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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: 8 U 10/09
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 319 Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 522 Abs. 2
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b
1. Jedenfalls die Felder des Berliner Mietspiegels 2007, die nicht Teil des qualifizierten Mietspiegels sind, weil sie lediglich auf 15 bis 29 Mietwerten basieren, stellen eine geeignete Grundlage für eine Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete dar.

2. Zur Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung des Berliner Mietspiegels 2007, wenn zwar nicht das Sondermerkmal "Moderne Küche", aber einzelne wohnwerterhöhenden Merkmale der Merkmalgruppe 2 (Küche), die durch das Sondermerkmal "Moderne Küche" ausgeschlossen werden könnten, vorliegen.

3. Im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO kann das erstinstanzliche Urteil gemäß § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt werden.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 U 10/09

26.03.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, durch die Richterin am Kammergericht Spiegel, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und den Richter am Landgericht Niebisch am 26. März 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass das angefochtene Urteil im Tenor zu 1. wie folgt neu gefasst wird:

Der Beklagte wird verurteilt, für die von ihm inne gehaltene Wohnung im Hause S , B , Dachgeschoss rechts einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 1.135,62 € um 162,89 € auf 1.298,51 € ab dem 01.03.2008 zuzustimmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses.

Gründe:

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO). Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere Entscheidung.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Das Kammergericht ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG zuständig, da die Klägerin ihren allgemeinen Gerichtsstand bei Rechtshängigkeit in W und damit außerhalb des Geltungsbereichs des GVG hatte.

Die Berufung ist auch gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.246,98 € beträgt und damit 600,00 € übersteigt. Auf den Rechtsmittelstreitwert ist nicht § 41 Abs. 5 GKG, sondern §§ 3, 9 ZPO anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2006 zu VIII ZB 9/06, BeckRS 2006 15036). Zu rechnen ist daher: 29,69 €/Monat x 42 Monate = 1.246,98 €.

II.

Die Berufung ist jedoch - abgesehen von der erforderlichen Berichtigung eines Rechenfehlers - unbegründet.

1.

Das Amtsgericht hat die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 BGB) im Ergebnis zutreffend anhand des Berliner Mietspiegels 2007 geprüft.

Die Vermutungswirkung des Berliner Mietspiegels 2007 (§ 558 d Abs. 3 BGB i.V.m. § 292 ZPO) bezieht sich allerdings gemäß Ziff. 4 weder auf die Einordnung innerhalb der Spannen noch - wegen der geringen Zahl der erhobenen Mietwerte - auf das einschlägige Mietspiegelfeld L 9 der Mietspiegeltabelle für Neubauten, weil diese Umstände nicht Teil des qualifizierten Mietspiegels sind. Es ist aber zulässig, die ortsübliche Vergleichsmiete durch Schätzung gemäß § 287 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 ZPO zu ermitteln. Dabei kann auch auf die Teile des Mietspiegels zurückgegriffen werden, die nicht die Anforderungen an einen qualifizierten Mietspiegels erfüllen (vgl. zur Verwendung der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung BGH NJW 2005, 2074). Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Sachverständigengutachten wäre mit Schwierigkeiten und einem Kostenaufwand verbunden, der zu der Höhe der geltend gemachten Mieterhöhung außer Verhältnis steht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Mietspiegel als geeignete Schätzgrundlage zur Verfügung steht und die Angaben im einschlägigen Mietspiegelfeld L 9 immerhin auf mindestens 15 Mietwerten basieren.

2.

Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Sondermerkmal "Duschtasse von Badewanne getrennt" gemäß Ziff. 6.3 des Berliner Mietspiegels 2007 nicht anzusetzen ist, weil die Ausstattung der Wohnung insoweit vom Beklagten geschaffen wurde und er hierfür auch keine Kostenerstattung vom Vermieter erhalten hat.

3.

Das Amtsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Ausstattung der Küche nicht zu einer Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 0,24 €/m² führen kann.

In der Mietspiegeldefinition der "modernen Einbauküche" (Ziff. 10.1) ist zwar nur von Bodenfliesen die Rede. Nach Auffassung des Senats dürfte eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass eine moderne Einbauküche auch dann vorliegt, wenn ein vergleichbar hochwertiger Bodenbelag wie Parkett vorhanden ist, grundsätzlich in Betracht kommen. Im Ergebnis kann diese Frage aber aus anderen Gründen offen bleiben.

Der Senat schätzt, dass die von der Klägerin geltend gemachten wohnwerterhöhenden Merkmale "Komplette Einbauküche mit Ober- und Unterschränken", "Fliesen, Terrazzo oder hochwertiger anderer Bodenbelag", "Wandfliesen im Arbeitsbereich", "Besondere Ausstattung (z.B. Kühlschrank, moderne Herdausstattung, Geschirrspüler)" und "Nur Anschluss für Geschirrspüler" in diesem Fall keinen höheren Wert haben können als 0,24 €/m². All diese Merkmale sind nach dem Mietspiegel nicht zu berücksichtigen, wenn das Sondermerkmal "Moderne Einbauküche" zutrifft. Dem Mietspiegel liegt also die grundsätzliche Annahme zugrunde, dass diese Merkmale - allein oder zusammen - keinen höheren Wert haben als eine moderne Einbauküche. Dieser Fall zeigt, dass es Konstellationen geben kann, in denen die Bewertung einer Ausstattung als "Moderne Einbauküche" für den Vermieter nachteilig ist. In solchen Fällen ist jedenfalls dann, wenn - wie hier - bereits die Spannenwerte des einschlägigen Mietspiegelfelds nicht Bestandteil des qualifizierten Mietspiegels sind, bei der Schätzung auf den Zuschlag der modernen Einbauküche abzustellen, da die Zu- und Abschläge für Sondermerkmale Teil des qualifizierten Mietspiegels sind und anders als die Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich haben.

4.

Dem Amtsgericht ist allerdings bei der Gesamtberechnung (S. 7 des Urteils) ein Rundungsfehler unterlaufen, der die Berechnung offensichtlich unrichtig gemacht hat, § 319 Abs. 1 ZPO. Die obere Spanne beträgt (9,71 €/m² - 7,45 €/m² =) 2,26 €/m². 60 % hiervon sind 1,356 €/m², gerundet also 1,36 €/m² (nicht 1,35 €/m²). Daraus ergibt sich eine ortsübliche Vergleichsmiete von insgesamt 9,62 €/m², bei 134,98 m² sind dies 1.298,51 €.

Offenbare Unrichtigkeiten im Sinne von § 319 Abs. 1 ZPO können auch vom Rechtsmittelgericht jederzeit geändert werden (vgl. BGH NJW 1996, 2100, 2101; Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 319 Rn. 22). Diese Berichtigung kann auch mit einem Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO verbunden werden.

Ende der Entscheidung

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