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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.12.2001
Aktenzeichen: 8 W 372/01
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG, ZPO, BGB


Vorschriften:

BRAGO § 9 Abs. 2 Satz 1
GKG § 12
GKG § 12 Abs. 1 Satz 1
GKG § 19
GKG § 19 Abs. 1
GKG § 19 Abs. 1 Satz 1
GKG § 19 Abs. 1 Satz 2
GKG § 19 Abs. 1 Satz 3
GKG § 19 Abs. 4
GKG § 25 Abs. 2 Satz 3
GKG § 25 Abs. 2 Satz 2
GKG § 25 Abs. 3 Satz 1
GKG § 25 Abs. 4
ZPO § 4 Abs. 1
ZPO § 5
BGB § 537
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 372/01

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts am 13. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, den Richter am Kammergericht Markgraf und den Richter am Amtsgericht Dr. Müther beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägervertreter vom 19. September 2001 wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. August 2001 dahin abgeändert, dass der Gebührenwert des Vergleichs vom 31. Mai 2001 auf 206.959,69 DM festgesetzt wird. Zugleich wird der Gebührenstreitwert des Verfahrens auf 179.729,43 DM festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Gründe:

1) Die Beschwerde hat Erfolg.

a) Die Beschwerde ist zulässig. Die Klägervertreter sind nach § 9 Absatz 2 Satz 1 BRAGO beschwerdebefugt, die Frist des § 25 Absatz 2 Satz 3 GKG ist eingehalten und der Beschwerdewert nach § 25 Absatz 3 Satz 1 GKG wird erreicht.

b) Die Beschwerde ist auch begründet. Der Wert des Vergleichs ist auf 206.959,69 DM festzusetzen, weil der Wert des der Hilfswiderklage zugrunde liegenden Bereicherungsanspruches dem Klagebetrag und dem Betrag für die Verpflichtung zur Rechnungslegung hinzuzurechnen ist. Denn mit der reduzierten Zahlungspflicht der Beklagten haben die Parteien in dem Vergleich vom 31. Mai 2001 auch den der Festellungshilfswiderklage wegen der Minderung des Mietzinses zugrunde liegenden Bereicherungsanspruch berücksichtigt, so dass eine Wertzusammenrechnung nach § 19 Absatz 1 Satz 1 und 2, Absatz 4 GKG zu erfolgen hat.

Dem steht nicht § 19 Absatz 1 Satz 3 GKG entgegen. Nach dieser Vorschrift ist eine Wertaddition zwar ausgeschlossen, wenn Klage und Widerklage bzw. der ihr zugrunde liegende Leistungsanspruch denselben Gegenstand betreffen. Ein identischer Gegenstand liegt aber nur dann vor, wenn mit der Entscheidung über die Klage zugleich eine Entscheidung über die Widerklage in dem Sinne hätte getroffen werden müssen, dass mit der Stattgabe der einen die Abweisung der anderen verbunden wäre (vgl. RGZ 145, 164, 166; BGHZ 43, 33; BGH, NJW-RR 1992, 1404). Dies ist nicht der Fall, weil die von den Beklagten erhobene Hilfswiderklage keine negative Feststellungsklage darstellt, die sich in der Verneinung der Klageforderungen erschöpft. Sie hat ihren Grund vielmehr in der Regelung des § 8 des Mietvertrags vom Frühjahr 1994. Danach konnten die Beklagten die Minderung des Mietzinses dem Zahlungsanspruch des Klägers nur in Ausnahmefällen direkt entgegen halten, nämlich dann, wenn die Berechtigung zur Minderung unstreitig oder rechtskräftig festgestellt war. Die Beklagten waren insoweit auf die Geltendmachung von Bereichungsansprüchen verwiesen, die sie hier mit einer entsprechenden Feststellungswiderklage in das Verfahren eingeführt haben. Diese vertragliche Vereinbarung ist sogar als AGB-Klausel als wirksam anzusehen, weil die Minderung nicht ausgeschlossen ist, sondern nur die Art und Weise der Geltendmachung eingeschränkt wird (vgl. dazu BGHZ 91, 375 = NJW 1984, 2404; BGH, NJW-RR 1993, 519, 520; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 1020). Dann aber hätten dem Kläger die verlangten Beträge zugesprochen werden können, ohne dass damit die auf die Feststellung der Mietminderung gerichtete Hilfswiderklage hätte abgewiesen werden müssen. Denn die vom Gesetz vorgesehene sofortige Reduzierung des Zahlungsanspruchs des Vermieters kam nur dann in Betracht, wenn die Minderungsvoraussetzungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt gewesen wären. Dies war aber, wie sich aus der Klageerhebung ergibt, jedenfalls zu dem nach § 4 Absatz 1 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt der Einreichung der Hilfswiderklage nicht der Fall, weil der Kläger schon in der Klageschrift eine Minderungsbefugnis bestritten hat.

Eine Anwendung des § 19 Absatz 1 Satz 1 und 2 GKG scheidet entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht wegen einer wirtschaftlichen Identität aus. Soweit im Rahmen des § 19 Absatz 1 Satz 3 GKG eine wirtschaftliche Betrachtungsweise und eine wirtschaftliche Identität als Kriterium diskutiert wird (vgl. dazu näher Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 19 GKG Rn. 11), handelt es sich um ein zusätzliches Kriterium, das neben den identischen Gegenstand treten muss, um eine Wertaddition auszuschließen (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1988, 1067; NJW 1976, 247; ablehnend Schneider, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 2631). Allerdings wird auch im Rahmen des § 5 ZPO, der über § 12 GKG grundsätzlich auch im Rahmen der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren gilt, eine wirtschaftliche Identität als Ausschlussgrund für eine Wertaddition angenommen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 5 Rn. 8; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 5 Rn. 8). Insoweit ist aber in § 19 GKG eine Sonderregelung getroffen worden, die nach § 12 Absatz 1 Satz 1 GKG dem § 5 ZPO und den zu seiner Auslegung herangezogenen Ansichten vorgeht (vgl. Hartmann, aaO, § 19 GKG Rn. 3; Markl/Meyer, GKG, 4. Aufl., § 19 Rn. 2; im Ergebnis ebenso Schneider, aaO, Rn. 2632).

Die Festsetzung des Vergleichswertes durch das Landgericht wegen des Wertes für die Verpflichtung zur Rechnungslegung ist nicht zu beanstanden (vgl. zur Bemessung BGH, BB 1960, 796).

3) Allerdings ist der Beschluss des Landgerichts von Amts wegen abzuändern, soweit der Gebührenstreitwert für das Verfahren nicht den Wert der Hilfswiderklage umfasst und daher nicht auf 179.729,43 DM festgesetzt worden ist. Dies ist durch den Senat nachzuholen. Eine Überprüfung des Festsetzungsbeschlusses durch das Beschwerdegericht ist auch notwendig, soweit die Klägervertreter die Festsetzung nicht angegriffen haben, weil § 25 Absatz 2 Satz 2 GKG kein Ermessen eröffnet, sondern eine Zuständigkeitsbestimmung vornimmt.

Die Festsetzung ist zu ändern. Nach § 19 Absatz 4 GKG sind die Regelungen des § 19 Absatz 1 GKG für die Festsetzung des Gebührenstreitwertes auch dann anzuwenden, wenn das Verfahren wie hier durch Vergleich beendet wird.

Teilweise wird eine Anwendung des § 19 Absatz 4 GKG zwar nur dann für gerechtfertigt gehalten, wenn die gestellte Bedingung eingetreten ist (so OLG Köln OLGR 1996, 158; a.A. zur Hilfsaufrechnung: OLG München OLGR 1998, 15, 103). Unabhängig von der Richtigkeit dieser Auffassung ist der Gebührenstreitwert im vorliegenden Fall um den Wert der Hilfswiderklage zu erhöhen. Die Bedingung ist hier eingetreten, weil die Beteiligten von der Anwendung des § 8 des Mietvertrages Abstand genommen und sogleich die Minderung des Mietzinses im Vergleich berücksichtigt haben. Dies ergibt sich auch aus Ziffer 2) des Vergleichs. Danach sind alle Ansprüche der Parteien wegen der eingeklagten Mietforderungen, die den Zeitraum bis Februar 2000 betrafen, abgegolten, soweit nicht Nebenkostenforderungen betroffen sind.

Wegen der Feststellungswiderklage ist ein Betrag von 80% des umfassten Wertes anzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass eine auf die Minderung im Mietrecht nach § 537 BGB bezogene Feststellung in der Regel als negative Feststellung anzusehen ist, weil der Mietzins im Falle der Minderung von Gesetzes wegen reduziert ist, so dass eine entsprechende Feststellung eine Verneinung der Vermieterforderung darstellt. Für eine negative Feststellungsklage wird demgegenüber für den Gebührenstreit regelmäßig von dem vollen Wert der betroffenen Forderung ausgegangen (vgl. Zöller/Herget, aaO, § 3 Rn. 16 Stichwort "Feststellungsklage"; Thomas/Putzo, aaO, § 3 Rn. 65). Dies ist aber jedenfalls im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, weil hier die Feststellung der Minderung auf Grund der mietvertraglichen Regelung in § 8 nicht unmittelbar zu einer Aberkennung der Mietzinsforderung führen kann. Demnach entspricht hier die Widerklage einer positiven Feststellungsklage, so dass sie lediglich mit 80% der von ihr betroffenen Forderung zu bewerten ist (vgl. dazu BGH, NJW-RR 1988, 689; Zöller/Herget, aaO, § 3 Rn. 16 Stichwort "Feststellungsklage"; Thomas/Putzo, aaO, § 3 Rn. 65). Dies entspricht im vorliegenden Fall einem Betrag von 66.091,99 DM, der der Klageforderung in Höhe von 113.637,44 DM hinzuzusetzen ist.

4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Absatz 4 GKG.

Ende der Entscheidung

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