht aus. Denn - wie erörtert - war der Ausschluss jedenfalls nicht die einzige sachgerechte Reaktion. Insoweit blieb den Delegierten zudem ein eigenes Beurteilungsermessen.

b)

Die Mehrheitsergebnisse bei den Abstimmungen sind für sich genommen unerheblich. Denn sie können gerade auf persönlichen Rücksichtnahmen (gegenüber "Gegnern" des Antragsgegners) in einer offenen Abstimmung beruht haben, denen eine geheime Abstimmung vorgebeugt hätte.

III.

Darüber hinaus ist der Ausschluss auch in einem hohen Maß unverhältnismäßig, damit grob unbillig und deshalb unwirksam.

1.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller als bedeutender und mitgliederstärksten Fachgewerkschaft im Bereich des Journalismus eine so überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich inne hält, dass die Mitgliedschaft für den einzelnen aus beruflichen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen von erheblicher Bedeutung ist und deshalb das an sich weitgehend freie Ermessen des Verbandes bei einer Ausschließungsentscheidung eingeschränkt ist (vgl. BGH, NJW 1988, 552, 555). Einem Aufnahmezwang unterliegen - soweit erkennbar - weder der Antragsteller noch - nach ihrer Satzung - der Antragsgegner. Immerhin gilt aber: Ein Ausschluss ist um so eher unbillig, je wichtiger für den Betroffenen die Mitgliedschaft ist (BGH, a.a.0.).

2.

Beeinträchtigungen des Antragstellers aus der satzungsmäßigen Verknüpfung von Organmitgliedern der Parteien waren - wie erörtert - kaum zu erwarten. Einer etwaigen nachhaltigen Gefährdung des Ansehens des Antragstellers und der Geschlossenheit der Mitglieder hätte eine gerichtliche Überprüfung der beanstandeten Wahlen - wie ebenfalls erörtert - weitgehend begegnet.

Der Antragsgegner selbst war mit dem Ausschluss in seiner Existenz bedroht. Er verlor gewichtige Mitwirkungsrechte (etwa auch bei der Ausgabe von Presseausweisen) und die Tarifbindung seiner Mitglieder. Damit drohte er bedeutungslos zu werden. Dies berührte eigene grundgesetzlich geschützte Rechte des Antragsgegners aus einer Koalition. Der Ausschluss drohte die Spaltung innerhalb des Antragsgegners zu verfestigen. Die Möglichkeit zu einem Beitritt als Landesverband eines anderen Vereinsverbandes ist - wegen der dort regelmäßig schon vorhandenen Landesverbände - fernliegend.

Auch die einzelnen Mitglieder des Antragsgegners (und mittelbar des Antragstellers) werden - wie erörtert - gravierend in ihren Interessen beeinträchtigt. Sie gehen entweder mit dem Antragsgegner in die drohende gewerkschaftliche Bedeutungslosigkeit oder sie müssen ihren örtlichen Gewerkschaftsverband - mit dem sie unter Umständen seit Jahrzehnten verbunden sind - verlassen.

IV.

Fehlt es an einem wirksamen Ausschluss des Antragsgegners, kommen die streitgegenständlichen Unterlassungs- und Herausgabeansprüche schon aus den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungs- und Loyalitätsgrundsätzen nicht in Betracht. Auch namens- und markenrechtlich benutzt der Antragsgegner dann seinen Vereinsnamen und seine Domain befugt. Dass der Antragsgegner Unbefugten Presseausweise ausgehändigt hätte, ist schon nicht Streitgegenstand, im Übrigen auch weder hinreichend vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht.

V.

Die Entscheidung beruht tragen auf den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalles, § 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO. Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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