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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 14.10.2005
Aktenzeichen: 5 Ws 498/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 454
Der Inhalt der mündlichen Anhörung des Verurteilten nach § 454 Abs. 1 S. 3 StPO und der Anhörung des Sachverständigen nach § 454 Abs. 2 StPO müssen in einem Vermerk oder im Beschluss der Strafvollstreckungskammer festgehalten werden. Anderenfalls kann das Beschwerdegericht nicht beurteilen, ob die angefochtene Entscheidung sachgerecht war, mit der Folge, dass der Beschluss aufzuheben und die Sache ausnahmsweise zu neuer Anhörung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen ist.
Geschäftsnummer: 5 Ws 498/05

In der Strafsache gegen

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 14. Oktober 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 11. August 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht Potsdam hat den Beschwerdeführer am 31. Mai 2001 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Zwei Drittel der Strafe sind vollstreckt; ihr Ende ist auf den 11. November 2006 festgesetzt. Mit Beschluß vom 11. August 2005 hat die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe ab dem 19. August 2005 zur Bewährung ausgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam führt zur Aufhebung dieser Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer.

Die Strafvollstreckungskammer hat durch Beschluß vom 10. November 2004 gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO ein Prognosegutachten des Diplom-Psychologen H B eingeholt, das der Sachverständige am 21. März 2005 schriftlich erstattet hat. Gemäß § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO wurde der Sachverständige im Rahmen der Anhörung des Verurteilten am 11. August 2005 mündlich gehört. Ausweislich des Vermerks des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer vom 21. September 2005 ist der über den genannten Anhörungstermin gefertigte Vermerk nicht mehr bei der Akte. Er sei auch nicht in der Lage, diesen inhaltlich wiederherzustellen. Daß der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer andere Aktivitäten zur Wiederherstellung bzw. Wiedererlangung des genannten Vermerks unternommen hat, ist der Akte nicht zu entnehmen.

Das Vorbringen der an der Anhörung beteiligten, des Verurteilten, seines Verteidigers und des Sachverständigen ist auch in den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht erkennbar.

Der Senat ist nicht in der Lage aufgrund des vorliegenden Akteninhalts zu überprüfen, ob die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zu Recht erfolgt ist.

Über die gemäß § 454 Abs. 1 StPO durchzuführende Anhörung des Verurteilten ist zwar ein Protokoll nicht anzufertigen. Wenn sich das Vorbringen des Verurteilten jedoch nicht vollständig aus den Beschlußgründen erschließt, muß zumindest ein Aktenvermerk darüber aufgenommen werden, aus dem sich ergibt, welche Gesichtspunkte der Verurteilte vorgebracht hat (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 383; OLG Düsseldorf, NJW 1975, 526; Meyer-Goßner StPO, 48. Aufl. zu § 454, Rnr. 35 m.w.N.). Rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, gebieten es, das Vorbringen des Verurteilten so festzuhalten, daß sowohl der Verurteilte als auch das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden zu überprüfen, ob dessen Vorbringen von der Strafvollstreckungskammer zutreffend berücksichtigt worden ist (OLG Hamm a.a.0.). Auch die Staatsanwaltschaft muß diese Kenntnis haben, um überprüfen zu können, ob sie ein Rechtsmittel einlegen muß oder nicht.

Diesen Anforderungen ist die Strafvollstreckungskammer nicht ansatzweise nachgekommen.

Zwar hat am 11. August 2005 die gemäß § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO erforderliche mündliche Anhörung des Verurteilten und des Sachverständigen (§ 454 Abs. 2 StPO) stattgefunden. Ein Aktenvermerk über den Inhalt der Anhörung ist jedoch nicht zur Akte gelangt, jedenfalls dort nicht mehr enthalten. Da auch der Beschluß der Strafvollstreckungskammer, der in Form eines Formulars gefertigt worden ist, diese Inhalte nicht wiedergibt, vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob die angefochtene Entscheidung sachgerecht war. Denn sie ist auf eine für ihn nicht nachprüfbare Tatsachengrundlage gestützt.

Abgesehen davon ist es umso bemerkenswerter, daß sich die Beschlussgründe auf formelhafte Formulierungen beschränken, als es sich bei den der Verurteilung zugrunde liegenden Taten um solche handelt, die die Sicherheitsbelange der Allgemeinheit in besonders hohem Maße gefährden. Auch eine Auseinandersetzung der Strafvollstreckungskammer mit Qualität und Inhalt des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens findet sich in den Gründen ihrer Entscheidung nicht; dort wird nicht einmal die Existenz des Gutachtens erwähnt.

Da weder ein Anhörungsvermerk vorhanden ist, noch sich aus den Beschlußgründen etwas Sachdienliches ergibt, kann der Senat in der Sache nicht entscheiden. Wegen dieses Verfahrensfehlers kann der Beschluß keinen Bestand haben. Er war somit aufzuheben und die Sache ausnahmsweise zu neuer Anhörung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen (vgl. OLG Hamm, OLG Düsseldorf, jew. a.a.O.).

Angesichts der Eilbedürftigkeit der Sache wird die Anhörung des Verurteilten umgehend durchzuführen sein.

Ende der Entscheidung

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