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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.01.2002
Aktenzeichen: 8 U 7969/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 34
BGB § 242
BGB § 568
BGB § 571
BGB § 985
BGB § 2038
BGB § 556 Abs. 1
BGB § 556 Abs. 2
BGB § 745 Abs. 2
BGB § 2038 Abs. 2
BGB § 2040 Abs. 1
ZPO § 97 I
ZPO § 713
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 543 Abs. 2 Ziff. 1
ZPO § 543 Abs. 2 Ziff. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 7969/00

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 7. Januar 2002

hat der 8 Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7 Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Spiegel und den Richter am Amtsgericht Dr. Müther für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3. Juli 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin - 12 O 263/00 - wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Herausgabe des Grundstücks an den Zwangsverwalter H, U straße 46, 10719 Berlin, zu erfolgen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet, da die Kläger nach der wegen der Zwangsverwaltung notwendigen und erfolgten Umstellung des Klageantrags Herausgabe an den Zwangsverwalter verlangen können.

1. Der Herausgabeanspruch ergibt sich aus § 556 Abs. 1 BGB und aus § 985 BGB, da der Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietverhältnisses wirksam ausgesprochen worden ist. Zwar haben die Kläger das Eigentum erst durch den Zuschlag erworben, nachdem die Kündigungsfrist bereits abgelaufen war, so dass der Herausgabeanspruch nach § 556 Abs. 1 BGB der Erbengemeinschaft zugestanden hatte. Der Anspruch besteht aber bis zur Räumung als nachwirkender Anspruch aus dem Mietverhältnis fort und geht als solcher gemäß § 571 BGB (hier in Verbindung mit § 180 Abs. 1, § 57 ZVG) auf den Erwerber über (vgl. BGHZ 72, 147, 150).

2. Dem Herausgabeanspruch steht nicht entgegen, dass der Beklagte selbst Mitglied der Erbengemeinschaft ist.

a) Die Begründung und die Kündigung eines Mietverhältnisses über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück (insbesondere eines Geschäftsgrundstücks) können Maßnahmen der Verwaltung des Nachlasses im Sinne von § 2038 Abs. 2 BGB darstellen, da sie der bestimmungsgemäßen Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen (vgl. Staudinger-Werner, BGB, § 2038, Rn. 4; Palandt-Edenhofer, § 2038, Rn. 7; zum Mietvertragsabschluss s. BGHZ 56, 47; zur Kündigung s. BGH in LM NR. 1 zu § 2038 BGB). Soweit die Miterben die Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss regeln können, verleiht ihnen diese Befugnis auch im Außenverhältnis die entsprechende Vertretungsmacht (vgl. BGH, aaO; Staudinger-Werner, aaO, Rn. 6; Palandt-Edenhofer, aaO, Rn. 12). Allerdings wird zur Kündigung die Frage unterschiedlich beurteilt, ob bei deren Ausspruch die Regelung in § 2040 Abs. 1 BGB als Spezialvorschrift zu beachten ist, weil sie eine Verfügung über den Nachlassgegenstand beinhaltet und daher die Mitwirkung sämtlicher Erben erforderlich ist (s. BGH in LM Nr.1 zu § 2038 BGB; zum Meinungsstand s. im übrigen Staudinger-Werner, aaO, Rn 7).

Hierauf kommt es im vorliegenden Rechtsstreit aber deshalb nicht an, weil der Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietverhältnisses keine Kündigung, sondern eine Willenserklärung beinhaltet, mit der das Angebot auf Abschluss eines inhaltsgleichen weiteren Mietvertrages abgelehnt wird (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 11 m.w.N.).

Anwendung findet daher § 2038 I BGB, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Beklagte an einer Beschlussfassung beteiligt war: Da es sich um eine den Beklagten betreffende und damit eigene Angelegenheit handelte, stand ihm ein Stimmrecht von vornherein nicht zu (Palandt-Edenhofer, BGB, 61. Aufl., Rdn. 10 zu § 2038). Von einer entsprechenden Beschlussfassung durch die Kläger ist auch auszugehen.

Davon, dass ein solcher Beschluss zumindest konkludent der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Kläger zum Ausspruch des Widerspruchs vorausgegangen ist, kann ausgegangen werden. Jedenfalls hätten die Kläger die entsprechende Beschlussfassung, was möglich ist, nachträglich durch die Prozessführung genehmigt. Dass der Beklagte an der Beschlussfassung über den Abschluss des Mietvertrages mitgewirkt hat, ist für die Frage, ob er auch bei dem Widerspruch mitwirken musste, unerheblich. Zum einen stellt sich schon die Frage, ob die Miterben durch die Gestaltung des Vertragsabschlusses nicht konkludent die Verwaltung hinsichtlich des Mietverhältnisses auf die damaligen anderen Miterben (außer des Beklagten) übertragen haben (vgl. dazu Staudinger-Werner, aaO, Rn 23; Palandt-Edenhofer, aaO, Rn 2). So sind im Mietvertragsrubrum nur diese vier Miterben aufgezählt. Aus dem Rubrum der im Mietvertrag enthaltenen Hausordnung geht hervor, dass die Vertragsparteien davon ausgingen, dass diese vier Miterben als Vertreter der Erbengemeinschaft handelten. In Ausübung dieser bis zur Erklärung des Widerspruchs nicht widerrufenen Verwaltungsbefugnis hätten sie dann den Widerspruch erklären können. Jedenfalls hatten aber die Kläger mit ihren Anteilen die Mehrheit inne, so dass sie den Beklagten überstimmen konnten. Dass sie den Beklagten vorher nicht angehört haben, ist für die Wirksamkeit der Entscheidung und deren Umsetzung unerheblich (vgl. BGHZ 56, 55, zu 3.).

Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass gemäß § 2040 Abs. 1 BGB hier eine einstimmige Entscheidung erforderlich wäre, weil der Widerspruch gegen die Verlängerung sich inhaltlich doch als Kündigungserklärung und damit als "Verfügung" darstellt (vgl. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV Rdnr. 276), galt dies hier, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, nicht, da der Beklagte ohnehin bei der Entscheidung über den Widerspruch wegen Interessenkollision in entsprechender Anwendung von § 34 BGB nicht stimmberechtigt war (vgl. insoweit BGHZ 54, 47, 52 zu § 2038 BGB; BGH in DNotZ 1955, 406, zu § 2040; 5. zur Begründung auch BayObLGZ 6, 326, 332). Entgegen der Ansicht des Beklagten liegt eine derartige Interessenkollision hier vor, unabhängig davon, ob der Beklagte in dem laufenden Mietverhältnis vertragstreu war. Maßgeblich ist hier nicht das Vertragsverhältnis zwischen der - einschließlich seiner Beteiligung - Erbengemeinschaft einerseits, und ihm als außenstehendem Dritten als Mieter andererseits, sondern um die Frage, ob der Beklagte als der durch die Verwaltungsmaßnahme als einziger Betroffener mitwirken durfte. Würde einem derart betroffenen Mitglied der Erbengemeinschaft dazu ein Mitbestimmungsrecht zugebilligt, so hätte dieses es in der Hand, durch sein Veto jegliche seinem Interesse widersprechende Verwaltungsmaßnahme gegen das Interesse der Erbengemeinschaft zu verhindern, d.h. er könnte letztlich stets eine Vertragsgestaltung in seinem Interesse durchsetzen.

b) Der Wirksamkeit des Widerspruchs steht nicht entgegen, dass dieser dem Interesse der Erbengemeinschaft nicht entsprechen würde. Gemäß § 745 Abs. 2 BGB, auf den in § 2038 Abs. 2 BGB verwiesen wird, kann jeder Teilhaber eine billigem Ermessen entsprechende Verwaltung verlangen, sofern diese nicht durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist. Der Mehrheitsbeschluss hat also Vorrang. Sofern eine durch die Mehrheitsentscheidung gebilligte Geschäftsführung vorliegt, ist diese nur dann unwirksam, wenn die Miterben die Verwaltungsbefugnis in Benachteiligungsabsicht zu Lasten der Erbengemeinschaft oder auch des Beklagten ausgenutzt hätten (vgl. BGHZ 56, 47, 56). Insoweit dürften entsprechende Maßstäbe wie zum Missbrauch der Vertretungsbefugnis gelten. Vorliegend ergeben sich aus dem Beklagtenvortrag keine hinreichende Anhaltspunkte für eine derartige Benachteiligungsabsicht. Zwar deutet der Zeitablauf darauf hin, dass die Erklärung des Widerspruchs eine Reaktion auf die von ihm eingeleitete Teilungsversteigerung sein mochte. Schon allein im Hinblick auf die Teilungsversteigerung konnte aber schon ein Interesse an der Freimachung der Gewerbeflächen bestehen, da ein unvermietetes Grundstück sich in der Regel besser veräußern lässt als ein vermietetes Grundstück. Der Beklagte trägt insoweit selbst vor, dass bei Ausspruch des Widerspruchs noch gar nicht klar gewesen sei, ob es zu einem angemessenen Meistgebot und Zuschlag kommen würde (Bl. 70). Im Verhältnis zum Beklagten haben die Kläger nur eine vertraglich bestehende Rechtsposition ausgeübt, da der Widerspruch nach § 2 Nr.1 nach Ablauf der Befristung erstmals zum 30. September 1999 kündbar war.

c) In vorgenannten Umständen erschöpft sich auch das Verhalten der Kläger im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung, so dass der Beklagte dieses der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs auch nicht im Wege des Einwandes nach § 242 BGB entgegen halten kann. Aus den Umständen im Zusammenhang mit der Versteigerung und des Streits um die Verteilung des Erlöses kann der Beklagte dem Räumungsanspruch ebenfalls weder eine Einwendung nach § 242 BGB noch ein Zurückbehaltungsrecht entgegen halten. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes gegen den Räumungsanspruch ist schon nach § 556 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, und zwar auch in Bezug auf den Anspruch aus § 985 BGB, der zu dem Anspruch aus § 556 Abs. 1 BGB in Anspruchskonkurrenz steht (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 556, Rn 16). Einwendungen aus dem Streit über die Erlösverteilung können aber auch nach § 242 BGB nicht entgegen gehalten werden, da es an dem nötigen Zusammenhang fehlt. Mit dem Zuschlag, der nicht angefochten worden ist, haben die Kläger das Eigentum an dem Grundstück rechtskräftig erworben. Die Einwendungen, die der Beklagte gegen die Nichtzahlung des Bargebotes erhebt, sind nicht geeignet, diesen Erwerbsvorgang wieder rückgängig zu machen. Zwar besteht gegen die Kläger die Gefahr, das Eigentum infolge der Vollstreckung aus der Sicherungshypothek wieder zu verlieren. Der Kläger trägt aber nicht vor, dass er etwa selbst zur Ersteigerung des Grundstücks in der Lage wäre und dies in absehbarer Zeit bevorstehen würde. Bei einem möglichen Erwerb durch einen Dritten gilt aber nach wie vor die Erwägung, dass ein unvermietetes Grundstück einen höheren Erlös erzielen könnte als ein vermietetes.

Der Beklagte kann sich auch nicht auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 568 BGB berufen, da diese Bestimmung nach § 2 Nr. 7 des Mietvertrages abbedungen ist. Die Entgegennahme der weiteren Mietzahlungen besagt nichts, da der Beklagte während der weiteren Nutzung auch eine Nutzungsentschädigung in Höhe er bisherigen Miete zu zahlen hat.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 I, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 Ziff. 1 und 2 ZPO n. F. nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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