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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.07.2008
Aktenzeichen: 8 U 33/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 536 Abs. 1
Vereinbaren die Parteien eines Wohnungsmietvertrages eine Sicherung der Wohnanlage durch Videoüberwachung, kann der Mieter keine darüber hinausgehenden Sicherheitsmaßnahmen wie etwa Sicherheitsbeschläge an der Balkontür erwarten, wenn diese nicht ausdrücklich vereinbart sind.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 33/08

verkündet am: 07.07.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2008 durch die Richterin am Kammergericht Spiegel als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. Februar 2008 verkündete Urteil der Zivilprozessabteilung 6 des Amtsgerichts Tiergarten abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Der von dem Kläger an die Beklagte zu zahlende Mietzins war weder gemäß § 536 Abs.1 BGB gemindert, noch hat der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 536 a Abs.2 Ziffer 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz der ihm durch die Anbringung von Sicherheitsbeschlägen entstandenen Kosten in Höhe von 1.009,12 €.

Der Umstand, dass die Balkontür in der vom Kläger angemieteten Wohnung in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. August 2006 bis zum 15. Juli 2007 nicht über Sicherheitsbeschläge verfügte, stellt keinen Mangel im Sinne von § 536 Abs.1 Satz 1 BGB dar.

Unter einem Mangel im Sinne von § 536 Abs.1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten Zustand zu verstehen (BGH, NJW 2000, 1714; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III B Rdnr, 1328 ff). Maßgeblich sind daher die Vereinbarungen der Parteien (BGH, NJW 2005, 218). In der Regel wird für die Bestimmung des Umfangs des vertragsgemäßen Gebrauchs die Verkehrsanschauung als Auslegungshilfe herangezogen. Daher muss in Zweifelfällen anhand von Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet, bzw. welchen Standard der Mieter auf Grund seines Vertrages vom Vermieter verlangen kann ( BGH, NJW 2004, 3174; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Auflage, § 536, Rdnr.18).

Der zwischen den Parteien am 15. November 2005 geschlossene Mietvertrag enthält in § 21 (sonstige Vereinbarungen), dort unter Ziffer 4 einen Hinweis auf die "Anlage 3: Vereinbarung zur Gebäudesicherung/Videoüberwachung". Die Anlage 3 enthält folgende Regelung:

"Der Mieter ist in Einzelheiten durch den Vermieter darüber in Kenntnis gesetzt, dass und in welchen Bereichen des Mietobjektes und der gesamten Wohnanlage Sicherungen gegen unbefugte Eindringlinge und unbenutztes Benutzen der Wohnanlage getroffen werden. Diese Sicherung findet durch Videokameras statt. Diese Überwachung dient dem Sicherheitsinteresse aller Mieter, sonstigen Nutzern oder Besuchern der Anlage. Der Mieter erklärt ausdrücklich sein Einverständnis mit dieser Sicherung und den im einzelnen bezeichneten und zu installierenden bzw. installierten Sicherungsanlagen und deren Betrieb."

Weitere Regelungen zur Gebäudesicherung bzw. zum Sicherheitsstandard der Wohnung enthält der Mietvertrag nicht. Insbesondere enthält der Mietvertrag keine Vereinbarung dahingehend, dass die Balkontür über Sicherheitsbeschläge verfügt.

Aufgrund der vorstehend wiedergegebenen vertraglichen Regelung durfte der Kläger davon ausgehen, dass eine Sicherung des Mietobjektes gegen unbefugte Eindringlinge, und damit gegen einen Einbruch, in bestimmten, ihm mitgeteilten Bereichen, durch Videokameras stattfindet. Eine darüber hinausgehende Sicherung des Mietobjektes haben die Parteien nicht vereinbart und durfte der Kläger auch unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung nicht erwarten. Mietwohnungen sind in der Regel auch dann nicht über das übliche Maß hinaus mit Einrichtungen versehen, die gegen Einbrüche schützen sollen, wenn sie sich in einer hochwertigen Wohnanlage befinden. Insbesondere sind Balkontüren in Mietwohnungen üblicherweise - und zwar gleich, ob sie im ersten oder - wie hier - im dritten Stock belegen sind - nicht mit Sicherheitsbeschlägen ausgestattet. In Abweichung von der Üblichkeit haben die Parteien vorliegend vereinbart, dass das Mietobjekt in bestimmten, dem Kläger mitgeteilten, Bereichen durch Videokameras gesichert wird. Der Kläger durfte aufgrund dieser Vereinbarung keine weiteren darüber hinausgehenden Sicherheitsmaßnahmen erwarten, insbesondere durfte er nicht davon ausgehen, dass die Balkontür mit Sicherheitsbeschlägen ausgestattet ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach dem Vortrag des Klägers im Zuge der Vertragsanbahnung der Sicherheitsaspekt ausführlich erörtert worden und modernste Sicherheitsausstattungen angepriesen worden sein sollen. Unstreitig erhielt der Kläger anlässlich dieses Gespräches einen Prospekt ausgehändigt, der, wie der Kläger vorträgt, "alle Attribute der Wohnanlage nochmals herausstellte". Dieser Prospekt enthält unter der Rubrik "Ausstattung" unter anderem den Hinweis auf eine Videoüberwachung von Tiefgarage sowie Tiefgaragenein- und ausfahrt und eine Video-Gegensprechanlage. Weitere Hinweise auf Sicherheitsausstattungen, insbesondere auf etwaige Sicherheitsbeschläge an der Balkontür, enthält der Prospekt nicht.

Unzweifelhaft stellt die unstreitig vorhandene Videoüberwachung von Tiefgarage sowie Tiefgaragen ein- und ausfahrt sowie eine Video-Gegensprechanlage eine moderne Sicherheitsausstattung dar. Genau hierauf wurde von der Beklagtenseite anlässlich der Vertragsanbahnung hingewiesen. Dass die Beklagte darüber hinaus weitere Sicherheitsausstattungen, insbesondere das Vorhandensein von Sicherheitsbeschlägen an den Balkontüren, angepriesen haben soll, behauptet der Kläger nicht. Welche Angaben die Beklagte anlässlich der Vertragsanbahnung gegenüber anderen Interessenten, insbesondere den Herren Z und P gemacht haben soll, ist für die Auslegung des hier streitgegenständlichen Vertrages ohne Bedeutung. Entscheidend ist, was die Parteien vereinbart haben, bzw. was der Kläger aufgrund der mit der Beklagten geführten Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung erwarten durfte. Der Kläger durfte auch nicht aufgrund der auf einer Litfasssäule befindlichen Anpreisung des Mietobjektes und des daneben liegenden Wohnungseigentumsobjektes davon ausgehen, dass die streitgegenständliche Wohnung mit Sicherheitsbeschlägen an der Balkontür ausgestattet ist. Diese Werbung enthält u.a. folgende Aussage:

"Wie auch im Tiergarten Dreieck gegenüber wird es Türsprechanlagen mit Videoüberwachung und darüber hinaus ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept geben."

Unstreitig verfügen die Häuser ... - anderes als das hier streitgegenständliche Haus ... - über einen D -Service für die Zeit zwischen 7.00 Uhr und 19.00 Uhr sowie eine Sicherheitsaufschaltung zu einem Wachdienst für die Nachtstunden sowie weitere Sicherheitsanlagen. Hierbei handelt es sich unzweifelhaft um ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept, das die Parteien aber gar nicht vereinbart haben und auf das der Kläger auch gar keinen Anspruch erhebt.

Auch aufgrund der Höhe des vertraglich vereinbarten Nettokaltmietzinses von 10,00 € pro Quadratmeter durfte der Kläger nicht den Rückschluss ziehen, dass die Wohnung über allen erdenklichen Luxus und insbesondere eine absolute Einbruchsicherheit - die die Sicherheitsbeschläge an der Balkontür allein ohnehin nicht gewährleisten - verfügt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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