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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 8 U 238/02
Rechtsgebiete: WiStG, BGB, ZPO


Vorschriften:

WiStG § 5
BGB § 138
BGB § 765 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 529
ZPO § 531
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 238/02

Verkündet am: 14. Juli 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14.7.03 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber und die Richter am Kammergericht Markgraf und Dr. Müther für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Juli 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Das Landgericht hat die auf die Rückzahlung des von der Beklagten eingezogenen Betrages der Mietbürgschaft gerichtete Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin zur Zahlung von Mietzins bis Dezember 2000 verurteilt sowie festgestellt, dass das Mietverhältnis weiterhin besteht. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Mietverhältnis der Parteien nicht zum 30. Juni 2000 beendet worden sei. Das im Mietvertrag niedergelegte Sonderkündigungsrecht sei zwar nicht abgeändert worden. Die Klägerin habe aber die Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechtes nicht eingehalten. Die nach dem Vertrag mit der Kündigungserklärung vorzulegenden Unterlagen seien unzureichend. Es seien auch nicht alle Erlöse und Nutzenbeträge aufgeführt. Teilweise seien auch fehlerhaft Kosten eingestellt. Dass seit dem 1. Dezember 2000 eine Weitervermietung erfolgt sei, hindere den Anspruch der Beklagten nicht, weil die Klägerin sich hierauf wegen Rechtsmissbrauch nicht berufen könne. Wegen der Einzelheiten zu dem Vortrag der Parteien, ihrer Anträge und der Begründung der Entscheidung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 13. August 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. September 2002 Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Verlängerung der Frist bis zum 14. Februar 2003 mit einem am 11. Februar 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter und wendet sich gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage. Soweit sie mit der Berufung eine höhere Zahlung verlangt hat, hat sie die Berufung zurückgenommen. Ergänzend zum erstinstanzlichen Vortrag behauptet sie nunmehr, dass der Mietzins wucherisch überhöht sei, jedenfalls läge ein Verstoß gegen § 5 WiStG vor, so dass die Beklagte schon aus diesem Grund die Bürgschaft nicht hätte in Anspruch nehmen dürfen. Die Durchschnittsmiete für vergleichbare Räume betrage 41 EUR/qm. Im Übrigen sei aber auch von einer wirksamen Ausübung des Sonderkündigungsrechtes auszugehen. Die mit der Kündigung überreichten Unterlagen seien ausreichend. Denn mit den Unterlagen sollte lediglich das Überschreiten der Opfergrenze dargetan werden, so dass es auch nicht zu beanstanden sei, dass Reisepreise für den 8./9. Oktober 1999 nicht berücksichtigt worden sei. Denn die vertragliche Regelung enthalte keine Angaben zu dem Bezugszeitraum. Dann aber wäre es auf diese Daten nicht angekommen, weil bei quartalsmäßiger Betrachtung in 2 von 7 Quartalen und bei Betrachtung der einzelnen Monate in 6 von 8 Monaten die Opfergrenze überschritten worden wäre. Die Aufstellung sei von der Beklagtenseite auch nie gerügt worden. Dass in die Aufstellung unter Umständen Kosten aufgenommen wurden, die nicht zu berücksichtigen gewesen wären, ändert nichts, weil diese die Opfergrenze nicht beeinflusst hätten und ohne weiteres herausgerechnet werden konnten. Die Klägerin habe auch zu Recht nur Provisionen als Erlöse gerechnet. Es sei Beweis dafür angeboten worden, dass die Klägerin die Räume ausdrücklich nur als Reisebüro nutzen wollte. Überdies ergibt sich dies auch bei einer anderen Betrachtung, weil der Zweck des Büros erkennbar nur der Ersparnis der an die Reisebüros zu zahlenden Provisionen dienen sollte. Dass die Klägerin lediglich ein Schiff selbst betreibe und im Übrigen nur als Vermittler tätig werde sei der Beklagten beim Vertragsschluss bekannt gewesen. Jedenfalls aus den Verhandlungen, die zu der Regelung im Vertrag geführt hätten, ergibt sich, dass irgendein Standortvorteil in die Berechnung als Nutzen einließen sollte. Dass die mit der Kündigung übersandten Unterlagen keine prüfbaren Nachweise darstellten, sei unerheblich. Dies sei durch die Beklagte nicht bemängelt worden. Allein die Mietkosten, die zur Begründung des Sonderkündigungsrechtes ausreichten, hätten als bekannt nicht nachgewiesen werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 23. Juli 2002, Az.: 29 O 453/01, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.151,71 EUR nebst 7,5 % Zinsen seit dem 7. Juli 2001 zu zahlen sowie die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das landgerichtliche Urteil für nichtig. Es könne keine Rede davon sein, dass die Räume lediglich als "Reisebüro" genutzt werden sollten. Dem stehe schon der vertragliche vereinbarte Zweck, die Selbstdarstellung der Klägerin in der Werbung und die zum Vertragsschluss führende Vorkorrespondenz entgegen. Die vorgelegten Unterlagen seien auch von der Beklagten beanstandet worden, wie das Schreiben vom 31. März 2001 zeige.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann die an die Beklagte ausbezahlte Bürgschaftssumme in Höhe von 31.590 DM nicht zurückverlangen. Das Landgericht hat die Klägerin auch zu Recht zur Zahlung der Mietzinsbeträge für September bis Dezember 2000 verurteilt und festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 28. März 2000 oder aus anderen Gründen beendet worden ist.

I. Die Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin kann die Zahlung der 31.590 DM schon deshalb nicht verlangen, weil die Zahlung durch die Sparkasse O aufgrund eines zwischen ihr und der Beklagten bestehenden Bürgschaftsvertrages erfolgt ist. Selbst wenn die Auffassung der Klägerin richtig wäre, dass sie alle ihre Mietzinsverpflichtungen erfüllt hat, weil das Mietverhältnis mit dem 30. Juni 2000 beendet ist, stünde ein Rückzahlungsanspruch zunächst allein der Sparkasse nach § 812 Absatz 1 Satz 1 BGB zu, weil eine gesicherte Hauptforderung nicht mehr bestanden hätte. Dies gilt auch dann, wenn eine Bürgschaft auf erste Anforderung vereinbart ist. Dass die Sparkasse O der Klägerin einen etwaigen Bereicherungsanspruch abgetreten hat, hat diese bisher nicht behauptet.

2. Unabhängig von der Frage der Inhaberschaft eines etwaigen Bereicherungsanspruches liegen dessen Voraussetzungen auch nicht vor. Denn der Beklagten stand ein Mietzinsanspruch in Höhe von 31.590 DM für die Monate Juli bis September 2000 gegen die Klägerin zu, so dass die Sparkasse O zur Zahlung dieses Betrages nach § 765 Absatz 1 BGB verpflichtet war.

a) Soweit die Klägerin einwendet, der Vertrag sei nach § 138 BGB nichtig, kommt eine Berücksichtigung der hierzu vorgetragenen Tatsachen hinsichtlich der Überschreitung der ortsüblichen Mietzinsen nach § 531 Absatz 2 ZPO nicht in Betracht. Die Klägerin meint zwar zu Recht, dass die Anwendung des § 138 BGB nicht von der Erhebung einer entsprechenden Einrede abhängt. Die insoweit zu berücksichtigenden Tatsachen müssen aber von den Parteien vorgetragen werden. Dass diese gerichts- oder allgemein bekannt sind, ist weder ersichtlich noch ausreichend dargelegt worden. Darüber hinaus hätte ein Verstoß gegen § 138 BGB auch nicht zu einer vollständigen Nichtigkeit des Vertrages geführt, so dass es zur Rechtfertigung der Klage auch mindestens noch einer Aufrechnungserklärung bedurft hätte.

b) Eine Mietzahlungsverpflichtung der Klägerin bestand über den 30. Juni 2000 hinaus fort. Denn das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist nicht durch die Kündigung vom 28. März 2000 beendet worden.

c) Dies beruht allerdings nicht darauf, dass die der Kündigung vom 28. März 2000 beigefügten Unterlagen als nicht "geeignet" im Sinne der Vertragsregelung anzusehen waren. Denn dies wäre nur der Fall, wenn die Regelung dahin verstanden werden muss, dass das Recht zur Kündigung unter der Bedingung der Vorlage derartiger Unterlagen stand. Eine derartige Vereinbarung ist zwar grundsätzlich möglich. Dass die Regelung in diesem Sinne verstanden werden muss, ist aber nicht ersichtlich. Weder der Wortlaut der Regelung noch die Interessen der beteiligten Parteien legen ein derartiges Verständnis der Regelung nahe. Mit der Forderung nach Vorlage geeigneter Unterlagen sollte erkennbar ausgeschlossen werden, dass die Kündigung durch den Mieter ins Blaue hinein erklärt wird. Andererseits blieb es dem Mieter überlassen, über die Eignung zu entscheiden, soweit das zugrunde liegende Zahlenmaterial durch eine entsprechende neutrale Person bestätigt war. Wäre demgegenüber die Vorlage nur bestimmter Unterlagen ausreichend gewesen, hätte eine entsprechende Bezeichnung dieser Unterlagen in der Klausel nahe gelegen.

d) Die Kündigung ist aber nicht wirksam, weil nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen zur Ausübung dieses Rechts vorgelegen haben.

Die im Vertrag enthaltene Regelung legt allerdings nicht genau fest, wie festgestellt werden soll, wann die dort genannte "Opfergrenze" überschritten ist. Es werden weder Angaben dazu gemacht, welcher Zeitraum entscheidend ist, noch enthält die Regelung eine Bestimmung darüber, wie die Begriffe Nutzen und Erlös zu bestimmen sind. Insoweit ist die Regelung aber der Auslegung zugänglich, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, wann die Nutzung für die Klägerin als wirtschaftlich unrentabel angesehen werden muss. Eine Berücksichtigung der Interessen der Beklagten als Vermieter findet dabei dadurch statt, dass nur die Umstände berücksichtigt werden können, die der Beklagten bekannt oder erkennbar gewesen sind. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs liegen die Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechtes schon deshalb nicht vor, weil als Erlös nicht nur tatsächliche oder fiktive Provisionsansprüche der verkauften Reise anzusehen sind.

Entscheidende Bedeutung hat insoweit das vor Vertragsschluss abgefasste Schreiben der Klägerin vom 20. Januar 1999. Denn dieses Schreiben war Grundlage für die Abfassung der Vertragsregelung über das Sonderkündigungsrecht. Dort ist aber im Hinblick auf den Begriff Erlös ausdrücklich von verkauften Reisen die Rede. Dass die Klägerin insoweit nur eine (übliche) Provision zugrunde legen wollte, ergibt sich weder aus diesem Schreiben noch aus den übrigen Umständen. Selbst wenn die Klägerin bzw. ihre die Vertragsverhandlungen führenden Mitarbeiter im Zusammenhang mit den Verhandlungen davon gesprochen haben, dass die Räume wie ein Reisebüro genutzt werden sollen, führt dies nicht ohne entsprechenden Hinweis dazu, dass der Begriff Erlös aus dem Schreiben vom 20. Januar 1999 sich nur auf etwaige Provisionen bezogen hätte. Dafür spricht im Besonderen auch die Tatsache, dass die Klägerin erkennbar für eine Unternehmensgruppe tätig werden sollte, was sich daraus ergibt, dass sie mit den anderen Unternehmen konzernrechtlich als Muttergesellschaft im Ergebnis jedenfalls anders als ein echtes Reisebüro verbunden ist.

Soweit die Klägerin in dem Schriftsatz vom 6. Juni 2003 behaupten will, der von ihr benannte Zeuge B habe die Beklagtenseite ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur Provisionssätze bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung angesetzt würden, handelt es sich um neuen Vortrag, der nach §§ 529, 531 nicht zu berücksichtigen ist. Dieser Vortrag ist aber auch nicht ausreichend, weil nicht erklärt wird, was der Zeuge B konkret erklärt hat.

Die Klägerin konnte schließlich auch nicht erwarten, dass die Beklagten den Hinweis auf die verkauften Reisen dahin versteht, dass nur Teile der Reisepreise als Erlös anzusehen sind. Dafür könnte zwar sprechen, dass es auch für die Beklagte erkennbar war, dass die Klägerin die Reisepreise selbst nicht als Reingewinn vereinnahmen kann. Da die Parteien aber keinen objektiven Begriff der Wirtschaftlichkeit ihrer Vertragsregelung zugrunde gelegt haben, konnte der Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit auch dahin verstanden werden, dass die Klägerin sich durch die Eröffnung eines Büros in dem prestigeträchtigen Hotel A auch weitergehende Vorteile erhoffte, die über die eigentlichen Wirtschaftlichkeitsberechnungen für das Büro selbst hinausgingen.

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch mit der Berufung nicht den Beanstandungen des Landgerichts hinsichtlich der Berechnung nach Provisionen Rechnung getragen hat. Es fehlen immer noch teilweise Angaben zu den Reisepreisen. Hinzu kommt, dass das Büro möglicherweise erst im Juli 1999 seine Tätigkeit aufgenommen hat, so dass dann für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, die die Anlaufkosten unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten auszuschließen hat, erst der Zeitraum ab Juli 1999 zu berücksichtigen ist.

3. Mit der Hauptforderung entfallen etwaige Zinsansprüche.

II. Da das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung beendet ist, war auf die Widerklage auch das Fortbestehen eines Mietverhältnisses festzustellen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

C. Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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