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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 15.06.2007
Aktenzeichen: 9 U 145/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
War die Beauftragung eines Rechtsanwalts adäquat-kausale Folge eines Schadensereignisses, war sie aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig, so kann der Schädiger dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht entgegenhalten, der Rechtsanwalt habe seiner Kostenberechnung einen unzutreffenden Gegenstandswert zu Grunde gelegt. Der Geschädigte kann den Schädiger auf vollen Ersatz der Kosten (bzw. auf Freistellung von diesen Kosten) in Anspruch nehmen und ist lediglich zur Abtretung seiner Ansprüche auf Rückgewähr einer etwaigen Überzahlung verpflichtet. Der Streit darüber, ob dem Rechtsanwalt aufgrund einer pflichtwidrigen Durchführung des Auftrags ein Honorar zusteht sowie in welcher Höhe dieses berechtigt ist, ist grundsätzlich zwischen dem Schädiger und dem Rechtsanwalt auszutragen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 9 U 145/06

verkündet am: 15.06.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15.06.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe und die Richter am Kammergericht Bulling und Damaske für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Juli 2006 (27.O.226/06) wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Gemäß § 313 a Absatz 1 in Verbindung mit § 540 Absatz 2 ZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie etwaiger Änderungen oder Ergänzungen abgesehen.

II.

Die nach teilweiser Rücknahme der Berufung noch zur Entscheidung stehende, zulässige Berufung bezüglich Ziffer 2 des Tenors des landgerichtlichen Urteils hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat Anspruch auf Freistellung von den durch die außergerichtliche Inanspruchnahme ihres Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsanwaltskosten aus § 823 Absatz 1 BGB, Art. 1 Absatz 1, Art. 2 Absatz 1 GG, weil die angegriffene Berichterstattung der Beklagten die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt hat und die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig war.

1.

Die Klägerin ist durch die Berichterstattung der Beklagten in der Fnnnnn Annnnn Snnnnnnn vom nnnnnnnn individuell betroffen. Sie ist für einen Teil des Leser- oder Adressatenkreises auf Grund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2005, 2844) ausreicht. Aus dem angegriffenen Text ist die Klägerin als die (es kommt insoweit nur eine in Betracht) Lehrerin der dritten Klasse des jüngsten Sohnes der Autorin des Lehrerhasserbuches in einer Snnnnnn Schule erkennbar. Die Wiedergabe der Teilinformationen "die Grundschullehrerin ihres jüngsten Sohnes", "Drittklässler" "Snnnnnn Grundschule" reicht aus. All jene, die wissen, in welche (die dritte) Klasse der Sohn der Autorin geht, wissen mithin, dass es sich um die Klägerin handelt.

Die Berichterstattung der Beklagten stellt unwahre Tatsachenbehauptungen auf ("hält die Lehrerin dem Drittklässler ... das 'Leserhasserbuch' unter die Nase", "vor der versammelten Klasse", "stellt ... fest: 'das hat doch deine Mama geschrieben, oder?'"), beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Klägerin als Lehrerin und stellt eine Ehrverletzung dar. Durch die Berichterstattung wird eine Situation geschildert, in der die Klägerin den Sohn der Autorin des Lehrerhasserbuches inquisitorisch öffentlich zur Rede gestellt und nach seiner Mutter ausgefragt hat, um so mit pädagogisch fragwürdigen Methoden die Autorin des Lehrerhasserbuches "im Verhör" ihres Sohnes zu "enttarnen". Eine solche unwahre Darstellung des Umgangs einer Lehrerin mit einem Grundschüler gerade im Hinblick auf den konkreten Anlass des Lehrerhasserbuches verletzt eine Pädagogin in ihrer Ehre.

Die Beklagte handelte auch schuldhaft, sie hätte sich angesichts der ehrbeeinträchtigenden Vorwürfe von der Richtigkeit der Darstellung (z.B. durch eine Rückfrage bei der Klägerin) überzeugen müssen.

2.

Soweit die Beklagte geltend macht, die Rechtsanwaltskosten seien zur Verfolgung der Rechte der Klägerin ganz oder zum Teil nicht notwendig gewesen, weil das Unterlassungsbegehren zu weitgehend gefasst gewesen sei sowie das Gegendarstellungsverlangen nicht § 10 des Hessischen LPG entsprochen habe, steht dies dem Freistellungsanspruch der Klägerin ebenso wenig entgegen, wie der Einwand der Beklagten, der Rechtsanwalt der Klägerin habe in seinen Berechnungen (s. S. 7/8 der Klageschrift) die Geschäftswerte zu hoch angesetzt.

Ein insoweit möglicherweise gegebenes Fehlverhalten des von ihr mit der Geltendmachung ihrer Rechte beauftragten Rechtsanwaltes muss sich die Klägerin nicht zurechnen lassen. Ein solches Fehlverhalten unterbricht den Zurechnungszusammenhang zwischen schädigender Handlung und Schaden grundsätzlich nicht (Palandt-Heinrichs, 66. Auflage, Vorb v § 249, Rn. 73 m.w.N.). Der Zurechnungszusammenhang entfällt nur bei ungewöhnlich grobem Fehlverhalten des Dritten, was hier jedenfalls zu verneinen ist. Es kommt allein darauf an, ob die Beauftragung des Rechtsanwalts aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH NJW 2006, 1065; NJW 1990, 2060), was vorliegend der Fall war.

Daran ändert auch nichts, dass der Klägerin wegen der Kosten u.U. Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche gegenüber dem von ihr beauftragten Rechtsanwalt zustehen. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz des Schadensersatzrechts, dass der Schädiger den Geschädigten nicht darauf verweisen kann, er habe gegen einen Dritten einen Anspruch, der zum Ausgleich seiner Vermögensbeeinträchtigung führen könne (BGH NJW 2001, 3190, 3192). Das Risiko einer fehlerhaften Beratung durch den beauftragten Rechtsanwalt und das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung über Honorar- und Schadensersatzansprüche des Rechtsanwalts muss der Geschädigte nicht tragen, wenn die Beauftragung des Rechtsanwalts adäquat-kausale Folge des Schadensereignisses war. Der Streit über die Frage, ob dem Rechtsanwalt des Geschädigten aufgrund einer pflichtwidrigen Durchführung des Auftrags ein Honorar zusteht sowie in welcher Höhe dieses berechtigt ist, ist grundsätzlich zwischen dem Schädiger und dem Rechtsanwalt auszutragen; dies gilt auch für den Einwand, der Rechtsanwalt habe seiner Kostenberechnung einen unzutreffenden Geschäftswert zu Grunde gelegt; der Geschädigte kann daher in einer derartigen Lage den Schädiger auf vollen Ersatz der Kosten bzw. auf Freistellung von den Kosten in Anspruch nehmen und ist lediglich zur Abtretung seiner Ansprüche auf Rückgewähr einer etwaigen Zuvielzahlung verpflichtet (BGH NJW 1990, 2060; KG 10. Zivilsenat Urteil vom 2. März 2006 - 10 U 102/05). Die Abtretung dieser Ansprüche ist in der mündlichen Verhandlung erfolgt.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Absatz 1 Satz 1, 92 Absatz 2 Nr. 1, 93 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Absatz 2 ZPO).

Ferner beschlossen und verkündet:

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 21.738,49 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Wert des auf Widerruf gerichteten Antrages beträgt 20.000 Euro. Bei der Wertfestsetzung war zu beachten, dass die Zeitung der Beklagten zwar einen sehr großen Leserkreis haben dürfte, die Anzahl der Personen, die die Klägerin in dem Artikel identifiziert haben, aber begrenzt war.

Der Wert des Antrages auf Freistellung beträgt 1.738,49 Euro. Dieser setzt sich zusammen aus den vom Landgericht berechneten Kosten für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches in Höhe von 1.166,26 Euro sowie der anteilig auf die Geltendmachung der Gegendarstellung entfallenden Kosten in Höhe von 1/3 der vom Landgericht berechneten Kosten für die Geltendmachung des Unterlassungs- und des Widerrufsanspruches in Höhe von 572,23 Euro (1/3 von 1.716,68 Euro). Die Kosten für die Geltendmachung des Widerspruchs bleiben dagegen gemäß § 43 Absatz 1 GKG außer Betracht.

Ende der Entscheidung

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