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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 8 W 56/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 701 S. 1
Ein per Fax eingereichter Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheids wahrt die Frist des § 701 S. 1 ZPO.
Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 56/09

In dem Mahnverfahren

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, durch die Richterin am Kammergericht Spiegel als Vorsitzende, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und den Richter am Landgericht Niebisch am 25. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg - Zentrales Mahngericht - vom 2. März 2009, den Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides zurückzuweisen, wird aufgehoben.

Das Verfahren wird an das Amtsgericht Schöneberg - Zentrales Mahngericht - zur anderweitigen Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides unter Berücksichtigung dieses Beschlusses zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht Schöneberg - Zentrales Mahngericht - am 14. August 2008 einen Mahnbescheid wegen einer Mietforderung erlassen, der dem Antragsgegner am 23. August 2008 zugestellt worden ist. Die Antragstellerin hat am 23. Februar 2009 vorab per Fax den Erlass eines Vollstreckungsbescheides gegen den Antragsgegner beantragt, wobei sie als Faxvorlage den dafür vorgesehenen und ausgefüllten Vordruck verwendet hat. Sie hat das Original des Vordrucks per Post an das Amtsgericht geschickt, wo es am 24. Februar 2009 eingegangen ist.

Das Amtsgericht hat der Antragstellerin unter dem 25. Februar 2009 mitgeteilt, dass der Antrag per Fax formunwirksam sei und deshalb zurückgewiesen werden müsse. Am 2. März 2009 hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides gemäß § 701 ZPO maschinell zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 11. März 2009 erklärt, sie habe den Vollstreckungsbescheid fristgerecht beantragt, so dass Vollstreckungsbescheid erteilt werden müsse. Mit Verfügung vom 20. April 2009 hat das Amtsgericht erklärt, der per Fax am 23. Februar 2009 eingereichte Antrag sei formunwirksam. Das Original sei verspätet eingegangen. Es werde davon ausgegangen, dass sich der Antrag mit diesem rechtlichen Hinweis erledigt habe. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2009 erklärt, der Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides habe sich nicht erledigt. Es bedürfe der handschriftlichen Unterzeichnung dann nicht, wenn in anderer Weise gewährleistet sei, dass der Antrag nicht ohne den Willen des Antragstellers übermittelt werde. Es reiche aus, den Vollstreckungsbescheid fristwahrend vorab per Fax zu beantragen. Es werde um Überprüfung der Rechtsansicht bzw. rechtsmittelfähige Entscheidung gebeten. Das Amtsgericht hat die Schriftsätze vom 12. März und 22. Mai 2009 als sofortige Beschwerde gegen die maschinelle Zurückweisung vom 2. März 2009 gewertet und ihr durch Vermerk vom 27. Mai 2009 nicht abgeholfen.

II.

1.

Das Kammergericht ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG zur Entscheidung berufen.

2.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 699 Rn. 18). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 Abs. 1 und 2 ZPO, zumal die angefochtene Entscheidung der Antragstellerin jedenfalls nicht förmlich zugestellt wurde und die Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung (§ 569 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO) deshalb noch gar nicht zu laufen begonnen hatte.

3.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Das Amtsgericht durfte den Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides nicht gemäß § 701 ZPO zurückweisen.

a)

Die Voraussetzungen des § 701 S. 1 ZPO liegen nicht vor, da die Antragstellerin den Erlass des Vollstreckungsbescheides innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Zustellung des Mahnbescheides beantragt hat, die am 23. Februar 2009 abgelaufen ist (§ 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist ist der Antrag vorab per Fax bei Gericht eingegangen.

Das Amtsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass ein Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides, der per Telefax eingereicht wird, wegen Verstoßes gegen § 703 c Abs. 2 ZPO formunwirksam ist (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1320, 1323; OLG Stuttgart OLGR 2000, 297, 299; Vollkommer in Zöller a.a.O., § 703 c Rn. 8; Voit in Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 703 c Rn. 2).

Darauf kommt es aber nicht an. Ist ein mangelhafter Antrag fristgerecht gestellt worden, treten die Folgen des § 701 S. 1 ZPO jedenfalls dann nicht ein, wenn der Mangel behebbar ist, auch wenn die Behebung - wie hier - erst nach Fristablauf erfolgt (vgl. LG Bonn, Beschluss vom 5. Dezember 2007 zu 6 T 381/07, juris; LG Frankfurt/Main Rpfleger 1970, 100; Schüler in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2007, § 701 Rn. 2; a.A. LG Frankfurt/Main Rpfleger 1982, 295). § 701 S. 1 ZPO setzt nach seinem Wortlaut gerade nicht voraus, dass der Antrag in jeder Hinsicht wirksam ist. Auch aus dem Zusammenhang der Vorschriften über das Mahnverfahren ergibt sich nichts anderes. In § 691 Abs. 1 S. 2 ZPO ist geregelt, dass der Antragsteller vor der Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids anzuhören ist, um ihm Gelegenheit zu geben, behebbare Mängel des Antrags zu beseitigen. Dieser Grundsatz gilt auch für den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids (vgl. Vollkommer in Zöller a.a.O., § 699 Rn. 12 a.E.; Voit in Musielak a.a.O., § 699 Rn. 5). Auch Verstöße gegen § 703 c Abs. 2 ZPO sind behebbar (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1320, 1323). Es wäre aber widersinnig und widerspräche dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften, einerseits Formmängel als behebbar anzusehen und deshalb vom Mahngericht entsprechende Hinweise zu verlangen, andererseits aber die Behebung von Mängeln als verfristet zurückzuweisen.

b)

Die Voraussetzungen des § 701 S. 2 ZPO liegen ebenfalls nicht vor. Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zwar zurückgewiesen. § 701 S. 2 ZPO ist aber nur einschlägig, wenn die Zurückweisung rechtskräftig ist (vgl. Vollkommer in Zöller a.a.O., § 701 Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 701 Rn. 4; Voit in Musielak a.a.O., § 701 Rn. 3; Schüler in Münchener Kommentar zur ZPO a.a.O., § 701 Rn. 4).

4.

Der Senat macht von seinem Ermessen gemäß § 572 Abs. 3 ZPO, dem Amtsgericht die nach Aufhebung erforderliche Anordnung zu übertragen, Gebrauch, um dem Amtsgericht die Gelegenheit zu geben, die weiteren Voraussetzungen für den Erlass des Vollstreckungsbescheids zu prüfen. Eine eigene Entscheidung durch den Senat wäre schon deshalb unzweckmäßig, weil das Kammergericht nur in absoluten Ausnahmefällen mit dem Erlass von Vollstreckungsbescheiden befasst ist und einer der Zwecke des Mahnverfahrens, Ressourcen der Justiz möglichst effizient einzusetzen, hierdurch verfehlt würde. Das Amtsgericht wird seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Senats zugrunde legen müssen, § 563 Abs. 2 ZPO analog (vgl. Heßler in Zöller a.a.O., § 572 Rn. 29).

5.

Gerichtsgebühren fallen nicht an (Nr. 1812 GKG-KV). Über außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens muss das Mahngericht nach Zurückverweisung befinden.

Unabhängig von den Voraussetzungen des § 574 ZPO war die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. Die Antragstellerin ist durch diesen Beschluss nicht beschwert. Der Antragsgegner ist am Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids nicht zu beteiligen, § 702 Abs. 2 ZPO; dies gilt auch für entsprechende Rechtsmittelverfahren.

Ende der Entscheidung

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