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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.12.2003
Aktenzeichen: 8 U 158/03
Rechtsgebiete: ZPO, StReinG, BGB, HGB, AGBG


Vorschriften:

ZPO § 4
ZPO § 533 n.F.
StReinG § 4 Abs. 1 Satz 1
StReinG § 7 Abs. 2
BGB § 271
BGB § 284 Abs. 1 a.F.
BGB § 284 Abs. 2 a.F.
BGB § 305 a.F.
BGB § 315
HGB § 353
AGBG § 5 a.F.
AGBG § 11 Nr. 4 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 158/03

verkündet am: 08.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts, Elßholzstraße 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und den Richter am Kammergericht Dr. Müther

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. April 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Es fehlt der Klägerin auch nicht an der notwendigen Beschwer. Sie wendet sich zwar gegen die Abweisung der von ihr mit der Hauptforderung geltend gemachten Zinsen. Die Regelung des § 4 ZPO, nach welcher sog. Nebenforderungen bei der Berechnung des Streitwertes außer Betracht zu bleiben haben, gilt für die Frage der Rechtsmittelbeschwer jedenfalls dann nicht, soweit die Nebenforderungen - wie hier - alleiniger Gegenstand des Rechtsmittels sind (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 4 Rn. 11; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 511 Rn. 32). Mit der Berufung wird auch der Beschwerwert von 600 EUR überschritten. Die Klägerin hat zwar ihre Anträge gegenüber der ersten Instanz teilweise erweitert (dazu noch sogleich). Aber auch hinsichtlich der in erster Instanz abgewiesenen Zinsen wird der Wert von 600 EUR erreicht.

B. Die Berufung ist allerdings unbegründet.

1. Insoweit ist auch über die gegenüber der ersten Instanz erweitert geltend gemachten Zinsen zu entscheiden, denn die Voraussetzungen des § 533 ZPO n.F. liegen vor. Eine Entscheidung in diesem Verfahren ist sachdienlich, weil damit ein weiterer Prozess vermieden wird. Die Klägerin kann sich insoweit auch auf die bisher vorgetragenen Tatsachen stützen. Im Übrigen werden die zugrunde gelegten Tatsachen nicht bestritten.

2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen weder aus Gesetz noch aus einem Vertrag zu.

a) Es entspricht mittlerweile allgemeiner Meinung, dass das Leistungsverhältnis zwischen der die Straßenreinigungspflicht aufgrund des Straßenreinigungsgesetzes des Landes Berlin erfüllenden Klägerin und den jeweiligen zur Kostentragung nach § 7 Absatz 2 StReinG heranzuziehenden Anliegern oder Hinterliegern der öffentlichen Straßen als Rechtsverhältnis bürgerlich-rechtlicher Natur anzusehen ist (so BGH, Urteil vom 3. November 1983, III ZR 227/82, GE 1984, 381ff. = MDR 1984, 558; Urteil vom 15. Mai 1986, III ZR 27/85, GE 1986, 955 = MDR 1987, 125; Urteil vom 11. Oktober 1990, III ZR 250/89 n.v.). Von dieser Auffassung abzuweichen, sieht der Senat keinen Anlaß. Dem stehen auch keine öffentlich-rechtlichen Erwägungen entgegen. Auch im Fall eines Anschluss- und Benutzungszwanges wird die privatrechtliche Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses für zulässig erachtet (vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 10. Dezember 1996, 2 S 550/94, DVBl 1997, 507; OVG Lüneburg, Urteil vom 26. August 1976, III A 137/74, NJW 1977, 450). Aus dieser vom Land Berlin gewählten privatrechtlichen Ausgestaltung folgt aber, dass diese nur in den im Privatrecht vorgesehenen Handlungsformen erfolgen kann. Dies ist der zivilrechtliche Vertrag (vgl. dazu Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 12. Aufl., I Rn. 112; Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., § 29 Rn. 34) und nicht die den Anschluss- und Benutzungzwang anordnende Regelung des § 4 Absatz 1 Satz 1 StrReinG. Denn aus dieser Norm ergibt sich gerade die öffentlich-rechtliche Beziehung, sie ist damit öffentlichrechtlicher Natur. Dass - wie die Klägerin meint - aufgrund der gesetzlichen Regelungen für eine vertragliche Vereinbarung überhaupt kein Handlungsspielraum mehr besteht, trifft nicht zu. So kann die Klägerin ihren Zinsanspruch letztlich auch nur aus den von ihr einseitig aufgestellten Leistungsbedingungen herleiten (vgl. dazu auch näher unten). Zu einem Vertragsschluss hat die Klägerin aber trotz des gerichtlichen Hinweises nichts vorgetragen. Sie geht nach ihrem Vortrag ausdrücklich allein von dem Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses aus.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt der Zinsanspruch auch nicht aus dem Gesetz in Verbindung mit ihren Leistungsbedingungen. Das bürgerlich-rechtliche Verhältnis kann zwar auch allein aufgrund gesetzlicher Vorschriften bestehen. In Betracht kommen etwa Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Ausgestaltung eines derartigen gesetzlichen Schuldverhältnisses ergibt sich dann aber ebenfalls nur aus dem Gesetz.

Für die Abänderung der gesetzlichen Regelungen bedarf es nach § 305 BGB a.F. (§ 311 BGB n.F.) einer vertraglichen Regelung.

Gesetzliche Regelungen, nach denen die Klägerin für die von ihr geltend gemachten Straßenreinigungsentgelte Zinsen ab den verlangten Zeiträumen zustehen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kommt eine Ausgestaltung durch die Leistungsbedingungen der Klägerin nicht in Betracht. Denn bei diesen Leistungsbedingungen handelt es sich nicht um Rechtsnormen (vgl. ausdrücklich BGH, Urteil vom 3. November 1983, III ZR 227/82, GE 1984, 381ff. = MDR 1984, 558). Die Klägerin hätte insoweit auch keine Rechtssetzungskompetenz. Die Leistungsbedingungen sind vielmehr als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen, die von den Parteien in das Leistungsverhältnis einzubeziehen sind (vgl. BGH, aaO; KG, Urteil vom 5. März 1999, 7 U 4906/98, KGR 1999, 193 = GE 1999, 836). Auf die Bezeichnung kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an. Eine Einbeziehung ist nicht ersichtlich.

Die Klägerin kann sich nicht auf die Regelung des § 284 Absatz 2 BGB a.F. berufen. Denn die dort vorgesehene Bestimmung der Leistungszeit setzt, wenn man eine einseitige Bestimmung überhaupt für ausreichend erachtete, eine Vereinbarung darüber voraus, dass diese durch eine der Parteien getroffen werden kann, vgl. § 315 BGB. Nach dem Gesetz ergibt sich die Fälligkeit demgegenüber aus § 271 BGB, ein Verzug setzt dann eine Mahnung voraus, vgl. § 284 Absatz 1 BGB a.F. Eine Mahnung kann in den Leistungsbedingungen aber nicht gesehen werden, weil eine Mahnung erst nach oder mit Fälligkeit der jeweiligen Leistung zulässig ist (BGH, Urteil vom 27. März 1980, VII ZR 214/79, BGHZ 77, 60, 64 = NJW 1980, 1955 = MDR 1980, 749; Urteil vom 29. April 1992, XII ZR 105/91, NJW 1992, 1956 = MDR 1992, 1155; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 286 Rn. 16). Hier folgt die Leistungserbringung und damit die Fälligkeit des Entgelts aber den Leistungsbedingungen erst nach.

Die Klägerin hat den Beklagten nicht gemahnt. Die insoweit allein maßgeblichen Rechnungen aus dem Jahre 1998 enthalten lediglich Hinweise zum Eintritt der Fälligkeit und keine Aufforderung der Klägerin, die das bestimmte Verlangen zum Ausdruck bringt, dass die geschuldete Leistung unverzüglich zu bewirken ist. Aber nur bei einer derartigen Aufforderung kann von einer Mahnung die Rede sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1998, X ZR 70/96, NJW 1998, 2132 = MDR 1998, 1021; Jauernig/Vollkommer, BGB, 10. Aufl., § 286 Rn. 15; Münchener Kommentar/Thode, BGB, 4. Aufl., § 284 Rn. 41). Allein der Hinweis auf eine Fälligkeit reicht nicht aus (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 1985, 14 U 30/85, DNotZ 1985, 767; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 286 Rn. 17).

3. Der Vollständigkeit halber weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin: Ob die Klägerin den verlangten Verzugszins aufgrund eines Vertragsverhältnisses verlangen kann, konnte offen bleiben, weil es für einen Vertragsschluss selbst an ausreichendem Vortrag fehlt (siehe oben).

Aber selbst wenn die Klägerin einen Vertragsschluss unter Einbeziehung ihrer Leistungsbedingungen dargelegt hätte, spricht einiges dafür, dass ihr die geltend gemachten Verzugszinsen - Fälligkeitszinsen etwa nach § 353 HGB kommen ohnehin nicht in Betracht - nicht zustehen. In Ziffer 1.5.2 der hier maßgeblichen Leistungsbedingungen sind zwar bestimmte Termine genannt, zu denen das Entgelt fällig wird. In Ziffer 1.5.4 heißt es dann weiter, dass der Klägerin bei Überschreitung des Fälligkeitstages ein näher bezeichneter Verzugsschaden zustünde. Auch wenn man diese Formulierungen nicht als Verstoß gegen § 11 Nr. 4 AGBG a.F. (§ 309 Nr. 4 BGB n.F.) wertet, der eine Klausel für unwirksam erklärt, die den Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit zur Mahnung freistellt, so dürfte die Klausel wenigstens überraschend und damit ebenfalls unwirksam sein, wie das Landgericht zu Recht meint, weil sie keine Konkretisierung des Leistungsverlangens durch die Klägerin voraussetzt. Diese Konkretisierung ist aber notwendig, weil die Festsetzung der zu zahlenden Entgelte durch die Klägerin nach der Rechtsprechung des BGH als Leistungsbestimmung nach § 315 BGB anzusehen ist (BGH, Urteil vom 3. November 1983, III ZR 227/82, GE 1984, 381ff. = MDR 1984, 558). Eine derartige Leistungsbestimmung erfolgt aber gegenüber dem Vertragspartner und muss diesem als Willenserklärung auch zugehen (Jauernig/Vollkommer, BGB, 10. Aufl., § 315 Rn. 10; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 315 Rn. 11). Allein die Veröffentlichung der Tarife im Amtsblatt stellt aber keinen Zugang dar. Denn zugegangen ist eine Willenserklärung erst dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu erlangen (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1976, VIII ZR 140/75, BGHZ 67, 271 = NJW 1977, 194 = MDR 1977, 389; Urteil vom 13. Februar 1980, VIII ZR 5/79, NJW 1980, 990 = MDR 1980, 573; Urteil vom 27. Oktober 1982, V ZR 24/82, NJW 1983, 929 = MDR 1983, 216). Dass das Veröffentlichungsorgan überhaupt in den Empfangsbereich des Beklagten gelangt ist, ist nicht ersichtlich. Hier Ausnahmen vom Zugangserfordernis wegen des Anschluss- und Benutzungszwanges zu machen, sind nicht gerechtfertigt. Insoweit ist die Sachlage auch anders als bei der Einbeziehung von AGB (vgl. dazu KG, Urteil vom 5. März 1999, 7 U 4906/98, KGR 1999, 193 = GE 1999, 836). Denn bei diesen hat der Gesetzgeber schon von vornherein Einschränkungen für eine Einbeziehung gemacht. Der Unwirksamkeit der Klausel steht auch nicht entgegen, dass bei unveränderten Tarifen und einer vorangehenden Rechnungsstellung den Anforderungen nach § 315 BGB genüge getan wäre. Denn nach § 5 AGBG a.F. (§ 305c Absatz 2 BGB n.F.) gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders und auf diese Variante beschränkt sich der Wortlaut der Klauseln gerade nicht.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 713 ZPO. Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich. Dies ergeben sich auch nicht aus der von der Klägerin behaupteten Abweichung von der Rechtsauffassung des 7. Zivilsenats. Denn eine solche Abweichung ist nicht erkennbar. So kann der Senat weder überprüfen, welche konkrete Fallgestaltung vom 7. Senat zu entscheiden war, noch ist das vom 7. Senat erlassene Versäumnisurteil mit Entscheidungsgründen versehen.

Ende der Entscheidung

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