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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.11.2008
Aktenzeichen: 7 U 16/08
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB, EGBGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 13 Nr. 4 Abs. 1
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 1
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 1 S. 2
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 2
BGB § 195 a.F.
BGB § 195 n.F.
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 203
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 6
BGB § 215
BGB § 371
EGBGB Art. 229 § 6
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4
HGB § 110 Abs. 1
HGB § 128
ZPO § 139 Abs. 5
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 16/08

verkündet am: 21.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Renner und Sellin für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. November 2007 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin - 15 O 316/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 30. November 2007 verkündete Urteil der Zivilkammer 20 des Landgerichts Berlin - 15 O 316/06 - Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass in dem Parallelprozess 20 O 248/06 des Landgerichts Berlin, in dem die hiesige Beklagte zu 2) wegen der streitgegenständlichen Mängel in Anspruch genommen worden ist, diese verurteilt worden ist, an den Streitverkündeten W einen Betrag von 6.194,00 EUR nebst Zinsen und an die Streitverkündete W einen Betrag vom 36.831,62 EUR zu zahlen. Die Beklagte zu 2) hat gegen das dortige Urteil Berufung eingelegt; das Berufungsverfahren ist zum Geschäftszeichen .../08 des Kammergerichts anhängig.

Im vorliegenden Verfahren haben die Beklagten gegen das ihnen am 7. Januar 2008 zugestellte Urteil am 19. Januar 2008 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - am 28. März 2008 begründet. Sie tragen vor, die erfolgte Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren habe verjährungsunterbrechende Wirkung gehabt. Zum Zeitpunkt der Verjährung habe ein Leistungsverweigerungsrecht bestanden. Die Streitverkündung habe zumindest eine schriftliche Anzeige i.S.d. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B dargestellt. Außerdem hätten zwischen den Parteien Verhandlungen über die Gewährleistung i.S.d. § 203 BGB stattgefunden. Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Beklagten ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet, dass zwischen den Parteien bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist am 5. Mai 2004 Verhandlungen geführt worden wären. Im Übrigen wiederholt und vertieft auch er sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig aber nicht begründet. 1. Die materielle Rechtslage richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts geltenden Fassung, denn das den Rechtsbeziehungen der Parteien zu Grunde liegende Schuldverhältnis ist vor dem 1. Januar 2002 entstanden (Art. 229 § 5 EGBGB). Die zitierten Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beziehen sich daher auf diese Fassung des Gesetzes, soweit nicht gemäß den Übergangsvorschriften zum Verjährungsrecht in Art. 229 § 6 EGBGB das neue Recht anzuwenden ist. 2. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rückgabe der streitgegenständlichen Bürgschaftsurkunde aus § 371 BGB, weil die Mängelbeseitungsansprüche, deren Absicherung sie dienen soll, verjährt sind. Die Voraussetzungen, unter denen nach Maßgabe der in § 8 des Generalunternehmervertrags vom 25. Mai 1998 (Bd. I, Bl. 14 d.A.) die Rückgabe der Bürgschaft verlangt werden könnte, liegen somit vor.

Da die Abnahme der Arbeiten unstreitig am 5. Mai 1999 erfolgte, endete die vereinbarte fünfjährige Gewährleistung am 5. Mai 2004. Die Verjährungsfrist ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gehemmt worden.

a) Die Hemmung der Verjährung wurde nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB durch die Zustellung der Streitverkündung in dem selbständigen Beweisverfahren 20 OH 1/04 bewirkt.

Voraussetzung für die Hemmung der Verjährung ist, dass die Streitverkündung vom Berechtigten ausgeht (BGH BauR 1993, 473; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 204 Rn. 21). Das ist hier nicht der Fall. Vertragspartner der Insolvenzschuldnerin ist die Beklagte zu 1). Unstreitig ist diese weder in den selbständigen Beweisverfahren noch im daran anschließenden Rechtsstreit von den Wohnungseigentümern auf Mängelbeseitigung in Anspruch genommen. Vielmehr ist Gegner in diesen Verfahren nur die Beklagte zu 2), die auch der Insolvenzschuldnerin den Streit verkündet hat. Die Beklagte zu 2) kann aber aus dem Generalunternehmervertrag vom 25. Mai 1998 keine Gewährleistungsrechte gegenüber der Insolvenzschuldnerin herleiten; denn Vertragspartner ist insoweit allein die Beklagte zu 1). Die Beklagte zu 2) wird in dem Vertrag nur als Vertreterin der Beklagten zu 1) aufgeführt. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Beklagte zu 2) entsprechend § 128 HGB für die Schulden der Beklagten zu 1) als deren persönlich haftende Gesellschafterin einzutreten hat. Dadurch erlangt sie nur einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) entsprechend § 110 Abs. 1 HGB, tritt jedoch nicht in die Stellung als Vertragspartnerin der Insolvenzschuldnerin ein.

Die Verjährung wurde deshalb auch durch die Streitverkündung in dem Parallelprozess 20 O 248/06 des Landgerichts Berlin nicht gehemmt. Abgesehen davon dass diese Streitverkündung erst am 10. Oktober 2006 und damit nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist am 5. Mai 2004 zugestellt worden ist, richtet sich die Klage in diesem Verfahren auch nur gegen die Beklagte zu 2) und damit nicht gegen die berechtigte Vertragspartnerin der Insolvenzschuldnerin.

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten steht § 215 BGB dem Herausgabeverlangen nicht entgegen. Ein Zurückbehaltungsrecht an der Bürgschaftsurkunde stünde der Beklagten zu 1) nur dann zu, wenn sie aus der Bürgschaft noch Zahlungsansprüche herleiten könnte. Das ist aber nicht der Fall; denn die Beklagten tragen nichts dazu vor, dass sich der Gewährleistungsanspruch der Beklagten zu 1) gegen die Insolvenzschuldnerin in unverjährter Zeit in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, den die Beklagte zu 1) gegen die Insolvenzschuldnerin noch durchsetzen könnte.

Voraussetzung dafür ist gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (Ausgabe 1996), dass die Beklagte zu 1) der Insolvenzschuldnerin vor Ablauf der am 5. Mai 1999 beginnenden Gewährleistungszeit von fünf Jahren eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat und die sich daran gemäß § 13 Nr. 5 Abs.1, Nr. 4 Abs. 1 VOB/B (Ausgabe 1996) anschließende Gewährleistungsfrist von 2 Jahren nicht abgelaufen ist. Dazu fehlt auch in der Berufungsbegründung konkreter Sachvortrag. Es reicht nicht aus, Mängelanzeigen der Erwerber/Eigentümer an die Insolvenzschuldnerin ohne Fristsetzung weiter zu leiten. Soweit sich die Beklagten auf Mängelanzeigen von Anfang Juni 2001 berufen, hätten diese ohnehin keinen Einfluss auf den Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist zum 4. Mai 2004, weil die vorerwähnte Verjährungsfrist bereits mit Zugang der Mängelanzeige beginnt und damit gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 S. 2 VOB/B (Ausgabe 1996) nicht zu einer Verlängerung der vereinbarten Verjährungsfrist von fünf Jahren führen konnte.

c) Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2008 die Ansicht vertreten hat, auf den Lauf der Verjährungsfrist könne von Einfluss sein, dass sie über den Grund der Mängel noch keine hinreichenden Kenntnisse gehabt hätten und dass insoweit auch ein Organisationsverschulden in Betracht käme, ist dies unerheblich. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB würde statt der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. ab dem 1. Januar 2002 die dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. laufen, d.h. die Verjährung wäre am 31. Dezember 2004 abgelaufen. Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne große Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Es reicht aus, dass die Erhebung einer Klage, und sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (vergl. BGH NJW 2008, 506 m.w.N.). Da diese Voraussetzungen hier jedenfalls vor dem 1. Januar 2002 vorlagen, wäre die Verjährung danach auch dann am 31. Dezember 2004 abgelaufen, wenn es auf die Kenntnis der Beklagten angekommen wäre.

d) Unerheblich ist schließlich auch der Einwand, es hätten zwischen den Parteien Verhandlungen geschwebt, die zur Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB führen. Abgesehen davon, dass die Beklagten nicht einmal ansatzweise vortragen, durch welche Maßnahme die Verhandlungen eingeleitet worden sind, handelt es sich dabei um neuen, vom Kläger bestrittenen Sachvortrag, der gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht mehr zuzulassen ist. Die Beklagten legen nicht dar, warum sie dazu nicht schon in erster Instanz vortragen konnten. Ihr verspäteter Sachvortrag beruht daher auf Nachlässigkeit. Gegenteiliges haben die Beklagten auch nicht glaubhaft gemacht.

3. Da der Kläger einen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde hat und die Beklagten sich folglich in Verzug befinden, hat er auch einen Anspruch auf Ersatz der Avalprovision.

4. Die Berufung der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben. Den Beklagten war keine Erklärungsfrist gemäß § 139 Abs. 5 ZPO auf in der mündlichen Verhandlung erteilte Hinweise zu gewähren, da nicht ersichtlich ist, dass und ggf. auf welche Hinweise ihnen eine sofortige Erklärung nicht möglich gewesen wäre, weil sämtliche in der mündlichen Verhandlung diskutierten Rechts- und Tatsachenfragen bereits schriftsätzlich von den Parteien vorgetragen worden sind und der Senat seine Entscheidung nicht auf Gesichtspunkte stützt, die die Beklagten erkennbar übersehen hätten (§ 139 Abs. 2 ZPO).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, war nicht gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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