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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 27.01.2003
Aktenzeichen: 8 U 216/01
Rechtsgebiete: BGB, SchuldRAnpG, EGBGB, ZGB/DDR


Vorschriften:

BGB § 539
BGB § 554
BGB § 571
BGB § 278
BGB § 554 Abs. 1 Satz 2
BGB § 242
BGB § 320
BGB § 320 Abs. 2
SchuldRAnpG § 1 Abs. 1
EGBGB § 2
ZGB/DDR § 120 ff.
ZGB/DDR § 131
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 216/01

Verkündet am: 27.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, den Richter am Kammergericht Spiegel und die Richterin am Landgericht Dr. Henkel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 19. März 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000,-- EUR abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 19. März 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Der Beklagte trägt zur Begründung seiner Berufung vor:

Die Kläger seien zur Kündigung wegen Zahlungsverzuges nicht berechtigt gewesen, weil ihn, den Beklagten, ein Verschulden nicht treffe. Mit Schreiben vom 23.12.1999 sei ihm mitgeteilt worden, dass die Verwaltung mit Wirkung vom 01.01.2000 auf die Brauerei Grundstücksverwaltungs GbR übertragen werde. Auf seine Aufforderungen, ihm die Anschrift des vom Vermieter beauftragten Verwalters mitzuteilen, hätten die Kläger bzw. die ehemalige Verwalterin nicht reagiert. In dem Telefongespräch am 07.06.2000 habe Herr.....ihm, dem Beklagten, mitgeteilt, dass der rückständige Mietzins sofort zu zahlen sei, da anderenfalls das Mietverhältnis gekündigt werde. Daraufhin habe er die Überweisung des rückständigen Betrages veranlasst. Jedoch habe seine Ehefrau zwar den richtigen Empfänger, aber versehentlich eine falsche Kontonummer, nämlich die seines damaligen Rechtsanwaltes, eingetragen. Der Betrag sei von seinem Konto auch abgebucht und dem Rechtsanwalt gutgeschrieben worden. Nachdem der Irrtum entdeckt worden sei, habe sein Rechtsanwalt sogleich einen Scheck an die Kläger übersandt. Die Kläger hätten den Irrtum auch erkennen können, weil er den Klägern mit Schreiben vom 07.06.2000 die Zahlung angezeigt habe und auch hierin die falsche Kontonummer angegeben habe. Die Bank der Kläger wäre zudem verpflichtet gewesen, den Betrag dem angegebenen Empfänger gutzuschreiben. Aus der Gutschrift auf dem Konto seines früheren Bevollmächtigten ergäbe sich zudem, dass er, der Beklagte, die Absicht gehabt habe, den Mietzins auszugleichen.

Die Kündigung sei wegen der Verknüpfung mehrerer unglücklicher Umstände aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unwirksam.

Der Vertrag vom 15.06.1974 sei nicht kündbar, weil in dem aus DDR- Zeiten stammenden Mietvertrag eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges nicht vorgesehen sei. Zwischen dem damaligen Vermieter und ihm sei ein Mietverhältnis auf Lebenszeit abgeschlossen worden und deswegen ein vermieterseitiges Kündigungsrecht ausgeschlossen worden.

Wegen der Mängel stehe ihm ein Leistungsverweigerungsrecht zu, welches den Verzug ausschließe. Zu keiner Zeit habe er sich mit dem mangelhaften Zustand der Mietsache einverstanden erklärt, sondern stets die Beseitigung der Mängel verlangt. Selbst wenn Gewährleistungsrechte gemäß § 539 BGB nicht mehr geltend gemacht werden könnten, so stehe ihm doch weiterhin ein Erfüllungsanspruch auf Beseitigung der Mängel zu.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 19. März 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger erwidern:

In dem Telefongespräch am 07.06.2000 zwischen... und dem Beklagten sei nicht zugesagt worden, dass von einer Kündigung abgesehen werde, wenn der Mietrückstand sofort ausgeglichen werde. Selbst wenn dem Beklagten die Anschrift der neuen Verwaltung nicht mitgeteilt worden sei, hätte dies den Beklagten nicht berechtigt, die Mietzahlungen - die er bis März 2000 ordnungsgemäß erbracht habe - einzustellen. Der Beklagte habe die Mieten für April und Mai - unstreitig - nicht gezahlt, so dass sie hätten kündigen können. Eine fehlerhafte Beratung durch seinen Rechtsanwalt müsse sich der Beklagte zurechnen lassen.

Im übrigen gebe der Beklagte selbst an, dass er erst am 29.05.2000 die Nichtzahlung bemerkt habe, Zahlungen habe er aber nach Fälligkeit der Junimiete erst am 07.06.2000 veranlasst. Der Beklagte müsse sich auch den Fehler der....Bank zurechnen lassen, da die überweisende Bank (Berliner....) Fehler der zwischengeschalteten Bank wie eigenes Verschulden zu vertreten habe.

Sie seien auch nicht verpflichtet gewesen, den Beklagten vor Ausspruch der Kündigung auf den Zahlungsrückstand hinzuweisen. Wenn sei den Beklagten im Telefonat am 07.Juni 2000 dennoch auf den Rückstand hingewiesen hätten und die Kündigung angedroht hätten, könne ihnen dies nicht zum Nachteil gereichen. Aufgrund des Telefonates könne sich eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Richtigkeit der Angaben im Telefax, insbesondere der Kontonummer und Bankleitzahl nicht ergeben. Sowohl der Empfänger als auch die Bank seien zutreffend angegeben, sodass sei auch keinen Anlass zu weiteren Prüfungen gehabt hätten. Das Versehen des Beklagten sei ihnen auch nicht aufgefallen. Angesichts der drohenden Kündigung hätte der Beklagte die ordnungsgemäße Überweisung besonders überwachen müssen.

Ein Leistungsverweigerungsrecht stünde dem Beklagten nicht zu. Denn der Beklagte habe die Mietsache in dem Zustand übernommen und so akzeptiert. Dem Beklagten seien die behaupteten Mängel seit Jahren bekannt, ohne dass der Beklagte die Mängel ordnungsgemäß angezeigt habe. Deswegen habe der Beklagte das Recht zur Erhebung der Einrede des nichterfüllten Vertrages verwirkt.

Die Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsverzuges auch bezogen auf den Vertrag von 1974 ergebe sich auch dem Gesetz, wobei der Vertrag in § 9 nur den seinerzeit geltenden Gesetzeswortlaut des ZGB/DDR wiedergeben habe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Die Kläger können vom Beklagten die Räumung und Herausgabe des Grundstückes W... Strasse in Berlin verlangen (§ 556 Abs. 1, 985 BGB). Die Mietverträge vom 15. Juni 1974, 26. September 1995 und 19.Januar/03. Februar 1998 sind durch die Kündigung vom 13. Juni 2000 wegen Zahlungsverzuges wirksam gemäß § 554 BGB gekündigt worden.

a)

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Vertrag nicht dem Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) unterfällt. Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs handelt es sich um einen positiven Katalog, der abschließenden Charakter hat (Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Bd. IV, SchuldRAnpG, § 1, Rdnr. 1; BGH VIZ 1999,323). Der Vertrag vom 15. Juni 1974 gehört nicht zu den in § 1 Abs. 1 SchuldRAnpG geregelten Nutzungsverhältnissen, auf die das Gesetz Anwendung findet. Auf den Mietvertrag, in den die Kläger gemäß § 571 BGB eingetreten sind, sind gemäß Art. 232, § 2 EGBGB von dem Zeitpunkt des Beitritts die Vorschriften des BGB anzuwenden. Die Beendigung von sog. Altverträgen, also von vor dem 03. Oktober 1990 abgeschlossenen Mietverträgen, ist nach demjenigen Recht zu behandeln, das am Tag des Wirksamwerdens des beendeten Rechtsgeschäfts gilt (Palandt/Putzo, BGB, 58. Auflage, Art. 232, § 2 EGBGB, Rdnr. 5). Deshalb ist das Mietrecht des BGB maßgeblich. Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Regelung in § 9 des Mietvertrages berufen, wonach eine vermieterseitige Kündigung nicht möglich ist. Zwar haben die Vertragspartner bei Vertragsschluss einen Formularmietvertrag verwendet, welcher für Wohnraummietverhältnisse vorgesehen war und im eigentlichen Sinne auf den hier vorliegenden Geschäftsraummietvertrag nicht "passte". Nach den §§ 120 ff. ZGB/DDR konnte durch den Vermieter nur eine gerichtliche Aufhebung eines Wohnraummietvertrages u.a. auch wegen gröblicher Pflichtverletzung des Mieters im Klagewege durchgesetzt werden. Die Vorschriften über die Bestimmungen der Wohnungsmiete waren gemäß § 131 ZGB/DDR auf Gewerberaummietverträge anzuwenden. In den Vertrag sind aber offenbar die nach dem Recht der DDR vorgesehenen Vertragsbeendigungsmöglichkeiten übernommen worden. Daher ist davon auszugehen, dass an ihre Stelle die Regelungen des BGB getreten sind. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dass bei Vertragsschluss vereinbart worden sei, dass er einen Vertrag auf Lebenszeit erhalten solle. Zum einen hat der Beklagte diese Behauptung unsubstantiiert und ohne näheren Vortrag aufgestellt. Ein detaillierter Tatsachenvortrag wäre insbesondere auch deswegen erforderlich, weil der schriftliche Mietvertrag eine solche Regelung nicht enthält. Die über ein Rechtsgeschäft aufgenommene Urkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Der Grundsatz besagt, dass der maßgebliche Inhalt des Rechtsgeschäfts sich aus dem Inhalt der Urkunde ergibt, an die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Urkunde sind daher strenge Anforderungen zustellen (Palandt/Heinrich, BGB, 61. Auflage, § 125 BGB, Rdnr. 15). Aber selbst wenn zugunsten des Beklagten unterstellt werden würde, dass es eine solche Vereinbarung gegeben habe, könnte sich der Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben - auch unter Berücksichtigung der Änderung der gesellschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse - zumindest bei erheblichen Pflichtverletzungen hierauf nicht berufen.

b)

Die Kläger waren zur Kündigung der Mietverhältnisse berechtigt, weil der Beklagte mit den Mietzahlungen von April bis Juni 2000 in Verzug geraten ist (§ 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F.). Der Beklagte hat den Zahlungsrückstand auch schuldhaft herbeigeführt.

Nachdem dem Beklagten mit Telefax vom 23.12.1999 mitgeteilt worden war, dass mit Wirkung vom 01.01.2000 die Verwaltung auf die E... Brauerei Grundstücksverwaltungs GbR übertragen worden ist und zugleich die neue Kontoverbindung zum Zwecke der Mietzahlung angegeben wurde, hat der Beklagte zunächst die Mietzahlungen für Januar bis März 2000 auf das angegebene Konto geleistet. Ein tatsächliches Leistungshindernis lag danach nicht vor, denn dem Beklagten war die neue Kontoverbindung bekannt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte befürchten musste, dass er wegen der Mietzahlungen nochmals in Anspruch genommen werden würde. Die Mietzahlungen vom Januar bis März wurden offensichtlich vom Vermieter als Erfüllung angesehen und der Beklagte hatte keine Hinweise dafür, dass die Angaben der Verwaltung im Schreiben vom 23.12.1999 nicht zutreffend sein würden. Im übrigen war dem Beklagten bzw. seinem damaligen Bevollmächtigten bereits mit Schreiben vom 15. April 2000 der.........Immobilienverwaltung GbR dem dem Verwalterwechsel zugrundeliegende Gesellschafterbeschluss vom 10.12.1999 übermittelt worden und mitgeteilt worden, dass die Korrespondenz unter der bisherigen Anschrift zu führen sei. Spätestens aufgrund dieses Schreibens hatte der Beklagten alle notwendigen Informationen zu den eingetretenen Veränderungen.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Beklagte bzw. seine Ehefrau, für die er gemäß § 278 BGB haftet, auch aufgrund des Schreibens seines Rechtsanwaltes vom 20.04.2000 die Zahlungen hätte nicht einstellen dürfen. Selbst wenn die Ehefrau das Schreiben des Rechtsanwaltes dahin verstanden haben mag, dass die Zahlungen tatsächlich eingestellt werden sollten, so hätte der Beklagte sich jedoch nochmals Rechtsrat einholen müssen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen.

c)

Die Kündigung der Kläger war auch nicht gemäß § 554 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Kläger sind vor Zugang der Kündigung an den Beklagten hinsichtlich des rückständigen Mietzinses nicht befriedigt worden, weil die vom Beklagten am 07. Juni 2000 veranlasste Überweisung des rückständigen Mietzinses fehlerhaft erfolgt ist. Es genügte - mangels abweichender Vereinbarung - die rechtzeitige Leistungshandlung des Beklagten. Für die Rechtzeitigkeit ist entscheidend, wann der Schuldner das zur Übermittlung des Geldes seinerseits Erforderliche getan hat (BGHZ 44,179; NJW 1964,499; Köln NJW- RR 1990,285).

Bei Zahlung durch Überweisung ist die Leistungshandlung rechtzeitig, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei dem Geldinstitut eingeht und auf dem Konto Deckung vorhanden ist (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 270 BGB, Rdnr. 7). Die Ehefrau des Beklagten, deren Handlungen er sich nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, hat bei der Ausfüllung des Überweisungsträgers zwar den Empfänger - nämlich die Kläger - zutreffend angeführt, hingegen eine falsche Kontonummer angegeben. Der an die Bank erteilte Überweisungsauftrag war demnach fehlerhaft, so dass der Beklagte nicht alles aus seiner Sicht Erforderliche für die ordnungsgemäße Ausführung der Überweisung getan hat.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dass die Empfängerbank verpflichtet gewesen sei, den Betrag auf dem Konto der Kläger und nicht auf dem fehlerhaft angegebenen Konto gutzuschreiben. Zwar trifft es zu, dass in dem Fall, in dem auf einem Überweisungsträger Kontonummer und Empfängerbezeichnung nicht übereinstimmen, grundsätzlich die Empfängerbezeichnung maßgeblich ist (OLG Schleswig WM 2001, 812f). Dies hat aber nur Bedeutung für die Vornahme der Gutschrift und damit den Entritt der Erfüllung beim Gläubiger. Das schuldhafte Handeln des Beklagten - infolge unrichtiger Ausfüllung des Überweisungsträgers - und damit die Kausalität der Pflichtverletzung für den Nichteintritt der Erfüllung bei den Klägern entfällt dadurch nicht.

d)

Die Kündigung ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB unwirksam.

Eine Kündigung des Vermieters aufgrund § 554 BGB kann nur in besonderen Ausnahmefällen nach Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich sein. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Vermieter ein von ihm erkanntes Versehen bei den Zahlungen (z. b. fehlende Unterschrift auf einen Scheck) nicht unverzüglich rügt (Bub/Treier/Grapentin, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, IV, Rdnr. 180: LG Frankfurt WuM 1992,434). Eine Kündigung kann treuwidrig sein, wenn nach langjähriger vertragstreuer Mietzeit infolge eines Versehens ein zur Kündigung ausreichender Rückstand entstanden ist (LG Nürnberg MDR 1959,854).

In besonders gelagerten Fällten kann eine Abmahnung als Voraussetzung einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges erforderlich sein, nämlich dann, wenn sich Vermieter des Schluss aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung auf ein Versehen zurückzuführen ist (OLG Hamm WuM 1998,485). Ein solcher Ausnahmefall der Rechtsmissbräuchlichkeit der Kündigung liegt hier jedoch nicht vor. Es handelt es sich zwar zumindest hinsichtlich des einen Mietvertrages, des Mietvertrages vom 15. Juni 1974, um ein langjähriges Vertragsverhältnis. Mangels anderen Vortrages der Parteien kann auch davon ausgegangen, dass der Beklagte bisher vertragstreu gewesen ist. Allerdings beruhen die zur Kündigung berechtigenden Mietrückstände nicht auf ein Versehen des Beklagten. So leistete der Beklagte die Miete für April 2000 nicht. Es mag zwar sein, dass diese Nichtzahlung auf ein Missverständnis zwischen dem Beklagten und seinem Rechtsanwalt zurückzuführen gewesen ist, dies war aber für die Kläger nicht erkennbar. Spätestens als dem Beklagten mit Schreiben vom 25. April 2000 alle notwendigen Informationen zu den Veränderungen auf der Verwalterseite bekannt gegeben worden waren, hätte der Beklagte die Zahlungen wieder aufnehmen können und müssen. Dennoch leistete der Beklagte auch die Mieten für die Monate Mai und Juni 2000, die im übrigen nach den Verträgen bereits bis zum dritten des Monats hätten gezahlt werden müssen, nicht. Die Kündigungslage wurde also allein durch den Beklagten bzw. in seiner Sphäre liegende Umstände herbeigeführt. Obwohl der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung in dem Telefonat mit der Verwaltung am 07. Juni 2000 ausdrücklich abgemahnt worden war, glich der Beklagte die Rückstände nicht aus. Zwar beruhte dies auf ein Versehen auf der Beklagtenseite, weil die Ehefrau des Beklagten auf dem Überweisungsträger eine unrichtige Kontonummer und Bankleitzahl eingetragen hatte, dies war für die Kläger nicht erkennbar. Angesichts der drohenden Kündigung hätte der Beklagte bei der Vornahme der Zahlung besondere Sorgfalt aufwenden müssen und die Ordnungsgemäßheit der Überweisung überwachen bzw. kontrollieren müssen. Auch die erneute Nichtzahlung, durch die die Kündigung noch hätte abgewendet werden können, hatte der Beklagte zu vertreten. Eine besondere Prüfungspflicht der Kläger ergab sich auch nicht aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 07. Juni 2000. Zwar teilte der Beklagte hierin unter Angabe der falschen Kontonummer und Bankleitzahl mit, dass die Zahlung erfolgt sei. Dass diese Angaben unrichtig waren, wurde jedoch - so haben die Kläger unbestritten vorgetragen - von ihnen bzw. der Verwaltung nicht bemerkt. Im Hinblick auf die zutreffenden Angaben von Empfänger und Bank musste sich die Unrichtigkeit der weiteren Angaben der Verwaltung, die täglich mit einer Vielzahl von Geschäftsvorgängen befasst ist und nicht nur dieses eine Konto verwaltet, nicht aufdrängen. Eine besondere die Kündigung ausschließende Prüfungspflicht auf Seiten der Kläger kann im Hinblick auf die Verletzung der erhöhten Sorgfaltspflichten des Beklagten nicht angenommen werden.

e)

Der Beklagte kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht mit Erfolg erheben (§ 320 BGB).

Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob bei Vorliegen von Mietmängeln auch der Erfüllungsanspruch des Mieters gemäß § 539 BGB ausgeschlossen wäre. Gemäß § 539 BGB verliert der Mieter grundsätzlich nur Gewährleistungsansprüche. Der Ausschluss betrifft hingegen nach herrschender Meinung nicht den Erfüllungsanspruch des Mieters auf Mängelbeseitigung (BGH NJW 1982,2242; Bub/Treier/Kraemer, a.a.O., III. B, Rdnr. 1401; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingsrechts, 8. Auflage, Rdnr. 314; Schmidt/Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 7. Auflage, § 539 BGb, Rdnr. 49,51).

Eine Einschränkung erfährt das daraus resultierende Leistungsverweigerungsrecht des Mieters nach § 320 BGB durch den im Rahmen von § 320 Abs. 2 BGB zu berücksichtigenden Rechtsgedanken des § 539 BGB. Jedoch ist bei der Wertung des Mieterverhaltens als Verzicht auf den Erfüllungsanspruch oder auf das Recht aus § 320 BGB große Zurückhaltung geboten; insbesondere reicht dafür die vorbehaltlose Zahlung des vollen Mietzinses trotz Mangelkenntnis, die zunächst nur zum Verlust von Gewährleistungsrechten führt, für sich allein nicht aus (BGH NJW 1997,2674).

Vielmehr müssen hier zusätzliche Umstände hinzukommen, die eine entsprechende Wertung rechtfertigen. Vorliegend bestehen Zweifel, ob das Verhalten des Beklagten - sofern Mietmängel vorliegen würde - so gewertet werden kann, dass er diese hingenommen hat und den Zustand der Mietsache als vertragsgemäß angesehen hat. Wenn der Beklagten seit dem Jahre 1992 tatsächlich wiederholt Mängel gerügt haben sollte, was zwischen den Parteien streitig ist, und die Mängelbeseitigung durch die Kläger bzw. die Hausverwaltung abgelehnt worden sein sollte, läge nach Ansicht des Senats nicht ein solcher Ausnahmefall der Verwirkung des Zurückbehaltungsrechts vor. Dies kann jedoch für die Entscheidung offen bleiben, weil der Beklagten das Vorliegen von Mietmängeln nicht ausreichend substantiiert behauptet hat. Ein Mangel der Mietsache liegt vor, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache von der vertraglich geschuldeten "Sollbeschaffenheit" nachteilig abweicht und dadurch die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch, wozu insbesondere die Eignung zu dem vertraglich vereinbarten Verwendungszweck gehört, ganz aufgehoben oder erheblich gemindert wird (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 536 BGB, Rdnr. 16; Bub/Treier/Kraemer, a.a.O.,III. B, Rdnr. 1176 und 1327). Der Beklagte hat zwar vorgetragen, dass das Dach undicht sei, die Dachrinnen zu erneuern seien, sowie wegen eines fehlenden Vordachs über der Treppe Wasser in das Gebäude eindringe und eine Hauswand zum Nachbargebäude durchfeuchtet sei. Er hat aber nicht dargelegt, dass und inwiefern und in welchem Umfange dadurch die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich beeinträchtigt wird. Hier ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein altes Werftgebäude handelt, so dass die Anforderungen an die Sollbeschaffenheit eher gering einzustufen sind. Allein daraus, dass das Dach und Dachrinnen undicht sind und deswegen Gebäudeschäden auftreten könnten, ergibt sich nicht schon, dass der Mietgebrauch dadurch erheblich beeinträchtigt wird. Vielmehr hätte es eines konkreten Vortrags des Beklagten bedurft, dass eine tatsächliche Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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