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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 09.10.2001
Aktenzeichen: 5 U 3550/00
Rechtsgebiete: UWG, StBerG, StBGebV, BOStB, BGB, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
StBerG § 64
StBerG § 64 Abs. 1
StBerG § 64 Abs. 1 Satz 1
StBerG § 64 Abs. 1 Satz 3
StBGebV § 1
StBGebV § 3
StBGebV § 4
StBGebV § 4 Abs. 1
StBGebV § 4 Abs. 1 Satz 2
StBGebV § 11
StBGebV § 13
StBGebV § 13 Nr. 1
StBGebV § 13 Nr. 2
StBGebV § 13 Satz 2
StBGebV § 21 Abs. 1
BOStB § 45 Abs. 4
BOStB § 45 Abs. 4 Satz 1
BGB § 1004
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 3550/00

Verkündet am: 9. Oktober 2001

in dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase sowie den Richter am Kammergericht Dr. Pahl sowie die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Februar 2000 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin - 97.O.188/99 - in der Fassung des landgerichtlichen Beschlusses vom 20. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,00 DM und hinsichtlich der Kostenverurteilung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4. Die Beschwer übersteigt für die Beklagte 90.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin einer Telefonnummer, bei deren Anwahl die Anrufer direkt durch die Telefonanlage an einen Steuerberater weitergeschaltet werden. Die auf diese Weise erreichbaren Steuerberater haben mit der Beklagten einen Vertrag über die Nutzung der G GmbH-Telefonnummer 0190- abgeschlossen. Mit diesem Vertrag erwirbt der jeweilige Steuerberater die Möglichkeit, den Telefonanschluss für jeweils 3 1/2 Stunden zu buchen. Für die Buchung fällt eine Gebühr von jeweils 50,00 DM an, weiter hat jeder berechtigte Steuerberater eine monatliche Teilnahmegebühr von 50,00 DM an die Beklagte zu zahlen. Jeder Anruf unter der betreffenden Nummer kostet 3,63 DM pro Minute; die Gesprächszeit ist auf maximal 1 Stunde Dauer beschränkt. Die geschuldete Vergütung wird mit der Telefonrechnung von der Deutschen Telekom AG eingezogen. Von den eingezogenen Gebühren behält die Deutsche Telekom AG 1,15 DM pro Gesprächsminute ein, der Rest von 2,48 DM pro Gesprächsminute wird an die Beklagte ausgezahlt. Diesen Betrag leitet die Beklagte wiederum nach Abzug der ihr zustehenden Buchungs- und Teilnahmegebühr an die berechtigten Steuerberater weiter.

Die Klägerin hat dieses Verhalten der Beklagten wegen diverser Verstöße gegen, das Steuerberatungsgesetz (StBerG) und die Gebührenverordnung für Steuerberater (StBGebV) als wettbewerbswidrig gerügt.

Mit ihrer ursprünglich beim Landgericht Hannover erhobenen Klage hat sie nach Einschränkung ihres ursprünglichen Antrages beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, hilfsweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen, Steuerberatung zu einem Minutenpreis von 3,63 DM für den Anrufer per Telefon/Hotline anzubieten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die StBGebV sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Jedenfalls würden etwaige Verstöße gegen die genannten Gesetze nicht zu einem Wettbewerbsverstoß führen.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Anbieten telefonischer Steuerberatung unter der 0190-Service-Nummer zu dem beschriebenen Vergütungsmodus stelle eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung in Form des Rechtsbruchs dar, § 1 UWG. Die Berechnung der Gebühren nach Zeiteinheiten könne im Einzelfall zu einer Gebührenforderung des Steuerberaters führen, die entgegen §§ 64 Abs. 1 StBerG, 13 StBGebV, 45 Abs. 4 Satz 1 BOStB die festgeschriebenen Gebührensätze unterschreite.

Mit ihrer zulässig eingelegten Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Steuerberatergebührenverordnung sei nicht anwendbar, da hier eine neuartige steuerberatende Dienstleistung vorliege. Eine standesrechtlich bedenkliche Gebührenunterschreitung sei nicht gegeben. Auch handelten die beteiligten Steuerberater nicht unlauter, noch weniger die Beklagte.

Die Beklagtem beantragt,

das angefochtene landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

A. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung verurteilt.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Verbindung mit §§ 64 Abs. 1 Satz 3, 64 Abs. 1 Satz 1 StBerG, 4 Abs. 1, 13 Nr. 2 StBGebV, 45 Abs. 4 Satz 1 BOStB und § 1004 BGB analog.

I. Es besteht schon die Gefahr einer Gebührenüberhöhung.

1. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 StBerG darf die Höhe der Gebühren den Rahmen des Angemessenen nicht überschreiten.

Bei der hier vorliegenden Zeittaktabrechnung über die Telekom fallen - wie in der Berufungsverhandlung erörtert - auch dann Gebühren an, wenn der beteiligte Steuerberater keine Beratungsleistung erbringen kann. Nicht fernliegend ist insoweit die Möglichkeit einer Verhinderung wegen einer Interessenkollision, noch naheliegender der Umstand, dass eine Beratung nicht ohne Durchsicht von Unterlagen oder eine nähere Prüfung von Vorschriften oder Entscheidungen möglich sein kann. Auch ein guter Steuerberater wird nicht zu jedem steuerlichen Problem sogleich eine weiterhelfende Antwort geben können. In diesen Fällen ist eine Gebühr an sich gar nicht entstanden. Wenn § 64 Abs. 1 Satz 3 StBerG eine Gebührenüberhöhung untersagt, dann erst recht den Ansatz einer nicht entstandenen Gebühr.

2. Soweit gemäß § 4 Abs. 1 StBGebV eine höhere Gebühr vereinbart werden kann, ist schon fraglich, ob dies auch den Fall einer an sich nicht geschuldeten Gebühr erfassen kann. Jedenfalls fehlt es aber an einer "schriftlichen" Einverständniserklärung des Auftraggebers. Zwar kann der Auftraggeber auch bei einer fehlenden schriftlichen Erklärung das Geleistete nicht zurückfordern, wenn er "freiwillig und ohne Vorbehalt" gezahlt hat, § 4 Abs. 1 Satz 2 StBGebV. In der Einziehung der Telefongebühren durch die Telekom kann aber eine solche "freiwillige" Leistung nicht gesehen werden, denn die Telekom, erhebt ihre Gebühren grundsätzlich unabhängig vom Inhalt der "0190-Gespräche" und viele Auftraggeber werden ihren Telefonanschluss nicht gefährden wollen. Die Beklagte hat die Sicherstellung einer Rückzahlung auch nicht vorgetragen.

II. Es besteht ebenso die Gefahr einer Gebührenunterschreitung.

1. Die Gebühren sind gemäß § 11 StBGebV grundsätzlich nach dem Zeitaufwand, dem Wert des Objektes und der Art der Aufgabe zu bemessen. Für eine "erste Beratung" fallen nach § 21 Abs. 1 StBGebV Gebühren in Höhe von 1/10 bis 10/10 der vollen Gebühr nach Tabelle A (Anlage 1 - bis zu einem Wert von 580.000,00 DM entsprechend der Tabelle zu § 11 BRAGO, vgl. Eckert, StBGebV, 3. Auflage, § 49 Anh.) an, höchstens jedoch 350,00 DM.

Bei einer längeren Beratung über höhere Werte und nicht ganz einfache steuerliche Probleme kann ohne weiteres die Höchstgebühr angemessen sein. Die bei der Beklagten teilnehmenden Steuerberater erzielen aber nur ein Stundenhonorar von 148,80 DM bzw. 217,80 DM (selbst unter Berücksichtigung der vom Auftraggeber zu zahlenden Telefongebühren). Damit sind Gebührenunterschreitungen nicht fernliegend. Die Zeitabrechnung erlaubt keine Berücksichtigung des Wertes des Objektes und der Art der Aufgabe.

2. Eine Zeitgebühr nach § 13 StBGebV darf nicht in jedem Fall angesetzt werden.

a) Gemäß § 13 Nr. 1 StBGebV ist die Zeitgebühr beschränkt auf bestimmte, in der Verordnung ausdrücklich genannte Fälle, die aber für eine telefonische Beratung nicht in Betracht kommen (vgl. Eckert, a. a. O., § 13, Amtliche Begründung zu § 13). Der Verordnungsgeber wollte ausdrücklich eine Beschränkung der Zeitgebühr (vgl. Eckert, a. a. O., § 13, Amtliche Begründung zu § 13).

b) Darüber hinaus kommt eine Zeitgebühr gemäß § 13 Nr. 2 StBGebV in Betracht, wenn keine genügenden Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandeswertes vorliegen. Dies ist nicht schlechthin bei jeder telefonischen Beratung der Fall, sondern eher die Ausnahme.

c) Im Übrigen ist die Zeitgebühr nur als höher zu vereinbarende Vergütung nach § 4 StBGebV zulässig (vgl. Eckert, a. a. O., Amtliche Begründung zur 2, VOÄ zu § 13 sowie Anmerkung 1). Sie darf also gerade nicht zu einer Gebührenunterschreitung führen.

3. Selbst wenn eine Zeitgebühr nach § 13 StBGebV in einer erweiternden Auslegung des Anwendungsbereiches denkbar wäre, so ist nicht gewährleistet, dass die hier in Rede stehende Abrechnung die Rahmengebühr des § 13 Satz 2 StBGebV (37,50 DM - 90,00 DM/je angefangene Stunde) nicht unterschreitet.

a) Bei der Wahl der Gebühr innerhalb des Rahmens sind die Umstände des § 11 StBGebV sowie der Schwierigkeitsgrad der Leistung maßgeblich (Eckert, a. a. O., § 13 Anmerkung 4). Der Telefonzeittakt wird dem nicht gerecht, insbesondere wenn der Wert des Objekts und der Schwierigkeitsgrad den oberen Rahmenwertbereich als angemessen erscheinen lassen.

b) Darüber hinaus ist die "angefangene halbe Stunde" zugleich der "Mindestzeitansatz". Eine Berechnung der Zeitgebühr etwa nach Minuten scheidet aus (Eckert, a. a. O., § 13 Anmerkung 3). Die Mindestzeitgebühr des § 13 Satz 2 StBGebV von 37,50 DM kann bei der vorliegenden Abrechnung ohne weiteres im Fall kurzer Gespräche unter 10 Minuten unterschritten werden. Soweit der Beklagte ausführt, seine Stundenvergütung von 148,80 DM läge innerhalb des Rahmens des § 13 Satz 2 StBGebV, berücksichtigt er nicht die Gefahr der Gebührenunterschreitung bei kurzen Beratungsgesprächen.

c) Im Übrigen gebietet § 3 StBGebV eine allgemeine (an sich durch die speziellere Regelung des § 13 Satz 2 bei Zeitgebühren verdrängte, vgl. Eckert, a. a. O., § 13 Rdnr. 3) Mindestbetragsgebühr von 20,00 DM. Bei einer Gesprächsdauer von unter fünf Minuten wird selbst diese Gebühr unterschritten.

4. Auch das Gebot der Angemessenheit der Gebühren aus § 64 Abs. 1 StBerG und § 45 Abs. 4 Satz 1 BOStB kann hier ein Unterschreiten der Mindestgebühren nicht rechtfertigen.

Es ist schon fraglich, ob die Mindestgebühren als Ausdruck einer Vereinfachung und Vereinheitlichung der Gebührenfestsetzung überhaupt einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall zugänglich sind. Jedenfalls hätte sich die Angemessenheitsprüfung auch nach dem Wert des Objekts, der Art der Aufgabe und unter Umständen dem Schwierigkeitsgrad der Leistung zu orientieren. Gerade diese Umstände werden aber bei der vorliegenden Zeitabrechnung unberücksichtigt gelassen.

5. Die StBGebV ist auf die vorliegenden Leistungen der Steuerberater anzuwenden. Es liegt keine neuartige steuerberatende Dienstleistung vor, die ein neues Berufsbild ergeben könnte. Zwischen dem persönlichen Beratungsgespräch unter Anwesenden und der Telefonberatung besteht kein prinzipieller Unterschied. Die telefonische Beratung ist auch auf der Grundlage der StBGebV ohne weiteres möglich, wenn der Steuerberater seine Gebühren nach den Umständen angemessen in Rechnung stellt. Die hier vorgenommene Verknüpfung der Gebührenberechnung und -einziehung mit den Telefongebühren berührt nicht die Dienstleistung als solche, sondern soll nur ihre Abrechnung vereinfachen. Das allein kann kein neues Berufsbild begründen.

III. Zu den hier genannten Fällen einer Gebührenüber- und -unterschreitung der StBGebV handeln die beteiligten Steuerberater sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

1. § 64 Abs. 1 StBG untersagt eine Gebührenüberhöhung.

Zweck der Gebührenverordnung ist, sowohl im Interesse der Auftraggeber als auch im Interesse der Steuerberater angemessene Gebühren festzusetzen und durch Schaffung klarer Verhältnisse Auseinandersetzungen vermeiden zu helfen (Amtliche Begründung bei Eckert, a. a. O., vor § 1 Anmerkung 1.4). § 64 Abs. 1 StBG zielt damit auch auf den Schulz der Auftraggeber vor unangemessenen Gebühren. Dieser Individualschutz spricht für eine unmittelbar wettbewerbsbezogene und damit wertbezogene Norm (vgl. Köhler/Piper. UWG, 2. Auflage, § 1 Rdnr. 629), so dass es auf das Vorliegen besonderer wettbewerblicher Umstände oder die Möglichkeit einer Vorteilserlangung grundsätzlich nicht ankommt (vgl. Köhler/Piper, a. a. O., § 1 Rdnr. 627).

2. Wettbewerbswidrig ist auch eine Gebührenunterschreitung.

a) Allerdings nehmen weder § 64 StBG noch die StBGebV zu einer Gebührenunterschreitung und ihren Folgen näher Stellung. Nach der Amtlichen Begründung zur StBGebV (bei Eckert, a. a. O., vor § 1 StBGebV Anmerkung 1.4) soll die Gebührenverordnung Abweichungen von den vorgesehenen Gebühren zivil- und preisrechtlich nicht ausschließen; dies soll sowohl für Gebührenüber- als auch für Gebührenunterschreitungen gelten. Es sei Aufgabe der beruflichen Selbstverwaltungskörperschaften, im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungen die berufsrechtlichen Grenzen einer Unter- oder Überschreitung aufzuzeigen und deren Einhaltung zu überwachen.

b) Eine Gebührenunterschreitung ist nach § 45 Abs. 4 BOStB standeswidrig, wenn die "angemessene Gebühr" unterschritten wird. Diese Gebühr ist in der StBGebV konkretisiert. Da die Abrechnungspraxis der Beklagten - wie erörtert - weite Teile der dabei abzuwägenden Umstände unberücksichtigt lässt, wird eine Gebührenunterschreitung nicht selten unangemessen sein. Mit dem standesrechtlichen Verbot einer Gebührenunterschreitung soll ein Preiswettkampf unterbunden werden, der existenzgefährdend werden, von der sachorientierten Auswahl der Steuerberater durch die Mandaten ablenken und die Qualität der Beratungsleistung stark herabsetzen kann.

c) Ein standeswidriges Verhalten ist zwar nicht zugleich sittenwidrig. Regelmäßig ist insoweit noch das Hinzutreten besonderer, zusätzlicher Umstände erforderlich (BGH, NJW 1980, 2407). Das ist aber hier der Fall. So ist eine Preisunterbietung dann wettbewerbswidrig, wenn ein Unternehmer gesetzlich festgesetzte Preise (Gebühren, Tarife) bewusst und planmäßig, d. h. vorsätzlich und nicht lediglich versehentlich unterschreitet und sich damit einen Vorsprung vor den. gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft (BGH, GRUR 1991, 769, 771 - Honoraranfrage zu § 4 HOAI; Köhler/Piper. a. a. O., § 1 Rdnr. 396; weitergehend eine Indizfunktion der BOStB bejahend Köhler/Piper. a. a. O., § 1 Rdnr. 675).

aa) Die beteiligten Steuerberater kannten die Umstände der Gebührenerhebung und damit auch die systemimmanenten Gefahren einer Gebührenunterschreitung. Sie handelten daher bewusst und planmäßig.

bb) Sie haben sich einen Wettbewerbsvorsprung von größerem Gewicht verschafft.

Der geringe Minutenpreis für eine im Allgemeinen als recht teuer eingeschätzte Beratung ist für den Verbraucher - auch den verständigen - von großer Anziehungskraft. Die dem Auftraggeber häufig als klar und einfach vor Augen stehende Frage wird sich nicht selten erst nach einer längeren Erörterung - wenn überhaupt - hinreichend beantworten lassen. Die Verbraucher werden daher vor dem Beratungsgespräch in größerem Umfang die notwendige Gesprächsdauer unter- und die Verbindlichkeit der Antworten überschätzen. Dies erhöht noch die Attraktivität des Angebots.

Der teilnehmende Steuerberater kann daher - jedenfalls nach einer Einführungsphase - von einer nicht unerheblichen Einnahmequelle ausgehen. Soweit die Auskunft den Beratungsbedarf befriedigt, geht dies auch zu Lasten der übrigen Steuerberater, selbst wenn einige Auftraggeber nur wegen der Anziehungskraft des Systems der Beklagten eine fachliche Beratung in Anspruch genommen haben werden. Darüber hinaus kann der teilnehmende Steuerberater - jedenfalls bei einer gewissen örtlichen Nähe zu den Auftraggebern - aufgrund der telefonischen Beratung auch neue, dauerhafte Auftraggeber interessieren, sei es, weil seine Beratung überzeugt hat, sei es, weil eine vertiefende persönliche Beratung noch erforderlich ist.

IV. Unter diesen Umständen steht der Feststellung der Sittenwidrigkeit auch nicht der grundgesetzliche Schutz der Berufsfreiheit aus Artikel 12 GG entgegen.

Regelungen der Berufsausübung sind verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (BVerfGE 76,196, 207; 85, 248, 259; 94, 372, 390; Köhler/Piper. a. a. O., Einführung Rdnr. 282).

Den aufgezeigten Gefahren einer Gebührenunterschreitung und auch den Gefahren einer Gebührenüberschreitung kann ohne weiteres durch eine hinreichend individuelle Abrechnung - ohne (jedenfalls alleinige) Koppelung an die Telefongebühren und den Zeittakt - Rechnung getragen werden. Der damit verbundene organisatorische Mehraufwand ist eher gering und insgesamt durch die aufgezeigten Gefahren im Interesse der Ratsuchenden und der Allgemeinheit gerechtfertigt.

V. Die Beklagte fördert den lauteren Wettbewerb der bei ihr teilnehmenden Steuerberater maßgeblich. Sie ist damit selbst als Störer analog § 1004 BGB zur Unterlassung verantwortlich (vgl. BGH, GRUR 1996, 905 - GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Werbung; Köhler/Piper, a. a. O., Einführung Rdnr. 246 m. w. N.).

VI. Der geförderte Wettbewerbsverstoß der Beklagten ist wesentlich im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Der Wettbewerbsvorsprung ist - wie erörtert - greifbar (vgl. Köhler/Piper. a. a. O., § 1 Rdnr. 661). Es besteht zudem ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, einen die Qualität der Steuerberatung gefährdenden Preiskampf zu vermeiden. Dies gilt sowohl angesichts der Bedeutung einer steuerlichen Beratung für den Einzelnen als auch wegen der großen Zahl von Steuerveranlagungen für die Gemeinschaft.

VII. Soweit das Landgericht den weiteren Vorwürfen (Verletzung er Verschwiegenheitspreis, Abtretungsverbotsverstoß, Interessenkollision, Gefahr fehlerhafter Beratung, Verstoß gegen §§ 3, 5 StBerG) ausdrücklich nicht weiter nachgegangen ist, liegen andere Klagegegenstände vor, soweit sie den Umfang der Untersagung erweitern oder verändern. Die Klägerin hat insoweit weder eine Urteilsergänzung beim Landgericht beantragt noch sonst das landgerichtliche Urteil angefochten. Es ist daher eine weitere Prüfung entbehrlich.

B. Die Nebenentscheidungen zu den Kosten, zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Beschwer beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO a. F.

Ende der Entscheidung

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