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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 5 W 24/06
Rechtsgebiete: RVG, RVG-VV


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2 S. 1
RVG-VV Nr. 3104 Teil 3 Abs. 3
Eine Terminsgebühr kann auch dann anfallen, wenn nach Eintritt eines den Rechtsstreit erledigenden Ereignisses der Klägervertreter fernmündlich mit dem Beklagtenvertreter die Abgabe beiderseitiger Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO bespricht.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 24/06

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht als Einzelrichter am 21. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 02. Januar 2006 - 8 O 148/05 - geändert:

Die nach dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. November 2005 von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 9.134,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2005 festgesetzt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 2.500,00 Euro.

Gründe:

I.

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet, § 91 ZPO. Das Landgericht hat die Festsetzung auch einer 1,2fachen Terminsgebühr (Nr. 3104 VVRVG) zu Unrecht abgelehnt.

1.

Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VVRVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Die Terminsgebühr ersetzt nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl die frühere Verhandlungs- als auch die frühere Erörterungsgebühr. Im Vergleich zu diesen Gebühren ist der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert worden. Im Interesse der Vereinfachung und insbesondere zur Beseitigung früherer Streitfragen sind durch die Fassung des Gebührentatbestandes die Unterschiede zwischen einer streitigen oder nicht streitigen Verhandlung, ein- oder zweiseitiger Erörterung sowie zwischen Verhandlungen zur Sache oder zur Prozess- und Sachleitung entfallen (BGH, EBE/BGH 2007, 19, juris Rdn. 6 unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Eine auf eine Erledigung gerichtete Besprechung setzt als mündlichen Austausch von Erklärungen die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Verweigert der Gegner von vornherein entweder ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande (BGH, a.a.0., juris Rdn. 8). Da der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft, sind an die mündliche Reaktion des Gegners über Kenntnisnahme und Prüfung des Vorschlags hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen. Die Würdigung steht im Einklang mit den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/1971 S. 209), wonach die Unterscheidung zwischen einer ein- und zweiseitigen Erörterung aufgegeben werden soll (BGH, a.a.0.). Die Besprechung kann auch telefonisch erfolgen (BGH, a.a.0., juris Rdn. 7).

Vorliegend hatte der Klägervertreter am 23. August 2005 vom Beklagtenvertreter fernmündlich das Einverständnis eingeholt, den für die hier vorliegende negative Feststellungsklage angesetzten Verhandlungstermin vom 25. August 2005 im Hinblick auf die am 17. September 2005 anstehende mündliche Verhandlung über die anderweit zwischen den Parteien anhängige Leistungsklage aufheben zu lassen. Die Aufhebung des Verhandlungstermins ist dann auch erfolgt. In einem weiteren Gespräch zwischen den Parteivertretern vom 21. Oktober 2005 haben diese die Verfahrenslage für die vorliegende negative Feststellungsklage im Hinblick auf die durchgeführte mündliche Verhandlung im Leistungsklageverfahren und das zwischenzeitlich ergangene Leistungsklageurteil besprochen und eine beiderseitige Erledigungserklärung in Aussicht genommen. Das vorliegende Feststellungsklageverfahren ist dann auch nachfolgend beiderseits für erledigt erklärt worden.

3.

Unter diesen Umständen sind die rechtlichen Voraussetzungen der oben genannten Terminsgebühr für eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens zwanglos gegeben. Die Parteivertreter haben telefonisch den Weg zu einer Erledigung des Feststellungsklageverfahrens erörtert und in Aussicht genommen.

a)

Dem Vortrag des Klägers zum Inhalt der geführten Telefonate hat die Beklagte nicht widersprochen. Jedenfalls dies genügt zur Feststellung der gebührenauslösenden Umstände im Kostenfestsetzungsverfahren (BGH, Beschluss vom 20. November 2006, II ZB 6/06, juris Rdn. 6).

b)

In dem vorliegenden Feststellungsrechtsstreit konnte eine Terminsgebühr dem Grunde nach auch anfallen, denn es unterlag einer notwendigen mündlichen Verhandlung, § 128 Abs. 1 ZPO. Dass nach der beiderseitigen Erledigungserklärung diese Notwendigkeit entfallen ist, steht nicht entgegen. Denn die hier in Rede stehende Terminsgebühr wird auch gerade deswegen gewährt, um eine mündliche Verhandlung vermeiden zu helfen.

c)

Unerheblich ist auch, dass nach der mündlichen Verhandlung und Entscheidung im Leistungsklageverfahren für das vorliegende Feststellungsklageverfahren das Feststellungsinteresse von Rechts wegen bereits vor dem zweiten Telefonat der Parteivertreter entfallen ist und deshalb der von den Parteivertretern besprochene, in Aussicht gestellte und dann auch tatsächlich bestrittene Weg der beiderseitigen Erledigungserklärung verfahrensrechtlich sinnvoll war.

aa)

Auf eine Ursächlichkeit der Besprechung für eine dann eingetretene Erledigung kommt es grundsätzlich nicht an (OLG Koblenz, RVGreport 2005, 269). Dies ist schon deshalb konsequent, weil - wie erörtert - der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft.

bb)

Gebührenrechtlich muss zwischen dem erledigenden Ereignis und den prozessrechtlichen Erledigungserklärungen nicht unterschieden werden. Eine Besprechung kann in beiden Fällen auf eine "Erledigung des Verfahrens" gerichtet sein. Dies gilt zwanglos für die Erörterung eines noch herbeizuführenden erledigenden Ereignisses. Aber auch eine Besprechung nach Eintritt eines - nicht zuvor erörterten - erledigenden Ereignisses kann auf eine Erledigung des Verfahrens gerichtet sein. Denn der Eintritt des erledigenden Ereignisses "erledigt" verfahrensrechtlich den Rechtsstreit nicht automatisch. Hierzu bedarf es noch eines Einverständnisses beider Prozessbeteiligter. Der Streitgegenstand reduziert sich erst mit beiderseitiger Erledigungserklärung gemäß § 91a ZPO auf die Kosten (BGH, NJW 1989, 2986, juris Rdn. 21; Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 91a Rdn. 96).

Bei einer Leistungsklage kann unter Umständen beiden Parteien ohne Rechtsnachteil aber auch die Möglichkeit verbleiben, von einer Erledigungserklärung abzusehen. So kann der Kläger - jedenfalls bei bestehendem Feststellungsinteresse - auf einen Feststellungsantrag (Feststellung der Erledigung der Klage) übergehen (einschränkend Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rdn. 29). Jedenfalls aber muss sich der Beklagte nicht einer Erledigungserklärung des Klägers anschließen (Zöller/Vollkommer, a.a.0., § 91a Rdn. 1). In diesen Fällen bleibt die Hauptsache Streitgegenstand (BGH, NJW 1990, 2682; Baumbach/Hartmann, a.a.0., § 91a Rdn. 70) und der Rechtsstreit ist im Urteilsverfahren auszutragen (vgl. BGH, WRP 2006, 106, juris Rdn. 10). In beiden Fällen besteht grundsätzlich die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung fort. Diese soll aber gerade die in Rede stehende Terminsgebühr für eine Besprechung vermeiden helfen. Ein Hinwirken der Prozessbevollmächtigten (auch nach Eintritt des erledigenden Ereignisses) auf die Abgabe beiderseitiger Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO kann daher ebenso gebührenrechtlich nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VVRVG privilegiert werden.

cc)

Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass mit Eintritt des erledigenden Ereignisses auch ein Feststellungsinteresse für das hier nur anhängige Feststellungsklageverfahren zwingend entfallen ist.

Es kann hier offen bleiben, ob der Kläger deshalb nur eine Erledigungserklärung nach § 91a ZPO abgeben (und damit bei Zustimmung der Beklagten die Kosten zum Streitgegenstand erheben) konnte, oder ob er auch die Feststellung der Erledigung der Feststellungsklage hätte beantragen (und damit die Hauptsache als Streitgegenstand erhalten) können (wohl ablehnend BGH, NJW-RR 2006, 566, juris Rdn. 7). Jedenfalls aber war auch hier die Beklagte nicht gezwungen, sich der Erledigungserklärung des Klägers anzuschließen (vgl. BGH, NJW 2006, 515, juris Rdn. 10; Zöller/Vollkommer, a.a.0., § 91a Rdn. 58 "Feststellungsklage"). Sie hatte es somit noch in der Hand, ob der Streitgegenstand auf die Kosten reduziert werden würde oder nicht. So hatte die Beklagte vorliegend auch nach der Erledigungserklärung des Klägers ausdrücklich noch mit einer eigenen Erledigungserklärung im Hinblick darauf abgewartet, ob im Leistungsklageverfahren eine eigene Berufung eingelegt werden sollte.

Unter diesen Umständen war das telefonische Hinwirken des Klägervertreters auf eine einvernehmliche Erledigungserklärung gebührenrechtlich ebenso nach der Vorbemerkung 3 Abs. 2 VVRVG zu begünstigen.

dd)

Hier kommt noch hinzu, dass bereits das erste Telefonat der Parteivetreter vom 23. August 2005 eine Erledigung vorbereiten sollte, indem die Beantragung einer Aufhebung des anstehenden Verhandlungstermins im Feststellungsklageverfahren vereinbart wurde und damit die Möglichkeit einer Erledigung des Feststellungsklageverfahrens durch das Leistungsklageverfahren erhalten blieb. Denn möglicherweise wäre die Feststellungsklage in dem ersten Verhandlungstermin schon zur Entscheidung reif gewesen.

Jedenfalls im Zusammenwirken der beiden Telefonate (Terminsaufhebung und Besprechung der Erledigungserklärungen) kann vorliegend eine "Besprechung" im Sinne der Vormerkung 3 Abs. 3 VVRVG nicht verneint werden.

ee)

Unter diesen Umständen bestehen auch keine Zweifel, dass die Besprechungen des Klägervertreters sachgerecht und damit auch "notwendig" im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO waren (vgl. dazu Hansens, RVGreport 2006, 241, 249).

II.

Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 91 Abs. 1, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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