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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: 9 W 161/08
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 156 Abs. 1 S. 3
Zum Gebührenanspruch des Notars für die Zweitausfertigung einer vollstreckbaren Urkunde nach Verlust der Erstausfertigung auf dem Postweg.
Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 9 W 161/08

In dem Notariatskostenbeschwerdeverfahren gemäß § 156 KostO

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe, den Richter am Kammergericht Damaske und die Richterin am Amtsgericht Knecht am 30.06.2009 beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde des Kostengläubigers vom 21.11.2008 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 08.10.2008 (82 T 505/06 und 82 T 746/08) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kostengläubiger.

3. Der Wert der weiteren Beschwerde wird auf 2.082,20 € festgesetzt

Gründe:

I. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde sind die Kostenberechnungen des Kostengläubigers und Beschwerdeführers (im Folgenden als Notar bezeichnet) vom 30.08.2006 betreffend die weiteren vollstreckbaren Ausfertigungen der Urkunden des Notars zu den UR-Nr. 337/06 und UR-Nr. 432/06.

Der Notar beurkundete am 18.05.2006 zu seiner UR-Nr. 337/06 eine Grundschuld in Höhe von 1.150.000.- € zugunsten der in den genannten Berechnungen bezeichneten Kostenschuldnerin und Beschwerdegegnerin. Am 14.06.2006 erfolgte eine Ergänzungsverhandlung, in der die persönliche Vollstreckungsunterwerfung der Kreditnehmerin beurkundet wurde. Mit einem versehentlich an die Anschrift "... Platz " (statt richtigerweise: "L Platz ") adressierten Schreiben vom 30.06.2006 veranlasste der Notar die Übermittlung der vollstreckbaren Ausfertigungen der Grundschuld (UR-Nr. 337/06) und der Zwangsvollstreckungsunterverwerfung (UR-Nr. 432/06) an die Beschwerdegegnerin, und zwar durch Übergabe an die PIN AG. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass das Schreiben bei ihr nicht eingegangen sei, wohingegen der Notar vorträgt, das Schreiben sei im Machtbereich der Beschwerdegegnerin abhanden gekommen. Weil der Verbleib des Schreibens letztlich nicht zu ermitteln war, beantragte die Beschwerdegegnerin beim Notar mit Schreiben vom 10.07.2006 jeweils eine "neue" Ausfertigung der beiden vollstreckbaren Ausfertigungen. Mit Beschluss vom 21.08.2006 erteilte das Amtsgericht Charlottenburg dem Notar eine Ermächtigung zur Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen der beiden Urkunden. Mit Schreiben vom 30.08.2006 übermittelte der Notar der Beschwerdegegnerin zwei "weitere" vollstreckbare Ausfertigungen. Ebenfalls mit Schreiben vom 30.08.2006 stellte er der Beschwerdegegnerin für jede der "weiteren" Ausfertigungen einen Betrag von 1.041,10 € in Rechnung.

Die Beschwerdegegnerin hat gegen die beiden Kostenrechnungen über insgesamt 2.082,20 € Einwendungen erhoben und geltend gemacht, dass sie angesichts des Verlusts der (ersten) vollstreckbaren Ausfertigungen auf dem Postwege keine Veranlassung zur Zahlung der Kosten sehe. Daraufhin hat der Notar gemäß § 156 Abs. 1 S. 3 KostO die Entscheidung über die Einwendungen der Beschwerdegegnerin beantragt und seine Kostenberechnungen vom 30.08.2006 verteidigt. Er hat ausgeführt, die Kostentragungspflicht ergebe sich aus § 2 Nr. 1 KostO, da die Beschwerdegegnerin die Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigungen beantragt habe; eine Niederschlagung komme nicht in Betracht, weil keine falsche Sachbehandlung vorliege, insbesondere sei die versehentliche falsche Adressierung angesichts der exponierten Lage des Zustellorts nicht vorwerfbar.

Das Landgericht hat die Kostenrechnungen mit Beschluss vom 08.10.2008 aufgehoben und die weitere Beschwerde zugelassen. Der Beschluss ist ausweislich eines entsprechenden Aktenvermerks am 27.10.2008 an den Notar versandt worden.

Mit seiner weiteren Beschwerde vom 21.11.2008 - beim Kammergericht eingegangen am 26.11.2008 - wendet sich der Notar gegen den Beschluss des Landgerichts. Er beantragt, den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 08.10.2008 dahingehend abzuändern, dass die Kostenberechnungen vom 30.08.2006 betreffend die Urkunden UR-Nr. 337/06 und 432/06 in Höhe von jeweils 1.041,10 € aufrecht erhalten werden.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, nachdem das Rechtsmittel gemäß § 156 Abs. 1 S. 2 KostO in der angefochtenen Entscheidung zugelassen worden ist. An diese Entscheidung ist der Senat gebunden (Müller-Magdeburg, Rechtsschutz gegen notarielles Handeln, 2005, Rz 891). Im Übrigen hat der Notar das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt (§ 156 Abs. 2 S. 1 KostO). Es hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Notar hat vorliegend zwei "weitere" vollstreckbare Ausfertigungen i.S.d. §§ 141, 133 KostO erteilt, für die grundsätzlich die geltend gemachten Gebühren in Rechnung gestellt werden durften.

Gemäß §§ 141, 133 KostO wird für die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden die Hälfte der vollen Gebühr u.a. dann erhoben, wenn es sich um die Erteilung einer "weiteren" vollstreckbaren Ausfertigung handelt. Die Erteilung einer "ersten" vollstreckbaren Ausfertigung ist hingegen kostenfrei (Hartmann, KostG, 39. Auflage 2009, zu § 133 KostO Rz 1).

Nach dem Akteninhalt hat der Notar im Juni 2006 "erste" vollstreckbare Ausfertigungen der beiden in Rede stehenden Urkunden dadurch erteilt, dass er sie mit einer Vollstreckungsklausel versehen hat:

Vollstreckbare Ausfertigungen notarieller Urkunden i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, deren Urschrift der Notar selbst verwahrt, werden gemäß § 52 BeurkG nach den dafür bestehenden Vorschriften der §§ 724 ff ZPO erteilt. Eine vollstreckbare Ausfertigung wird gemäß §§ 52 BeurkG, 724f. ZPO erteilt, indem die einfache Ausfertigung einer Urkunde mit einer Vollstreckungsklausel versehen wird (Winkler, Beurkundungsgesetz, 16. Auflage 2008, zu § 52 BeurkG Rz 32). Da in §§ 52 BeurkG, 734 ZPO geregelt ist, dass vor der Aushändigung einer vollstreckbaren Ausfertigung auf der Urschrift der Urkunde zu vermerken ist, für welche Partei und zu welcher Zeit die Ausfertigung erteilt wurde, ist die vollstreckbare Ausfertigung als solche bereits erteilt, wenn die mittels Vermerk dokumentierte Vollstreckungsklausel aufgebracht wurde, ohne dass es dabei auf den Zugang der vollstreckbaren Ausfertigung beim Gläubiger ankäme (vgl. insoweit für vollstreckbare Urteilsausfertigungen: KG, Beschluss vom 20.07.2007 - 14 W 18/07; KG, Beschluss vom 5.05.2009 - 1 W 373/07; jeweils unter Hinweis auf OLG Schleswig, Beschluss vom 19.03.1981 - 8 WF 65/81, SchlHA 1981, 81).

Da die ersten vollstreckbaren Ausfertigungen der Beschwerdegegnerin nach dem Akteninhalt nicht nachweislich zugegangen sind und der Verbleib der Schriftstücke unklar ist, handelt es sich bei den - nach entsprechender Ermächtigung durch das Amtsgericht Charlottenburg vom 21.08.2006 - unter dem 30.08.2006 übermittelten Unterlagen um "weitere" vollstreckbare Ausfertigungen der Urkunden mit den UR-Nrn. 337/06 und 432/06 i.S.d. §§ 141, 133 KostO. Die Beschwerdegegnerin hat die "weiteren" vollstreckbaren Ausfertigungen mit Schreiben vom 10.07.2006 auch zumindest sinngemäß beantragt, so dass sie gemäß §§ 141, 2 Nr. 1 KostO als Kostenschuldnerin zu behandeln ist. Zwar hat sie gebeten, "neue" Ausfertigungen der in Verlust geratenen vollstreckbaren Ausfertigungen zu übersenden, da aus Rechtsgründen wegen des unbekannten Verbleibs der "ersten" Ausfertigungen jedoch nur "weitere" Ausfertigungen erteilt werden durften, war dieser Antrag dahingehend aufzufassen, dass "weitere" Ausfertigungen beantragt werden.

2. Die Beschwerdegegnerin kann den Kostenforderungen aber den Einwand unrichtiger Sachbehandlung gemäß §§ 141, 16 KostO entgegenhalten, weil der Notar bei der Versendung der ersten vollstreckbaren Ausfertigungen unstreitig eine unzutreffende Anschrift angegeben hat ("L2222 Platz " statt "L Platz ") und dies nach dem Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass die Sendung wegen der falschen Adressierung auf dem Postweg abhanden gekommen ist.

a. Zwar rechtfertigt entgegen der Ansicht des Landgerichts allein der Verlust der ersten vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde auf dem Postweg nicht, dass Kosten gemäß § 16 KostO wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben werden. Es gelten hier die Grundsätze, wie sie für den Verlust von Urteilsausfertigungen entwickelt worden sind: Eine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG wird nur bei einem (offensichtlichen) Fehler von Angehörigen staatlicher Rechtspflege angenommen (KG, Beschluss vom 5.09.2009 - 1 W 373/07 unter Hinweis auf KG, Beschluss vom 10.07.2007 - 1 W 193/07, AGS 2007, 639 = KGR 2007, 928). Das Verhalten des mit der Beförderung beauftragten Postdienstleisters ist dem Gericht nicht zuzurechnen, da einerseits der Anspruch des Gläubigers auf Aushändigung einer vollstreckbaren Ausfertigung nicht auf einem Vertrag beruht, auf den § 278 BGB Anwendung finden würde, und andererseits dem Gläubiger nach dem Grundsatz des § 734 ZPO die vollstreckbare Ausfertigung an Gerichtsstelle "auszuhändigen" ist; beantragt der Gläubiger stattdessen ausdrücklich oder konkludent die Übersendung der vollstreckbaren Ausfertigung, trägt er das Übermittlungsrisiko in Form der Gebühr für die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung gemäß Nr. 2110 KV GKG i.V.m. § 22 Abs. 1 S. 1 GKG, sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die erste vollstreckbare Ausfertigung im Verantwortungsbereich des Gerichts abhanden gekommen ist; die bloße Möglichkeit, dass der Verlust auf einem sorgfaltswidrigen Verhalten von Justizbediensteten beruht, wird nicht für ausreichend erachtet, da für eine Nichterhebung der Kosten die unrichtige Sachbehandlung feststehen muss (KG, Beschluss vom 5.05.2009 - 1 W 373/07 unter Hinweis auf KG, Beschluss vom 20.07.2007 - 14 W 18/07). Wenn § 734 ZPO lediglich von der "Aushändigung" der vollstreckbaren Ausfertigung spricht, ist es de lege lata gerechtfertigt, die Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung durch persönliche Übergabe an Gerichtsstelle als gesetzlichen Regelfall anzusehen, was zur Folge hat, dass eine postalische Übermittlung - jedenfalls wenn sie auf Bitten des Antragstellers erfolgt - in seinen Risikobereich fällt und er die Kosten nach Nr. 2110 KV GKG zu tragen hat. Da über § 52 BeurkG die Vorschrift des § 734 ZPO auch für die von einem Notar zu erteilenden vollstreckbaren Ausfertigungen gilt, besteht kein Anlass, von dieser gesetzlichen Risikoverteilung abzugehen, soweit es um die Frage des Übermittlungsrisikos für die erste vollstreckbare Ausfertigung nach §§ 52 BeurkG, 724 f. ZPO geht.

b. Jedoch hat der Notar vorliegend die an die Beschwerdegegnerin gerichtete Sendung unstreitig mit einer unzutreffenden Anschrift versehen. Eine fehlerhafte Adressierung stellt einen Fehler i.S.d. § 16 KostO dar. Geht eine Postsendung bei falscher Anschriftenangabe dem Adressaten nicht nachweislich zu, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ihm das Schriftstück aufgrund des Fehlers nicht zugegangen ist. Die vom Notar geschilderten Umstände sind nicht geeignet, diesen Anschein zu erschüttern. Frühere falsch adressierte Schreiben mag die Gläubigerin zwar erhalten haben; auch mag die von der Beschwerdegegnerin betriebene Bank auf dem ... Platz gut sichtbar sein, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass eine Zustellung trotz falscher Adressierung hätte erfolgen können. Allerdings ist der Notar nicht in der Lage, einen konkreten Bediensteten der PIN AG, insbesondere den Zusteller der Sendung vom 30.06.2006, für die Gegebenheiten vor Ort und die Zustellgepflogenheiten zu benennen. Demgegenüber erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass im Hause der Beschwerdegegnerin just in dem Moment Urkunden abhanden gekommen sein sollen, als ihr diese unter einer falschen Anschrift übermittelt wurden. Der Notar hat aus Unachtsamkeit eine Ungewissheit geschaffen, für die er in Form des Verlusts seines Gebührenanspruches haftet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG

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