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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.07.2005
Aktenzeichen: 9 U 362/03
Rechtsgebiete: BNotO, LAG


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1
LAG § 349
Ein Notar ist nicht verpflichtet, den Verkäufer eines Grundstücks über dessen mögliche Verpflichtung zur Rückzahlung von Lastenausgleich zu belehren, wenn er keine Kenntnis von der Gewährung einer Entschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz hatte und der Kaufpreis angemessen ist.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 9 U 362/03

verkündet am: 8. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2005 durch die Richter am Kammergericht Bulling und Langematz sowie den Richter am Amtsgericht Damaske für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Oktober 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 84 O 34/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz nach dem hier allein in Verbindung mit §§ 398, 1922, 1924, 1942 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 19 Abs. 1 BNotO. Das Landgericht hat vielmehr zu Recht eine Amtspflichtverletzung des verstorbenen Notars Jnnn Knn (im Folgenden: Erblasser) verneint.

Entgegen der Ansicht des Klägers war der Erblasser nicht verpflichtet, ihn bei der Beurkundung vom 3. März 1995 über einen möglicherweise gemäß § 349 Lastenausgleichsgesetz (LAG) bestehenden Rückzahlungsanspruch des zuständigen Ausgleichsamtes wegen erhaltener Lastenausgleichsentschädigungszahlungen zu belehren. Zwar muss ein Notar bei der Beurkundung eines Rechtsgeschäfts gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Er hat dabei auch darauf zu achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Damit soll gewährleistet werden, dass der Notar eine rechtswirksame Urkunde errichtet, die den wahren Willen der Beteiligten vollständig und unzweideutig in der für das Rechtsgeschäft richtigen Form wiedergibt (vgl. BGH, NJW 1994, 2283). Diesen Anforderungen genügt der am 3. März 1995 beurkundete Vertrag jedoch, auch wenn ein Notar sich nicht darauf beschränken darf, in der Urkunde nur die Hauptleistungspflichten der Beteiligten zu regeln, sondern gehalten ist, alle regelungsbedürftigen Fragen anzusprechen und die hierzu nötigen Belehrungen zu erteilen (vgl. BGH a.a.O.).

Die Problematik einer möglichen Verpflichtung zur Rückzahlung von Lastenausgleich war jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem der Notar keine Kenntnis von der Gewährung einer Entschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz hatte und in dem es nicht an einer angemessenen Gegenleistung des Käufers fehlte, keine regelungsbedürftige Frage. Die Pflicht zur Rückzahlung war nicht Folge des vom Erblasser beurkundeten Vertrages, sondern ergab sich aus dem Lastenausgleichsgesetz.

Der Kläger kann sich deshalb auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beratungspflicht eines Notars über nicht abgerechnete Erschließungskosten (vgl. dazu BGH a.a.O.) berufen. Diese Rechtsprechung beruht maßgeblich auf der Erwägung, dass es für den Käufer, der überhaupt nur in Folge eines zu beurkundenden Geschäfts haftet, in der Regel überraschend ist, wenn ihn das dispositive Recht mit Kosten für vor dem Vertragsschluss ausgeführte Erschließungsmaßnahmen belastet. Demgegenüber kommt eine Haftung des Leistungsempfängers nach dem Lastenausgleichsgesetz auch unabhängig von der beurkundeten Veräußerung in Betracht. Zudem musste selbst ein juristischer Laie damit rechnen, dass ein ihm bekannter Lastenausgleich für den Verlust eines Grundstücks nach Rückübertragung und Verwertung zurückzuzahlen ist. Es lag auch auf der Hand, dass sich eine Rückforderung gegebenenfalls gegen den verkaufenden Leistungsempfänger und nicht gegen den Käufer richten würde. Entgegen der Argumentation der Klägerseite würde im Übrigen selbst nach heutiger Gesetzeslage ein Erwerber nur im Fall einer unangemessenen Gegenleistung haften (§ 349 Abs. 5 Satz 2 LAG). Allein auf diese Fälle scheint sich auch das von Ganter (Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, Rn.1051) befürwortete Gebot eines Hinweises "auf die mögliche Verpflichtung zur Rückzahlung von Lastenausgleich (§ 349 Abs. 5 Satz 2 LAG)" zu beziehen.

Ob sich auf Grund besonderer Umstände gleichwohl eine Belehrungspflicht des Notars über die mögliche Rückgewähr empfangener Lastenausgleichszahlungen ergeben kann, bedarf keiner Klärung. Derartige Umstände lagen hier nicht vor. Der Erblasser hatte weder Kenntnis von einer solchen Zahlung an den Kläger und seine Miterben, noch musste sich ihm eine Leistungsgewährung aufdrängen. Auch wenn er jedenfalls durch das im DNotI-Report veröffentlichte Schreiben des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes vom 5. Juli 1993 hinsichtlich der Ausgleichsproblematik sensibilisiert sein musste, war er nicht verpflichtet, diesbezügliche Nachforschungen anzustellen. Insoweit war ebenfalls zu berücksichtigen, dass eine Belehrung der Verkäufer über eine mögliche Rückforderung der Lastenausgleichszahlung, welche bei erfolgter Restitution unabhängig vom Kaufvertrag unvermeidbar war, allenfalls auf die Kaufpreisvorstellung der Verkäufer Einfluss haben konnte, der Notar hier aber zum einen davon ausgehen konnte, dass der erzielte Kaufpreis der bestmögliche war, und er zum anderen über die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts ohnehin nicht belehren musste (vgl. BGH, NJW 1991, 1346/1347; NJW 1993,729/730: Zugehör/Ganter/Hertel, a.a.O., Rn. 1084).

Soweit der Kläger geltend macht, den Verkäufern hätten nach Abzug aller Kosten, Lasten und Gebühren auf jeden Fall 375.000,00 DM netto verbleiben sollen, rechtfertigt das kein anderes Ergebnis. Den Erblasser darauf hingewiesen zu haben, dass in jedem Fall ein Erlös in dieser Höhe ausgekehrt werden sollte und die Verkäufer auf keinen Fall noch irgendwelche im Zusammenhang mit dem Grundstück stehenden Kosten tragen wollten, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Aus den vereinbarten vertraglichen Regelungen musste sich dem Notar das nicht aufdrängen. Danach verpflichteten sich die Verkäufer unter anderem, dem Käufer auf ihre Kosten sämtliche Urkunden und Unterlagen zu beschaffen, die das Vermögensamt zur Prüfung und Beurteilung des angemeldeten Anspruchs benötigt (Ziffer 10 Abs. 4 des notariellen Vertrages), und sich an den Kosten einer etwa notwendigen Dekontaminierung bzw. Entsorgung zu beteiligen (Ziffer 10 Abs. 6 des notariellen Vertrages).

All diese Erwägungen stehen insbesondere auch im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Ermittlungs- und Belehrungspflichten eines ein Grundstücksgeschäft beurkundenden Notars zur Versteuerung von Spekulationsgewinnen. Der Bundesgerichtshof hält den Notar nur dann von sich aus zur Belehrung für verpflichtet, wenn er weiß, dass der Verkäufer das Grundstück innerhalb der letzten zwei Jahre erworben hat und dass die Anschaffungskosten unter dem Verkaufspreis liegen (BGH, NJW 1989, 586; vgl. auch BGH, NJW 1985, 1225; NJW 1995, 2794; OLG Koblenz, OLGR 2002, 400). Der Notar muss insoweit nicht nachfragen, obwohl der Bundesgerichtshof (NJW 1989, 586 zu II.3) unterstellt, dass den Rechtssuchenden das Versteuerungsrisiko weithin unbekannt ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Rechtsstreit gibt weder Veranlassung, durch eine Revisionsentscheidung Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen noch Gesetzeslücken zu schließen. Der Senat sieht sich mit seiner Entscheidung im Einklang mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zum Umfang von Belehrungs- und Nachforschungspflichten des Notars. Im Hinblick darauf steht auch nicht zu befürchten, dass es trotz der von Klägerseite vorgetragenen Vielzahl noch möglicher Rückforderungsbescheide der Lastenausgleichsämter zu unterschiedlichen rechtlichen Beurteilungen bei der Frage der Haftung der Notare für von ihnen beurkundete Kaufverträge kommen wird; die möglicherweise anders als hier zu beurteilende Frage der Haftung gegenüber den Erwerbern bei der Übertragung von Grundstücken ohne angemessene Gegenleistung war nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Ende der Entscheidung

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