Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 23.11.2007
Aktenzeichen: 7 U 114/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 203
BGB § 203 S. 3
Die Hemmung der Verjährung bei Verhandlung gemäß § 203 BGB ist zu dem Zeitpunkt beendet, in dem nach Treu und Glauben der nächste Schritt zu erwarten gewesen wäre. Welche Frist angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab. In der Regel kann erwartet werden, dass spätestens nach Ablauf eines Monats nach Zugang eines Schreibens eine Reaktion erfolgt ist. Ist dies nicht der Fall, sind die Verhandlungen zwischen den Parteien und damit auch die Hemmung der Verjährung beendet. Der Umstand, dass die Verjährung nach § 203 S. 3 BGB frühestens drei Monate nach dem Ende der Verjährung eintritt, wirkt sich nur dann aus, wenn diese sonst früher als Monate nach dem Ende der Hemmung eintreten würde; andernfalls hat § 203 S. 3 BGB keine Auswirkungen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 114/07

verkündet am: 23.11.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Renner und Sellin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. April 2007 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin - 12 O 510/06 - abgeändert:

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 24. Oktober 2006 - 06-3102896-0-2 - wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch den Vollstreckungsbescheid entstandenen Kosten, die der Beklagten auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

V. II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat entgegen der Ansicht des Landgerichts gegen die Beklagte keinen durchsetzbaren Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Beseitigung von Mängeln am Estrich in Höhe von 5.003,44 EUR, da ein solcher Anspruch verjährt ist.

1. Die fünfjährige Gewährleistungsfrist begann am 10. November 2000 zu laufen, nämlich mit der zwischen den Parteien an diesem Tag getroffenen "abschließenden Vereinbarung" (nachfolgend: Vergleich), in deren Vorbemerkung "zum Zeit des Abschlusses dieser Vereinbarung Mangelfreiheit an dem Gewerk" festgestellt und damit die Abnahme gemäß § 640 Abs. 1 BGB erklärt wurde.

Der Beginn der Gewährleistungsfrist ist nicht durch die Regelung in Ziff. 7 des Nachunternehmervertrags zwischen der Gnnn Bnnnnnnnn GmbH (Gn ) und der Beklagten vom 17. Mai 2000 (Anl. K 2) hinausgeschoben worden, nach der die Gewährleistungsfrist fünf Jahre ab "Gesamtabnahme durch Bauherrn" beginnen sollte.

a) Die in Ziff. 5 des Vergleichs getroffene Vereinbarung, dass die Gewährleistung aus dem Nachunternehmervertrag in "dem dortigen Umfang" abgewickelt wird, beinhaltet nicht die Vereinbarung, dass die Frist erst mit der Gesamtabnahme des Bauvorhabens gemäß Ziff. 7 des Nachunternehmervertrages beginnt. Der Umfang der Gewährleistung ist in diesem Vertrag durch handschriftlichen Zusatz hinsichtlich der "bauseits verlegten Rohrleitungen sowie nachbetonierten Flächen" eingeschränkt worden. Nur darauf bezieht sich der Umfang der Gewährleistung nicht jedoch auf den Beginn der Verjährungsfrist, der im Vergleich dadurch neu definiert worden ist, dass die Parteien die Mangelfreiheit der Leistung der Beklagten festgestellt und die Bezahlung des Werklohns vereinbart haben.

b) Abgesehen davon ist die Regelung in Ziff. 7 des Nachunternehmervertrages, bei der es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (ABG) handelt, wegen Verstoßes gegen § 307 BGB (früher § 9 AGB-Gesetz) unwirksam, weil sie den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt. Diese Regelung führt zu einer Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf einen mitunter nicht mehr überschaubaren Zeitraum, denn der Beginn der Gewährleistungsfrist ist in diesen Fällen auch abhängig von der Qualität der Werkleistungen aller anderen am Bau tätigen Unternehmer (vergl. OLG Düsseldorf, BauR 1999, 497; vergl. auch BGH NJW 1989, 1602). Erbringt ein Unternehmer eine mängelfreie Werkleistung, ein anderer aber nicht und verzögert sich dadurch die Gesamtabnahme des Objektes, so ist der mängelfrei arbeitende Unternehmer davon abhängig, wann der mangelhaft arbeitende Unternehmer seine mangelhafte Werkleistung nachbessert. Die Forderung des mängelfrei arbeitenden Unternehmers wird nicht fällig, obwohl er seine Werkleistung abnahmereif erstellt hat (vergl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Eine in einem Formularvertrag oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Abnahmeregelung ist unwirksam, wenn sie den Zeitpunkt der Abnahme für den Subunternehmer nicht eindeutig erkennen lässt, dieser Zeitpunkt also ungewiss bleibt, oder wenn sie die Abnahme auf einen nicht mehr angemessenen Zeitpunkt nach Fertigstellung der Subunternehmerleistung hinausschiebt (BGH a.a.O.). Ungewiss ist der Zeitpunkt der Abnahme dann, wenn er vom Subunternehmer nicht herbeigeführt oder nicht berechnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Abnahmewirkung an den Eingang einer Mängelfreiheitsbescheinigung oder Bestätigung des Erwerbers oder an die vorgeschriebene Abnahme durch eine Behörde geknüpft wird. Gleiches gilt, wenn die Abnahme der Subunternehmerleistung ohne zeitliche Festlegung erst bei vollständiger Erstellung oder Abnahme des gesamten Bauwerks in Aussicht gestellt wird (BGH a.a.O. m.w.N.). In diesen Fällen wird die Abnahmewirkung von Handlungen Dritter abhängig gemacht, deren Vornahme der Subunternehmer weder abschätzen noch - mangels vertraglicher Beziehungen zu ihnen - beeinflussen kann (BGH a.a.O. m.w.N.).

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Vergleich vom 10. November 2000 zwischen den Parteien bzw. ihren Anwälten individuell ausgehandelt worden sein mag. AGB werden nicht dadurch wirksam, dass durch den Subunternehmer der Vertrag seines bisherigen Auftraggebers mit dem Hauptunternehmer vereinbart wird. In dem Vergleich stellen die Parteien klar, dass "sämtliche Gewährleistungsrechte bzw. Gewährleistungspflichten aus dem Vertragsverhältnis Ann /Gn in dem dortigen Umfang ausschließlich im Verhältnis zwischen Ann und Fn abgewickelt und geklärt werden." Eine Vereinbarung des Inhalts, dass diesbezügliche zuvor unwirksame Vertragsklauseln nun Wirksamkeit entfalten sollten, kann darin aus den zu a) genannten Gründen nicht gesehen werden, weil die Parteien den Beginn der Verjährungsfrist aus dem Nachunternehmervertrag nicht in den Vergleich übernommen haben, sondern die Mangelfreiheit der Leistung der Beklagten und die Fälligkeit des Werklohns vereinbart haben.

2. Der Klägerin kann - insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht - zugestanden werden, dass mit dem Schreiben der Beklagten vom 28. April 2005 (K 24, Bl. 56 d.A.) Verhandlung aufgenommen worden sind und die zu einer Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB i.V.m. Art 229 § 6 Abs. 1 EGBGB geführt haben. Der Begriff "Verhandlungen" ist weit auszulegen. Es genügt für ein Verhandeln jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird (BGH NJW 2007, 587 m.w.N.). Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (BGH a.a.O.).

Diese Verhandlungen sind aber, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, "eingeschlafen". Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 28. April 2005 angekündigt hatte, sich mit der Firma Ann (als Pächterin der Räume) in Verbindung zu setzen, um Reparaturarbeiten kurzfristig auszuführen, erfolgte am 22. Juni 2005 (Anl. K 25, Bl. 108 d.A.) eine Nachfrage der Klägerin. Daraufhin bat die Beklagte mit Schreiben vom 24. Juni 2005 (Anl. K 26) um Benennung eines Termins und moniert, dass sie auf ihr Schreiben vom 28. April 2005 keine Antwort erhalten habe. Hierauf erfolgte offensichtlich keine Reaktion mehr, obwohl die Klägerin aus dem Schreiben vom 24. Juni 2005 wusste, dass die Beklagte eine solche erwartete. Die Verhandlung waren danach zu dem Zeitpunkt beendet, in dem nach Treu und Glauben der nächste Schritt zu erwarten gewesen wäre (Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl. § 203 Rdn. 4 m.w.N.). Welche Frist angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab. Vorliegend konnte die Beklagte jedenfalls erwarten, dass spätestens nach Ablauf eines Monats nach Zugang ihres Schreibens vom 24. Juni 2005, nämlich am 27. Juni 2005, eine Reaktion erfolgt. Da dies nicht geschehen ist, sind die Verhandlungen zwischen den Parteien spätestens am 27. Juli 2005 beendet worden.

Ob die Klägerin damit gerechnet hat, dass nach Ersatzvornahme eine Bezahlung der Rechnungen erfolgen würde, ist unerheblich, denn zum Einen bestand dazu nach den Schreiben der Beklagten vom 28. April 2005 und vom 24. Juni 2005 keine Veranlassung, und zum Anderen ist dies auch sonst in keiner Weise in Verhandlungen zwischen den Parteien zum Ausdruck gekommen. Die Verjährungsfrist war daher in der Zeit zwischen dem 28. April und dem 27 Juli 2005 für drei Monate gehemmt.

Da am 28. April 2005 insgesamt 4 Jahre + 5 1/2 Monate der Verjährungsfrist abgelaufen waren, begann die Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Klägerin gemäß § 203 S. 1 BGB am 28. Juli 2005 wieder zu laufen. Spätestens mit Ablauf des Monats Februar 2006 trat daher Verjährung ein. Der Eingang des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids bei Gericht am 11. September 2006 konnte die Verjährung also nicht mehr erneut gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V.m. § 167 ZPO hemmen.

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt das Schreiben der Beklagten vom 28. April 2005 (Anl. K 24, Bl. 56 d.A.) kein Anerkenntnis dar und konnte somit keinen Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Folge haben. In diesem Schreiben wird klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein Gewährleistungsanspruch gerade nicht anerkannt werden soll. Vielmehr wird erklärt, dass die Beklagte der Auffassung ist, dass sie den Mangel nicht zu vertreten hat und die ihr entstehenden Kosten in Rechnung stellen will, wenn sich dies bei der Reparatur bestätigen sollte. Darin kann ohne Zweifel kein Anerkenntnis gesehen werden. 4. Die Einrede der Verjährung (im Schriftsatz vom 22. Februar 2007, Bl. 49 d.A.) ist auch nicht verspätet erhoben worden. Das ergibt sich bereits daraus, dass das Landgericht sie nicht als verspätet zurückgewiesen, sondern sich im angefochtenen Urteil damit auseinandergesetzt hat. Die Zulassung dieses Verteidigungsmittels hat den Rechtsstreit nicht verzögert, sodass eine Zurückweisung nach § 296 Abs. 1 ZPO nicht erfolgen durfte. Im Übrigen sind die Parteien gemäß § 531 Abs. 1 ZPO nur mit Angriffs- und Verteidigungsmitteln ausgeschlossen, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen wurden. Das ist hier ersichtlich nicht der Fall.

5. Die Berufung der Beklagten musste deshalb Erfolg haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 344, 700 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, war nicht gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück