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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 13.09.2000
Aktenzeichen: 1 Ta 49/00
Rechtsgebiete: RPflG, BRAGO, ZPO


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
BRAGO § 19
BRAGO § 33
ZPO § 91
ZPO § 92
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 187 Satz 2
ZPO § 577 Abs. 2
ZPO § 577 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 Ta 49/00

Beschluss vom 13.09.2000

Im Beschwerdeverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 1. Kammer - durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Baur ohne mündliche Verhandlung am 13.09.2000 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und die Anschlussbeschwerde des Beteiligten Ziff. 2 wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lörrach - Kammern Radolfzell - vom 27.04.2000 - 3 Ca 419/99 - teilweise abgeändert und der Klarheit halber wie folgt neu gefasst:

Die gemäß § 19 BRAGO vom Beteiligten Ziff. 2 an die Beteiligten Ziff. 1 zu zahlende Vergütung wird auf 302,27 DM nebst 4 % Zinsen seit 20.12.1999 festgesetzt. Im Übrigen wird der Festsetzungsantrag der Beteiligten Ziff. 1 zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde des Beteiligten Ziff. 2 wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lörrach - Kammern Radolfzell - 3 Ca 419/99 - vom 21.06.2000 insgesamt aufgehoben.

Die Beteiligten Ziff. 1 tragen die Kosten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 562,66 DM.

Gründe:

1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lörrach vom 27.04.2000 ist zulässig.

Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Zwar liegt ein Zustellungsnachweis nicht vor, weil das Arbeitsgericht Lörrach trotz teilweiser Abweisung des Vergütungsfestsetzungsantrags den Beschluss lediglich formlos zugestellt hat. Da es sich bei der sofortigen Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG um eine solche im Sinne des § 577 Abs. 2 ZPO handelt, ist die Beschwerdefrist eine Notfrist. Deshalb lässt sich nach § 187 Satz 2 ZPO ein Zustellungsmangel, wie etwa das Fehlen des Nachweises der förmlichen Zustellung, nicht heilen. Mit dieser Maßgabe ist die sofortige Beschwerde als rechtzeitig eingegangen zu erachten.

Die Beschwerde ist nur zu einem unwesentlichen Teil begründet. Die Beteiligten Ziff. 1 rügen zu Recht, dass das Arbeitsgericht von einem unrichtigen Kürzungsbetrag für die Rechtsanwälte der neuen Bundesländer ausgegangen sei. Die Kürzung der Anwaltsgebühren beträgt seit 1996 lediglich noch 10 % (vgl. § 1 Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung vom 15.04.1996).

2. Sofern die Beteiligten Ziff. 1 mit der Beschwerde die Festsetzung einer Erörterungsgebühr statt der Festsetzung lediglich einer 5/10-Erörterungsgebühr verlangen, ist die Beschwerde unbegründet. Den Beteiligten Ziff. 1 steht überhaupt keine Erörterungs-/Verhandlungsgebühr zu. Denn im Termin vom 19.05.1999 vor dem Arbeitsgericht Dessau hat weder eine streitige noch eine nicht streitige Verhandlung im Sinne des § 33 BRAGO stattgefunden. Vielmehr blieb der Beteiligte Rechtsanwalt F. insgesamt untätig, weshalb das Ruhen des Verfahrens angeordnet wurde. Die bloße Erklärung: "Ich stelle heute keinen Antrag" löst keine vergütungsrechtlichen Tatbestände aus, weil in diesem Fall der Anwalt überhaupt nicht "verhandelt", also auch nicht unstreitig verhandelt.

3. Bei der sofortigen Beschwerde des Beteiligten Ziff. 2 handelt es sich um eine unselbstständige Anschlussbeschwerde und zugleich um eine selbstständige Beschwerde, sofern sie sich gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 27.06.2000 richtet. Sie ist in beiden Formen zulässig und begründet.

a) Mit ihr wendet sich der Beteiligte Ziff. 2 zu Recht gegen den Erlass des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses vom 27.06.2000. Zum Erlass dieses Beschlusses war das Gericht gemäß § 577 Abs. 3 ZPO nicht befugt.

Das vorgenannte Abhilfeverbot gilt auch in den Fällen, in denen die Entscheidung des Rechtspflegers nach § 11 Abs. 1 RPflG in der Fassung vom 06.08.1998 der sofortigen Beschwerde unterliegt. Die Gegenmeinung geht von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers aus. Die Gesetzesmaterialien machen jedoch deutlich, dass der Gesetzgeber das Abhilfeverbot des § 577 Abs. 3 ZPO bewusst auch in den Fällen des § 11 Abs. 1 RPflG n. F. übernommen hat.

Auf dem 61. Juristentag wurde der Beschluss gefasst, die Durchgriffserinnerung abzuschaffen und gegen die Entscheidung des Rechtspflegers die direkte Beschwerde zum Beschwerdegericht zu eröffnen. Der Gesetzgeber folgte, wie er in der Begründung zu dem Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des RPflG (BT-Dr 13/10244) hervorhob, der Empfehlung des Juristentages. In der Begründung wird ausgeführt, dies bedeute eine Entlastung für den Richter, der sich bisher in derselben Instanz wie der Rechtspfleger mit dem Rechtsbehelf befassen musste. Hinsichtlich der Beschwerdekammern verweist die Begründung auf den Entwurf des Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 04.12.1996, durch den die Möglichkeiten des Einsatzes des Einzelrichters erweitert werden sollten. Es folgt der für den Streit und die Abhilfebefugnis besonders wichtige Absatz: "Soweit Entscheidungen des Rechtspflegers nach den allgemeinen Regeln des Verfahrensrechts nicht anfechtbar sind, muss aus verfassungsrechtlichen Gründen weiterhin der Rechtsbehelf der einfachen Erinnerung gegeben sein. Der Rechtspfleger soll künftig immer die Möglichkeit haben, der Erinnerung abzuhelfen, nicht nur in den Fällen der Festsetzungsverfahren nach § 21 Nrn. 1 und 2". Aus dem Kontext ergibt sich, dass sich der letzte Satz nur auf Erinnerungsverfahren bezieht, die betrieben werden müssen, wenn eine Beschwerde ausgeschlossen ist. Das Abhilfeverbot nach § 577 Abs. 2 ZPO ist sonach geltendes Recht und als solches zu befolgen (vgl. auch Arnold/Meyer-Stolte/Hansens, RPflG 5. Aufl., § 11 Rn. 26 ff.), auch wenn dieses Ergebnis wegen des erheblichen Mehraufwandes bei den Beschwerdegerichten rechtspolitisch nicht hinreichend durchdacht gewesen sein sollte.

Danach war das Arbeitsgericht Lörrach verpflichtet, die sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 unmittelbar dem Beschwerdegericht vorzulegen. Der Erlass eines erneuten Vergütungsfestsetzungsbeschlusses am 21.06.2000 war deshalb rechtswidrig. Dies führt auf Grund der Beschwerde des Beteiligten Ziff. 2 zur Aufhebung dieses Beschlusses.

b) Darüber hinaus rügt der Beteiligte Ziff. 2 zutreffend die Festsetzung einer 5/10-Verhandlungsgebühr. Insoweit wendet er sich im Wege einer unselbstständigen Anschlussbeschwerde auch gegen deren Festsetzung im Beschluss vom 27.04.2000. Denn er hält die Festsetzung einer Verhandlungs- oder Erörterungsgebühr insgesamt für nicht statthaft. Diese Auffassung wird vom Beschwerdegericht, wie vorstehend zu Ziff. 2 erläutert, mitgetragen.

Es ergibt sich sonach folgende Vergütungsfestsetzung:

5/10 Prozessgebühr 218,30 DM Auslagenpauschale (15 % nach § 26 BRAGO) 32,80 DM 16 % MWSt 40,17 DM Zustellungsauslagen 11,00 DM insgesamt 302,27DM.

Soweit das Arbeitsgericht einen höheren Betrag festgesetzt hat, ist der maßgebliche Beschluss unter Zurückweisung des Festsetzungsantrags im Übrigen abzuändern.

4. Die Kostenfolge beruht auf §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus der Summe des Betrages, den die Beteiligten Ziff. 1 über den festgesetzten Betrag hinaus mit der Beschwerde erreichen wollen (309,49 DM), und des Betrages, um den der Beteiligte Ziff. 2 den festgesetzten Betrag mindern will (253,17 DM).

Ende der Entscheidung

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