Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 15.08.2005
Aktenzeichen: 8 U 31/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1124 Abs. 2
BGB § 566
BGB § 574 a.F.
BGB § 546 a
BGB § 812 Abs. 1

Entscheidung wurde am 12.10.2005 korrigiert: der Entscheidung wurde ein amtlicher Leitsatz hinzugefügt
Vorausverfügungen i. S. d. § 1124 Abs. 2 BGB können nur einseitige Verfügungen des Vermieters sein; Vertragsänderungen fallen nicht hierunter.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 31/05

verkündet am: 15.08.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31.1.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin - 12 O 309/04 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 31.1.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird. Die Beklagte hält das Urteil für unzutreffend, weil das Landgericht die Vereinbarung zwischen dem Schuldner und ihr vom 5.12.2001 zutreffend gewürdigt habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf ihren Schriftsatz vom 11.5.2005 verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 31.1.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin - 12 O 309/04 - abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf ihren Schriftsatz vom 21.7.2005 Bezug genommen.

2. Die Berufung ist begründet, da der Klägerin gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit von Juli 2003 bis Mai 2004 in Höhe des geltend gemachten Betrages zusteht. Auszugehen ist von Folgendem:

Auf Grund des zwischen den Parteien ergangenen rechtskräftigen Urteils des Senats vom 6.12.2004 - 8 U 89/04 - steht fest, dass die Beklagte und der Schuldner Knn Dnnnnn am 5.12.2001 eine Vereinbarung mit dem sich aus der Anlage B 3 ersichtlichen Inhalt geschlossen haben. Danach war zwischen dem Schuldner als Vermieter und der Beklagten als Mieterin "unwiderruflich" vereinbart worden, dass diese ab dem 30.11.2001 "bis das Objekt im Wege eines Verkaufes an einen Käufer übergeben wird" keinen Mietzins zu zahlen hatte. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelte es sich hier nicht um eine Vorausverfügung über Mietzins nach § 1124 Abs. 2 BGB, die nur bis zur Beschlagnahme des Grundstücks am 28.2.2002 bzw. bis zur Bekanntgabe der Zwangsverwaltung am 21.3.2002 wirksam gewesen wäre. Ebenso wie in § 566 BGB bzw. § 574 BGB a.F. ist unter einer "Vorausverfügung" nur eine einseitige Verfügung des Vermieters über die Mietzinsforderung zu verstehen; Vertragsänderungen fallen jedoch nicht hierunter (vgl. Emmerich-Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 566 b Rdnr. 5, 6; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III Rdnr. 79).

Die Vereinbarung vom 5.12.2001 befasst sich mit der Gesamtsituation des Bauvorhabens, dem geplanten Grundstücksverkauf und das Schicksal des Hotelinventars und gelangt erst unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte zu einer Reduzierung des Mietzinses auf "0" ab dem 30.11.2001. Insoweit liegt gerade keine einseitige Verfügung des Schuldners über den Mietzins vor, sondern eine Vertragsänderung (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 23.7.2003 - XII ZR 16/00 -, GE 2003, 1424 = MDR 2003, 1408, wonach auch ein Mietaufhebungsvertrag nicht unter § 1124 Abs. 2 BGB fällt), die die Klägerin gegen sich gelten lassen muss. Insoweit kommt es nicht mehr darauf an, dass die Vereinbarung als "unwiderruflich" bezeichnet worden ist, so dass die Klägerin auch deshalb hieran gebunden wäre. Dies hat für den vorliegenden Rechtsstreit folgende Konsequenzen:

a) § 546 a BGB scheidet als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch aus. Das Mietverhältnis ist durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 28.5.2003 nicht beendet worden. Die Kündigung war unwirksam, weil wegen der Reduzierung des Mietzinses auf "0" ein zur Kündigung berechtigender Mietzinsrückstand gerade nicht vorlag.

Eine Beendigung des Mietverhältnisses ist auch nicht etwa wegen des Anerkenntnisses des Räumungsanspruchs durch die Beklagte im Vorprozess 12 O 344/03 LG Berlin eingetreten. Das Anerkenntnis entfaltet lediglich prozessuale Wirkungen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., vor § 306 Rdnr. 1, 2) und enthält - jedenfalls wie im vorliegenden Fall - keine darüber hinausgehenden Erklärungsinhalte. Deshalb kann hier auch nicht etwa eine im Zusammenwirken mit dem Verhalten der Klägerin erfolgte konkludente Vertragsbeendigung angenommen werden. Selbst wenn man aber dies so sehen wollte, stünde der Klägerin - unabhängig davon, ob die Beklagte die Räume vorenthalten hat - ein auf § 546 a BGB gestützter Anspruch deshalb nicht zu, weil der vereinbarte Mietzins eben "0" betrug.

b) Die Klägerin kann unter Annahme der Beendigung des Mietverhältnisses ihren Anspruch auch nicht auf § 812 Abs. 1 BGB oder - falls man deren Anwendbarkeit überhaupt bejaht (vgl. hierzu Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl., Vorbemerkung vor § 987 Rdnr. 11/12 -) stützen. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beklagte tatsächliche Nutzungen in Höhe des Wertes des geltend gemachten Mietzinsanspruches gezogen hätte. Hierzu fehlt insbesondere unter Berücksichtigung der Schlüsselübergabequittung vom 5.12.2001 jeglicher Vortrag der Klägerin.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Revisionszulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO waren nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

Zurück