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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.05.2005
Aktenzeichen: 5 W 70/05
Rechtsgebiete: ZPO, UWG, RiLi Notarkammern Berlin und Hamburg


Vorschriften:

ZPO § 93
UWG n.F. § 12 Abs. 1 Satz 1
RiLi Notarkammern Berlin und Hamburg Ziff. XI 1.2
1. Bei Rechtsanwälten und Notaren kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ihnen die Folgen einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung auch ohne ausdrückliche Androhung gerichtlicher Schritte bekannt sind.

2. Wird ein Notar von einem Kollegen wettbewerbsrechtlich abgemahnt, so darf er in der Regel bei fehlender ausdrücklicher Androhung davon ausgehen, der Kollege werde vor Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe erst eine gütliche Einigung unter Vermittlung der Notarkammer versuchen.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 70/05

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase, die Richterin am Kammergericht Dr. Kasprik-Teperoglou und den Richter am Kammergericht Dr. Pahl am 24. Mai 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 22. März 2005 - 16 O 640/04 - wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von bis 1.500,00 Euro zu tragen.

Gründe:

A.

Die Parteien sind Notare. Die Antragsteller sind in Berlin ansässig, der Antragsgegner in Hamburg. Die Antragsteller haben werbliche Hinweise des Antragsgegners auf seiner Homepage als wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 29 Abs. 1 BNotO beanstandet. Nach dem Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung und Einlegung eines auf die Kosten beschränkten Widerspruchs hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung dem Antragsgegner die Verfahrenskosten auferlegt.

B.

Die gemäß § 99 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragsgegner ist nicht begründet, § 93 ZPO.

Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner durch sein Verhalten zur Einleitung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Veranlassung gegeben hat. Der Antragsgegner ist vor Verfahrenseinleitung hinreichend abgemahnt worden.

I.

Allerdings muss in der Abmahnung grundsätzlich die Androhung gerichtlicher Maßnahmen für den Fall enthalten sein, dass die Unterwerfungserklärung nicht fristgerecht abgegeben wird (OLG Hamburg, WRP 1986, 1194; OLG München, WRP 1981, 601; Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, OWG, 23. Aufl., § 12 Rdnr. 1. 21). Ein ausdrücklicher Hinweis fehlte hier in der Abmahnung der Antragsteller vom 18. Oktober 2004.

1.

Ein solcher ist aber auch nicht in jedem Fall notwendig. Denn der Wille, notfalls gerichtlich vorzugehen, kann sich auch aus den Umständen des Einzelfalles ergeben (z.B. Abmahnung durch einen Rechtsanwalt), oder dem Schuldner ist auf Grund seiner geschäftlichen Erfahrung ohnehin klar, was geschieht, wenn er die geforderte Erklärung nicht abgibt (Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, a.a.O.). Davon kann bei einem in Anspruch genommenen Rechtsanwalt ausgegangen werden, wenn das Schreiben unzweideutig als wettbewerbsrechtliche Abmahnung zu verstehen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2003, 5 W 335/03).

2. Auch vorliegend durften die Antragsteller auf Grund der allgemeinen Rechtskenntnis eines Notars zu Grunde legen, diesem seien die rechtlichen Folgen einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung bekannt. Ob ein Rechtsanwalt oder Notar mit der Rechtslage nach einer Abmahnung im Einzelfall tatsächlich vertraut ist, bleibt unerheblich. Maßgeblich für die Frage, ob eine Androhung gerichtlicher Schritte erfolgen muss, sind insoweit allein die Sicht des Gläubigers und dessen Kenntnis der Umstände.

Das Schreiben der Antragsteller vom 18. Oktober 2004 war nach seinem Inhalt (Rüge eines wettbewerbsrechtlichen Verstoßes unter Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit Fristsetzung) unzweideutig als wettbewerbsrechtliche Abmahnung - und nicht etwa nur als kollegial gegebener Hinweis - erkennbar.

3.

Vorliegend führen auch die Richtlinien der Notarkammern Berlin und Hamburg als Standesrecht der beteiligten Parteien zu keinem anderen Ergebnis.

a.

Zwar haben gemäß Ziff. XI 1.2 Satz 1 der gleichlautenden Richtlinien Notare bei Streitigkeiten untereinander eine gütliche Einigung zu versuchen. Einen solchen außergerichtlichen Weg haben die Antragsteller aber mit ihrer Abmahnung von 18. Oktober 2004 gewählt. Der Versuch der Antragsteller war erfolglos, weil der Antragsgegner eine Unterlassungserklärung fristgerecht nicht abgegeben hat. Die Frage, ob Notare untereinander zusätzlich auch ein Vertragsstrafenversprechen abgeben müssen, kann hier dahingestellt bleiben.

b.

Ziff. XI 1.2 Satz 2 der Standesrichtlinien fordert darüber hinaus im Fall eines erfolglosen Versuchs einer gütlichen Einigung durch die Parteien, eine gütliche Einigung durch Vermittlung der Notarkammer zu versuchen, bevor die Aufsichtsbehörde oder ein Gericht angerufen wird.

aa.

Grundsätzlich darf sich auch ein wettbewerbsrechtlich abgemahnter Notar darauf verlassen, dass der abmahnende Kollege im Rahmen der Standesrichtlichen vorgehen werde, jedenfalls wenn nichts Gegenteiliges ausdrücklich erklärt wird. Fehlt gegenüber einem Notar der ausdrückliche Hinweis auf die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe nach Fristablauf, dann wird dies regelmäßig Raum zur Annahme lassen, der abmahnende Kollege werde nachfolgend erst den Weg einer Vermittlung über die Notarkammer gemäß Ziff. XI 1.2 Satz 2 der Standesrichtlinien versuchen. Auch der abmahnende Notar darf diese erkennbare Erwartungshaltung nicht außer Acht lassen.

bb.

Soweit beide Parteien unterschiedlichen Notarkammern angehören, ist dies im Hinblick auf die insoweit gleichlautenden Standesrichtlinien der einzelnen Notarkammern unerheblich. Im Gegenteil: Diese Übereinstimmung erhärtet noch das Gewicht der genannten Standesregelung als allgemeine Überzeugung aller in Deutschland tätigen Notare. Der Vermittlungsversuch kann naheliegend über die Notarkammer versucht werden, der der abgemahnte Notar angehört und die ohnehin aufsichtsrechtliche Befugnisse einleiten könnte.

cc.

Wenn Ziff. XI 1.2 Satz 2 der Standesrichtlinien nur eine "Soll-Vorschrift" enthält, so lässt dies berechtigte Ausnahmen zu, insbesondere in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit. Ob ein solcher Fall vorliegend gegeben war, ist angesichts der örtlichen Entfernung der Kanzleien beider Parteien und des Gewichts des streitgegenständlichen Vorwurfs eher zweifelhaft. Dies kann vorliegend aber dahingestellt bleiben.

dd.

Die Antragsteller durften jedenfalls nach den vorliegenden Umständen davon ausgehen, dass die vermittelnde Einschaltung der Notarkammer erfolglos versucht worden ist.

a.

Mit seiner ersten Stellungnahme vom 21. Oktober 2004 auf die Abmahnung hat der Antragsgegner - der die Vorwürfe nicht endgültig zurückgewiesen hatte ("...dürfte somit gegenstandslos sein") - ausdrücklich erklärt, er habe die Abmahnung an seine Kammer mit der Bitte um Stellungnahme weitergeleitet. Dann bestand für die Antragsteller keine Veranlassung, ihrerseits auch noch zusätzlich die Notarkammer vermittelnd einzuschalten.

bb.

Nach der weiteren, vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens abgegebenen Erklärung des Antragsgegners vom 28. Oktober 2004 durften die Antragsteller davon ausgehen, dass die Vermittlung der Notarkammer erfolglos geblieben ist.

Denn in dieser Erklärung teilt der Antragsgegner mit, er habe Rücksprache mit seiner Notarkammer genommen. Auch wenn die Rücksprache nur im Zusammenhang mit der (zurückgewiesenen) Forderung nach Erstattung von Abmahnkosten genannt wird, konnten die Antragsteller annehmen, dass auch der Wettbewerbsverstoß als solcher erörtert worden ist. Denn der Antragsgegner spricht nachfolgend den Verstoß gezielt an. Ein Vorbehalt zu einer etwa noch ausstehenden Sachprüfung der Notarkammer wird nicht geäußert.

Wenn der Antragsgegner dann erklärt, er werde "im Rahmen einer unmittelbar bevorstehenden Aktualisierung der Homepage" den streitigen Text entfernen, so genügt das für eine gütliche Einigung schon deshalb nicht, weil der Antragsgegner ausdrücklich darauf verweist, dies "ohne jegliche Anerkennung einer diesbezüglichen Verpflichtung" vorzunehmen. Dann mussten die Antragsteller damit rechnen, der Antragsgegner könne jederzeit die beanstandete Werbung wieder aufnehmen. Es war ihnen nicht zuzumuten, sich damit zu begnügen.

cc.

Vorstehendes gilt hier umso mehr, als der Antragsgegner die Antragsteller über den Inhalt einer Stellungnahme der Notarkammer in der Sache selbst völlig im Unklaren ließ. War dem Antragsgegner noch an einer gütlichen Einigung unter Vermittlung der Notarkammer gelegen, hätte es sich von selbst gehört, die Antragsteller insoweit aufzuklären. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf die vom Antragsgegner mehrfach beschworene "Kollegialität" zwischen den Parteien.

C.

Die Nebenentscheidung zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und zur Wertfestsetzung beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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