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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 16.08.2001
Aktenzeichen: 8 U 3440/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 571
BGB § 566
BGB § 535 Abs. 2
BGB § 566 Satz 2
BGB § 565 Abs. 1 a
ZPO § 97
ZPO § 711
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 3440/00

Verkündet am: 16. August 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf Grund der mündliche Verhandlung vom 16. August 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, den Richter am Kammergericht Markgraf und die Richterin am Kammergericht Eilinghoff-Saar für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 16. März 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf jedoch die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 242.500,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die am 25. April 2000 (Dienstag nach Ostern) eingelegte und -- nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 26. Juni 2000 -- an diesem Tag begründete Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 16. März 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Berlin, das dem Beklagten am 22. März 2000 zugestellt worden ist. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Der Beklagte verfolgt im Berufungsrechtszug seinen erstinstanzlich gestellten, auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiter und begründet seine Berufung wie folgt:

Das Schreiben vom 29.12.1998 sei als ordentliche Kündigung aufzufassen. Die ordentliche Kündigung sei möglich gewesen, da die Schriftform nach § 566 Satz 2 BGB nicht gewahrt sei und demzufolge der Mietvertrag nach § 565 Abs. 1 a BGB mit der dort bestimmten Kündigungsfrist hätte gekündigt werden können. Die 4 Blätter der Vertragsurkunde seien nicht miteinander verbunden; Letzteres gelte insbesondere für die sogenannte Ergänzung zum Mietvertrag. Die Anlagen bezögen sich nicht auf den Mietvertrag. Es existierten 2 weitere lose Seiten zu dem Mietvertrag und zwar die Aktennotiz vom 15.10.1993 und die mit der Überschrift "Ergänzung Mietvertrag - Gewerbeteil H. 171" bezeichnete Urkunde vom 27.10.1994. Hierbei handele es sich um spezifisch für den in Rede stehenden Mietvertrag angefertigte Anlagen; der Mietvertrag sei im Übrigen auf einem Vordruck des Grundeigentumsverlags ausgefüllt worden. Zwar sei für die Schriftform eine körperliche Verbindung der Vertragsurkunde und der beigefügten Unterlagen nicht unbedingt erforderlich; die Einheit der Urkunde müsse sich jedoch aus Verweisung sowie Unterschriften der Vertragspartner auf jedem Blatt der Anlage zweifelsfrei ergeben.

Jedenfalls könne er, der Beklagte, für den Zeitraum ab Februar 1999 die Zahlung des Mietzinses verweigern, weil die Klägerin alleinigen Zutritt zu dem Laden gehabt habe; er, der Beklagte, habe lediglich einen einzigen Schlüssel für die Eingangstür des Bürobereichs behalten. Alle übrigen Schlüssel, 2 vollständige Schlüsselsätze sowie die Schlüssel des 3. Schlüsselsatzes hinsichtlich der Ladentür und des Rollgitters habe die Klägerin erhalten, die diese an den potentiellen Nachmieter M. weitergegeben habe.

Er, der Beklagte, habe schließlich auch darauf vertrauen dürfen, dass hiermit das Mietverhältnis beendet sei, denn die Parteien seien übereingekommen, dass der Nachmieter M. die Räumlichkeiten habe übernehmen sollen. Er, der Beklagte, habe nur deshalb einen Schlüssel behalten, weil er für den Nachmieter M. verschiedene Arbeiten zum Umbau des Ladens in ein Fitnessstudio habe durchführen sollen. Spätestens mit dem Austausch der Schlüsselanlage sei klar gewesen, dass die Klägerin den Laden übernommen habe. Seitdem sei ein Zugang für ihn, den Beklagten, nicht mehr möglich gewesen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Bruttomietzinsbeträge für die Jahre 1997 und 1998 wegen Abrechnungsreife nicht einklagbar.

Nachdem die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit bezüglich der Nebenkostenvorschüsse betreffend den Zeitraum Januar bis Juli 1999 in Höhe von 8.647,80 DM nebst anteiligen Zinsen in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils vom 16. März 2000, Aktenzeichen 34.O.234/99, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin erwidert:

Die Schriftform nach § 566 BGB sei ausreichend gewahrt. Auf dem äußeren Blatt des verwendeten Vordrucks des Grundeigentumsverlags befinde sich die Unterschrift des Beklagten. Darüber hinaus befinde sich dessen Unterschrift auch auf einem inneren Blatt bei § 9 Abs. 4. Die Aktennotiz vom 15.10.1993 sei im Mietvertrag unter § 23 Abs. 2 Nr. 5 ausdrücklich erwähnt; im Übrigen stelle diese nur eine Auslegung des Vertrages dar, für die die Formvorschrift nicht gelte. Die Anlage vom 27.10.1994 sei eine Ergänzung zum Mietvertrag, auf den ausdrücklich Bezug genommen werde; die Anlage sei im Übrigen von beiden Vertragsparteien unterzeichnet worden. Inhalt der Vereinbarung sei eine Verschiebung des Mietbeginns gewesen. Demzufolge habe die Vertragsänderung nur die Bedeutung für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr. Das Schriftformerfordernis sei daher erfüllt.

Im Übrigen könne das Schreiben des Beklagten vom 29.12.1998 nicht als Kündigung aufgefasst werden. Der Beklagte habe zudem ab Februar 1999, wie von ihm geltend gemacht, kein Leistungsverweigerungsrecht. Der Beklagte habe die betreffenden Schlüssel nicht an ihren, der Klägerin, Geschäftsführer, sondern direkt an den vorgesehenen Nachmieter M. ausgehändigt. Erst als dieser verschwunden sei, habe die Notwendigkeit bestanden, neue Schlösser und Schlüssel anfertigen zu lassen. Dem Beklagten sei mit Schreiben vom 16.3.1999 mitgeteilt worden, dass die neuen Schlüssel für ihn zur Abholung bereit lägen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist in der Sache nicht begründet.

Der Mietzinsanspruch ergibt sich aus § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag und der Vertragsurkunde vom 21.10.1993 in Verbindung mit der Aktennotiz vom 15.10.1993 und der Erklärung vom 27.10.1994. Dieser Mietvertrag ist nach § 571 BGB auf die Klägerin von dem Voreigentümer mit Eintragung im Grundbuch am 7.2.1997 übergegangen.

Das Mietverhältnis ist nicht vorzeitig durch die Erklärung des Beklagten vom 29.12.1998 beendet worden. Zunächst ist festzustellen, dass dieses Schreiben nicht als außerordentliche Kündigung zum 31.1.1999 aufgefasst werden kann. Aus dem Schreiben ist nur die Erklärung des Beklagten zu entnehmen, dass er eine Beendigung zum 31.1.1999 wünschte. Da gleichzeitig aber dabei erwähnt wird, dass wenigstens "die Nachmieterstellung" ermöglicht werden müsse, geht die Klägerin zutreffend davon aus, dass das Schreiben lediglich als Angebot zur Aufhebung des Mietvertrages angesehen werden kann. Auch die Begründung mit der "bekannten wirtschaftlichen Situation" spricht gegen eine außerordentliche Kündigung, da dieses Argument offensichtlich keinen Grund zu einer außerordentlichen Kündigung darstellen würde.

Zu einer ordentlichen Kündigung war der Beklagte auf Grund der Befristung des Mietverhältnisses bis zum 30.1.2004 nicht berechtigt. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte darauf, dass das Erfordernis der Schriftform nach § 566 BGB nicht gewahrt sei und aus diesem Grunde der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen sei. Der auf einem Formular des Grundeigentumsverlags abgeschlossene Mietvertrag ist von den damaligen Mietvertragsparteien auf der Unterschriftenleiste unterschrieben worden. Der Zusammenhang der einzelnen Blätter des Mietvertrages ergibt sich sowohl aus der einheitlichen Gestaltung des Formulars, als auch den durch fortlaufende Paragraphen geordneten Vertragstext. Was die Aktennotiz vom 15.10.1993 angeht, so wird auf diese ausdrücklich in der Vertragsurkunde unter § 23 Ziff. 5 Bezug genommen, was ausreicht. Die Aktennotiz bedurfte auch deshalb keiner Unterzeichnung, weil es sich insoweit lediglich um eine Beschreibung des Mietobjekts handelt; insoweit gilt, dass für Einzelabreden, die nur zur Auslegung des Vertrages dienen, die Schriftform nicht erforderlich ist (vgl. Voelskow in MünchKomm, BGB, 3. Aufl., § 566 BGB Rdnr. 9). Die Erklärung vom 27.10.1994 ist dagegen von den damaligen Mietvertragsparteien unterzeichnet worden und nimmt auch ausreichend Bezug auf das Mietverhältnis durch die Beschreibung "Mitvertrag - Gewerbeanteil H. 171". Da der Beklagte keine weiteren Mietobjekte dort angemietet hatte, ist die Bezugnahme eindeutig. Es kommt hinzu, dass die dort getroffene Regelung nur den Beginn des Mietverhältnisses betrifft und damit sich auf einen Zeitraum erstreckt, der weniger als ein Jahr beträgt; auch für derartige Nebenabreden ist die Schriftform nicht erforderlich (vgl. Voelskow a.a.O., RGZ 123, 171 [173]).

Der Mietzinsanspruch scheitert nicht daran, dass die Klägerin sich geweigert hätte, dem Beklagten weiterhin den Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte die Schlüssel an den Nachmietinteressenten M. selbst ausgehändigt hat oder dies über die Klägerin geschehen ist. Abgesehen davon, dass der Beklagte für seinen Vortrag im letzteren Sinne nicht Beweis angetreten hat, und die Klägerin dem entgegengetreten ist, indem sie geltend gemacht hat, die Schlüssel nicht von dem Beklagten erhalten zu haben, räumt der Beklagte selbst ein, noch einen Schlüssel behalten zu haben, wobei das Motiv dafür unerheblich ist. Darüber hinaus hat die Klägerin unwidersprochen vortragen lassen, sie habe dem Beklagten nach Auswechslung der Schlösser Schlüssel zur Abholung mit Schreiben vom 16.3.1999 angeboten; der Beklagte habe jedoch keine Schlüssel abgeholt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO. Nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO war die Beschwer des Beklagten im Urteil festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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