Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.08.2000
Aktenzeichen: 5 U 3069/00
Rechtsgebiete: BGB, UrhG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 809
BGB § 945
UrhG § 97 ff.
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 937 Abs. 2
ZPO § 91
Leitsätze:

1. Der Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB kann auch im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden. In diesem Fall ist jedoch die Besichtigung durch einen unabhängigen Sachverständigen durchzuführen, der die Besichtigungsergebnisse zumindest nicht vor der Anhörung des Antragsgegners bzw. Abschluß des Verfügungsverfahrens an den Antragsteller herauszugeben hat.

2. Ein Anspruch nach § 809 BGB kann auch die Besichtigung von Computern rechtfertigen, um festzustellen, inwieweit urheberrechtlich geschützte Programme genutzt werden, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß diese Programme unrechtmäßig genutzt werden.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 3069/00 16 586/99 LG Berlin

Verkündet am: 11. August 2000

Lohey Justizsekretärin

In dem Verfügungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, den Richter am Kammergericht Crass und den Richter am Landgericht van Dieken auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 29. Februar 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin geändert:

Der Antrag, die Erledigung des Verfügungsverfahrens in der Hauptsache festzustellen, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfügungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

Die Antragstellerin entwickelt und vertreibt Computerprogramme, so unter anderem "Microsoft Windows 95" und das Programmpaket "Microsoft Office 97 Standard", letzteres bestehend aus den Einzelprogrammen "Microsoft Excel", "Microsoft Outlook", "Microsoft PowerPoint" und "Microsoft Word". Die Antragsgegnerin bietet unter anderem Computerschulungen in den Räumen ihrer aus dem Rubrum ersichtlichen Hauptniederlassung sowie dreier Filialstellen in Berlin an. Die Antragstellerin wirft der Antragsgegnerin unter anderem eine widerrechtliche Nutzung dieser Programme in den Schulungsräumen vor. Die Antragsgegnerin stellt dies in Abrede und beruft sich insoweit auf den Erwerb von diesbezüglichen Lizenzen u.a. auch von einer "i U - und H mbH". Im Einzelnen geht es um Folgendes:

Die i U - und H mbH ist ein Unternehmen mit Sitz in Hahn. Mit Datum vom 30. Dezember 1997 erwarb sie eine so genannte Microsoft Open Licence für das Produkt "OfcPro/Bkshlf 97 Win32 German OPEN A AE" (Version 97, 80 lizenzierte Kopien) und für das Produkt "OfcPro/Bkshlf 97 Win32 German VUP OPEN A AE/Prev Ver/1 MSApp" (Version 97, 17 lizenzierte Kopien). Mit Datum vom 9. Januar 1998 erwarb die i U - und H mbH des Weiteren eine so genannte Microsoft Open Licence unter anderem für das Produkt "Windows 95 German VUP OPEN A AE" (Version 95, 200 lizenzierte Kopien). Den genannten Lizenzen liegt ein so genannter "Microsoft Open Licence-Vertrag" zu Grunde. Die Antragsgegnerin meint, die erwähnten Lizenzen von der "i U - und H mbH" am 31. Juli 1998 "erworben" zu haben. Des Weiteren hat die Antragsgegnerin Rechnungen über den Erwerb diverser Lizenzen für Programme der Antragstellerin vorgetragen.

Seit dem 1. Februar 1999 besuchte Herr T S einen Computerkurs in dem Schulungszentrum der Antragsgegnerin in der R in Berlin. Hierbei nahm er wahr, wie die Kursteilnehmer von einer Angestellten der Antragsgegnerin vier oder fünf selbst gebrannte CD-ROMs mit dem Programm "Microsoft Windows 95" und dem Programmpaket "Microsoft Office 97 Standard" ausgehändigt bekamen und angewiesen wurden, von diesen CD-ROMs auf den insgesamt 27 in dem Schulungsraum stehenden Computern Softwareinstallationen vorzunehmen.

Nach Auffassung der Antragstellerin begründete dieser Vorfall, von dem sie am 2. September 1999 einen ersten Hinweis erhalten hatte, zumindest eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich auf den Personalcomputern in den Räumlichkeiten der Antragsgegnerin rechtswidrig hergestellte Kopien der genannten Programme befanden.

Dem ist das Landgericht gefolgt und hat am 19. Oktober 1999 eine einstweilige Verfügung unter anderem folgenden Inhalts erlassen:

1. Der zuständige Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, sämtliche Personal Computer der Antragsgegnerin, die sich in den nachfolgenden Geschäftsräumen befinden:

S, B, F, B, R und, B,

dort zu beschlagnahmen, damit einer der nachfolgend bestimmten Sachverständigen vor Ort eine sofortige Besichtigung sämtlicher Personal Computer der Antragsgegnerin durchführen und feststellen kann, ob auf den Festplatten der Personal Computer Kopien der Softwareprogramme der Antragstellerin, insbesondere des Programms Microsoft Windows 95 sowie des Programmpakets Microsoft Office 97 Standard, bestehend aus den Einzelprogrammen Excel, Outlook, PowerPoint und Word, gespeichert sind. In diesem Zusammenhang wird dem Sachverständigen gestattet:

a) jeden einzelnen Personal Computer in Betrieb zu nehmen und an einen Drucker anzuschließen,

b) jeweils mit Hilfe des Befehls "DIR/*, exe/s/p" im DOS-Modus (DOS-Fenster) Einsicht in das Inhaltsverzeichnis der ausführenden Programmdateien zu nehmen sowie jeweils mit Hilfe des Befehls "DIR/*.lnk/s" Einsicht in das Inhaltsverzeichnis der Link-Dateien zu nehmen,

c) die daraufhin auf dem Bildschirm erscheinende Auflistung von auf der Festplatte des jeweiligen Personal Computers gespeicherten Dateien auf einer vom Sachverständigen mitgebrachten Diskette zu speichern,

d) den oder die für ein Netzwerk von Personal Computern verwendeten Hauptrechner (Server) danach zu überprüfen, welche Computerprogramme der Antragstellerin von welchen Personal Computern aus zugänglich sind,

e) die für jeden Personal Computer ermittelte Auflistung der ausführbaren Dateien auszudrucken und den Ausdruck zusammen mit einem Bericht, welche Computerprogramme der Antragstellerin ausweislich der so gewonnenen Auflistung der auf der Festplatte gespeicherten Programm-Dateien auf der jeweiligen Festplatte gespeichert und welche Computerprogramme der Antragstellerin über das Netzwerk zugänglich sind, dem Gericht sowie der Antragstellerin zu übergeben,

f) die auf den Computern der Antragsgegnerin vorgefundenen Programme Antragstellerin probeweise zu starten.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, ein für die Inbetriebnahme evt. erforderliches Passwort dem vom Gericht bestellten Sachverständigen mitzuteilen und dem Gerichtsvollzieher sämtliche Lizenzverträge, Kaufbelege oder Rechnungen über die sich auf den Personal Computern befindlichen Computerprogramme der Antragstellerin, insbesondere über das Programm Microsoft Windows 95 sowie das Programmpaket Microsoft Office 97 Standard, bestehend aus den Einzelprogrammen Excel, Outlook, PowerPoint und Word vorzulegen.

In diesem Zusammenhang wird dem Sachverständigen gestattet, vor Ort die von der Antragsgegnerin vorgelegten Schriftstücke zu besichtigen und festzustellen, für welche der Computerprogramme der Antragstellerin die Antragsgegnerin jeweils welche Anzahl von Lizenzen erworben hat.

Die angeordnete Besichtigung hat am 12. November 1999 stattgefunden. Zeitgleich fand auch eine Durchsuchung der Staatsanwaltschaft statt. Den angeordneten Bericht haben die Sachverständigen mit Gutachten vom 23. Dezember 1999 erstellt, und dieses der Kammer sowie der Antragstellerin im Januar 2000 übermittelt. Die Antragsgegnerin hat am 13. Januar 2000 gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin ist der Auffassung gewesen, dass der Rechtsstreit erledigt sei.

Die Antragstellerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 19. Oktober 1999 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass sie die Software der Antragstellerin lediglich im Rahmen der ihr gehörenden Lizenzen nutze. Der Umstand einer selbst gebrannten CD bedeute nicht, dass es sich um eine so genannte "Raubkopie" handle, dies sei hier im Hinblick auf die bestehenden Open-Licence-Verträge nicht zutreffend. Dass - wie unstreitig - von "selbst gebrannten" CD-ROMs Computerprogramme der Antragstellerin auf Computern der Antragsgegnerin installiert worden seien, belege nicht einmal ansatzweise einen Urheberrechtsverstoß. Eine "selbst gebrannte" CD sei für sich betrachtet rechtlich erst einmal neutral und im konkreten Fall von Seite 1 des Open-Licence-Vertrages erfasst, wenn es dort heiße, dass der Lizenznehmer auch eine Kopie der Software auf einem Speichermedium speichern oder installieren könne. Außerdem dürfe die Erstellung einer Sicherungskopie vertraglich ohnehin nicht untersagt werden. Angesichts langen Zuwartens der Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dränge sich der Eindruck auf, als läge bereits aus diesem Grunde keine Eilbedürftigkeit der Angelegenheit mehr vor, die den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertige. Im Übrigen hätte der Antragstellerin das erstellte Gutachten nicht zugänglich gemacht werden dürfen, da dies nicht nur zur Sicherung, sondern zur Befriedigung eines (vermeintlichen) Hauptanspruches geführt habe.

Das Landgericht hat die Feststellung der Erledigung ausgesprochen. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Open Licence kein Kopieren der Programme auf selbst gebrannte CD's rechtfertige und folglich auch davon auszugehen sei, dass ein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür bestünde, dass der Antragstellerin Ansprüche nach §§ 97 ff. UrhG zustünden.

Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin. Sie ist der Auffassung, dass das Kopieren auf andere Speichermedien sogar von der Antragstellerin propagiert worden sei. Im Übrigen habe sie hinreichende Lizenzen. Dass der Sachverständige nicht alle aufgefunden habe, sei schlicht darin begründet, dass sie sich nicht in dem durchsuchten Geschäftslokal befunden hätten. Folglich sei der Rechtsstreit nicht erledigt.

Die Antragstellerin beruft sich auf das Gutachten und ist der Auffassung, dass sich unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragsgegnerin daraus ergebe, dass keine hinreichende Anzahl von Lizenzen bestünden. Im Übrigen bestünde der Verdacht, dass die Lizenzen nachträglich beschafft worden seien. Es werde darauf hingewiesen, dass bisher alle Besichtigungen, mit Ausnahme von einer, zum Ergebnis geführt hätten, dass Urheberrechtsverletzungen vorliegen.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte (§ 511 ZPO), den notwendigen Wert der Beschwer erreichende (§ 511 a ZPO), form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 516, 518, 519 ZPO) Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Februar 2000 ist zulässig.

II.

Die Berufung ist auch begründet.

Es kann dahinstehen bleiben, ob überhaupt eine Erledigung auf Grund der Durchführung der Besichtigung durch den Sachverständigen und Übergabe des Gutachtens an die Antragstellerin eingetreten ist. Denn die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel ist keine Erledigung (vgl. die Nachweise bei BayVerfGH NJW 1997, 1000, 1001). Möglicherweise liegt aber deshalb Erledigung vor, weil mit Durchführung der Besichtigung der Verfügungsgrund weggefallen ist.

Jedenfalls ist die Berufung begründet, weil die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unbegründet war und mithin eine Erledigung nicht eingetreten ist (BGH NJW 1992, 2236). Denn zum einen war der ursprüngliche Antrag zu weitgehend (1.) und zum anderen bestand kein Verfügungsanspruch (2.).

1.

Der Antrag war - selbst unterstellt ein Anspruch nach § 809 BGB wäre glaubhaft gemacht gewesen - zu weitgehend.

Inhaltlich darf eine einstweilige Verfügung grundsätzlich nur zur Sicherung und nicht zur Befriedigung des Hauptanspruchs führen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Auflage, § 938 Rdnr. 3). Dies erfordert, dass zum einen die Besichtigung nicht - wie § 809 BGB es vorsieht - durch den Antragsteller selbst vorgenommen wird und zum anderen, dass der Besichtigende zunächst dem Antragsteller die gefundenen Ergebnisse vorenthält. Denn ansonsten wird, wie im vorliegenden Fall, der Anspruch nach § 809 BGB erfüllt, bevor überhaupt geklärt ist, ob der Anspruch gegeben ist (Bork, Effiziente Beweissicherung für den Urheberrechtsprozess, NJW 1997, 1665, 1671). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS-Übereinkommen). Abgesehen davon, dass dieses Übereinkommen gar kein unmittelbar anwendbares Recht enthält (Borg a.a.O. Seite 1665) wird auch den Anforderungen dieses Übereinkommens genügt. Die Durchführung von einstweiligen Maßnahmen ohne Anhörung der Parteien zur Sicherung von Beweisen (Art. 50 Abs. 2 TRIPS-Übereinkommen) kann durchaus nach § 937 Abs. 2 ZPO angeordnet werden. Dies erfordert es aber nicht, dass auch sogleich dem Antragsteller die Ergebnisse der Beweissicherung übergeben werden. Denn abgesehen davon, dass in diesem Fall die Einschaltung eines Sachverständigen überflüssig wäre, weil der Antragsteller selbst ebenso gut die Überprüfung durchführen könnte, ist mit der Durchführung der Besichtigung durch den Sachverständigen der Beweis bereits gesichert. Die sofortige Kenntnisnahme des Besichtigungsergebnisses durch den Antragsteller ist aus Sicherungsgründen nicht erforderlich.

Selbst unter dem Gesichtspunkt, dass nach Art. 50 Abs. 1 TRIPS-Übereinkommen schnelle wirksame einstweilige Maßnahmen anzuordnen sind, die die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums verhindern sollen, ergibt sich nichts anderes. Mag sich auch daraus ergeben, dass dem Verletzten die notwendigen Beweismittel möglichst schnell zur Verfügung gestellt werden müssen, so heißt das noch nicht, dass auch ausgeschlossen wäre, dass nicht wenigstens zunächst ein ordnungsgemäßes rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt und abgeschlossen werden könnte, in dem dem Gegner das rechtliche Gehör zu gewähren ist. Dies bekommt hier auch deshalb besondere Bedeutung, weil die vorzeitige Herausgabe der Besichtigungsergebnisse nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, da dem Antragsteller bereits die Kenntnisse zugewachsen sind, die er haben wollte. Deshalb ist auch ein Schadenersatzanspruch nach § 945 BGB nicht weiterführend, weil auch damit die Kenntnisse nicht beseitigt werden können. Allein denkbar wäre allenfalls, dass die Ergebnisse der Besichtigung auch in einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht verwertet werden dürfen, was allerdings für den Anspruchsinhaber die unbefriedigende Folge hätte, dass er berechtigte Ansprüche möglicherweise allein aus diesem Grunde nicht erfolgreich durchsetzen könnte. Selbst wenn mithin die Herausgabe der Ergebnisse zu beschleunigen wäre, so könnte dies allenfalls dazu führen, was hier nicht zu entscheiden ist, dass dies am Ende des Verfügungsverfahrens zu geschehen hat (vgl. auch die Auffassung von Marshall, Festschrift f. A. Preu, 1988, 151, 158 f.; Stauder GRUR Int. 1978, 230, 237; Bork a.a.O. Seite 1671).

Diese bedeutsame Einschränkung hätte auch im Verfügungsantrag aufgenommen werden müssen, um die Reichweite der Befugnisse der Antragstellerin eindeutig festzulegen. Da der Antrag diese Einschränkung nicht enthielt, war er insoweit zu weitgehend.

2.

Im Übrigen war der Antrag ebenfalls unbegründet, weil die Antragstellerin einen Anspruch nach § 809 BGB nicht glaubhaft gemacht hat.

Grundsätzlich ist bei einer einseitigen Erledigungserklärung im Rahmen des Streitverfahrens zu prüfen, ob die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Dazu muss der Kläger vortragen und, wenn Tatsachen streitig sind, sie glaubhaft machen bzw. beweisen. Folglich ist auch der Parteivortrag, der in dem weiteren nach der behaupteten Erledigung durchgeführte Rechtsstreit vorgebracht wird, zu berücksichtigen. Das kann hier jedoch insoweit nicht gelten, als der Vortrag auf der Durchführung der Besichtigung auf Grund der einstweiligen Verfügung vom 19. Oktober 1999 beruht. Denn ansonsten würde dies dazu führen, dass die Antragstellerin ihren Antrag auf Durchführung der Besichtigung mit deren Ergebnissen begründet. Dies hätte aber zur Folge, dass der Anspruch nach § 809 BGB erst dargetan wäre, wenn schon kein Anspruch mehr besteht, weil die Besichtigung schon durchgeführt worden ist, und damit die notwendige Gewissheit bereits besteht, die erst nach § 809 BGB erlangt werden soll.

Danach ergibt sich hier Folgendes:

Nach § 809 BGB kann grundsätzlich auch die Überprüfung von Computern verlangt werden, um festzustellen, ob sich auf diesen nicht lizenzierte Kopien eines urheberrechtlich geschützten Programms befinden. Denn § 809 BGB setzt nicht voraus, dass die Ansprüche dinglicher Natur sind. Auch anderweitige Ansprüche kommen, wie im Streitfall, in Betracht (BGH GRUR 1985, 512, 514 - Druckbalken). Erforderlich ist allein, dass Ansprüche in Ansehung der Sache bestehen, was bedeutet, dass das Bestehen des Anspruchs in irgendeiner Weise von der Existenz oder der Beschaffenheit der Sache abhängig ist (BGH a.a.O.). Die Beschaffenheit der Sache ist hier der Zustand des Computers bzw. die auf dessen Speichermedien vorhandenen Programme (Bork a.a.O. Seite 1668).

Der Anspruch nach § 809 BGB setzt jedoch weiter voraus, dass ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit für die Existenz des Anspruchs in Ansehung der Sache vorliegen muss. Denn ansonsten würde der Inanspruchgenommene gezwungen werden, seinem Gegner die Waffen in die Hand zu geben, was jedoch zivilprozessualen Grundsätzen widerspricht. Darüber hinaus soll § 809 BGB auch verhindern, dass eine Ausforschung durchgeführt wird. Erforderlich ist damit, dass der Nachweis der Voraussetzungen des Anspruchs, dessen Bestehen durch die Besichtigung endgültig geklärt werden soll, bereits zu einem Punkt erbracht worden sein muss, an dem nur noch die Besichtigung fehlt, um letzte Klarheit zu schaffen (BGH a.a.O. Seite 516). Zutreffend verweist Bork (a.a.O. Seite 1668) auf das Beispiel, in dem Angestellte eines Unternehmens Hinweise auf nicht lizenzierte Programme machen und dies durch die Besichtigung beweisfest ermittelt werden soll.

Dieses Maß an Wahrscheinlichkeit war im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Hinweise darauf, dass sich nicht lizenzierte Kopien auf den Computern der Antragsgegnerin befanden, hatte die Antragstellerin nicht. Zur Glaubhaftmachung hatte sich die Antragstellerin allein auf die eidesstattliche Versicherung des Herrn S berufen, der lediglich mitteilen konnte, dass er keine Lizenzen gesehen habe und die Programme von selbst gebrannten CD's auf die Computer kopiert wurden. Das reichte aber nicht aus.

Dass dem Herrn S als Schulungsteilnehmer bei der Antragsgegnerin keine inhaltliche Auskunft über vorhandene Lizenzen mitgeteilt wurde, ist verständlich und kann keinen Hinweis auf eine nicht vorhandene Lizenzierung begründen. Denn die Antragsgegnerin hatte keinerlei Veranlassung, ihre Lizenzverhältnisse einem Schulungsteilnehmer zu offenbaren.

Das Aufspielen von Programmen von selbst gebrannten CD's konnte diese Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht begründen. Selbst wenn man zu Gunsten der Antragstellerin mit dem Landgericht davon ausgeht, dass das Brennen der CD's eine Urheberrechtsverletzung darstellt, so begründete dies zwar möglicherweise einen - hier nicht streitgegenständlichen - Anspruch nach § 809 BGB, die Anzahl der vorhandenen mit Programmen der Antragstellerin bespielten CD's zu ermitteln, begründete jedoch keine Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der auf dem Rechner vorhandenen Kopien. Denn unstreitig gewährt die von der Antragstellerin vertriebene Open Licence das Recht, das Programm der Klägerin in dem erworbenen Umfang auf mehrere Rechner zu kopieren. Ob diese Kopie von einer rechtmäßig erstellten Kopie erstellt wird oder nicht, ist unerheblich, weil es allein darauf ankommt, ob das Vorhalten der Kopie auf dem Rechner gestattet ist oder nicht. Das ergibt sich letztendlich auch aus den Lizenzbestimmungen der Antragstellerin, wonach für jede erworbene Lizenz, eine Kopie der Software auf einem einzigen Computer genutzt werden darf.

Damit könnte sich die gewisse Wahrscheinlichkeit nur indiziell daraus ergeben, dass für das Aufspielen der Programme selbst gebrannte CD's verwendet wurden und damit aus dem (unterstellten) unrechtmäßigen Verhalten bei den CD's mit gewisser Wahrscheinlichkeit auf ein unrechtmäßiges Verhalten bei den Computern geschlossen werden könnte. Das ist aber nicht der Fall.

Allerdings könnte sich eine derartige Wahrscheinlichkeit dann ergeben, wenn mit einer jeden Lizenz auch eine CD der Antragstellerin mitgeliefert würde. Denn dann würde sich gegebenenfalls die Frage stellen, weshalb die Installation von einer selbsterstellten CD erfolgt, wenn eine Original-CD vorhanden ist. Wie die Parteien übereinstimmend vortragen, erfolgt aber bei dem Erwerb einer Open Licence kein Erwerb einer Original-CD, vielmehr sieht die Antragstellerin vor, dass Kopien von bereits erworbenen Datenträgern oder separat zu erwerbenen Datenträgern, die selbst keine Lizenz beinhalten, erstellt werden. Dient aber der Datenträger nur zum Transport der Software selbst und verkörpert keine Lizenz, so liegt für den Nutzer nahe, sich diesen Datenträger zum Zwecke der bequemen gleichzeitigen Installation auf mehreren Rechnern selbst zu erstellen, weil er weiß, dass er für die dann eingesetzte Kopie eine Lizenz hat und dem Umstand, dass zusätzlich eine Kopie auf der CD vorgehalten wird, angesichts des Umstandes, dass auch von der Antragstellerin "lizenzlose" CD's vertrieben werden, keine besondere Bedeutung zukommen lässt.

Dass diese Auffassung nicht von vornherein zu verwerfen ist, ergibt sich auch aus Aussagen der Antragstellerin selbst. Denn wenn sie auf ihrer Webseite darauf verweist, dass Kunden, die sich für die Open Licence entscheiden, ein Datenträgerprodukt kaufen und diese Software dann, "entsprechend der vertraglich festgelegten Anzahl kopieren, installieren und einsetzen" dürfen, so kann damit der Eindruck entstehen, dass von dem Datenträgerprodukt Kopien für die Installation erstellt werden dürfen. Denn wenn Kopieren und Installieren kumulativ genannt werden, macht dies nur dann Sinn, wenn zunächst (auf einen Datenträger) kopiert und dann (von diesem auf den Computer) installiert wird. Auch die Herausstellung der Befugnis zum Kopieren legt dieses Verhalten nahe, da üblicherweise bei dem Kopieren auf den Computer nicht von Kopieren, sondern von Installieren gesprochen wird. Mag mithin das Verhalten der Antragsgegnerin bei genauer und sorgfältiger Prüfung auch nicht rechtmäßig sein, so rechtfertigt es jedoch noch nicht Annahme, es sei wahrscheinlich, dass auch die Kopien auf den Computern unrechtmäßig wären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Seriennummer. Es ist nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen worden, dass bei einer Open Licence für jede Installation eine neue Seriennummer vergeben wird, so dass auch die mehrfache Verwendung einer Seriennummer noch keinen Hinweis auf nicht vorhandene Lizenzen gibt.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass die Durchsuchungsmaßnahmen bisher bis auf einen Fall immer Erfolg gehabt haben. Denn das ersetzt nicht die Überprüfung in jedem Einzelfall.

Für den Anspruch aus § 809 BGB, soweit er sich auf die Lizenzen, Kaufbelege oder Rechnungen bezieht, ist darüber hinaus auch der Verfügungsgrund zweifelhaft. Denn insoweit ist nicht ersichtlich, inwieweit ein Interesse der Antragstellerin daran bestand, sofort Einblick in diese Unterlagen zu erhalten. Der Bestand der Lizenzen ist vordringlich nämlich lediglich für die Antragsgegnerin entscheidend, weil sie nur damit die rechtmäßige Nutzung der von ihr genutzten Programme beweisen kann. Zwar hat auch die Antragstellerin möglicherweise ein Interesse, den Umfang der rechtmäßig genutzten Programme zu überprüfen, jedoch gibt es jedenfalls keinen Anlass, diese Überprüfung im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens durchzuführen. Denn insoweit gibt es nichts zu sichern. Selbst wenn wie hier eine entsprechende Besichtigung stattfindet, kann die Antragstellerin nicht sicher sein, dass und wie viele der vorhandenen Lizenzen aufgefunden werden. Denn wo diese aufbewahrt werden, kann dem Nutzer nicht vorgeschrieben werden. Ob zu dem fraglichen Zeitpunkt genügend Lizenzen vorlagen, hat im Übrigen auch der Nutzer nachzuweisen, so dass die Antragstellerin insoweit auch gar nicht in Beweisnot kommen kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück