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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 8 U 54/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 558
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 54/03

verkündet am: 30.09.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und die Richterin am Kammergericht Spiegel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Januar 2003 verkündete Urteil der Zivilprozessabteilung 202 des Amtsgerichts Charlottenburg abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, einer Erhöhung der Bruttokaltmiete für die Wohnung am ....von gegenwärtig 540,39 € brutto/kalt um 32,59 € auf 572,98 € brutto/kalt mit Wirkung ab dem 1. September 2002 zuzustimmen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen die Kläger zu 7/10 und die Beklagten zu 3/10. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Mieterhöhungsverlangen der Kläger ist gemäß § 558 BGB nur insoweit gerechtfertigt, als eine Erhöhung der Bruttokaltmiete von gegenwärtig 540,39 € brutto/kalt um 32,59 € auf 572,98 € brutto/kalt verlangt wird. Das darüber hinausgehende Erhöhungsverlangen der Kläger ist unbegründet.

Der Senat geht davon aus, dass der ortsübliche Mietzins für die Wohnung der Beklagten nach dem gemäß Mietspiegelfeld L2 des Berliner Mietspiegels 2000 zu ermittelnden Mittelwert von 4,14 € zuzüglich eines Zuschlags für die kalten Betriebskosten in Höhe von 1,16 € je qm, also insgesamt 5,30 € je qm beträgt.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht wohnwerterhöhende Merkmale der Merkmalgruppe 2 wegen des in der Wohnung der Beklagten vorhandenen Gasherdes mit vier Brennstellen und Backofen bejaht. Bereits nach dem Wortlaut ist ein "4-Platten-Herd mit Backofen" nicht einem Gasherd mit vier Brennstellen und Backofen gleichzusetzen. Die Verfasser des Berliner Mietspiegels 2000 haben bei der Beschreibung der wohnwerterhöhenden Merkmale der Merkmalgruppe 2 bezüglich der in östlichen Bezirken und West-Staaken belegenen Wohnungen Gas- und Elektroherde mit vier Brennstellen gleichgestellt. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass Elektroherde in den östlichen Bezirken und West-Staaken, insbesondere wenn sie älteren Datums sind, einen geringeren Bedienungskomfort aufweisen, als dies in westlichen Bezirken der Fall ist. Der Umstand jedenfalls, dass bei den westlichen Bezirken anders als bei den östlichen Bezirken und West-Staaken ausdrücklich nur 4-Plattenherde und nicht auch Gasherde mit vier Brennstellen als wohnwerterhöhendes Merkmal ausgewiesen sind, spricht eindeutig dafür, dass ein vierflammiger Gasherd bei in westlichen Bezirken belegenen Wohnungen kein wohnwerterhöhendes Merkmal darstellt (so schon AG Charlottenburg, MM 1989, 6/30).

Bezüglich der wohnwerterhöhenden bzw. wohnwertmindernden Merkmale der Merkmalgruppe 3 sind die Merkmale nach Auffassung des Senats ausgeglichen, so dass insoweit weder eine Erhöhung noch eine Minderung des Mittelwerts nach dem Mietspiegel in Betracht kommt. Die wohnwerterhöhenden Merkmale wie Kabelanschluss, Gegensprechanlage und Personenaufzug sind unstreitig. Bezüglich der wohnwertmindernden Merkmale ist davon auszugehen, dass die Wohnung jedenfalls teilweise Einfachfenster hat, die Wohnräume schlecht besonnt sind und kein nutzbarer Balkon vorhanden ist. Das Merkmal "Einfachfenster" ist nicht auf reine Wohnräume beschränkt, so dass die Tatsache der Verglasung von Küche und Bad mit Einfachfenstern bereits für das Merkmal der Wohnwertminderung einschlägig ist. Es kommt aber hinzu, dass auch der als "Wintergarten" bezeichnete Raum, der zu den eigentlichen Wohnräumen gehört, lediglich eine Einfachverglasung aufweist. Die Wohnwertminderung setzt nicht voraus, dass sämtliche Räume Einfachfenster haben.

Da die eigentlichen Wohnräume lediglich Fenster nach Norden besitzen, muss davon ausgegangen werden, dass sie schlecht besonnt sind. Daran ändert auch nichts, dass das Fenster der Küche nach Süden ausgerichtet ist und daher davon ausgegangen werden kann, dass die Küche hinreichend besonnt wird.

Der Senat vermag dem Amtsgericht insoweit nicht zu folgen, als es davon ausgeht, dass das wohnwertmindernde Merkmal "kein nutzbarer Balkon" voraussetzt, dass überhaupt ein Balkon vorhanden ist. Ein nicht existierender Balkon ist genauso negativ zu bewerten wie ein vorhandener, jedoch nicht nutzbarer Balkon (so auch LG Berlin, ZK 65, GE 2001, 136, LG Berlin, ZK 63, MM 1994, 66; AG Schöneberg, MM 1990, 261). Der gegenteiligen Auffassung (LG Berlin, ZK 62, GE 2001, 1404; GE 1999, 1212; GE 1992, 673; AG Schöneberg, GE 2002, 469; AG Neukölln, GE 1993, 163) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Es ist nicht zutreffend, dass ein nicht vorhandener Balkon sich weder wohnwerterhöhend noch wohnwertmindernd auswirkt. Es ist auch nicht richtig, dass das Merkmal "kein nutzbarer Balkon" das Gegenstück zu dem wohnwerterhöhenden Merkmal "großer geräumiger Balkon..." ist. Aus der Beschreibung dieses Merkmals ergibt sich gerade, dass es kleinere Balkone gibt, die nicht wohnwerterhöhend sind. Wenn eine Wohnung überhaupt keinen Balkon besitzt, muss dies schon nach den modernen Wohnbedürfnissen als ein Minus angesehen werden, da die Nutzer der Wohnung, wenn sie sich im Freien aufhalten wollen, jeweils die Wohnung verlassen müssen. Deshalb ist mit dem Merkmal "kein nutzbarer Balkon" gemeint, dass entweder überhaupt kein Balkon vorhanden ist oder ein Balkon vorhanden ist, der aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht benutzt werden kann.

Diese Ansicht deckt sich mit der Auskunft der Erstellerin des Berliner Mietspiegels 2000,der GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnwertforschung GmbH vom 30. März 2004, die diese aufgrund des Beschlusses des Senates vom 13. November 2003 erteilt hat. Danach wurde bei der Erhebung zum Berliner Mietspiegel 2000 ein nicht nutzbarer Balkon einem nicht vorhandenen Balkon gleichgesetzt.

Die GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung GmbH hat diese Auskunft mit einem an die Klägervertreter gerichteten Schreiben vom 17. Mai 2004 noch wie folgt präzisiert:

"Der Mittelwert im Berliner Mietspiegel repräsentiert alle Wohnungen eines Typs, der durch die Tabellenrasterung vorgegeben wird. Daher ist es nötig, durch die einzelnen wohnwerterhöhenden und wohnwertmindernden Merkmale in einer Merkmalsgruppe die Miete innerhalb des Spannenraums festzulegen. Hierbei erfolgt je Merkmalgruppe eine Summierung der wohnwerterhöhenden und wohnwertmindernden Merkmale.

Zur Festlegung der Miete für eine Wohnung werden daher alle Merkmale der Orientierungshilfe abgeprüft. Ein nicht vorhandener Balkon wird hierbei einem nicht nutzbaren Balkon gleichgesetzt. Somit führt ein nicht vorhandener Balkon zum Zeitpunkt der Vermietung zu einem negativen Punkt in der 3. Merkmalsgruppe."

Soweit die Kläger in der Berufungsinstanz erstmals vortragen, die Wohnung weise als weiteres wohnwerterhöhendes Merkmal einen Wintergarten auf, kann ihnen nicht gefolgt werden.

Die Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung bei Altbauwohnungen in westlichen Bezirken weist unter der Merkmalgruppe 3 als wohnwerterhöhendes Merkmal einen großen geräumigen Balkon, eine Terrasse, eine Loggia oder einen Wintergarten aus.

Der von den Klägern als Wintergarten bezeichnete Raum ist nach ihren eigenen Angaben klein (Bl.31 d.A.). Es kann dahin gestellt bleiben, ob auch ein kleiner Wintergarten oder nur ein großer, geräumiger Wintergarten ein wohnwerterhöhendes Merkmal darstellt, denn letztlich handelt es sich bei dem von den Klägern als Wintergarten bezeichneten Raum nicht um einen Wintergarten im eigentlichen Sinn. Nach den unstreitigen Ausführungen der Beklagten (Bl.38) handelt es sich bei dem "Wintergarten" um einen kleinen Balkon, der "offensichtlich wegen der fehlenden Sonne nach Norden geschlossen worden ist, und zwar mit einem Einfachfenster". Laut Duden (Band 6, 1981) handelt es sich bei einem Wintergarten um einen hellen, heizbaren Raum oder Teil eines Raumes (wie Erker o.ä.) mit großen Fenstern oder Glaswänden für die Haltung von Zimmerpflanzen. In der Brockhaus Enzyklopädie (vierundzwanzigster Band, 1996) wird ein Wintergarten dahingehend definiert, dass es sich um einen heiz- und lüftbaren Raum für Zimmerpflanzen (z.B. Palmengewächse) nach Art eines Gewächshauses (mit einer Glaswand), der meist mit der Wohnung verbunden ist. Ein nach Norden ausgerichteter, verglaster Balkon kann schon deshalb kein Wintergarten sein, weil es an dem Merkmal der Helligkeit fehlt. Der Balkon ist gerade wegen der fehlenden Sonne geschlossen worden. Er verfügt noch nicht einmal über eine Glaswand, sondern allenfalls über ein großes Fenster. Darüber hinaus haben die Kläger aber auch nicht vorgetragen, dass der als "Wintergarten" bezeichnete Raum beheizbar ist. Der Umstand, dass es sich bei dem Raum um einen verglasten Balkon handelt, spricht jedenfalls eher gegen eine Beheizbarkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91,92 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.



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