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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 7 U 53/06
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 127 Abs. 2
BGB § 130 Abs. 1
BGB § 151
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 1
BGB § 191
BGB § 286
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 286 Abs. 4
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 367
HGB § 353
Verpflichtet sich der Schuldner in einem schriftlichen Vertrag zur Zahlung binnen einer Frist von 8 Wochen nach "Vertragsunterzeichnung" gerät er erst in Verzug, wenn seit dem Zugang des von ihm unterschriebenen Vertragsexemplars 8 Wochen vergangen sind.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 7 U 53/06

verkündet am: 12.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 12.01.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. März 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin - 9 O 349/05 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.699,11 € nebst 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 16. April 2004 bis 26. Januar 2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz bis zur mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2006 haben der Kläger zu 86 % und die Beklagte zu 14% zu tragen. Die ab der mündlichen Verhandlung in erster Instanz und in der Berufungsinstanz angefallenen Kosten haben der Kläger zu 83% und die Beklagte zu 17% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Beklagte hat sich verpflichtet, an die Klägerin binnen 8 Wochen nach "Vertragsunterzeichnung" zum Ausgleich von Ersatzmaßnahmen für die Trinkwasserversorgung im Rahmen des Gleisbaus für die Eisenbahn eine Zahlung an die Klägerin zu leisten. Die Parteien streiten um die Frage, wann die Beklagte mit ihrer Zahlungspflicht in Verzug geraten ist. Die Klägerin berechnet den Verzug ab dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung. Das Landgericht hat ihrer Klage auf Zahlung von Verzugszinsen statt gegeben. Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

Gründe:

A.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz, der dort gestellten Anträge, des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin Bezug genommen, das der Beklagten am 20. März 2006 zugestellt worden ist. Die Beklagte hat dagegen am 6. April 2006 Berufung eingelegt und diese am 22. Mai 2006 (Montag) begründet.

Die Beklagte trägt vor: Mit dem Wort "Vertragsunterzeichnung" in § 10 des von ihr am 17. März 2003 unterzeichneten Vertrages über die Verpflichtung zur Zahlung eines einmaligen Pauschalfestpreises zur Durchführung von Ersatzmaßnahmen für die Trinkwasserversorgung (nachfolgend: Vertrag) sei der Vertragsschluss gemeint. Zustande gekommen sei der Vertrag erst mit der Übersendung des unterzeichneten Exemplars am 22. Dezember 2003. Ausweislich ihres Schreibens vom 6. Januar 2004 habe die Klägerin das auch so verstanden. Dem Kläger sei der Vorbehalt der Zustimmung durch das Eisenbahnbundesamt bekannt gewesen. Aufgrund von Mittelkürzungen habe sich der Vertragsabschluss verzögert. Durch die Abgeltungsklausel in § 12 des Vertrages habe der Kläger zudem auf alle Schadenersatzansprüche verzichtet. Der Kläger verhalte sich zudem treuwidrig, weil er den Termin zur Umsetzung der Ersatzmaßnahme nicht eingehalten habe. Angesichts geringfügiger Vorleistungen sei dem Kläger auch kein Schaden entstanden. Die Geschäftsgrundlage für die Fälligkeitsklausel in § 10 des Vertrages sei infolge der Mittelkürzungen gestört und daher an die tatsächlich wahrgenommenen Zahlungs- und Bautermine anzupassen. Schließlich handele es sich um ein Überraschungsurteil des Landgerichts.

Im Übrigen ergänzt und vertieft die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil: Da der Vertragsentwurf von der Beklagten stamme, müsse sie sich an dem Wortlaut festhalten lassen. Er - der Kläger - sei stets davon ausgegangen, dass die Zahlungspflicht der Beklagten mit der Vertragsunterzeichnung fällig werden sollte. Die Beklagte habe es selbst in der Hand gehabt, die Rückwirkung der Fälligkeit zu verhindern. Auf den geltend gemachten Verzugsschaden habe er nicht verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und wegen der von ihnen in der Berufungsinstanz gestellten Anträge auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Januar 2007 verwiesen.

B.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist teilweise begründet.

Das Landgericht hat der Klage zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Der von dem Kläger geltend gemachte Zinsanspruch besteht nicht ab 13. Mai 2003, sondern erst ab dem 17. Februar 2004 (8 Wochen nach Zugang des von der Beklagten unterzeichneten Vertrages bei dem Kläger am 22. Dezember 2003).

I.

Da der Kläger mangels vertraglicher Vereinbarung nur den gesetzlichen Verzugsschaden aus §§ 286, 288 Abs. 2 BGB geltend machen kann, ist es entscheidend, wann die Voraussetzungen des Schuldnerverzuges vorgelegen haben.

1. Das war am 13. Mai 2003 (8 Wochen nach der Unterzeichnung des Vertrages durch die Beklagte) noch nicht der Fall.

Es kommt entgegen der Ansicht des Landgerichts und des Klägers nicht darauf an, wie der Begriff "Vertragsunterzeichnung" wörtlich zu verstehen ist. Bei der Auslegung formbedürftiger Erklärungen sind sämtliche Umstände, auch solche außerhalb des Vertrages, zu berücksichtigen. Die Auslegung kann hier nur zu dem Ergebnis führen, dass mit Vertragsunterzeichnung das Zustandekommen des Vertrages gemeint war.

a) Verzug mit einer Leistungspflicht setzt zunächst einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch voraus. Das bedeutet hier, dass ein Vertrag zustande gekommen sein muss. Ohne einen solchen Vertrag, für den die Vertragsparteien ausdrücklich die Schriftform vereinbart hatten (§ 127 BGB), wollte sich die Beklagte - insoweit auch für den Kläger eindeutig erkennbar - nicht zur Zahlung der Hauptforderung verpflichten. Der Vertrag ist aber gemäß §§ 130 Abs. 1, 127 Abs. 2 BGB erst mit der Übersendung des von der Beklagten unterzeichneten Exemplars zustande gekommen. Die fernmündliche Mitteilung, dass der Vertrag unterzeichnet worden sei, reicht nicht aus (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 127 Rn. 2). Das hat das Landgericht offensichtlich übersehen.

b) Der Zugang der schriftlichen Annahmeerklärung bei dem Kläger war auch nicht gemäß § 151 BGB entbehrlich. Der Kläger hat darauf nicht verzichtet. Das folgt aus seinem Schreiben vom 22. November 2002 nnnnnnnnnn, in dem er die Zustellung eines gegengezeichneten Vertragsexemplars anfordert, um mit den Baumaßnahmen beginnen zu können.

c) Zudem ist auch der Kläger ausweislich seines Schreibens vom 6. Januar 2004 zunächst davon ausgegangen, dass die Fälligkeit 8 Wochen nach Zugang des unterschriebenen Exemplars eintritt. Anders ist seine Bitte, ihm schnellstmöglich den Bestellschein für die Rechnungslegung zu übersenden, damit die Frist von 8 Wochen gewahrt werden kann, nicht zu verstehen

2. Mit der Zahlungspflicht ist die Beklagte aber am 17. Februar 2004 in Verzug geraten (8 Wochen nach Zugang des Vertrages am 22. Dezember 2003).

a) Aufgrund der Fälligkeitsregelung in § 10 des Vertrages bedurfte es gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB keiner Mahnung, weil die Leistungszeit kalendermäßig bestimmt worden ist. Dafür genügt es, wenn der Zeitraum festgesetzt wird, in dem die geschuldete Leistung zu erbringen ist (vgl. BGH NJW 2001, 365).

b) Die Beklagte hat die verspätete Zahlung der Hauptforderung am 15. April 2004 zu vertreten. Sie hat keine Umstände vorgetragen, die sie von der Verschuldensvermutung des § 286 Abs. 4 BGB befreien könnten.

Es kommt weder auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der Mittelkürzungen noch auf den Vorbehalt des Eisenbahnbundesamts an, weil jedenfalls bei Übersendung des Vertrages die Voraussetzungen für die Finanzierung von der Beklagten geschaffen waren. Gegenteiliges trägt sie nicht vor. Abgesehen davon liegen die Umstände für die Beschaffung des geschuldeten Geldes allein im Risikobereich der Beklagten, wenn sie sich durch Übersendung eines unterschriebenen Vertragsexemplars an den Kläger zur Zahlung verpflichtet, hat sie dafür auch einzustehen.

c) Fernliegend ist die Ansicht der Beklagten, der Kläger hätte durch die Ausgleichsklausel in § 12 des Vertrages auf den hier geltend gemachten Verzugsschaden verzichtet. Die Klausel bezieht sich erkennbar nur auf die Hauptforderung. Die Parteien wollten mit der Pauschalvergütung weitere Nachforderungen des Klägers im Zusammenhang mit den Ersatzmaßnahmen für die Trinkwasserversorgung ausschließen. Ein Verzicht auf den gesetzlichen Verzugsschaden ist damit nicht verbunden.

d) Auf den Verzug der Beklagten ist es ohne Einfluss, ob es bei den Baumaßnahme zu Verzögerungen gekommen ist. Die Beklagte hat sich in § 10 des Vertrages vorbehaltlos zur Zahlung der Hauptforderung binnen 8 Wochen nach Vertragsunterzeichnung - dem Zustandekommen des Vertrages - verpflichtet. Sie war insoweit vorleistungspflichtig. Wenn der Kläger mit seiner Leistungspflicht, die nach § 4 (1) des Vertrages bis zum 1. Juli 2003 erbracht werden sollte, ebenfalls in Verzug gekommen sein sollte, könnte dies allenfalls einen verrechenbaren Schadenersatzanspruch der Beklagten begründen, nicht jedoch ihren Verzug mit der Zahlungspflicht beenden oder rückwirkend heilen. Zudem gilt auch hier der eingangs erwähnte Grundsatz, dass der Kläger jedenfalls vor der Übersendung des gegengezeichneten Vertragsexemplars am 22. Dezember 2006 nicht mit seiner Leistungspflicht in Verzug geraten sein kann.

3. Dem Kläger ist aufgrund des Verzuges ein Schaden in Höhe von 11.699,11 € entstanden.

a) Die Ansicht der Beklagten, ein Schaden entfalle deshalb, weil der Kläger nur geringfügige Vorleistungen für Ingenieurleistungen zu erbringen hatte, ist rechtlich unerheblich. Der Kläger macht den gesetzlich vorgesehenen Mindestschaden aus § 288 Abs. 2 BGB geltend. Welche Aufwendungen er während des Verzuges der Beklagten hatte, spielt dabei keine Rolle (vlg. BGHZ 74, 231, 235).

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat sich zur Zahlung verpflichtet, damit die Klägerin die in § 7 des Vertrages vereinbarten Ersatzmaßnahmen durchführt. Die Zahlung stellt sich daher als ein Entgelt für die von dem Kläger zu erbringende Ersatzmaßnahme dar.

c) Der dem Kläger entstandene Zinsschaden aus § 288 Abs. 2 BGB berechnet sich wie folgt:

Der Basiszinssatz betrug vom 17. Februar bis zum 15. April 2004 1,14% (Palandt/Heinrichs, a.aO., § 288 Rn. 14), so dass die Beklagte für diesen Zeitraum Zinsen in Höhe von 9,14% auf die Hauptforderung von 791.862,40 € schuldet. Der tägliche Zinssatz beläuft sich damit auf 198,29 €, wobei gemäß § 191 BGB 365 Zinstage pro Jahr zugrunde gelegt werden. Der Tag der Zahlung wird entsprechend §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB mitgerechnet (BGH NJW 1997, 3168; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 187 Rn. 1). Für 59 Tage sind daher Zinsen in Höhe von 11.699,11 € angefallen.

4. Ein weitergehender Zinsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 353 HGB, weil nach § 10 des Vertrages Fälligkeit und Verzugseintritt zusammenfallen.

5. Da der Kläger die von der Beklagten geleistete Zahlung gemäß § 367 BGB zunächst auf die Zinsen verrechnen kann, blieb am 15. April 2004 eine restliche Hauptforderung in Höhe der geschuldeten Zinsen zur Zahlung offen, auf die die Beklagte für den vom Kläger geltend gemachten Zeitraum bis zum 26. Januar 2006 aus den vorstehend genannten Gründen weitere Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz schuldet (§§ 286, 288 Abs. 2 BGB).

II.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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