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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.11.2008
Aktenzeichen: 7 U 47/08
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 302 Nr. 1
1. Wer einen Auftrag zur Durchführung von Renovierungsarbeiten erteilt, muss in der Lage sein, die Werklohnforderung bei Fälligkeit zu bezahlen. Verfügt der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht über die dafür notwendigen finanziellen Mittel und kann er sie sich später auch nicht beschaffen, macht er sich eines Eingehungsbetruges schuldig.

2. Zinsen und Kosten, die im Zusammenhang mit einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung entstehen, nehmen grundsätzlich an der Restschuldbefreiung teil und fallen daher nicht unter § 302 Nr. 1 InsO.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 47/08

verkündet am: 21.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Langematz und Sellin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 14 des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2008 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert:

Es wird festgestellt, dass es sich bei der im Insolvenzverfahren 36s IN 2599/05 AG Charlottenburg zur laufenden Nummer 3 angemeldeten Forderung in Höhe von 13.217,96 Euro um eine solche aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1 InsO handelt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 36 % und der Beklagte zu 64 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Beklagte berauftragte den Kläger, der Inhaber einer Bauausführungsfirma ist, mit der Vornahme diverser Renovierungsarbeiten in seiner Mietwohnung. Hierüber erstellte der Kläger eine Rechnung über 16.016,32 EUR, die der Beklagte nicht bezahlte. Im sich daran anschließenden Rechtsstreit einigten sich die Parteien vergleichsweise auf die Zahlung von 13.217,96 €, den der Beklagte nicht bezahlte. Im gegen ihn eröffneten Insolvenzverfahren ist die Forderung mit dem Zusatz "vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung" neben Zinsen und Kosten, die diesen Vermerk nicht haben, mit insgesamt 20.787,66 € in die Insolvenztabelle eingetragen worden. Der Beklagte hat den Rechtsgrund Vorsatz bestritten

Der Kläger verlangt die Feststellung vom Beklagten, dass die eingetragene Forderung nebst Kosten und Zinsen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst wird.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg.

Gründe:

A.

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

B.

Die Berufung ist zulässig und teilweise auch begründet.

I.

Die Feststellungsklage ist gemäß §§ 180 Abs. 1, 184 Abs. 1 InsO zulässig (vgl. BGH NZI 2004, 39; OLG Celle, ZinsO 2003, 280; OLG Hamm, ZInsO 2005, 1329/1330; OLG Rostock, ZInsO 2005, 1175 f.; NZI 2007, 358; Braun/Lang, InsO, 3. Aufl., § 302 Rn 6 a.E.).

1. Wenn der Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zur Tabelle anmeldet, hat das Insolvenzgericht den Schuldner über die Möglichkeit des Widerspruchs gemäß § 175 Abs. 2 InsO zu belehren. Ist dies - wie hier offensichtlich - geschehen und hat der Schuldner Widerspruch erhoben, steht dem Gläubiger die Möglichkeit der Klage auf Feststellung im ordentlichen Verfahren zu.

2. Ob das auch für die Zinsen und Kosten gilt, die nicht ausdrücklich als Forderung aus unerlaubter Handlung in die Tabelle eingetragen worden sind, muss im Rahmen der Zulässigkeit der Klage nicht abschließend entschieden werden.

Sofern eine Forderung nicht auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht und daher an der Restschuldbefreiung teilnimmt, wäre eine bloße Prozessabweisung sinnwidrig. Deshalb kommt es auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage grundsätzlich dann nicht an, wenn sie in der Sache abweisungsreif ist (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 256 Rn. 7). Das ist aus den nachstehend unter III. genannten Gründen der Fall.

3. Unerheblich ist schließlich auch der Umstand, dass der Vater des Beklagten an den Kläger aufgrund der unstreitigen Vereinbarung vom 26. Juli 2006 12.500,00 EUR zzgl. Anwaltskosten in Höhe von 1.896,60 EUR gezahlt hat.

Diese Zahlungen waren ausweislich des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers zunächst auf Kosten und Zinsen und erst zum Schluss auf die Hauptforderung, für die die vorsätzlich begangenen unerlaubte Handlung vermerkt ist, zu verrechnen.

Damit verbleibt noch eine erhebliche Restforderung auf die Hauptschuld, deren Wert nur bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen ist, jedoch keinen Einfluss auf das Interesse der Feststellungsklage hat; denn das Prozessgericht hat hinsichtlich der Höhe der eingetragenen Forderung im vorliegenden Verfahren keine Feststellungen zu treffen. Die Forderung gilt mit der Eintragung gemäß § 178 Abs. 1 S. 1 InsO auch der Höhe nach als rechtskräftig festgestellt. Der Widerspruch des Schuldners hat gemäß § 178 Abs. 1 S. 2 InsO insoweit keine rechtserhebliche Wirkung. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist daher allein die Frage, ob diese Eintragung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht.

II.

Die Berufung ist hinsichtlich der eingetragenen Forderung über 13.217,96 EUR aus dem zwischen den Parteien im Oktober 2001 geschlossenen Werkvertrag über die Renovierung der Mietwohnung des Beklagten auch begründet.

Bei der Werklohnforderung des Klägers handelt es sich um eine Forderung aus einer vom Beklagten begangenen unerlaubten Handlung, § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB.

Mit dem Abschluss des Werkvertrages im Oktober 2001 hat der Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass er zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Werklohnforderung zahlungsfähig und - willig sein würde (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 263 Rn 19 m.w.N.). Nahm er billigend in Kauf, dies nicht zu sein, hätte er den Kläger getäuscht i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB (vgl. Fischer, aaO., § 263 Rn 106 f. m.w.N.) und zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung veranlasst. Davon ist hier auszugehen.

1. Darlegungs- und beweispflichtig für den Umstand, dass die in Höhe von insgesamt 13.217,96 € titulierten Verbindlichkeiten aus dem zwischen den Parteien im Oktober 2001 geschlossenen Werkvertrag über die Renovierung der Mietwohnung des Beklagten im Steinrückweg 5 in 14169 Berlin aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammen, ist primär der Gläubiger, hier also der Kläger.

Trägt dieser aber wie hier konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Schuldner bei Eingehung der Verbindlichkeit aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht damit rechnen konnte, die Forderung bei Fälligkeit erfüllen zu können, ist es Sache des Schuldners, konkrete Umstände darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass er gleichwohl willens und fähig war, die Forderung auszugleichen.

2. Das ist dem Beklagten nicht gelungen. Er hat nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Mitteln er die Forderung des Klägers bezahlen konnte und wollte. Mit der Fälligkeit der Schlussrechnung des Klägers musste der Beklagte entsprechend dem tatsächlichen Geschehensablauf (Schlussrechnung vom 22.12.2001 mit Zahlungsfrist bis zum 17.1.2002) Mitte Januar 2002 rechnen. Über hinreichende finanzielle Mittel zur Begleichung der Werklohnforderung verfügte er zu diesem Zeitpunkt nicht und er konnte auch bei Abschluss des Vertrages nicht davon ausgehen, dass er die Forderung des Klägers würde begleichen können.

a) Die Arbeitseinkünfte des Beklagten reichten dazu, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, erkennbar nicht aus. Der Beklagte war zwar seit Januar 2001 als sog. Ablaufregisseur beim S auf Honorarbasis tätig und erzielte dadurch ausweislich der als Anlagen zum Schriftsatz des Beklagten vom 13.12.2007 vorgelegten Verdienstbescheinigungen in den Monaten Juli bis September 2001 Netto-Einkünfte zwischen 2.002,61 DM und 2.952,995 DM. Auch gab es keinerlei Anhaltspunkte für ein Ende dieser Einkünfte und es ist ausweislich der Bescheinigung des R vom 18.8.2008 davon auszugehen, dass das Gehalt nicht gepfändet war. Der Beklagte war jedoch seinerzeit belastet mit Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern in Höhe von ca. 600,00 DM monatlich. Da hinzukamen weitere monatliche Verbindlichkeiten (Miete, Versicherungen, Telefon usw.) und er sonst über keinerlei nennenswerten Vermögenswerte verfügte, wäre er aufgrund seiner Einkünfte und sonstigen Vermögensverhältnisse allein nicht in der Lage gewesen, die zu erwartende Forderung des Klägers zu erfüllen. Dabei kann auch davon ausgegangen werden, dass eine Verpflichtung zur Rückzahlung der gegenüber seinem Vater bestehenden Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 70.500,00 DM seinerzeit nicht im Raume stand.

b) Dass der Beklagte sich die zur Begleichung der Rechnung erforderlichen Finanzmittel hätte besorgen können, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Soweit der Beklagte behauptet, sein Vater sei bereit gewesen, ihn zu unterstützen und erforderlichenfalls die Kosten für die Renovierung der Wohnung zu tragen, kann die Richtigkeit dieser Behauptung nicht festgestellt werden. Beweis dafür hat er nicht angetreten. Dass der Beklagte bei Abschluss des Werkvertrages mit dem Beklagten tatsächlich nicht von einer unbegrenzten Bereitschaft seines Vaters zur Übernahme der Renovierungskosten ausgehen konnte, ergibt sich im Übrigen aus der Vernehmung des Vaters in dem Rechtsstreit 14 O 326/02 LG Berlin (BA Bd. I, Bl. 130 f.). Danach war der Vater lediglich bereit, Kosten in Höhe von 10.000,00 DM zu übernehmen, obwohl er nicht ausschloss, dass aufgrund vieler Sonderwünsche ein höherer Pauschalpreis vereinbart war. Der Vater hat im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung ausdrücklich ausgesagt, es sei von Anfang an klar gewesen, "dass nur ein Betrag von 10.000,00 DM zur Verfügung gestellt werden sollte", für ihn seien "nur die 10.000,00 DM relevant gewesen". Nur einen Betrag in dieser Gesamthöhe (in Teilbarzahlungen von 4.000,00 DM und 6.000,00 DM) hat der Vater des Beklagten diesem denn auch übergeben, wie sich aus dem Vernehmungsprotokoll des Landgerichts ergibt, die der Beklagte aber nicht an den Kläger weiter geleitet hat.

Die sog. "Eidesstattlichen Erklärung" des Vaters des Beklagten vom 11.11.2005 (Insolvenzakte 36s IN 2599/05 b, Bl. 146) steht dem nicht entgegen. Darin bestätigt der Vater nur erneut, dass er die Kosten aus dem Erbe der verstorbenen Mutter bestreiten wollte. Dass er mehr als 10.000,00 DM hätte tragen können oder wollen, ergibt sich daraus nicht. Im Übrigen ist die Bedeutung der Erklärung angesichts der zeitnäheren gerichtlichen Aussage ohnehin nur von sehr eingeschränktem Wert. Wenn der Vater des Beklagten von Anfang an bereit gewesen sein sollte, den Werklohn in voller Höhe zu bezahlen, wäre er dieser Verpflichtung spätestens nach Abschluss des Vergleichs vor dem Kammergericht am 24. 8. 2004 nachgekommen, was er aber nicht getan hat.

Wie der Beklagte den Differenzbetrag zwischen den zugesagten 10.000,00 DM und den tatsächlich mehr als doppelt so hohen Kosten hätte begleichen wollen und können, bleibt mithin selbst dann offen, wenn man von der Bereitschaft des Vaters des Klägers ausgeht, die begrenzten Kosten zu tragen. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, es sei mit dem Kläger ein Festpreis von 10.000,00 DM vereinbart worden, kann diese Behauptung schon deshalb nicht zutreffen, weil er in der Klageerwiderung im Rechtsstreit 14 O 326/02 noch vorgetragen hat, der Preis sei nach dem Angebot des Klägers auf 11.500,00 DM netto reduziert worden (BA Bd. I, Bl. 24). Abgesehen sprechen die gesamten Umstände, die schließlich zum Abschluss des Vergleichs beim Kammergericht über einen Betrag geführt haben, der mehr als das Doppelte des angeblichen Festpreises beträgt, gegen die behauptete Festpreisvereinbarung.

c) Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte, dem von Anfang an ein Angebot des Klägers für die Renovierungsarbeiten über 16.016,32 EUR vorlag, nicht in der Lage war, den sich aus der Durchführung des Auftrags ergebenden Rechnungsbetrag zu bezahlen. Verschweigt der Auftraggeber diesen Umstand seinem Vertragspartner, handelt er in betrügerischer Absicht und muss sich daher den Vorwurf der unerlaubten Handlung gefallen lassen.

III.

Nicht begründet ist die Feststellungsklage dagegen hinsichtlich der unter Nr. 3 in der Tabelle eingetragenen Zinsen und Kosten.

1. Prozesskosten, die bei der Geltendmachung eines Anspruchs aus vorsätzlich begangener Handlung entstanden sind, teilen als prozessualer Anspruch nicht die Rechtsnatur des Hauptanspruchs. Sie werden deshalb von der Restschuldbefreiung erfasst (Stephan, in: Münchener Kommentar, InsO, 2. Aufl., § 302 Rn. 8; Ahrens, in: Frankfurter Kommentar, InsO, 4. Aufl., § 302 Rn 9). Der Anspruch ist daher unbegründet, weil der Kläger nicht schlüssig vorgetragen hat, dass der prozessuale Anspruch ebenfalls auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht.

2. Entsprechendes gilt für die Zinsen. Werden sie - wie hier - als Verzugsfolgen geschuldet, nehmen sie an der Restschuldbefreiung teil (Stephan, in: Münchener Kommentar, a.a.O.). Anderes gilt nur bei Zinsforderungen aus § 849 BGB; sie gehören zu den von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen (Stephan, in: Münchener Kommentar, a.a.O.; Ahrens, in: Frankfurter Kommentar, a.a.O.). Darum geht es hier jedoch nicht.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gibt es nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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