Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 9 U 40/06
Rechtsgebiete: ZPO, BPlnPG


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Ziffer 2
ZPO § 522 Abs. 2 Ziffer 3
BPlnPG § 10 Abs. 2 S. 3
Zur Frage der Abänderbarkeit einer Gegendarstellung im Verfügungsverfahren.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 9 U 40/06

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Kammergericht Nippe, des Richters am Kammergericht Langematz und des Richters am Landgericht Lenk am 21.03.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag der Antragsgegnerin auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Februar 2006 - 27 O 68/06 - wird zurückgewiesen.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Antragsgegnerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen nach Zugang des Beschlusses.

Gründe:

Bei einer Verurteilung zum Abdruck einer Gegendarstellung kommt nach Sinn und Zweck eines solchen gesetzlich geregelten Eilverfahrens eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung hierüber ohne weiteres feststeht, dass das angefochtene Urteil keinen Bestand haben kann, weil die zu vollstreckende Entscheidung ganz offensichtlich falsch ist und die Berufung daher offensichtlich Erfolg verspricht (OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 190, 191; OLG Karlsruhe, AfP 1999, 506; OLG Celle NJW 1990, 3280, 3281). Diese Voraussetzungen liegen derzeit nicht vor. Auch die gebotene Abwägung der Nachteile, die für die betroffenen Rechtsgüter dadurch entsteht, dass zwischenzeitlich möglicherweise eine nicht der endgültigen Entscheidung entsprechende Rechtslage geschaffen wird (BVerfG NJW-RR 2000, 1713), führt zu keinem anderen Ergebnis.

Vielmehr hat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg.

Die Gegendarstellung in der Fassung vom 21.02.2006 ist (auch als Gegendarstellung auf der Titelseite) verfahrens- und materiellrechtlich nicht zu beanstanden.

Ergänzend sei Folgendes hervorgehoben:

A)

Nachdem die Antragstellerin die Gegendarstellung vom 18.01.2006 der Antragsgegnerin gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 BPlnPG zugeleitet und diese die Veröffentlichung abgelehnt hatte, mussten die - auf Anregung des Landgerichts - geänderten Fassungen vom 01.02.2006 und dann vom 21.02.2006 nicht auch außerhalb des Verfügungsverfahrens zugeleitet werden. Der Aussagegehalt des Gegendarstellungsverlangens vom 18.01.2006 wurde entgegen der Meinung der Antragsgegnerin durch die beiden (aus Sicht des Senats nicht zwingend gebotenen) Ergänzungen nicht verändert.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist § 10 Abs. 2 S. 3 BlnPG zur Gewährleistung eines effektiven verfahrensrechtlichen Schutzes des Gegendarstellungsrechts einschränkend dahin auszulegen, dass nur die ursprüngliche Gegendarstellung dem zuständigen Redakteur oder dem Verleger zugehen muss, wenn der Aussagegehalt der Neufassung vom Ursprungstext umfasst ist (KG AfP 1984, 228; KG v. 09.11.2004 - 9 U 214/04). Allerdings bezieht sich diese Rechtsprechung des Senats vorrangig auf Fallgestaltungen, in denen die ursprüngliche Fassung der Gegendarstellung nach Stellung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung gekürzt wird (s. aber auch KG AfP 1977,286). Im vorliegenden Verfahren dagegen wurde die der Antragsgegnerin zugeleitete Ursprungsfassung durch die Antragstellerin (zweimal) ergänzt. Dies ist angesichts der Umstände des Streitfalls unschädlich.

Die erste Ergänzung aus dem Schriftsatz vom 01.02.2006 "über Herrn Snnn " wurde Bestandteil der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 02.02.2006. Die Antragstellerin veranlasste selbst die Zustellung der einstweiligen Verfügung bei der Antragsgegnerin am 09. bzw. 10.02.2006. Für die Entscheidungsfindung der Antragsgegnerin, diese Gegendarstellung zu veröffentlichen oder nicht, machte es keinen Unterschied, ob die Antragstellerin ihr die Gegendarstellung in Form der einstweiligen Verfügung oder mit einem gesonderten Schriftsatz zuleitete. Im Fall der Veröffentlichung dieser Gegendarstellung hatte die Antragsgegnerin die Möglichkeit des Kostenwiderspruchs. Diese Ergänzung enthielt auch lediglich eine (aus Sicht des Landgerichts gebotene) Klarstellung der Ursprungsfassung.

Aber auch soweit die zweite Ergänzung der Ursprungsfassung der Gegendarstellung, die den Umfang der Wiedergabe der Ausgangsmitteilung erweiterte ("Ist alles vorbei"), von der Antragstellerin erst im Termin vor dem Landgericht in der Verhandlung über den Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die einstweilig Verfügung beantragt wurde, war dies statthaft. Es dürfte zwar generell problematisch sein, wenn die Ergänzung des Textes der verlangten Gegendarstellung erst im Verhandlungstermin vor dem mit dem Gegendarstellungsverlangen befassten Gericht erfolgt. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass der Umfang der Wiedergabe der Erstmitteilung gleichsam auf Betreiben der Antragsgegnerin ergänzt wurde, da die Antragsgegnerin - obwohl dieser Einwand den Umfang der Gegendarstellung auf der Titelseite vergrößern musste - monierte, es fehle der Gegendarstellung in der Fassung der einstweiligen Verfügung der Bezug zur Erstmitteilung, da die Ausgangsmitteilung nicht vollständig wiedergegeben werde. Es kommt daher für die Zulässigkeit der Verurteilung der Antragsgegnerin nicht maßgeblich darauf an, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht auf den geänderten Sachantrag (Hilfsantrag) eingelassen hat. Darin lag gleichzeitig die endgültige Erfüllungsverweigerung hinsichtlich des geänderten Gegendarstellungsverlangens, so dass dessen erneute vorherige Zuleitung sich als reiner Formalismus darstellen würde (vgl. KG Urt. v. 21.12.2001 - 9 U 291/01; Seitz/Schmidt/Schoner, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rd 728).

B)

Die Entgegnung, die Antragsgegnerin habe mit der Antragstellerin kein Interview "über Herrn Snnn " geführt, ist nicht irreführend. Mit der in der Erstmitteilung enthaltenen Formulierung "Ist alles vorbei?" wird der Gegenstand des Interviews eindeutig umrissen. Es geht um die mögliche Trennung der Antragstellerin von Herrn Snnn , was nachhaltig dadurch unterstrichen wird, dass die Antragsgegnerin den Text auf der Titelseite mit einem Foto des Paares unterlegt. Für den unbefangenen Leser ist offensichtlich, dass sich das Interview nur auf die - für die Antragsgegnerin hinsichtlich der Person der Antragstellerin allein berichtenswerte - Beziehung zu Herrn Snnn bezieht, zumal die Antragstellerin von der Antragsgegnerin jedenfalls auf der Titelseite nicht einmal namentlich erwähnt, sondern nur als "Snnnn Freundin" bezeichnet wird. Es gibt daher keinen Anhalt, dass sich das Interview mit "Snnnn Freundin" auch auf einen anderen Inhalt, etwa die berufliche Karriere der Antragstellerin, beziehen könnte.

Die Antragsgegnerin hat nicht nur unvollständig oder unzutreffend aus einem mit der Antragstellerin über Herrn Snnn geführten Gespräch oder Interview zitiert, sondern erweckt auf der Titelseite den falschen Eindruck, sie habe ein Interview mit der Antragstellerin über deren Beziehung zu Herrn Snnn geführt, obwohl - wie sie im Innenteil einräumt - die Antragstellerin auf entsprechende Fragen ("seid ihr überhaupt noch zusammen?" oder "Ist es endgültig aus zwischen beiden?") schwieg bzw. klarstellte, dass sie sich dazu nicht äußern und nichts sagen wolle. Um der Berichterstattung der Titelseite wirksam entgegen zu treten, muss es der Antragstellerin ermöglicht werden, erläuternd ausführen, dass sie ein Interview über Herrn Snnn gegenüber der Reporterin der Antragsgegnerin ausdrücklich abgelehnt hat.

Hierbei geht es entgegen der Meinung der Antragsgegnerin nicht um einen "Gegenschlag" der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin hat ein berechtigtes Interesse zu verdeutlichen, dass sie nicht nur kein Interview gegeben hat, sondern darüber hinaus sogar Interviewwünsche ausdrücklich zurückweist.

Damit liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO.

Eine Rücknahme der Berufung würde gegenüber einer Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zwei Gerichtsgebühren sparen (vgl. Ziffern 1220, 1222 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück