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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 03.06.2002
Aktenzeichen: 8 U 74/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 537
BGB § 906
ZPO § 92
ZPO § 97
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 74/01

Verkündet am: 3. Juni 2002

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2002 durch den Richter am Kammergericht Markgraf, die Richterin am Kammergericht Spiegel und die Richterin am Landgericht Dr. Henkel für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Februar 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 5.472,11 € (10.702,52 DM) nebst 4 % Zinsen aus 3.208,58 € (6.275,43 DM) seit dem 11. Oktober 2000 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.263,53 € (4.427,08 DM) seit dem 6. Juli 2000 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszuge haben die Kläger 40,7 % und die Beklagten 59,3 % zu tragen.

Von den Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszuge haben die Kläger 36,8 % und die Beklagten 63,2 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen war die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Der Anspruch wegen restlichen Mietzinses für die Monate Oktober 1998 und Juli 2000 ist gemäß § 535 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag der Parteien im vollen Umfange begründet. Im Einzelnen ergibt sich hierzu Folgendes:

a) Mietzins für Oktober 1998:

Der insoweit der Höhe nach unstreitige Mietzinsanspruch ist nicht durch die von den Beklagten geltend gemachte Minderung bezüglich der Monate September und Oktober 1998 um einen Betrag von 6.275,44 DM reduziert. Das Landgericht ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Minderung gemäß § 537 BGB insoweit nicht vorliegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bezüglich der Minderung für Störungen, die von Nachbargrundstücken des Mietgrundstücks ausgehen, § 906 BGB insoweit auf die Beziehung zwischen Mieter und Vermieter anzuwenden sind, als dass keine Minderung berechtigt ist, wenn der Eigentümer selbst derartige Störungen zu dulden hätte. Das Landgericht hat hierauf auch nicht abschließend abgestellt. Vielmehr hat es im Ergebnis diese Streitfrage offen gelassen, indem es alternativ begründet hat: Es hat sich auf S. 13 und den folgenden Seiten des angefochtenen Urteils damit auseinandersetzt, wie es sich verhält, wenn § 906 BGB auf das Mietverhältnis nicht entsprechend anzuwenden wäre. Dabei hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass Bautätigkeit in der weiteren räumlichen Umgebung des Mietobjekts auch bereits im März 1995 ortsüblich war und das Risiko derartiger baulicher Maßnahmen dem Vertragsschluss mit zugrunde lag. Ob dieses Risiko ausdrücklich in die Mietpreisberechnung eingeflossen ist, was die Beklagten in Abrede stellen, spielt dabei keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, ob und inwieweit die Beklagten generell mit einer Bautätigkeit, wie sie zur Begründung der Minderung geschildert wird, hätten rechnen müssen. Dies kann nicht allein davon abhängen, ob das Mietgrundstück in einem Sanierungsgebiet liegt oder sich baufällige Gebäude bzw. Baulücken in der Nähe befinden. Denn es handelt sich bei der Umgebung des Mietobjekts nicht um ein Neubaugebiet, so dass im Hinblick auf die ältere Bausubstanz jederzeit mit baulichen Veränderungen und Reparaturen zu rechnen war. Dies trifft insbesondere auf die am Nachbargrundstück vorgenommene Fassadenerneuerung zu, auf die sich die Beklagten bezüglich ihrer Minderung für September und Oktober 1998 berufen. Hausfassaden überdauern in der Regel nicht die gesamte Zeit, in der ein Gebäude erhalten bleibt. Vielmehr sind sie von Zeit zu Zeit entweder zu erneuern oder zu renovieren. Demnach hätten die Beklagten sehr wohl erkennen können, dass die später erneuerte Fassade des Nachbargrundstücks nicht im neuesten Zustand war und demzufolge mit einer Erneuerung früher oder später zu rechnen gewesen war.

Es kommt hinzu, dass, selbst wenn bezüglich der Störungen durch die Fassadenerneuerung von einem Umweltmangel auszugehen wäre, der zu einer gewissen Tauglichkeitsminderung des Mietgrundstücks führt, die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten worden ist. Insoweit reicht jedenfalls der Vortrag der Beklagten nicht aus, da hinsichtlich der gerügten Störungen in Gestalt von Lärm und Staub für den genannten Zeitraum September und Oktober 1998 nicht im Einzelnen das Maß, die Dauer und Intensität der Beeinträchtigungen dargetan sind.

b) Mietzins für Juli 2000:

Auch die Minderung bezüglich der Miete für Juli 2000 ist nicht gerechtfertigt. Dabei ist zwar unstreitig, dass zumindest im Juni 2000 eine Entkernung des gegenüberliegenden Grundstücks stattgefunden hat, wobei Störungen aufgetreten sind. Hinsichtlich dieser Baumaßnahmen kann zwar nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beklagten mit einer Entkernung und den damit verbundenen erheblichen Umbaumaßnahmen hätten rechnen müssen, wenn auch derartige Entkernungen aufgrund der modernen Bautechnik häufiger vorkommen und gerade bei älterer Bausubstanz in Betracht kommt, dass Modernisierungen mit diesem Verfahren durchgeführt werden. Wegen der gerügten Störungen aufgrund dieser Baumaßnahmen fällt jedoch ins Gewicht, dass es sich hierbei nicht um ein Nachbargrundstück im engeren Sinne handelte, sondern um ein Grundstück, dass auf der anderen Straßenseite lag, woraus bereits folgt, dass Lärmbelästigungen schon aufgrund der größeren Entfernung zum Mietgrundstück geringer sein mussten, weil eine unmittelbare Übertragung des Schalls durch die Gebäudesubstanz insofern nicht möglich war. Die Beklagten haben aber auch insoweit nicht hinreichend dargelegt, dass die Störungen die Wesentlichkeitsgrenze nach § 537 BGB überschritten haben: Zwar haben sie Protokolle über Lärm- und Staubbelästigung für den Zeitraum vom 6. bis 30. Juni 2000 vorgelegt. Die insoweit unter Beweis gestellten Behauptungen der Protokolleintragungen eignen sich jedoch nicht für eine abschließende Beurteilung, ob die Wesentlichkeitsgrenze durch die Störungen überschritten war. Zum großen Teil ist an den einzelnen Tagen lediglich der Beginn der Störung angegeben, ohne dass vermerkt ist, wie lange die Störungen angehalten haben. Entscheidend ist jedoch, dass das Maß und die Intensität der Störungen nur subjektiv wiedergegeben sind. So lassen sich diesbezüglich aus den Bemerkungen "extremer", "üblicher", "andauernder", "nervender" Baulärm auf die Intensität des Lärms keine sicheren Schlüsse ziehen. Es kommt hinzu, dass nach den Protokolleintragungen auch nicht auszuschließen ist, dass die Störungen mehr oder minder sporadisch auftraten und nicht den ganzen Tag anhielten. Darüber hinaus ergibt sich aus den Bemerkungen in dem Protokoll, dass jedenfalls durch Schließen der Fenster eine Abhilfe möglich war. Es heißt zwar auch teilweise, dass der Lärm der Bohrer durch die geschlossenen Fenster drang, insoweit sind aber wiederum keine Einzelheiten vorgetragen, wie lange diese Geräusche andauerten. Zudem fehlen auch insoweit Schallmessungen, die allein geeignet wären, bloß subjektive Beurteilungen derartiger Lärmbelästigungen auszuschließen.

Hiernach ist die Berufung unbegründet, soweit sich die Beklagten gegen die Ansprüche auf restlichen Mietzins wenden.

c) Betriebskosten für 1997:

Dagegen hat die Berufung der Beklagten Erfolg, soweit die Beklagten zu einer restlichen Zahlung aufgrund der Betriebskostenabrechnung der Kläger für das Jahr 1997 in Höhe von 6.234,24 DM verurteilt worden sind. Unstreitig betrug die Nachforderung nach Abzug der anteiligen Kosten für den Kabelanschluss 27.671,75 DM. Die Kläger haben im Schreiben vom 16. September 1998 mit ihrer Forderung aus der Betriebskostenabrechnung 1997 gegen das Guthaben der Beklagten aus der Heizkostenabrechnung 1997/98 in Höhe von 12.500,10 DM aufgerechnet. Auch wenn in dem Schreiben der Hausverwalterin vom 16. September 1998 nicht ausdrücklich von Aufrechnung die Rede ist, muss die diesbezügliche Erklärung als Aufrechnungserklärung aufgefasst werden. Denn die Erklärung der Aufrechnung braucht nicht ausdrücklich abgegeben zu werden; es genügt insoweit die klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens (vgl. BGHZ 26, 241, Bundesverfassungsgericht in NJW-RR 1993 S. 764, Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 388 Rdnr. 1). Diese Voraussetzungen sind mit dem Schreiben vom 16. September 1998 erfüllt. Es trifft nicht zu, wie die Kläger meinen, dass lediglich die beiden Forderungen aus der Betriebskostenabrechnung von 1997 und die Gegenforderung der Beklagten aus der Heizkostenabrechnung aus der Periode 1997/98 "gegenübergestellt" worden sind. Vielmehr ist in dem Schreiben aus beiden Beträgen ein Saldo zu Lasten der Beklagten gebildet worden und die Beklagten sind gleichzeitig aufgefordert worden, diesen Saldo auszugleichen. Das reicht für die Annahme einer Aufrechnungserklärung aus. Einer ausdrücklichen Erklärung dahingehend, ob mit einem erststelligen oder letztstelligen Betrag aufgerechnet wird, bedurfte es nicht, da die geltend gemachte Forderung aus der Betriebskostenabrechnung 1997 erheblich größer war als die Guthabenforderung der Beklagten aus der Heizkostenabrechnung 1997/98. Für eine anderweitige Aufrechnung gegenüber dem Guthaben aus der Heizkostenabrechnung 1997/98 war demnach kein Raum mehr, so dass die Aufrechnungserklärung aus dem Schreiben der Hausverwaltung vom 14. Januar 1999 insoweit ins Leere ging. Es kommt auch nicht mehr darauf an, ob das Schreiben der Beklagten vom 22. Dezember 1998 eine diesbezügliche Aufrechnungserklärung enthielt. Unter Abzug der Guthabenforderung aus der Heizkostenabrechnung 1997/98 in Höhe von 12.500,10 DM und des unstreitig gezahlten Betrages von 10.000,00 DM verblieb insofern nur eine Restforderung von 5.171,65 DM, welche durch die von den Klägern in der Klageschrift selbst erklärte Aufrechnung gegenüber dem Heizkostenguthaben der Beklagten aus der Heizkostenabrechnung 1999/00 in Höhe von 5.598,28 DM erloschen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO und den §§ 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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