Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.09.2002
Aktenzeichen: 5 W 248/02
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 3
ZPO § 567 n. F.
ZPO § 938
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 248/02

In dem Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 5 Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase den Richter am Kammergericht Dr. Pahl und die Richterin am Kammergericht Prietzel Funk am 13. September 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - der Beschluss der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 22. August 2002 geändert.

Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zum 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere hinsichtlich der Antragsgegnern zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Plüchbaren mit Flicken auf Kopf und/oder Bauch gemäß folgender Abbildung zu vertreiben anzubieten oder feilzuhalten:

Von den Kosten 1. Instanz haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) je 1/3 zu tragen. Von den Kosten 2. Instanz haben die Antragstellerin 2/7 und die Antragsgegnerinnen je 5/14 zu tragen.

Der Verfahrenswert wird für die 2. Instanz auf 70.000,00 EUR festgesetzt, wobei auf den Unterlassungsanspruch 66.500,00 EUR und auf den Auskunftsanspruch 3.500,00 EUR entfallen.

Gründe:

Das gem. § 567 ZPO n. F. statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel ist nach teilweiser Antragsrücknahme im Wesentlichen begründet. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch im Umfange des Beschlusstenors zu.

1.

Die Antragstellerin kann sich allerdings nicht mit Erfolg auf Urheberrechtsschutz berufen. Die Plüschbären weisen zwar ohne Zweifel eine das ästhetische Empfinden ansprechende Form auf. Angesichts des im Rahmen der angewandten Kunst zur Verfügung stehenden Schutzes nach dem Geschmacksmustergesetz besteht jedoch kein Bedarf, Gegenstände, die - wie hier - nur eine geringe Gestaltungshöhe aufweisen, unter den Schutz des Urheberrechts zu stellen. In diesem Bereich gilt die kleine Münze des Urheberrechts anerkanntermaßen nicht (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., UrhG § 2 Rn. 157 m.w.N.).

2.

Der Antragstellerin steht der Unterlassungsanspruch aber gem. § 1 UWG im Umfange des Unterlassungstenors unter dem Gesichtspunkt der Herkunftstäuschung und Rufausbeutung zu.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Nachahmung eines nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden fremden Arbeitsergebnisses oder einer fremden Leistung als solches erlaubt ist. Ein Erzeugnis mit wettbewerblicher Eigenart ist gegen Nachbildung nur geschützt, wenn Umstände hinzutreten, die als wettbewerbswidrig zu qualifizieren sind. Im Übrigen herrscht Nachahmungsfreiheit (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rn. 591; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., UWG § 1 Rn. 442, 445, jeweils m.w.N.). Der Vertrieb der streitgegenständlichen Plüschbären, wie sie dem Beschluss beigefügt sind, ist nach diesen Grundsätzen als wettbewerbswidrig zu untersagen.

a)

Die wettbewerbliche Eigenart der Plüschbären der Antragstellerin ist zu bejahen. Voraussetzung hierfür ist ein Erzeugnis, dessen konkrete Ausgestaltung nach dem Gesamteindruck geeignet ist, im Verkehr auf seine betriebliche Herkunft hinzuweisen (BGH GRUR 1973, 478, 479 - Modeneuheit; GRUR 1988, 690, 693 - Kristallfiguren; GRUR 1999, 751, 752 - Güllepumpen; GRUR 2000, 521, 523 - Modulgerüst). Entscheidend ist die durch die Kombination der einzelnen Merkmale erzielte Prägung der konkreten Gestaltung (vgl. BGH GRUR 1985, 876, 878 - "Tchibo/Rolex"). Wegen der Gestaltung, die sich von herkömmlichen Plüschbären hinreichend deutlich abhebt, sind sie konkret identifizierbar und damit geeignet, bei den potentiellen Abnehmern auf ihre betriebliche Herkunft hinzuweisen.

Das Landgericht hat nicht hinreichend gewürdigt, dass es sich bei den Plüschbären der Antragstellerin um solche Stücke handelt, die die maßgeblichen Kriterien für eine kennzeichnende wettbewerbliche Eigenart, wie z.B. eine pfiffige, besonders gelungene Gestaltung, die das Produkt aus der Menge vergleichbarer Produkte herauszuheben geeignet ist, und überraschende Stilmittel, die dem Modell prägsame Originalität verleihen (vgl. BGH aaO - Trachtenjanker), erfüllen. Ihre äußere Aufmachung ist durch den Velours-Flickenbesatz auf dem Körper und dem Kopf gekennzeichnet. Ein derartiger Flickenbesatz auf einem im Übrigen völlig neuen und mit einem ansprechenden zotteligen Plüschfell ausgestatteten Plüschbären ist ungewöhnlich und verleiht der konkreten Ausgestaltung eine prägsame Originalität, die als solche geeignet ist, die Plüschbären einem bestimmten Hersteller zuordnen zu können.

b)

Für die Frage der Nachahmung ist auf die übernommenen Elemente abzustellen, geringfügige Abweichungen vom Original ändern am Vorliegen einer Nachahmung nichts (Köhler/Piper, aaO, § 1 Rn. 622). Danach stellen die beiden vorgelegten Verletzungsformen sehr eng an das Vorbild der Plüschbären der Antragstellerin angelehnte Nachahmungen dar. Das Vorbild bleibt in dem nachgeahmten Erzeugnis klar erkennbar. Die beiden Plüschbären-Modelle der Antragsgegner sehen nach dem maßgeblichen Gesamteindruck (vgl. BGH GRUR 1981, 273, 275 - Leuchtenglas; EWiR 2002, 497 - Blendsegel) denen der Antragstellerin sehr ähnlich, irgendeine nennenswerte eigenständige Leistung des Übernehmers ist nicht erkennbar. Auch die nachgeahmten Modelle weisen auf ihren Vorderseiten die prägenden Velours-Flicken auf einem neuwertigen zotteligen Fell eines Plüschbären auf, und zwar ebenfalls am Körper und am Kopf. Auf Abweichungen in Einzelheiten kommt es nicht an (Köhler/Piper aaO ). Insbesondere die vom Landgericht angesprochene geringere Anzahl und die abweichende Platzierung der Flicken, das Fehlen der "Narben" und die andere Farbe der Nase bei den Verletzungsobjekten gehören zwar für sich gesehen zu den die Individualisierung mitprägenden Merkmalen des nachgeahmten Erzeugnisses. Das Weglassen allein dieser Merkmale führt jedoch nicht aus dem Schutzbereich hinaus, weil der durch die Flicken geprägte Gesamteindruck der Plüschbären der Antragstellerin dadurch nicht maßgeblich verändert wird. Vielmehr bleibt das Vorbild für die Nachahmung auch bei Weglassen der genannten Merkmale klar erkennbar. Damit setzt sich das nachgeschaffene Leistungsergebnis nicht hinreichend deutlich von seinem Vorbild ab.

c)

Die Anforderungen an das Vorliegen der besonderen wettbewerblichen Begleitumstände, die hinzutreten müssen, um die Übernahme der fremden Leistung wettbewerbswidrig zu machen (BGH GRUR 1995, 57, 59 - Markenverunglimpfung II; GRUR 1999, 751, 752 - Güllepumpen), sind vorliegend nicht zu hoch anzusetzen (vgl. Köhler/Piper aaO Rn. 628). Je größer die wettbewerbliche Eigenart ist, umso geringer sind die Anforderungen an die besonderen Umstände, insofern besteht eine Wechselwirkung (BGH GRUR 1996, 1210, 211 -Vakuumpumpen; GRUR 2001, 443, 445-Vienetta; GRUR aaO - Blendsegel). Die Anforderungen an die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit des Vorgehens sind wiederum bei der unmittelbaren Leistungsübernahme geringer als bei der nachschaffenden Übernahme, die auf einer eigenen Leistung des Übernehmers beruht (BGH GRUR 1960, 244, 246 - Simili- Schmuck; GRUR 1986, 673, 675 - Beschlagprogramm; Köhler/Piper, aaO, Rn. 629, 645).

Die Eigenart des nachgeahmten Produktes ist vorliegend durchschnittlich, die Leistung der Antragstellerin wurde von der Antragsgegnerin zu 1) nicht nur nachschaffend, sondern unmittelbar übernommen und deutlich erkennbar nachgeahmt. Dass nicht alle Gestaltungsmerkmale der Vorlage übernommen wurden, ändert nichts an der Herkunftstäuschung, weil das übernommene Merkmal des Flickenbesatzes aufgrund seiner oben bereits erläuterten wettbewerblichen Eigenart geeignet ist, den Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen (vgl. BGH GRUR 1999, 923, 926 - Tele-Info-CD); GRUR 2001, 251, 253 - Messerkennzeichnung). Aufgrund der Nachahmung besteht die Gefahr der betrieblichen Herkunftsverwechslung. Die Originalität des Ersterzeugnisses ist für die angesprochenen Verkehrskreise von erheblicher Bedeutung. Gerade bei Merchandising-Produkten wie dem vorliegenden ist es dem Publikum nicht gleichgültig, ob ein Original oder nur ein Nachahmungsprodukt erworben wird. Vielmehr ist - ähnlich wie bei einem Markenartikel - nur mit dem Original das Besitzprestige verbunden, das seinen vergleichsweise hohen Preis rechtfertigt. Dass die ins Internet gestellte Geschichte des "Tatty Teddy" auch in Deutschland populär ist und die Plüschbären deswegen begehrt sind, hat die Antragstellerin zwar nicht glaubhaft gemacht. Darauf kommt es jedoch nicht an, denn gerade bei erfolgreichen Trendartikeln stellen sich rasch verselbständigte Erwerbsbedürfnisse beim Publikum ein, die einer Promotion durch die ursprüngliche Geschichte nicht mehr bedürfen. Dieses Bedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise nach Originalität des Trendartikels wird von den Antragsgegnern aus eigenem Gewinnstreben zulasten des getäuschten Publikums und der Antragstellerin ausgenutzt.

Die Vermeidung einer solchen Verwechslungsgefahr durch Einhaltung eines größeren Abstands vom Original wäre angesichts der Vielzahl der denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten bei Plüschbären ohne weiteres zumutbar gewesen. Es handelt sich vorliegend nicht um ein Produkt, bei dem ein erheblicher Spielraum für Variationen besteht, weswegen strenge Anforderungen an die Einhaltung eines gehörigen Abstandes zum Erzeugnis des Antragstellerin zu stellen sind (BGH GRUR 1961, 581, 583 - Hummel-Figuren II; GRUR 1967, 315, 317 - skai cubana). Darum hat sich die Antragsgegnerin aber in keiner Weise bemüht, was auch daraus zu schließen ist, dass sie sogar die Körperhaltung des Originals und die Farbe des Felles treffend nachgeahmt hat, womit die Bezugnahme auf das Original besonders augenfällig wird.

d)

Das nachgeahmte Erzeugnis hat bei den maßgeblichen Verkehrskreisen angesichts des glaubhaft gemachten Absatzes von 380.000 Plüschbären in Deutschland, Österreich und der Schweiz allein im Jahr 2001 eine hinreichende Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt (BGH WRP 2002, 207, 210 m.w.N. - Noppenbahnen). An diesen Markterfolg hängt sich nunmehr die Antragsgegnerin zu 1) im Wege der unmittelbaren Leistungsübernahme in herkunftstäuschender Art und Weise an, die Antragsgegnerin nimmt daran teil, indem sie die nachgeahmten Plüschbären vertreibt.

2.

Die sofortige Beschwerde bleibt allerdings ohne Erfolg, soweit die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegnern auch den Import der Plüschbären zu untersagen. Es ist schon weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht, dass auch die Antragsgegnerin zu 2) die Plüschbären importiert. Sie ist nach den Angaben in der Antragsschrift lediglich Einzelhändlerin. Unabhängig davon stellt der Import aber auch nicht zwingend eine Verletzungshandlung dar. Ein Verstoß gegen den Nachahmungsschutz liegt erst vor, wenn eine Täuschungshandlung gegenüber dem Publikum begangen wird. Unter diesen Umständen ist der Import der nachgeahmten Produkte jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG mangels anderweitigen Vorbringens der Antragstellerin als Vorbereitungshandlung anzusehen, die nicht notwendigerweise - weil Umgestaltungen vor dem Weitervertrieb denkbar bleiben - zu einer Rechtsverletzung führt.

3.

Unbegründet ist die sofortige Beschwerde auch, soweit die Antragstellerin nach dem Antragswortlaut Schutz für Plüschbären beansprucht, die "aufgenähte Flicken auf den Fußflächen", also nur dort und nicht auch am Körper, aufweisen ("und/oder"). Auf derartige Gestaltungen erstreckt sich das Verbot jedoch nicht, weil dieses Merkmal jedenfalls allein keine wettbewerbliche Eigenart aufweist. Flicken auf den Fußsohlen von Plüschbären sind althergebrachte Gestaltungsmittel, für die die Antragstellerin isoliert keinen Nachahmungsschutz beanspruchen kann.

4.

Bei der Fassung des Verbotstenor hat das Gericht, soweit danach und infolge der teilweisen Antragsrücknahme der Antrag im Übrigen begründet war, von seinem Fassungsermessen gem. § 938 ZPO Gebrauch gemacht. Aus Gründen der Bestimmtheit des Tenors ist es geboten, die konkrete Verletzungsform der Plüschbären mit der Ausfertigung urkundlich zu verbinden.

5.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück