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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 23.05.2000
Aktenzeichen: 5 U 9674/98
Rechtsgebiete: UrhG


Vorschriften:

UrhG § 97 Abs. 1
Leitsatz:

UrhG § 97 Abs. 1

Der Lizenznehmer urheberrechtlich geschützter Software verletzt das Urheberrecht des Lizenzgebers, wenn er entgegen den vertraglichen Vereinbarungen Kunden eine Demoversion der Software, die sich nach vier Monaten deaktivieren soll, wie eine Vollversion, nämlich zur zeitlich unbegrenzten Nutzung zur Verfügung stellt Die inhaltliche (zeitliche) Begrenzung der Demoversion begegnet keinen rechtlichen Bedenken

Ein "Geschäftsführer Vertrieb" muss, wenn er der Haftung als Störer entgehen will, substantiiert darlegen, dass er von einer Verletzung von Urheberrechten im Vertriebsbereich nichts gewusst hat und sie auch nicht hätte verhindern können.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 9674/98 16 O 344/98 Landgericht Berlin

Verkündet am: 23. Mai 2000

Lohey, Justizsekretärin

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk und den Richter am Kammergericht Crass für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das am 3. November 1998 verkündete Teilurteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten zu 2) beträgt 39.731,50 DM.

Der Tenor des vorgenannten Teilurteils wird gemäß § 319 ZPO wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers dahin berichtigt, dass es statt "39.751,50 DM" richtig heißen muss "39.739,50 DM".

Tatbestand:

Die Klägerin entwickelt Software-Lösungen für Architekten und Bauingenieure und vertreibt diese über ein Franchisesystem. Die Klägerin schloss im Jahre 1994 mit der O GmbH einen entsprechenden Franchisevertrag. Die beiden Beklagten waren die Geschäftsführer dieser GmbH, die vermögenslos ist. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse abgewiesen.

Der Franchisevertrag sah vor, dass die Software auf Lizenzbasis überlassen wurde. Diese Lizenzen wurden von der GmbH bei der Klägerin jeweils einzeln für einen bestimmten Kunden bestellt. Die Klägerin stellte der GmbH auch Demolizenzen zur Verfügung, die die GmbH ihren Kunden probeweise und unentgeltlich überlassen sollte, um diese von der Leistungsfähigkeit der Software zu überzeugen. Die Demosoftware war auf eine Laufzeit von vier Monaten beschränkt und deaktivierte sich nach Ablauf dieser Zeit selbständig.

Die GmbH stellte in drei Fällen ihren Kunden eine Demoversion zur Verfügung, räumte ihnen jedoch eine Volllizenz ein und berechnete diese entsprechend, ohne zuvor eine solche bei der Klägerin zu bestellen.

Die Klägerin hat die Beklagten unter anderem auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 1 UrhG in Höhe von insgesamt 39.731,50 DM in Anspruch genommen, da sie in den drei Fällen bei ordnungsgemäßer Durchführung Lizenzgebühren in dieser Höhe erhalten hätte. Dem Beklagten zu 1) ist die Klage bisher nicht zugestellt worden.

Das Landgericht Berlin hat - unter Abweisung der gegen ihn gerichteten weitergehenden Klage - den Beklagten zu 2) zur Zahlung von 39.751,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7. Juni 1998 verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte zu 2) Berufung bei dem Kammergericht eingelegt. Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage gegen ihn insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten zu 2) ist zulässig, genügt insbesondere den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Der Beklagte rügt seine Passivlegitimation mit dem Argument, dass er an den Rechtsverletzungen der GmbH weder als Handelnder beteiligt gewesen sei noch Kenntnis davon gehabt habe.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) einen Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG in Höhe von 39.731,50 DM.

Die von der Klägerin entwickelte Software genießt urheberrechtlichen Schutz. Es bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass das Programm nur ganz einfach strukturiert ist und nicht wenigstens die Anforderungen der "kleinen Münze" erreicht (vgl. OLG München, ZUM-RD 1999, 445/447; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 69 a Rdn. 21).

Der Beklagte zu 2) hat auch das Urheberrecht der Klägerin widerrechtlich verletzt. Zwar stellt die Verfügung eines Nichtberechtigten über ein fremdes Urheberrecht für sich genommen noch keine Urheberrechtsverletzung dar (vgl. BGH, GRUR 1999, 579/580 "Hunger und Durst"), die Urheberrechtsverletzung liegt aber darin, dass die GmbH entgegen den vertraglichen Vereinbarungen die Demoversion der Software wie eine Vollversion, nämlich zur zeitlich unbegrenzten Nutzung dem Kunden zur Verfügung gestellt hat. Dabei begegnet die inhaltliche (zeitliche) Beschränkung des Verbreitungsrechtes hinsichtlich der Demoversion keinen rechtlichen Bedenken (vgl. KG, Senat, GR 1998, 137/138; Schricker/Loewenheim, a.a.O., § 69 c Rdn. 28).

Die Vorgehensweise der GmbH wird von dem Beklagten zu 2) nicht bestritten. Mit eventuell in der ersten Instanz unerledigt gebliebenen Beweisanträgen brauchte sich der Senat nicht zu befassen, nachdem sie im Berufungsverfahren nicht wiederholt worden sind. Eine globale Bezugnahme auf das Vorbringen erster Instanz, wie sie hier in der Berufungsbegründungsschrift geschehen ist, reicht nicht aus, um das Berufungsgericht zu verpflichten, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen des Berufungsklägers auf ihre Relevanz für das Berufungsverfahren zu überprüfen (vgl. BVerfG, NJW 1974, 133).

Ob den Kunden der GmbH bekannt war, dass sie nur eine Demolizenz statt der in Rechnung gestellten Volllizenz besaßen, ist für die Haftung irrelevant, da die Rechtsverletzung gegenüber der Klägerin begangen worden ist und es insoweit nur auf deren Kenntnis ankommt.

Der Beklagte haftet auch persönlich, da er als Störer anzusehen ist (vgl. zur Definition des Störers: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 14 Rdn. 4). Der Beklagte zu 2) würde nur dann nicht haften, wenn er weder an der Rechtsverletzung teilgenommen noch von ihr gewusst hätte (vgl. BGH, GRUR 1986, 248/250 f. "Sporthosen", Schricker/Wild, 2. Aufl., § 97 Rdn. 37 aE).

Hierfür reicht jedoch die einfache Behauptung, nicht selbst gehandelt zu haben, und der Hinweis auf andere Personen, die angeblich allein verantwortlich die beanstandeten Geschäfte abgewickelt haben sollen, nicht aus. Der Beklagte hätte hinreichend substantiiert vortragen müssen, mit welchen Aufgaben er befasst war und warum er trotz seiner Funktion als "Geschäftsführer Vertrieb" nichts von den Rechtsverletzungen wusste und sie nicht verhindern konnte. Mindestens war vorzutragen, welche Vorkehrungen getroffen wurden, um Verstöße gegen das UrhG zu verhindern. Aus der Sicht des Senats erscheint der Absatz von Programmen als Aufgabe des Vertriebs und fällt damit regelmäßig in den Aufgabenbereich eines "Geschäftsführers Vertrieb". Zudem tragen auch die (späteren) Bestellungen der Vollversionen der Software für die Kunden und B die Unterschrift des Beklagten zu 2), woraus zu schließen ist, dass dieser sehr wohl mit diesen Vorgängen befasst war. Hinsichtlich des Kunden L hat der Beklagte zu 2) lediglich vorgetragen, dass er zum Zeitpunkt der Anlieferung in Florida geweilt habe. Das besagt nichts hinsichtlich der weiteren urheberrechtswidrigen Durchführung des Vertrages. Die Verletzung des Urheberrechts der Klägerin geschah auch widerrechtlich und vorsätzlich. Die GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) war, hat bewusst und gewollt Demolizenzen als Volllizenzen vertrieben, obwohl bekannt war, dass sie dazu nicht berechtigt gewesen ist.

Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Beklagte auch dann haftet, wenn die Forderungen gegen die GmbH nicht mehr realisiert werden können.

Gemäß § 840 Abs. 1 BGB haften alle Verletzer als Gesamtschuldner. Damit ist der Beklagte zu 2) nach § 421 BGB verpflichtet, selbst die ganze Leistung zu bewirken. Auf die Zahlungsfähigkeit der GmbH kommt es somit nicht an.

Die Höhe des zu ersetzenden Schadens hat das Landgericht letztlich unter dem Aspekt der Lizenzanalogie errechnet, obwohl die Klägerin den entgangenen Gewinn geltend gemacht hat. Damit hat das Landgericht der Klägerin etwas anderes zugesprochen, als diese beantragt hatte. Dies hat die Klägerin jedoch durch ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung genehmigt.

Dem Landgericht ist bei der Tenorierung ein offensichtlicher Rechen- oder Schreibfehler unterlaufen. Der Klägerin sollten statt 39.751,50 DM nur 39.731,50 DM zugesprochen werden.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO in Verbindung mit § 713 ZPO. Die Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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