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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.12.2001
Aktenzeichen: 5 U 232/01
Rechtsgebiete: UWG, LSchLG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13
LSchLG § 14 Abs. 1
Zur Frage des bewussten und planmäßigen Verstoßes gegen die Vorschriften des Ladenschlüsse.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 232/01

Verkündet am: 11. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2001 durch die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.Juni 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Unterlassungsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000.- DM und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils festzusetzenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000.- DM.

Tatbestand:

Der Kläger handelt im Rahmen des Betriebs eines Einzelhandelsgeschäftes in Berlin mit Teppichen und Gardinen sowie deren Zubehör. Die Beklagte betreibt in Berlin mehrere Baumärkte, in denen sie unter anderem ebenfalls Teppiche, Gardinen und deren Zubehör vertreibt.

Die Beklagte hielt ihr Geschäftslokal am Wilhelmsruher Damm 229-245 in 13435 Berlin am Sonntag, den 10. September zwischen 13.00 und 18.00 Uhr und Sonntag, den 1. Oktober 2000 zwischen 12.00 Uhr und 17.00 Uhr, sowie an den beiden jeweiligen Samstage davor bis 16.00 Uhr offen.

Der Kläger beanstandet im Hinblick auf die Öffnungszeiten des Geschäftes an den beiden Samstagen einen Verstoß gegen § 14 Abs.1 S.2 LadenschlussG.

Er hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung der im Gesetz vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Handels mit Teppichböden, Gardinen und entsprechendem Zubehör an dem vorausgehenden Sonnabend Verkaufsstellen zwischen 14.00 und 16.00 Uhr geöffnet zu halten, sofern von der gemäß § 14 des Ladenschlussgesetzes im Einzelfall zugelassenen Möglichkeit der Öffnung dieser Verkaufsstelle am folgenden Sonntag Gebrauch gemacht wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie habe die betreffende Filiale am 30. September 2000 entgegen ihrer ursprünglichen Absicht über 14.00 Uhr hinaus bis 16.00 Uhr offen halten müssen, um Kundenprotesten im Hinblick auf die beabsichtigte Schließung schon um 14.00 Uhr entgegenzuwirken. Deswegen, so meint sie, liege kein planmäßiges Vorgehen vor, weil es sich um eine spontane Aktion gehandelt habe. Sie habe zudem keinen relevanten Wettbewerbsvorsprung vor den Mitbewerbern erzielt.

Das Landgericht hat die Beklagte mit am 21. Juni 2001 verkündetem und am 4. Juli 2001 dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestelltem Urteil antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die von ihm mit am 2. August 2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz eingelegte Berufung, die er mit am 29. August 2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte macht unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen geltend, das Landgericht habe ihr zu Unrecht ein planmäßiges Vorgehen unterstellt. Sie habe lediglich eine dauerhafte Verärgerung von Kunden wegen der für sie nicht vorhersehbaren früheren Schließung der Filiale verhindern wollen.

Sie beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und behauptet, die Mitarbeiter der Beklagten seien von vornherein darüber instruiert gewesen, dass sie an den fraglichen Samstagen jeweils bis 16 Uhr würden arbeiten müssen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Unterlassung verurteilt. Ein entsprechender Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 14 Ladenschlüsse in Verbindung mit § 1 UWG, weil die Beklagte durch die nicht rechtzeitige Schließung der streitgegenständlichen Filiale die festgelegten Ladenschlusszeiten nicht eingehalten hat.

Gemäß § 14 Abs.1 S.2 Ladenschlüsse müssen offene Verkaufsstellen an den jeweils vorausgehenden Sonnabenden ab 14 Uhr geschlossen werden, wenn sie an Sonntagen in zulässiger Weise gemäß § 14 Abs.1 S.1 Ladenschlüsse geöffnet werden. Der Senat von Berlin hat durch Rechtsverordnung vom 11. Januar 2000 gemäß § 14 Abs.1 S.3 Ladenschlüsse Sonderöffnungszeiten von Geschäften freigegeben, und zwar am Sonntag, den 10. September und Sonntag, den 1. Oktober 2000. Nachdem die Beklagte für die streitgegenständliche Filiale von diesen Sonderöffnungszeiten Gebrauch gemacht hatte, musste sie folglich an beiden vorausgehenden Sonnabenden die Filiale ab 14 Uhr schließen. Unstreitig hat die Beklagte dem nicht Rechnung getragen.

Ein Verstoß gegen die Vorschriften des Ladenschlüsse ist wettbewerbswidrig gem. § 1 UWG, wenn gegen die Bestimmungen bewusst und planmäßig verstoßen wird und damit ein sachlich nicht gerechtfertigter Wettbewerbsvorsprung erstrebt wird (BGH GRUR 1995, 601, 603 - Bahnhofs-Verkaufsstellen). Ein Verstoß gegen das Ladenschlüsse ist geeignet, dem Mitbewerber einen wettbewerbswidrigen Vorsprung vor gesetzestreuen Konkurrenten zu verschaffen, die sich an die Ladenschlusszeiten halten (BGH GRUR 1990, 617, 624 - Metro III).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ihr ein planmäßiger Verstoß gegen die Vorschriften des Ladenschlussgesetzes vorzuhalten. Voraussetzung hierfür ist eine zielgerichtete Absicht bzw. ein zielgerichtetes Handeln zu dem Zweck, sich einen Wettbewerbsvorsprung vor den Mitbewerbern zu verschaffen (BGH GRUR 1990, 638, 639 - Fehlende Planmäßigkeit). Es müssen noch nicht mehrere Verstöße stattgefunden haben. Für die Annahme der Planmäßigkeit genügt ein bereits einmal nachgewiesener Verstoß, wenn anzunehmen ist, dass das gesetzwidrige Verhalten fortgesetzt wird (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22.A., UWG § 1 Rn.659) bzw. zu befürchten ist, dass der Wettbewerber sein Verhalten darauf einrichtet, sich über diese Vorschriften hinwegzusetzen (BGH GRUR 1974, 281, 281 - Clipper). Den Gegensatz bilden versehentliche, auf Unachtsamkeit beruhende Verstöße (Köhler/Piper aaO § 1 Rn. 666).

Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise ein planmäßiges Vorgehen bejaht. Schon der einmalige Verstoß, und zwar am Samstag, den 30.September 2000, den das Landgericht seiner rechtlichen Beurteilung ausschließlich zugrundegelegt hat, genügt zur Feststellung der Planmäßigkeit. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass von einem versehentlichen Offenhalten der Filiale keine Rede sein könne. Zwar hat der Kläger die von der Beklagten vorgetragenen Kundenproteste bestritten. Sie können aber zugunsten der Beklagten unterstellt werden, weil sich dadurch an der rechtlichen Beurteilung nichts ändert. Da die Beklagte wusste, dass um 14 Uhr geschlossen werden musste, hat sie, wenn sie dennoch den Kundenprotesten nachgibt, vorsätzlich gehandelt. Ob dies spontan geschah, ist dabei unerheblich, denn auch derjenige, der sich spontan zu einem bestimmten Vorgehen entschließt, handelt dann, wenn der Entschluss erst feststeht, nach einem vorgefassten Plan. Folglich kommt es auch nicht darauf an, ob zwei Verstöße an zwei Samstagen vorlagen. Damit kann die Frage offen bleiben, ob, was der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Abrede gestellt hat, der behauptete Verstoß am Samstag, den 9. September 2000, ungeachtet der Tatsache, dass er dem erstinstanzlichen Urteil nicht zugrunde liegt, in der Berufungsinstanz zur Feststellung eines Verstoßes herangezogen werden könnte. Ebenso wenig kommt es im Ergebnis auf den neuen Vortrag des Klägers an, die Mitarbeiter der Beklagten seien von vornherein instruiert gewesen, bis 16 Uhr arbeiten zu müssen. Nach alledem wurde Verstoß gegen das Ladenschlüsse bewusst einkalkuliert und in Kauf genommen, es handelte sich insoweit keineswegs um ein Versehen. Die Beklagte hat keine Hemmungen gezeigt, sich über die ihr bekannten Vorschriften des Ladenschlussgesetzes hinwegzusetzen. Daher ist anzunehmen, dass sie bei nächster sich bietender Gelegenheit im gleichen Sinne zu handeln bereit ist. Ein solches Verhalten ist aber Teil eines Gesamtplanes, mithin zielbewusst.

Die Verteidigung der Beklagten, sie habe nicht mit dem Ziel gegen das LadenschlussG verstoßen, sich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen, bleibt ohne Erfolg. Dass die Beklagte durch längeres Offenhalten der Filiale in der Lage ist, ihre Umsätze zu vergrößern, liegt auf der Hand. Sie musste aber zudem befürchten, dass Kunden ihren Bedarf ab 14 Uhr bei der Konkurrenz decken, die am Samstag ihr Geschäft bis 16 Uhr offen hielten. Das Risiko der Verärgerung von uniformierten Kunden, die vor geschlossenen Türen stehen, lässt sich bei der streitgegenständlichen Gestaltung der Ladenöffnungszeiten nicht vermeiden und trifft alle Wettbewerber, die von der Möglichkeit der Sonntagsöffnung Gebrauch machen und dem zu Folge am vorausgehenden Samstag nur verkürtze Öffnungszeiten anbieten können, gleichermaßen. Lässt die Beklagte dennoch die Kunden ein, erzielt sie einen nicht zu billigenden Wettbewerbsvorsprung vor ihren gesetzestreuen Mitbewerbern, die auf Umsätze und eventuell zukünftig auf verärgerte Kunden verzichten müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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