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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 31.07.2006
Aktenzeichen: 5 Ws (B) 435/06
Rechtsgebiete: BerlStrG


Vorschriften:

BerlStrG § 11 Abs. 1
BerlStrG § 26 Abs. 1 Nr. 2
BerlStrG § 26 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 5 Ws (B) 435/06 2 Ss 182/06

In der Bußgeldsache gegen

wegen Zuwiderhandlung gegen das Berliner Straßengesetz

hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin durch ... als Einzelrichter am 31. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 26. April 2006 wird verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seiner als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen § 11 Abs. 1 des Berliner Straßengesetzes (BerlStrG) nach § 26 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 dieses Gesetzes zu einer Geldbuße von 250 Euro verurteilt. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat dazu ausgeführt:

"1. Hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen Verfahrensrecht folgt dies schon daraus, dass die Aufklärungsrüge nicht in zulässiger Weise erhoben worden ist. In zulässiger Form ist die Aufklärungsrüge nur erhoben, wenn u.a. die Umstände, die das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen, von der Rechtsbeschwerde angegeben werden.

Derartige Umstände können sich aus Beweisanregungen, schriftlichen Hinweisen auf Beweisquellen oder anderen Hinweisen in den Akten ergeben; die Aktenstellen müssen genau bezeichnet werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 244 Rdnr. 81 m.N.).

Daran fehlt es hier. Der Betroffene hat lediglich behauptet, dass die Zeugin D. in der Hauptverhandlung bekundet habe, ihr Wissen nicht aus eigener Wahrnehmung, sondern aus der Mitteilung einer Kollegin bezogen zu haben. Die Kollegin hätte daher vom Gericht ermittelt und vernommen werden müssen. Diese Behauptung, die in den Urteilsgründen keine Stütze findet, kann vom Rechtsbeschwerdegericht ohne eine - ihm verwehrte - Rekonstruktion der Beweisaufnahme nicht nachvollzogen werden. Nur wenn ohne Wertung des Inhalts der Beweisaufnahme feststellbar ist, dass das Gericht erkennbar relevanten Beweisstoff, den es unmittelbar aus den Akten oder sonstigen Unterlagen ersehen konnte, unberücksichtigt gelassen hat, kann darauf die Aufklärungsrüge gestützt werden (vgl. Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 244 Rdnr. 352 für den Fall der ungenügenden Ausschöpfung eines Beweismittels). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

2. Auch die Sachrüge gebietet nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Zur Fortbildung des Rechts wäre die Zu-lassung erforderlich, wenn es gälte, für die Auslegung von Rechtssätzen und die rechtsschöpferische Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen (vgl. KG, Beschluss vom 19. Dezember 2005 - 5 Ws (B) 610/05 -). Dafür besteht hier kein Anlass. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich das Abstellen eines Fahrzeuges mit einem Verkaufsangebot auf Berliner Straßenland nicht mehr im Rahmen des zulässigen Gemeingebrauchs hält, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt. Danach ist insoweit der Zweck der Straßennutzung entscheidend. Hat sie mehrere Zwecke, so bestimmt der überwiegende Zweck, ob noch Gemeingebrauch oder eine erlaubnispflichtige Sondernutzung gegeben ist. Wird die Straße überwiegend als Verkaufsplatz benutzt, geht dies über das gemeingebräuchliche Parken hinaus. Denn der Gemeinge-brauch wird überschritten, wenn die Straßennutzung nicht überwiegend dem Verkehr dient. Ob der Verkaufszweck überwiegt, ist in einer Gesamtbetrachtung festzustellen, die alle dem Tatgeschehen vorausgehenden, sie begleitenden und nachfolgenden Umstände zu beachten hat (vgl. KG, Beschluss vom 18. Oktober 2004 - 5 Ws (B) 539/04 - m.w.N.). Bei der Beurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls ist erlaubnispflichtige Sondernutzung vor allem dann anzunehmen, wenn die Aufstellung des Fahrzeugs in erheblicher Entfernung vom Wohnsitz des Fahrzeugbesitzers, in einer belebten Verkehrsstraße und über einen längeren Zeitraum erfolgt, ohne dass ein verkehrsbezogener Gesichtspunkt für die Aufstellung des Fahrzeugs erkennbar ist (vgl. KG, Beschluss vom 1. November 1994 - 3 Ws (B) 379/04 -). An diese Grundsätze hat sich das Amtsgericht gehalten, indem es festgestellt hat, dass das Fahrzeug in einer Verkehrsstraße, die gerichtsbekannt als Ort illegalen Autohandels genutzt wird, und die in großer Entfernung vom Wohnsitz des Betroffenen, der Halter des Fahrzeugs ist, gelegen ist, abgestellt worden war, dabei mit einem Verkaufsschild und einer dem Betroffenen zuzuordnenden Mobiltelefonnummer versehen war und drei Tage lang nicht bewegt wurde. Daraus hat das Gericht ohne Rechtsfehler darauf geschlossen, dass ganz überwiegender Zweck des Abstellens das private Anbieten des Fahrzeugs durch den Betroffenen zum Verkauf gewesen ist.

Was der Zulassungsantrag hiergegen ins Feld führt, erschöpft sich in Angriffen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die Behauptung einer fehlerhaften Beweiswürdigung im Einzelfall gebietet jedoch regelmäßig - so auch hier - nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. KG, Beschluss vom 4. September 2000 - 3 Ws (B) 373/00 -). Abgesehen davon verkennt der Betroffene, dass die Schlüsse des Tatrichters nur - wie hier - möglich, aber keineswegs zwingend zu sein brauchen (vgl. BGHSt 26, 56, 639). Aus alledem folgt, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten ist."

Diese Ausführungen treffen zu und begründen die Verwerfung des Zulassungsantrages.

Der Senat bemerkt nur ergänzend, daß das Amtsgericht dem Betroffenen zwar rechtsfehlerhaft Fahrlässigkeit statt Vorsatz angelastet hat. Der vermeidbare Verbotsirrtum (§ 11 Abs. 2 OWiG) wegen Unkenntnis der Erlaubnispflichtigkeit seines Handelns, von dem das Amtsgericht damit ausgeht, hat den Vorsatz des Betroffenen nicht entfallen lassen (vgl. Senat, Beschluß vom 27. Februar 2002 - 5 Ws (B) 498/01 -; Göhler, OWiG 14. Aufl., § 11 Rdn. 19; Rengier in KK, OWiG 3. Aufl., § 11 Rdnrn. 41, 51). Hierdurch ist der Betroffene indes nicht beschwert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG.

Ende der Entscheidung

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