Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: 5 Ws 562/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 68
StGB § 68f
Nur der Eintritt der nachträglichen Führungsaufsicht von Gesetzes wegen (§ 68 f Abs. 1 StGB) wird durch die gnadenweise gewährte Verkürzung der Straftat verhindert, weil sie die vollständige Verbüßung der Strafe erfordert (vgl. KG JR 1979, 293). Daß der Verurteilte aufgrund einer Gnadenentscheidung vorzeitig aus der Strafhaft entlassen worden ist, wirkt sich bei der im Urteil angeordneten Führungsaufsicht nicht dahin aus, daß deren Dauer abgekürzt werden müßte.
KAMMERGERICHT Beschluß

5 Ws 562/05

In der Strafsache gegen

wegen Betruges u.a.

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 9. Dezember 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 24. Oktober 2005 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht Berlin hat den Beschwerdeführer am 28. September 2001 wegen Betruges in neun Fällen und wegen Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und daneben die Führungsaufsicht angeordnet (§ 68 Abs. 1 Satz 1 StGB). Die Strafe sollte gegen den Beschwerdeführer bis zum 13. Dezember 2005 vollständig vollstreckt werden. Aufgrund des Gnadenerweises der Senatsverwaltung für Justiz zum Weihnachtsfest wurde er jedoch bereits am 18. Oktober 2005 in die Freiheit entlassen.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer es abgelehnt, die Dauer der vom erkennenden Gericht angeordneten Führungsaufsicht abzukürzen. Sie hat den Beschwerdeführer der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt, ihn angewiesen, sich einmal monatlich bei dem Bewährungshelfer nach dessen oder der Führungsaufsichtsstelle Anweisungen zu melden sowie jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle mitzuteilen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich das als "sofortige Beschwerde" bezeichnete Rechtsmittel des Verurteilten, das sich aufgrund des mit der zu § 68f Abs. 1 StGB ergangenen Entscheidung KG JR 1979, 293 argumentierenden Vorbringens seines bisherigen Verteidigers Rechtsanwalt R... vom 21. Oktober 2005 auch gegen die Ablehnung des Entfallens der Führungsaufsicht zu richten schien und insoweit als sofortige Beschwerde (§§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) hätte behandelt werden müssen. In der Beschwerdebegründung der nunmehrigen Verteidigerin Rechtsanwältin W... vom 6. Dezember 2005 wird indes klar, daß der Verurteilte bemerkt hat, daß bereits das erkennende Gericht die Führungsaufsicht rechtskräftig angeordnet (§ 68 Abs. 1 Satz 1 StGB) und nicht erst die Strafvollstreckungskammer das Entfallen der nach Vollverbüßung eintretenden Führungsaufsicht abgelehnt (§ 68f Abs. 1 StGB) hat. Dementsprechend wird mit dem Rechtsmittel nur noch die Bestimmung der Dauer der Führungsaufsicht auf fünf Jahre beanstandet. Es ist daher als (einfache) Beschwerde (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 1, 300 StPO) zu behandeln. Sie hat keinen Erfolg.

Die Nichtabkürzung der Höchstdauer der Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 1 Satz 2 StGB) und die Anordnungen nach §§ 68a Abs. 1, 68b Abs. 1 Nrn. 7 und 8 StGB) unterliegen der Prüfung durch das Beschwerdegericht nur darauf, ob sie gesetzwidrig sind (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Gesetzwidrigkeit wäre gegeben, wenn die Anordnungen im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar wären (vgl. Fischer in KK-StPO 5. Aufl., § 453 Rdn. 13). Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt.

Die Höchstdauer der Führungsaufsicht von fünf Jahren ist die Regel (vgl. OLG Koblenz NStZ 2000, 92). Sie ist angesichts der Schwere und Vielzahl der Vergehen, die der bereits im Urteil angeordneten Führungsaufsicht zugrunde liegen, keineswegs unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber selbst hat sie in den verfassungsgemäßen Vorschriften über die Führungsaufsicht (vgl. BVerfGE 55, 28 = NStZ 1981, 21) angeordnet.

Die Justizvollzugsanstalt Charlottenburg hat die - zeitweilig manifest schlechte - Legalprognose für den Beschwerdeführer in ihrer letzten Stellungnahme vorsichtig verbessert. Demzufolge gewinnt der Verurteilte langsam "bedingt" die Fähigkeit, sein Verhalten als strafbar zu erkennen und einzuräumen und seine Haltung zu den auf unwahren Darstellungen geschäftlicher Verhältnisse beruhenden unternehmerischen Aktivitäten selbstkritischer zu beurteilen. Er neige aber weiterhin dazu, hinsichtlich seiner auffälligen strafrechtlichen Vorgeschichte zu bagatellisieren. Das ist keine Prognose, die es von vornherein geboten erscheinen läßt, die Dauer der Führungsaufsicht abzukürzen. Sollte sich später die Fähigkeit des Verurteilten, Einsichten in das Verbotene zu gewinnen, günstig entwickeln, so kann die Dauer der Führungsaufsicht nachträglich (vgl. OLG Koblenz aaO; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl., § 68c Rdn. 2) abgekürzt werden (§ 68d StGB).

Daß der Verurteilte vorzeitig aus der Haft entlassen worden ist, wirkt sich für die Entscheidung nicht aus. Die Entlassung beruhte nicht auf einer günstigen Prognose, sondern auf einem Gnadenakt der Senatsverwaltung für Justiz, der - alljährlich wiederkehrend - einer Vielzahl von Gefangenen zugute kam. Die in JR 1979, 293 veröffentlichte Entscheidung des Kammergerichts knüpft an den Wortlaut des § 68f StGB an, der die vollständige Verbüßung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren für ein Vorsatzdelikt verlangt. Sie läßt sich für die vom erkennenden Gericht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 StGB angeordnete Führungsaufsicht nicht nutzbar machen.

Auch die von der Beschwerde nicht näher angefochtenen Weisungen, sich bei dem Bewährungshelfer zu melden sowie jeden Wechsel des Wohnortes oder der Arbeitsstelle mitzuteilen, sind weder unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit noch der Zumutbarkeit zu beanstanden. Sie sind vielmehr geboten, um die notwendige Unterstützung und erforderliche Kontrolle zu gewährleisten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück