Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.01.2005
Aktenzeichen: 5 Ws 649/04 REHA
Rechtsgebiete: StrRehaG


Vorschriften:

StrRehaG § 2
StrRehaG § 2 Abs. 1
StrRehaG § 13 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Ws 649/04 REHA

In der Rehabilitierungssache betreffend

hat der 5. Strafsenat als Beschwerdesenat für Rehabilitierungssachen des Kammergerichts in Berlin am 10. Januar 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 05. November 2004 wird verworfen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe:

Die Betroffene wurde vom 17. Oktober 1974 bis zum 15. November 1974 wegen psychischer Beschwerden in der Fachklinik für Neurologie und Psychiatrie des Sankt Joseph-Krankenhauses in Berlin-Weißensee behandelt. Sie hat beantragt, sie im Hinblick auf diesen Krankenhausaufenthalt zu rehabilitieren. Mit dem Beschluß vom 05. November 2004 hat die Rehabilitierungskammer des Landgerichts den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die nach § 13 Abs. 1 StrRehaG zulässige Beschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg.

Es kann dahin stehen, ob das Landgericht den Antrag mit Recht als unzulässig behandelt hat. Denn jedenfalls ist er unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Rehabilitierung der Betroffenen nach § 2 Abs. 1 StrRehaG sind nicht erfüllt. Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluß vom 19. Oktober 2004 - 2 BvR 779/04 -) ein großzügiger Maßstab geboten. Da § 2 StrRehaG mit seinen weiten Formulierungen den Zweck verfolgt, einem durch den Mißbrauch der Psychiatrie besonders benachteiligten Personenkreis die Möglichkeit einer Rehabilitierung zu eröffnen, sind die Voraussetzungen dieser Bestimmung weit auszulegen. So werden von ihr etwa nicht nur die Fälle einer zwangsweisen Einweisung in eine psychiatrische Anstalt, sondern auch die der Einweisung auf einer scheinbar freiwilligen Grundlage erfaßt (vgl. BVerfG aaO.).

Hiernach würde einer Rehabilitierung der Betroffenen nicht unbedingt der Umstand entgegenstehen, daß es keinen Beleg für eine Einflußnahme von Seiten einer Behörde der ehemaligen DDR auf die Entscheidung der Ärzte des Sankt Joseph-Krankenhauses gibt, die Betroffene im Herbst 1974 in der dortigen Fachklinik für Neurologie und Psychiatrie stationär zu behandeln. Unabdingbare Voraussetzung für eine Rehabilitierung gemäß § 2 StrRehaG ist aber auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß der Aufenthalt der Betroffenen in der Klinik sachfremden Zwecken gedient hat oder aus sonstigen Gründen mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar gewesen ist, die Krankenhausärzte also mit der Aufnahme der Betroffenen ein anderes Ziel als die Förderung ihrer Gesundheit verfolgt haben.

Das ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens in keiner Weise naheliegend. Ob die Mitteilung der Betroffenen an einen Arzt des Sankt Joseph-Krankenhauses, sie wolle von einer genehmigten Reise nach Berlin (West) nicht mehr zurückkehren, überhaupt ein wesentlicher Grund für ihre stationäre Aufnahme gewesen ist, ist bereits zweifelhaft. Aber auch wenn dies der Fall war, kann hieraus noch nicht der Schluß gezogen werden, daß die Aufnahme sachfremden Zwecken gedient hat. Die Betroffene war schon seit 1971 im Sankt Joseph-Krankenhaus wiederholt wegen psychischer Störungen behandelt worden. Den Aufenthalt in Berlin (West) wollte sie, wie sie den Ärzten mitgeteilt hat, nutzen, um nach Möglichkeiten zu suchen, nach Brasilien zu reisen und den dort lebenden Indianern zu helfen. Die Annahme liegt nahe, daß die Krankenhausärzte diese Pläne der Betroffenen für gänzlich unvereinbar mit ihrem Gesundheitszustand gehalten und sich aus diesem Grund dafür entschieden haben, sie stationär aufzunehmen. Ob die Ärzte, wie die Betroffene mit der Beschwerde vorbringt, dabei ihr Krankheitsbild falsch beurteilt haben, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung. Das Rehabilitierungsverfahren dient nicht dazu, ärztliche Diagnosen nachträglich auf Fehleinschätzungen zu überprüfen. Zudem hat die Betroffene damals offenkundig selbst keinen Zweifel an der Fachkunde der Ärzte dieses Krankenhauses gehabt. Denn im Jahre 1976 hat sie sich ohne Einweisungsschein wiederum in das Sankt Joseph-Kranken-haus begeben und dort um Hilfe gebeten.

Die zu den Akten gelangten Unterlagen der Hauptabteilung II des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR erlauben keinen Schluß auf die Gründe, die für die stationäre Aufnahme der Betroffenen maßgeblich gewesen sind. Nach einem Vermerk dieser Dienststelle vom 25. März 1975 hat das MfS erst aufgrund eines am 22. November 1974 verfaßten Briefes davon Kenntnis erhalten, daß sich die Betroffene mit dem Gedanken trug, die DDR zu verlassen. Das MfS hat hierauf nur mit der Feststellung reagiert, daß an der Betroffenen aufgrund ihrer Krankheit kein operatives Interesse bestehe. Das wird verständlich, wenn man berücksichtigt, daß die Betroffene bereits im Jahre 1972 invalidisiert worden war und eine Rente bezog. Personen, die der Volkswirtschaft der DDR nicht mehr von Nutzen waren, wurden am Verlassen des Landes in der Regel nicht gehindert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 14 Abs. 1 StrRehaG.

Ende der Entscheidung

Zurück