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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.07.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 26/05
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 307
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 611
BGB § 611 a
BGB § 611 a Abs. 4 Satz 2
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 11 Sa 26/05

Verkündet am 28.07.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 11. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bernhard die ehrenamtliche Richterin Hoffmann und den ehrenamtlichen Richter Pohnke auf die mündliche Verhandlung vom 28.07.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Offenburg - vom 01.02.2005, Az. 5 Ca 503/04, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Differenz zwischen dem Ursprungslohn und einem gekürzten Lohn zu zahlen im Wesentlichen im Hinblick auf die Frage, ob die Berufung auf eine vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist möglich ist oder nicht.

Der Kläger war vom 01.10.2003 bis 31.08.2004 als Werkzeugmechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien war der Arbeitsvertrag vom 24.09.2003 dessen § 10 (Ausschlussklausel/Zeugnis) wie folgt lautet:

"Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen von beiden Vertragsteilen spätestens innerhalb eines Monats nach Beendigung schriftlich geltend gemacht werden. Anderenfalls sind sie verwirkt."

In § 4 des Arbeitsvertrags hatten die Parteien einen Stundenlohn von 12,50 € vereinbart, in § 11 für Nebenabreden und Änderungen des Vertrags ein Schriftformerfordernis, das weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden konnte.

Mit Schreiben vom 10.05.2004 an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kündigte die Beklagte an, den Lohn aus wirtschaftlichen Gründen bis zum 31.12.2004 befristet um 10 % zu kürzen. Dementsprechend wurde auch beim Kläger ab Mai 2004 verfahren. In der Zeit von Mai bis August 2004 bezahlte die Beklagte dem Kläger für geleistete 733,65 Stunden lediglich einen Stundenlohn von 11,25 €. Erstmals mit Schreiben vom 22.10.2004 hat der Kläger seinen im Arbeitsvertrag vereinbarten Stundenlohn für die zurückliegende Zeit eingefordert ohne dass dies Erfolg gehabt hätte.

Der Kläger machte daraufhin klagweise die Vergütungsdifferenz zum vereinbarten Stundenlohn von 12,50 € mit insgesamt 917,06 € brutto geltend und hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 917,06 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung

beantragt und die Auffassung vertreten, durch das widerspruchslose Weiterarbeiten des Klägers habe dieser einer Vertragsänderung hinsichtlich der Vergütung zugestimmt. Außerdem habe er die Ausschlussfrist in § 10 des Arbeitsvertrags nicht gewahrt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dem Kläger 917,06 € brutto als Differenzvergütung für 733,65 geleistete Arbeitsstunden zugesprochen. Es hat ausgeführt, der im Arbeitsvertrag vereinbarte Stundenlohn sei nicht wirksam geändert worden, ohne dass es darauf angekommen wäre, ob die widerspruchslose Weiterarbeit des Klägers eine Annahmeerklärung beinhalten könnte. Die Beklagte habe nämlich schon gar kein Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrags unterbreitet, sondern vielmehr lediglich kundgetan, sie werde einseitig den Lohn um 10 % kürzen. Im Übrigen wäre einer einvernehmlichen Abänderung des Vertrags auch die vereinbarte Schriftformklausel entgegen gestanden. Auf die in § 10 des Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschlussfrist könne sich die Beklagte nicht berufen, diese sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteilige. Eine Ausschlussfrist von lediglich einem Monat weiche erheblich von den gesetzlichen Verjährungsfristen ab, ohne dass dies durch die besondere Interessenlage der Parteien gerechtfertigt wäre. Dem verständlichen Klarstellungsinteresse des Arbeitgebers, insbesondere nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sei ausreichend Rechnung getragen durch eine Ausschlussfrist, die dem Arbeitnehmer hinreichend Zeit einräume, sich über bestehende Rechte im Klaren zu werden und diese durchzusetzen. Eine die Dauer von 6 Monaten unterschreitende Ausschlussfrist stelle dagegen eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar, weil sie die Durchsetzung restlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis im Vergleich zur gesetzlichen Regelung stark erschwere und ein Bedürfnis für eine sehr kurze Ausschlussfrist von einem Monat nicht anzuerkennen sei.

Mit ihrer am 09.03.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung gegen das ihr am 11.02.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts, die sie am 04.04.2005 begründet hat, strebt die Beklagte weiterhin eine vollständige Klagabweisung an. Dabei beruft sie sich ausdrücklich auf die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist und vertritt darüber hinaus die Auffassung, der Kläger habe im Hinblick auf sein widerspruchsloses Weiterarbeiten und die Tatsache, dass er Ansprüche erst zwei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht habe, diese auf jeden Fall verwirkt. Die Beklagte ist der Meinung, durch die Schuldrechtsreform habe sich an der Rechtslage gegenüber früher nichts geändert, das Bundesarbeitsgericht habe aber nach altem Recht deutlich kürzere Ausschlussfristen als solche, die nunmehr das Arbeitsgericht für angemessen erachte, als wirksam angesehen. Die Anwendung des § 307 BGB sei schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Arbeitsgericht keine Feststellungen darüber getroffen habe, ob es sich bei der Regelung in § 10 des Arbeitsvertrags überhaupt um allgemeine Geschäftsbedingungen, also um einen vorformulierten Vertragsbestandteil gehandelt habe, der von der Beklagten in einer Vielzahl von Fällen verwendet und der anderen Vertragspartei gestellt worden sei.

Die Beklagte stellt den Antrag:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg vom 01.02.2005, Az. 5 Ca 503/04, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Sollte die Berufung der Beklagten abgewiesen werden, wird die Revision zugelassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und geht davon aus, dass nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes Verfallsfristen unter 3 Monaten nicht mehr als angemessen im Sinne des § 307 BGB angesehen werden können. Er beruft sich ausdrücklich darauf, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag vom 24.09.2003 um einen solchen handele, den die Beklagte bei zahlreichen ihrer Beschäftigten formularmäßig verwendet habe und vermag in seiner Forderung trotz widerspruchsloser Weiterarbeit keinen Verstoß gegen Treu und Glauben sehen, weil er ansonsten Gefahr gelaufen wäre, noch früher als geschehen von der Beklagten gekündigt worden zu sein.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens wird auf Berufungsbegründung und Berufungserwiderung vollumfänglich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthafte und unter Berücksichtigung des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG fristgerecht und im Übrigen formwirksam eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist insgesamt zulässig, sie ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht und mit zutreffender Begründung die geltend gemachte Vergütungsdifferenz in der unstreitigen Höhe von 917,06 € brutto zugesprochen, da der klägerische Anspruch dem Grunde und der Höhe nach entstanden, im Hinblick auf einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen nicht verfallen und eine Verwirkung nicht eingetreten war. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird vollumfänglich verwiesen, die Berufungsbegründung gibt Anlass zu den nachstehenden ergänzenden Ausführungen:

1. Der Kläger hat einen Anspruch erworben auf Zahlung der Differenzvergütung von 1,25 € pro Stunde für insgesamt 733,65 in der Zeit vom 01.05. bis 31.08.2004 geleistete Arbeitsstunden. Dies ergibt den vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Betrag von 917,06 € brutto. Unstreitig haben die Parteien im Arbeitsvertrag einen Stundenlohn von 12,50 € vereinbart, ebenso unstreitig hat die Beklagte aufgrund einseitiger Maßnahme, die sie den Mitarbeitern in einem Rundschreiben mitteilte, diesen Stundenlohn mit Wirkung ab 01.05.2004 um 10 %, also um 1,25 € gekürzt. Der Kläger erhielt also pro gearbeiteter Stunde 1,25 € weniger vergütet, als nach arbeitsvertraglicher Vereinbarung geschuldet, ohne dass es zu einer wirksamen Abänderungsregelung gekommen wäre. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass noch nicht einmal ein Angebot der Beklagten auf Reduzierung des Stundenlohns vorlag, sondern vielmehr lediglich die Wissensmitteilung der Beklagten bezüglich einer einseitigen Maßnahme, sodass in der widerspruchslosen Weiterarbeit des Klägers keine Vertragsannahme gesehen werden konnte. Das Arbeitsgericht hat ebenso zu Recht darauf hingewiesen, dass einer Vereinbarung im Übrigen das doppelte Schriftformerfordernis des § 11 des Arbeitsvertrags zwischen den Parteien entgegen gestanden hätte, auch hieran wäre eine Vertragsänderung gescheitert. Die Beklagte hat sich mit den Argumenten des Arbeitsgerichts insoweit nicht auseinandergesetzt, sie hat zweitinstanzlich das Zustandekommen einer abändernden Lohnvereinbarung nicht mehr thematisiert ebensowenig die Frage der Wirksamkeit einer solchen. Dass damit aber der vom Kläger geltend gemachte Vergütungsdifferenzanspruch entstanden war, kann auch zweitinstanzlich ernsthaft nicht in Zweifel gezogen werden.

2. Der Anspruch des Klägers ist nicht verfallen. Die Parteien haben in § 10 des Arbeitsvertrags vom 24.09.2003 zwar eine Ausschlussklausel vereinbart, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens innerhalb eines Monats nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden müssen. Diese Ausschlussfrist hatte der Kläger mit Schreiben vom 22.10.2004 nach seinem Ausscheiden zum 31.08.2004 auch nicht eingehalten. Die Nichteinhaltung der Ausschlussfrist führt aber nicht zum Verfall des klägerischen Anspruchs, weil die Vereinbarung in § 10 des Arbeitsvertrags unwirksam ist, sie hält einer Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht stand.

a) Bei der Regelung in § 10 des Arbeitsvertrags zwischen den Parteien handelt es sich um eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Kläger hat jedenfalls in der Berufung ausdrücklich behauptet, die Beklagte habe die Ausschlussklausel für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen vorformuliert und dem Kläger bei Abschluss des Vertrags gestellt. Dies hat die Beklagte auch zweitinstanzlich nicht bestritten, sie hat lediglich gerügt, das Arbeitsgericht sei der Frage nicht nachgegangen. Das Berufungsgericht jedenfalls ist nicht gehalten, der Frage nachzugehen, da die Beklagte die Tatsachenbehauptung des Klägers, die für die Bejahung des Rechtscharakters der Klausel als allgemeine Geschäftsbedingung ausreicht, nicht bestritten hat. Dass es sich bei § 10 des Arbeitsvertrags um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt ist jedoch auch aus deren Wortlaut selbst erkennbar. § 10 trägt die Überschrift "Ausschlussklausel/Zeugnis". Darunter ist jedoch im Arbeitsvertrag mit dem Kläger lediglich die Regelung der Ausschlussfristen formuliert. Über das Zeugnis enthält die Klausel nichts. Bereits daraus wird deutlich, dass es sich bei dem fraglichen Passus um eine Vorformulierung der Beklagten handelt, die im Bedarfsfalle ausgefüllt und als Ganzes oder aber nur in ihren Teilen verwendet wird.

b) Die Ausschlussfrist des § 10 des Arbeitsvertrags benachteiligt durch ihre Länge von einem Monat gerechnet ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Kläger unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies ist zu bejahen, wenn rechtlich anerkannte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sind oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen werden. Die beiden Positionen sind umfassend zu würdigen. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller typisierender vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG 04.03.2004, 8 AZR 196/03, AP Nr. 3 zu § 309 BGB; BGH 03.11.1999, VIII ZR 269/98 BGHZ 1963, 104). Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies knüpft an den Gedanken an, dass den Vorschriften des dispositiven Rechts bei der Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Ordnungs- und Leitbildfunktion zukommt (BGH 21.12.1983 VIII ZR 195/82 BGHZ 89, 206).

bb) Ausschlussfristen führen zu einer Verjährungserleichterung, die sich am Leitbild des gesetzlichen Verjährungsrechts messen lassen muss (Palandt/Heinrichs BGB 62. Auflage 2003 § 202 Rz. 8, § 307 Rz. 25 ff; Preis/Erf. Kom. 5. Auflage 2005 §§ 194 -218 BGB Rz. 50). Dies zeigt sich im Regelungsvergleich:

Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden im Arbeitsverhältnis. Innerhalb einer bestimmten Frist soll Klarheit zwischen den Beteiligten geschaffen werden, ob noch Ansprüche aus ihren Rechtsbeziehungen erhoben werden. Der Gläubiger soll angehalten werden, die Begründetheit und die Erfolgsaussichten seiner Ansprüche zu überprüfen. Er soll daher den Schuldner innerhalb der tariflichen Ausschlussfristen darauf hinweisen, ob und welche Ansprüche im Einzelnen nach seiner Meinung noch bestehen. Der Schuldner soll sich auf die aus Sicht des Gläubigers noch offene Forderung einstellen, Beweise sichern oder vorsorglich Rücklagen bilden können. Er soll sich darauf verlassen können, nach Ablauf der Frist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 19.03.2003, 10 AZR 597/01, EzA § 717 ZPO 2002 Nr. 1). Dieser Regelungszweck entspricht den Verjährungsvorschriften, die ungeachtet ihrer Ausgestaltung als rechtshemmende Einrede zu einem Forderungsverlust führen. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass es umso schwieriger wird, zuverlässige Feststellungen durch die für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebenden Tatsachen zu treffen, je weiter diese zurückliegen. Die Verjährung soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge beansprucht zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm die Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhanden gekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind. Andererseits soll der Gläubiger noch ausreichend Zeit haben, um Ansprüche wirksam und rechtzeitig geltend machen zu können. Schließlich soll den Parteien auch genügend Zeit für eine gütliche Einigung bleiben (BGH 20.04.1993 X ZR 67/92, BGHZ 122, 241; BT Drucksache 14/6040, 100).

cc) Lohnansprüche des Arbeitnehmers verjähren gemäß § 195 BGB in drei Jahren beginnend mit dem 31.12. des Jahres. Die Ansprüche des Klägers wären demnach erst am 31.12.2007 verjährt. Diese Frist ist durch die Regelung in § 10 des Arbeitsvertrags auf einen Monat und damit auf 1/40 reduziert worden. Eine solch eklatante Verkürzung stellt eine unangemessene Benachteiligung des Klägers im Sinne des § 307 BGB dar.

(1) Ausschlussfristen scheitern nicht grundsätzlich am Vorbild des Verjährungsrechts, wenn sie dessen Fristen unterschreiten. Sie müssen sich aber an den Wertungen des Verjährungsrechts messen lassen soweit, wie im Arbeitsrecht mit Ausnahme des § 611 a BGB, keine gesetzlichen Regelungen bestehen, die vertragliche Ausschlussfristen generell zulassen (Preis/Rohloff - Die Inhaltskontrolle vertraglicher Ausschlussfristen in RDA 2005, 144 ff., 151). Zwar können echte Individualvereinbarungen erheblich von den gesetzlichen Verjährungsvorschriften abweichen. Da die Verjährungsfristen aber ein Leitbild nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bilden, ist eine Erleichterung der gesetzlichen Verjährungsfristen im Wege der Ausschlussfristen in einer AGB nur begrenzt möglich. Das Verjährungsrecht schützt in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH jedenfalls vor wesentlicher Unterschreitung der Mindeststandards des Verjährungsrechts durch Ausschlussfristen im Formulararbeitsvertrag (Preis/Rohloff a. a. O., S. 152).

(2) Der einzige gesetzliche Anhaltspunkt im Arbeitsrecht für eine Mindestlänge arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen findet sich in § 611 a Abs. 4 Satz 2 BGB, der für Schadensersatzansprüche der Bewerberin/des Bewerbers bei einer Diskriminierung wegen des Geschlechts eine Ausschlussfrist von 2 bzw. 6 Monaten nach der Ablehnung des Bewerbers/der Bewerberin vorsieht. Ob daraus eine allgemeine Regelung über die Mindestlänge der Ausschlussfristen entnommen werden kann, ist fraglich, da die Interessen der Vertragsteile, die für die Überprüfung der Angemessenheit von entscheidender Bedeutung sind, wesentlich auch geprägt sind dadurch, wie einfach oder schwierig im Einzelfalle die Feststellung und Ermittlung des geltend zu machenden Anspruchs ist. Im Falle des § 611 a BGB sind der Bewerberin/dem Bewerber die wesentlichen Tatsachen, nämlich die Stellenausschreibung, das Bewerbungsverfahren und die spätere Ablehnung der Bewerbung, bekannt, er/sie muss nur Anhaltspunkte für eine Diskriminierung vortragen. Damit betrifft § 611 a BGB einen Anspruch, den der Bewerber/die Bewerberin kurzfristig geltend machen kann gerade auch, weil er/sie nicht während eines bestehenden oder entstehenden Arbeitsverhältnisse Rücksicht darauf nehmen muss, nicht gerade wegen der Geltendmachung weitere Rechtsnachteile zu erleiden. Wenn in einem solchen Fall der Gesetzgeber die Ausschlussfrist auf 2 bzw. 6 Monate festsetzt, so kann dies als absolute Mindestgrenze der Länge vertraglicher Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen angesehen werden (so auch Preis a. a. O., S. 156).

(3) Die von der Beklagten vorgegebene Ausschlussfrist von einem Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls zu kurz bemessen. Die Unterschreitung der gesetzlichen Verjährungsfristen um 39/40, die Reduzierung der Ausschlussfrist des § 611 BGB auf die Hälfte, verkürzt die Möglichkeit des Klägers, seine Vergütungsansprüche, die in einem Zeitraum von nur 4 Monaten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgelaufen waren, in so erheblichem Maße, dass dies mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen des Verjährungsrechts und der Ausschlussfristenregelung des § 611 BGB nicht mehr zu vereinbaren ist. Dies gilt umso mehr, als kein besonderer Grund erkennbar wäre, weshalb die Beklagte ein gesteigertes Interesse an einer besonders eiligen Herbeiführung von Rechtsklarheit haben sollte. Derartiges hat die Beklagte im Verfahren jedenfalls nicht vorgetragen.

c) Die Unwirksamkeit der Ausschlussklausel kann nicht geltungserhaltend reduziert werden dahingehend, dass eine Ausschlussfrist von 2 Monaten einzuhalten gewesen wäre. Zum einen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine Ausschlussfrist von 2 Monaten nicht auch zu kurz gewesen wäre, um den Anforderungen an die Billigkeitskontrolle nach § 307 BGB gerecht zu werden, zum anderen verbietet sich die geltungserhaltende Reduktion schon dem Grundsatz nach bei unwirksamen Vertragsklauseln in Formulararbeitsverträgen (BAG 04.03.2004 NZA 2004 727, 734). Schließlich und im Übrigen hätte der Kläger eine Ausschlussfrist von 2 Monaten gerechnet ab seinem Ausscheiden am 31.08.2004 mit seinem Schreiben vom 22.10.2004 auch eingehalten.

3. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt. Hierfür fehlt es sowohl am Zeit- als auch am Umstandsmoment.

Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers können bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist verwirkt sein. Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Gläubiger es längere Zeit nicht ausgeübt hat, der Schuldner darauf vertraut hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen werden, und diesem die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist.

Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen gilt der Grundsatz, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist. Von daher werden Vergütungsansprüche, die bereits nach 2 Jahren verjähren, nur selten verwirken (BGH 16.12.1988, AP Nr. 44 zu § 242 - Verwirkung). Bei einer dreijährigen Verjährungsdauer ist dies nicht wesentlich unterschiedlich zu bewerten. Ungeachtet dessen ist aber auch anerkannt, dass grundsätzlich allenfalls ein Zeitraum von mehr als einem halben Jahr seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeignet ist, das Zeitmoment zu erfüllen (Erf. Kom./Preis § 611 BGB Rz. 688). Der Kläger hat seine Ansprüche vor Ablauf von 5 Monaten gerechnet ab der Fälligkeit der ersten Monatsdifferenzvergütung geltend gemacht. Dies jedenfalls reicht nicht aus um das Zeitmoment für die Verwirkung anzuerkennen.

Darüberhinaus ist aber auch das Umstandsmoment nicht erfüllt. Da die Beklagte die Lohnkürzung einseitig angeordnet hat, ohne eine Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer zu erbeten, da es sich um eine Maßnahme allen Mitarbeitern gegenüber handelte und dadurch auch eine gewisse Gruppenzwangsituation entstand, konnte die Beklagte angesichts der fortbestehenden Arbeitsverhältnisse nicht davon ausgehen, dass einzelne Arbeitnehmer wie der Kläger sich der Lohnreduzierung ausdrücklich widersetzen würden und dabei Gefahr laufen müssten, ihr Arbeitsverhältnis aufs Spiel zu setzen. Die Beklagte konnte sich also gerade nicht darauf einstellen, dass nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Lohnausgleich auf sie zukommen würden.

Da die Berufung zurückgewiesen wurde, hatte die Beklagte nach § 97 ZPO die Kosten des vergeblich eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision gegeben. Sie wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil die Frage, ob Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen von weniger als zwei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stets unwirksam sind, grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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