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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.08.2006
Aktenzeichen: 5 W 21/06
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG


Vorschriften:

ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 572 Abs. 1 Satz 1
RpflG § 11 Abs. 2
Die Vorlage einer "sofortigen Beschwerde" an das Beschwerdegericht ist verfahrensfehlerhaft, wenn nacheiner Teilabhilfe die Beschwerdesumme aus § 569 Abs. 2 ZPO nicht mehr erreicht wird.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 21/06

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

zu dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht Dr. Pahl als Einzelrichter am 17. August 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Auf den als "Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Berlin vom 9. Dezember 2005 - 8 O 226/05 - wird der Teilabhilfebeschluss des Rechtspflegers beim dem Land gericht Berlin vom 20. Januar 2006 - 8 O 226/05 - in Ziff. 3 (Vorlage an das Kammergericht) aufgehoben und das Verfahren zur eigenen Entscheidung durch das Landgericht - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - zurückverwiesen.

2. Eine Entscheidung über den als "Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf der Beklagten gegen den Beschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Berlin vom 20. Juni 2006 (Ziff. 1, 2) - 8 O 226/05 - wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Vorlage des Rechtsbehelfs der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. Dezember 2005 - in seiner durch den Teilabhilfebeschluss vom 20. Januar 2006 gegebenen Fassung - ist unzulässig, § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Denn mangels hinreichender Beschwer (§ 576 Abs. 2 ZPO: 200,00 EUR) wäre eine sofortige Beschwerde unzulässig. Damit ist der Rechtsbehelf der Klägerin als Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG zu behandeln. Eine Erinnerung ist dem Richter des Landgerichts zur Entscheidung vorzulegen, § 11 Abs. 2 Satz 3 RpflG.

1.

Der Wert der Beschwer der Klägerin hat bei der Vorlage an das Kammergericht 170,00 EUR nicht überstiegen.

a.

Maßgeblich für die Bestimmung der Höhe der Beschwer gem. § 572 Abs. 2 ZPO ist der Zeitpunkt der Vorlagentscheidung nach einer gegebenenfalls vom Rechtspfleger getroffenen Teilabhilfeentscheidung. Denn erst mit der Abhilfeentscheidung fällt der Rechtsbehelf (jedenfalls der zum Landgericht eingelegte) beim Beschwerdegericht an und dieses soll gemäß § 576 Abs. 2 ZPO von Bagatellverfahren entlastet werden.

Diese Auffassung entspricht der weitgehend einhelligen in Rechtsprechung und Literatur (BayObLG Z 1994, 374, 376 m.w.N.; OLG Frankfurt/Main Rpfleger 1988, 30 m.w.N.; Mümmler, JurBüro 1988, 1504 m.w.N.). Die gegenteilige Entscheidung des 15. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. August 1958 (NJW 1958, 2023) ist vereinzelt geblieben und schon der 1. Zivilsenat des Kammergerichts ist ihr in der Vergangenheit nicht mehr gefolgt (Rpfleger 1991, 409). Auch v.Eicken/Müller-Rabe (in Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., § 56 Rdn. 19) haben ihre gegenteilige Auffassung aus der Vorauflage aufgegeben (anderer Ansicht noch Stein/Jonas/Grundsky, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rdn. 31). An dieser weitgehend einhelligen Auffassung ist jedenfalls in den Fällen festzuhalten, in denen - wie vorliegend - der Rechtsbehelf im nach der Teilabhilfe verbliebenen Umfang nicht unzulässig, sondern er nur einem anderen, besonderen Vorlageverfahren zugeführt wird. Denn nur dieses Verfahren trägt dem verbliebenen Bagatellcharakter hinreichend Rechnung und der Rechtsbehelfsführer wird nicht rechtlos gestellt.

b.

Liegen mehrere Beschwerden vor, ist der Beschwerdewert für jedes Rechtsmittel getrennt zu bestimmen (BayObLG Z 1994, 374, 375). Auf die Beschwerde der Beklagten und deren Rechtsbehelf gegen den Teilabhilfebeschluss kommt es daher nicht an.

c.

Die Beschwerdesumme errechnet sich aus der Differenz zwischen dem, was der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung erlangt hat (oder was ihm auferlegt worden ist) und dem, was er nach seinem Beschwerdeantrag erlangen (oder abwenden) will, also nach der Differenz, um die der Beschwerdeführer sich verbessern will (BayObLG, Rpflger 2000, 441 f.; Münchener Kommentar ZPO/Lipp, § 576 Rdn. 25; Stein/Jonas/Grundky, a.a.O., § 567 Rdn. 32).

Vorliegend ist die Klägerin - soweit der Rechtspfleger bei dem Landgericht nicht abgeholfen hat - in Höhe von 187,50 EUR mit einer Terminsgebühr (0,5) nach dem Hauptsachenwert belastet worden. Mit ihrem Rechtsbehelf erstrebt die Klägerin die Verringerung der Terminsgebühr auf eine solche berechnet nach dem Kostenwert an (hier im Ergebnis 52,50 EUR). Die Differenz von 135,00 EUR übersteigt einschließlich der Umsatzsteuer und anteiliger Zinsen nicht einen Betrag von 170,00 EUR. Sie bleibt daher hinter der Mindestbeschwerdesumme von 200,01 EUR (§ 569 Abs. 2 ZPO) zurück.

2.

Das Verfahren war daher unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses an das Landgericht zurück zu verweisen, das über den nach Abhilfe verbliebenen Teil des als Erinnerung aufzufassenden Rechtsbehlfs abschließend in eigener Zuständigkeit sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat (vgl. OLG Frankfurt/Main, Rpfleger 1988, 30; Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 104 Rdn. 63).

II.

Der - zum Landgericht eingelegte und von dort formlos an das Kammergericht nachgereichte - Rechtsbehelf der Beklagten gegen den Teilabhilfebeschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht (Ziffern 1 und 2) ist nicht wirksam beim Beschwerdegericht angefallen. Denn auch insoweit fehlt es an einer hinreichenden Beschwer gemäß § 569 Abs. 2 ZPO, so dass der Rechtsbehelf als Erinnerung aufzufassen ist.

1.

Die geltend gemachten Reisekosten hat der Rechtspfleger bei dem Landgericht Berlin im Teilabhilfebeschluss auf beide in Betracht kommenden Streitverfahren verteilt und damit den im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. Dezember 2005 festgesetzten Betrag in Höhe von 1.167,90 EUR auf 1.067,55 EUR ermäßigt. Die Beklagten erstreben mit ihrem Rechtsbehelf gegen den Teilabhilfebeschluss die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 9. Dezember 2005. Die Differenz zu ihren Lasten beträgt mithin nur 100,35 EUR.

2.

Der Rechtsbehelf der Beklagten wäre auch als Anschlussbeschwerde vorliegend nicht ohne eine hinreichende Beschwer nach § 569 Abs. 2 ZPO zulässig, weil - wie erörtert - schon der Rechtsbehelf der Klägerin als sofortige Beschwerde unzulässig wäre.

3.

Über die Erinnerung hat gemäß § 11 Abs. 2 RPflG das Landgericht abschließend - auch über die Kosten - zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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