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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 27.10.2006
Aktenzeichen: 7 U 242/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, InsO, GmbHG, HGB


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 3
BGB § 281 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 1 S. 2
BGB § 288 Abs. 1
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5
InsO § 50
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 135 Nr. 1
InsO § 143 Abs. 1
GmbHG § 32a
HGB § 161 Abs. 2
HGB § 128
Der Verpächter kann sich in der Insolvenz des Pächters nicht auf ein Verpächterpfandrecht berufen, wenn die Überlassung des Pachtgegenstandes und das Stehenlassen der Pachtzinsen eigenkapitalersetzenden Charakter erlangt haben.
Information zur Entscheidung:

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der N von den Beklagten Schadenersatz, weil die Beklagte zu 1) sich geweigert hat, das Anlagevermögen der Insolvenzschuldnerin an den Kläger herauszugeben. Die Beklagte zu 1) beruft sich auf einen Vertrag über die Sicherungsübereignung des Anlagevermögens für einen der Schuldnerin gewährten Kontokorrentkredit und auf die Sicherungsübereignung des Warenlagers für die aus dem Pachtverhältnis zwischen ihr und der Insolvenzschuldnerin noch offenen Pachtzinsen von 170.000,00 Euro. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 242/05

verkündet am: 27.10.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 27.10.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Renner und Langematz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. Oktober 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin - 7 O 264/04 - abgeändert:

Die Beklagten werden wie Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 11.290,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juli 2004 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben der Kläger 82% und die Beklagten 18% zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten allein zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

B.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

I.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadenersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 143 Abs. 1, 135 Nr. 1 InsO zu.

1. Die Beklagte zu 1) war zur Herausgabe des Anlagevermögens der Insolvenzschuldnerin an den Kläger gemäß § 143 Abs. 1 InsO verpflichtet; denn die Beklagte zu 1) hat das Anlagevermögen in anfechtbarer Weise erlangt. Der Sicherungsübereignungsvertrag vom 5 Juni 2001 (Anl. K 6) unterliegt der Insolvenzanfechtung nach § 135 Nr. 1 InsO. Davon ist auch das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, ausgegangen.

a) Der Sicherungsübereignungsvertrag ist für ein eigenkapitalersetzendes Darlehen im Sinne des § 32a GmbHG gewährt worden. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Forderung der Beklagten zu 1) auf Rückzahlung aus dem Kontokorrent spätestens mit der Einstellung der Zahlungen durch die Insolvenzschuldnerin am 15. Oktober 2003 eigenkapitalersetzende Funktion erlangt hat; denn das Unterlassen der rechtlich zulässigen Kündigung eines außerhalb der Krise gewährten Darlehens gelangt dann in den Regelungsbereich des § 32a GmbHG, wenn der Gesellschafter es bei Eintritt der Krise nicht abzieht (BGHZ 121, 31, 35). Die Beklagten haben auch in der Berufungsinstanz keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Beklagte zu 1) das Darlehen bei Eintritt der Krise durch Kündigung fällig gestellt hat.

b) § 135 Nr. 1 InsO erfasst nicht nur Rechtshandlungen, die eine Forderung eines Gesellschafters betreffen, sondern auch Forderungen, die einer eigenkapitalersetzenden Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich gleichzustellen sind (Wimmer/Dauernheim, Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 135 Rdnr. 85). Das ist hier der Fall; denn die Gesellschafter der Beklagten zu 2) - der Komplementärin der Beklagten zu 1) - und die Kommanditisten der Beklagten zu 1) sind zugleich Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin. Es macht bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung keinen Unterschied, ob die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin oder die Beklagte zu 1), an der die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin allein beteiligt sind, ein Darlehen gewährt haben.

c) Die Anfechtungsfrist des § 135 Nr. 1 InsO von 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (3. November 2003) ist gewahrt.

d) Da die Beklagte zu 1) trotz Fristsetzung ihrer Herausgabepflicht nach § 143 Abs. 1 InsO nicht nachgekommen ist, haftet sie gemäß §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB auf Schadenersatz. Die Haftung der Beklagten zu 2) folgt aus §§ 161 Abs. 2, 128 HGB.

2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts können die Beklagten aus den Pachtzinsrückständen, dem damit verbundenen Verpächterpfandrecht und der Sicherungsübereignung vom 27. Dezember 2002 keine Rechte herleiten.

a). Wie das Landgericht zu der Auffassung gelangt ist, die Beklagte zu 1) könne ihre Ansprüche aus der Sicherungsübereignung vom 27. Dezember 2002 ableiten, die nicht anfechtbar sei, erschließt sich dem Senat nicht. Diese Sicherungsübereignung betrifft nur das Warenlager und kann daher keine Rechtsgrundlage dafür sein, die Herausgabe des Anlagevermögens zu verweigern.

b) Schließlich kann die Beklagte zu 1) aus dem Verpächterpfandrecht trotz der Bestimmung des § 50 InsO, die dem Verpächter grundsätzlich ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Pfandrecht gewährt, keine Ansprüche gegen den Kläger herleiten.

aa) Wie die Berufung zu Recht rügt, hat das Landgericht übersehen, dass auch die pachtweise Nutzungsüberlassung der Büro-, Lager- und Werkstatträume durch die Beklagte zu 1) an die Insolvenzschuldnerin spätestens mit der Zahlungseinstellung eigenkapitalersetzende Funktion erlangt hat. Maßstab für die Einordnung der Gebrauchsüberlassung als Eigenkapitalersatz ist auch hier die Kreditunwürdigkeit der Insolvenzschuldnerin. Es reicht zwar nicht ohne weiteres aus, dass die Insolvenzschuldnerin unter Berücksichtigung ihrer finanziellen Ausstattung auf dem Kapitalmarkt keinen Kredit erhalten hätte, mit dessen Hilfe sie die Betriebseinrichtung selbst hätte anschaffen können. Denn sie hat diese tatsächlich nicht gekauft, sondern nur zur Nutzung erhalten. Die Umqualifizierung einer solchen Gesellschafterhilfe in Eigenkapitalersatz kommt jedoch dann in Betracht, wenn gerade diese konkrete Leistung auf dem allgemeinen Markt nicht zu beschaffen gewesen wäre. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, ob ein vernünftig handelnder Vermieter oder Verpächter, der nicht an der Gesellschaft beteiligt ist und sich auch nicht an ihr beteiligen will, der Gesellschaft die Gegenstände unter denselben Verhältnissen und zu denselben Bedingungen überlassen hätte (BGHZ 109, 55, 64; BGHZ 121, 31, 38 f.). Das ist jedenfalls dann nicht (mehr) der Fall, wenn die Insolvenzschuldnerin ihre Zahlungen eingestellt hat. Spätestens von diesem Zeitpunkt an hatten die Überlassung der Räume und das Stehenlassen der offenen Pachtzinsen durch die Beklagte zu 1) eigenkapitalersetzende Funktion. Dass der Pachtzins nach Ablauf der im Vertrag vom 27. Dezember 2002 vereinbarten Stundungsabrede fällig geworden ist, ist entgegen der Ansicht des Landgerichts aus Rechtsgründen unerheblich. Die Beklagte zu 1) hätte das Pachtverhältnis angesichts der erheblichen Pachtzinsrückstände kündigen können. Von dieser Möglichkeit hat sie selbst nach Ablauf der Stundungsabrede keinen Gebrauch gemacht. Der fällige Pachtzins kann daher gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur als nachrangige und wegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht aufrechenbare Insolvenzforderung geltend gemacht werden.

bb) Aus den vorstehend unter 1. b) genannten Gründen spielt es keine Rolle, dass die Überlassung der Räume durch die Beklagte zu 1) und nicht durch die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin erfolgt ist.

cc) Da die Überlassung der Räume eigenkapitalersetzende Funktion hat und die damit verbundene Pachtzinsforderung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur als nachrangige Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann, ist es vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift ausgeschlossen, dass sich die Beklagte zu 1) aus einem Verpächterpfandrecht vorab befriedigen kann (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 32a Rdnr. 69 m.w.N.).

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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