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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.04.2005
Aktenzeichen: 5 Ws 179/05 Vollz
Rechtsgebiete: StVollzG, ZPO, GKG, StVollzVergO


Vorschriften:

StVollzG § 109 Abs. 1
StVollzG § 116 Abs. 1
StVollzG § 118 Abs. 3
StVollzG § 120 Abs. 2
StVollzG § 121 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 4
GKG § 1 Nr. 1 Buchstabe j
GKG § 68 Abs. 1
GKG § 68 Satz 1
StVollzVergO § 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Ws 179/05 Vollz

In der Strafvollzugssache

wegen Freistellung von der Arbeitspflicht und Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 18. April 2005 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Gefangenen, ihm unter Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. G. Prozeßkostenhilfe für das Verfahren über seine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 24. Februar 2005 zu gewähren, wird verworfen.

2. Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den vorbezeichneten Beschluß wird als unzulässig verworfen.

3. Die sofortige Beschwerde des Gefangenen gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem vorbezeichneten Beschluß und seine Beschwerde gegen die in dem Beschluß enthaltene Festsetzung des Streitwertes werden verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen mit Ausnahme derjenigen Kosten, die das Verfahren über die Streitwertbeschwerde betreffen. Insoweit ist das Verfahren gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Beschwerdeführer verbüßt eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin seinen Antrag abgelehnt, die Anstalt zu verpflichten, ihn für die Teilnahme an einem viersemestrigen Fernlehrgang an der Fachakademie Saar für Hochschulfortbildung zur Erlangung des Diploms als Rechtswirt (FSH) von der Arbeit freizustellen und eine Ausbildungsbeihilfe zu gewähren. Ferner hat sie ihm die Kosten auferlegt und den Streitwert auf 2400 EUR bemessen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Gefangene die Verletzung formellen und materiellen Rechts, ohne dazwischen näher zu unterscheiden. Das Rechtsmittel ist unzulässig. Auch sein Antrag auf Prozeßkostenhilfe, die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung und die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts haben keinen Erfolg.

I.

Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe scheitert daran, daß die Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 ZPO) Sie ist aus den nachfolgenden Gründen unzulässig und wirft auch keine schwierige Rechtsfrage auf, aus der die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts folgte (vgl. BVerfG NJW 2003, 3190 f.). Zudem hat der Beschwerdeführer die nach § 120 Abs. 2 StVollzG, § 117 Abs. 2, 4 ZPO erforderliche Erklärung nicht in der vorgeschriebenen Form abgegeben.

II.

1. Entgegen § 118 Abs. 3 StVollzG ist die Rechtsbeschwerde nicht in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle, sondern in Wahrheit privatschriftlich durch den Gefangenen selbst begründet worden, obgleich Rechtsanwalt Dr. G. den von dem Gefangenen herrührenden Schriftsatz unterschrieben hat. Denn der Rechtsanwalt hat für ihn keine Verantwortung übernommen.

a) Die Vorschrift soll durch die verantwortliche Einschaltung eines Rechtskundigen verhindern, daß die Rechtsbeschwerdegerichte mit unzulässigem und zwecklosem Vorbringen befaßt werden (vgl. OLG Hamm DAR 1998, 322; OLG Koblenz bei Matzke NStZ 1998, 400; Calliess/ Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 118 Rdn. 7). Hat der Gefangene die Begründung selbst verfaßt oder durch einen Dritten verfassen lassen, muß der Rechtsanwalt sie deshalb prüfen, gegebenenfalls korrigieren und die volle Verantwortung dafür übernehmen (vgl. KG NStZ 1994, 382 bei Bungert); die bloße Bezugnahme auf Ausführungen des Gefangenen reicht nicht aus (vgl. Arloth/Lückemann, StVollzG, § 118 Rdn. 5 mit Nachw.). Der Rechtsanwalt darf sich nicht darauf beschränken, die Vorstellungen des Mandanten ungeprüft zu übernehmen, sondern es obliegt ihm in dem der Revision nachgebildeten Rechtsbeschwerdeverfahren, den Inhalt der Begründungsschrift selbst zu gestalten; er muß zumindest von der rechtlichen Vertretbarkeit der von ihm vorgetragenen Ausführungen überzeugt sein (vgl. Kuckein in KK, StPO § 345 StPO Rdn. 15 mit Nachw.) Diesem Erfordernis genügt der Rechtsanwalt nicht, wenn er den von dem rechtsunkundigen Mandanten herrührenden Schriftsatz unkontrolliert und unkorrigiert unterschreibt (vgl. BGH NStZ 1984, 563) sowie wenn er sich von den Ausführungen distanziert (vgl. BGHSt 25, 272, 274; BGH NStZ-RR 2002, 309), z. B. mit Formulierungen wie "die Rechtsmittelbegründung erfolgt auf Wunsch des Angeklagten" oder "auf dessen ausdrückliches Verlangen" bzw. "Anweisung" oder der Mandant "begehre" die Überprüfung der Entscheidung (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl., § 345 Rdn. 16).

b) Daß sich der Rechtsanwalt von der Begründungsschrift abgesetzt und sie auch inhaltlich nicht verantwortet, geschweige denn gestaltet hat, ist offenkundig. Er hat die von dem Gefangenen verfaßte Begründung mit den Worten eingereicht: " ... überreiche ich einen von meinem rechtskundigen Mandanten gefertigten, von mir wunschgemäß unterschriebenen Schriftsatz vom 22.03.2005". Damit hat er klar zum Ausdruck gebracht, daß er die Verantwortung nicht übernehmen will. Denn am 10. Dezember 2004 hatte er eine ebenfalls von seinem Mandanten verfaßte Erklärung inhaltlich gebilligt und dies mit den Worten unterstrichen: "überreiche ich ... mit dem Hinweis, daß ich mich der Eingabe meines Mandanten vom 30. November 2004 im Rahmen des mir erteilten Mandatsverhältnisses voll umfänglich anschließe und mir den Vortrag meines rechtskundigen Mandanten zu eigen mache."

Wie die Begründung ausweist, ist sie an keiner Stelle korrigiert worden, obwohl dies geboten gewesen wäre. Beispielhaft sei erwähnt: Auf Seite 5 befindet sich ein verfahrensfremder Antrag auf Kostenerstattung. Auf derselben Seite verbreitet sich der Beschwerdeführer über mehrere Absätze hinweg zu seiner Unterbringung, obgleich diese nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen auf Seite 4 unten zum "Rechtsfolgenausspruch", die nur ein in Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch trennbares Strafurteil, nicht aber einen Beschluß in einer Strafvollzugssache betreffen können.

Hinzu kommt, daß der Gefangene auch die behauptete Rechtskunde nicht hat. Er ist ein Laie, der sich gerne mit strafrechtlichem, strafprozessualem und vollzuglichem Schrifttum befaßt und es umfänglich zitiert. Das genügt nicht, wofür Form und Inhalt der Beschwerdeschrift beredt Zeugnis ablegen.

2. Die Rechtsbeschwerde erfüllt auch inhaltlich nicht die besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG. Die Nachprüfung der Entscheidung ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

a) Die rechtlichen Grundlagen der Selbstbindung der Anstalt, des Vertrauensschutzes und des Erfordernisses, Gleiches gleich zu behandeln, hat das Landgericht zutreffend dargestellt. Der Beschwerdeführer mißversteht sowohl die (von ihm zitierte) zugrunde liegende Rechtsprechung des Senats (NStZ 1997, 207 und Beschluß vom 24. Juni 2004 - 5 Ws 227/04 -) als auch den Inhalt des angefochtenen Beschlusses. Denn das Landgericht hat völlig zu Recht festgestellt, daß die Justizvollzugsanstalt dem Gefangenen die Fortführung genau desjenigen Status gewährt hat, den er in der Justizvollzugsanstalt Moabit hatte. Aus dem Vollzugsplan ergibt sich nichts anderes. Denn der unter der Überschrift "Maßnahmen der beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung" stehende Satz "Herr R. sollte seine Fort- bzw. Ausbildung weiterführen" besagt zu den Modalitäten dieser Ausbildung gerade nichts.

b) Der Beschwerdeführer verkennt, daß der Verfahrensgegenstand nicht darin liegt, daß die Justizvollzugsanstalt ihm die Ausbildung verwehre. So verhält sie sich nämlich nicht; sondern sie gewährt sie. Soweit sie früher Ausbildungsmaterialien zurückgesandt hatte, ist dies zum einen nicht Gegenstand des Antrags des Gefangenen, zum anderen beruft sich die Vollzugsbehörde nicht auf die Rechtmäßigkeit dieser Handlung, sondern erkennt den Ausbildungsanspruch des Beschwerdeführers ausdrücklich an.

Verfahrensgegenstand ist die Freistellung von der Arbeitspflicht und die Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe. Den Status, die Ausbildung anstatt einer Arbeit durchzuführen und sie zudem von der Allgemeinheit bezahlen zu lassen, hatte der Beschwerdeführer aber noch nie. Seine Ausführungen zum Vertrauensschutz gehen daher ins Leere.

c) Den entscheidenden Gesichtspunkt hat die Strafvollstreckungskammer zutreffend erkannt: Die geringe Dauer der wöchentlichen Arbeitsbelastung, die von der Fachakademie mit sechs bis acht Stunden angegeben wird (also weniger als zwei Stunden täglich), läßt es nicht zu, den Gefangenen von der Arbeit freizustellen. Folglich kann er auch nicht mit Recht eine Ausbildungsbeihilfe verlangen. Daß dem Beschwerdeführer dieser Umstand auch bewußt war und ist, folgt daraus, daß er in der seinem Antrag nach § 109 Abs. 1 StVollzG beiliegenden Kopie der Studienbeschreibung genau diesen Passus absichtsvoll - als einzigen - abgedeckt hatte, um das Gericht hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen seines Anspruchs zu täuschen.

III.

1. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts (§ 63 Abs. 2 GKG) ist nach den §§ 1 Nr. 1 Buchstabe j, 68 Abs. 1, Satz 1 GKG zulässig, obwohl der Beschwerdeführer keine Angaben gemacht hat, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt. Den Beschwerdegegenstand bilden nur die Mehrkosten, die dem Beschwerdeführer bei dem festgesetzten Streitwert gegenüber einer niedrigeren Wertfestsetzung entstehen könnten - theoretisch der Mindestfestsetzung auf 300 EUR. Zwar ist der Beschwerdewert allein aufgrund der gerichtlichen Gebühren nicht erreicht. Für die Verwerfung eines Antrages nach § 109 Abs. 1 StVollzG wird eine ganze Gebühr erhoben (Nr. 3810 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Da sie bei einem Streitwert von 2400 EUR 81 EUR und beim Mindeststreitwert 25 EUR beträgt (§ 34 Abs. 1 GKG), sind insoweit nur 56 EUR im Streit. Der Beschwerdeführer hat sich aber durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Durch dessen Gebührenanspruch, der 119 EUR übersteigt, (bei Zugrundelegung von nur einer Eintel-Gebühr betrüge dieser bei dem Streitwert von 2400 EUR allein 161 EUR, § 13 Abs. 1 RVG) ist der Beschwerdewert erreicht.

Der Streitwert ist indes zutreffend festgesetzt. Er bemißt sich nach dem Verfahrensgegenstand. Der Beschwerdeführer hat eine Ausbildungsbeihilfe für zehn Monate begehrt und zusätzlich den immateriellen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht geltend gemacht. Die Ausbildungsbeihilfe (§ 44 Abs. 1 StVollzG) wird gemäß § 4 Abs. 1 StVollzVergO in der Regel nach der Vergütungsstufe III gewährt (100 % der Eckvergütung). Da die Eckverhütung im Jahre 2004 jährlich 2608,20 EUR betrug (vgl. Arloth/ Lückemann, § 43 StVollzG Rdn. 8), erreicht allein der geltend gemachte Geldanspruch des Beschwerdeführers 2173,50 EUR. Hinzu tritt der Wert des immateriellen Anspruchs.

2. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist unbegründet, weil der Unterlegene die Kosten nach § 121 Abs. 2 StVollzG zu tragen hat.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Rechtsbeschwerde und der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung aus § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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