Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 12 Sa 8/07
Rechtsgebiete: BAT, TVöD, BGB


Vorschriften:

BAT § 4
BAT § 22
TVöD § 2
BGB § 305c Abs. 2
1. Korrigierende Rückgruppierung ohne vorherigen Ausspruch einer Änderungskündigung; hier: irrtümlich zu hohe Eingruppierung einer Mitarbeiterin für Tätigkeiten im Sozial- und Erziehungsdienst, die zusätzlich eine Ausbildung zur Diplom-Sozialpädagogin absolviert und sich auf dieses Diplom in ihrer Bewerbung berufen hat.

2. Treuwidrige Rechtsausübung bei Rückgruppierung aus Gründen des Vertrauensschutzes.


Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 17.01.2007 - Az.: 5 Ca 303/06 - abgeändert und im Kostenpunkt aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Vergütungsdifferenz für die Monate Juli bis November 2006 in Höhe von EUR 1.359,55 brutto (in Worten: eintausenddreihundertfünfzigundneun) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01. Dezember 2006 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin ab dem 1. Dezember .2006 nach der Vergütungsgruppe 9 Stufe 5 des TVöD zu vergüten ist.

4. Die Kosten des Rechtsstreits - beider Rechtszüge - trägt die Beklagte.

5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer korrigierenden Rückgruppierung von der Vergütungsgruppe IVb der Vergütungsordnung zum BAT (nunmehr Vergütungsgruppe 9 Stufe 5 TVöD) in die Vergütungsgruppe Vb (nunmehr Vergütungsgruppe 9 Stufe 4 TVöD).

Die am 27.05.1968 geborene Klägerin bewarb sich kurz vor Beendigung ihrer Ausbildung zur Diplom-Sozialpädagogin um eine entsprechende Stelle bei dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Landeswohlfahrtsverband Baden. Dieser hatte am 30.08.1992 in den "B. N. N." inseriert, dass er für sein L. S. S.

"... engagierte Erzieher/innen, Sozialpädagog/innen für Vollzeit- und Teilzeittätigkeit in den Tagesgruppen mit 7-14jährigen Jungen, die die gruppenpädagogische Arbeit teamorientiert mitgestalten..."

suche. In der Anzeige verwies er auf "Bezahlung nach BAT und die im öffentlichen Dienst üblichen Sozialleistungen" (ABl. 63 der erstinstanzlichen Akte).

Das Bewerbungsschreiben der Klägerin vom 11.09.1992 hat folgenden Wortlaut:

"... Aus der Zeitung entnahm ich das Stellenangebot, das Sie auch an Sozialpädagoginnen für die Tätigkeit in Tagesgruppen richten. Zur Zeit absolviere ich mein Berufspraktikum als Diplom-Sozialpädagogin (FH), das am 30. September 1992 abgeschlossen sein wird. So käme für mich der 1. Oktober zur Aufnahme einer regulären Tätigkeit in Frage. Hinsichtlich dessen bewerbe ich mich bei Ihnen um eine Stelle. Gerade der Einsatz in der Arbeit mit Kindern interessiert mich sehr, da ich hier bereits des öfteren tätig war und wertvolle Erfahrungen sammeln konnte. Innerhalb des Freiwilligen Sozialen Jahres bei einer Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche erlebte ich Krisensituationen von Kindern und wie damit umgegangen werden kann. Während meines Zwischenpraktikums in der offenen Kinder- und Jugendarbeit einer Kirchengemeinde ließen sich gezielt gruppenpädagogische Prozesse erleben. Im sozialpädagogischen Teil meines Anerkennungsjahres schließlich war ich in einem staatlichen Internat tätig, in dem ebenfalls Gruppenpädagogik und Freizeitgestaltung im Vordergrund standen. Es galt zudem, bei schulischen und persönlichen Belangen ansprechbar zu sein und beratend zu intervenieren. Über eine Einladung zu einem Gespräch würde ich mich sehr freuen."

Das anschließende Vorstellungsgespräch führte die Klägerin mit Herrn H. S., der von 1992 bis 2003 Heimleiter des Landesjugendheims war. Der sodann am 29.10.1992 vom Verbandsdirektor des Landeswohlfahrtsverbandes unterzeichnete Arbeitsvertrag hat, soweit hier von Interesse, folgenden Wortlaut:

"§ 1

Frau D. B. wird ab 1. November 1992 beim Landeswohlfahrtsverband Baden auf unbestimmte Zeit als Angestellte in der Funktion einer Gruppenerzieherin (Jugend- und Heimerzieherin) unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vb BAT eingestellt.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung."

Nach zweijähriger Bewährung der Klägerin schlossen die Parteien am 25.01.1995 einen Änderungsvertrag, wonach mit Wirkung vom 01.11.1994 die bisherige Vergütungsgruppe Vb zugunsten der Gruppe IVb BAT geändert wurde - ABl. 6 der erstinstanzlichen Akte.

Seit Vertragsbeginn arbeitet die Klägerin als Wohngruppenerzieherin im Wohngruppenbereich des L. S. S. der Beklagten, die in Rechtsnachfolge des Landeswohlfahrtsverbandes in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung diese Einrichtung zur Behandlung und Betreuung verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher betreibt.

Die Beklagte wird von den staatlichen Jugendämtern finanziert.

Die bei der Beklagten beschäftigten Wohngruppenerzieher betreuen jeweils eine Gruppe von 8-11 Kindern, wobei nachts ein Erzieher in sogenannter Nachtbereitschaft eingesetzt wird. In jeder Gruppe werden 4-5 Wohngruppenerzieher beschäftigt, die teilweise eine Ausbildung zum Erzieher, teilweise, wie die Klägerin, eine solche zur Sozialpädagogin/zum Sozialpädagogen (FH) absolviert haben.

Das Tätigkeitsfeld eines Wohngruppenerziehers umfasst im wesentlichen folgende vier Bereiche:

a) Gruppenarbeit/Steuerung der Gruppenfamilie:

- Tagesablauf und Rahmenzeiten

- besonders intensive erzieherische Auseinandersetzungen

- Einzelgespräche, Einzelbetreuung, Förderung des emotionalen Bereichs

- Förderung individueller Stärken

- Förderung im sportlichen, musischen sowie kreativen Bereich

- Anleitung und Förderung im lebenspraktischen Bereich

- Gesundheits- und Hygieneerziehung, individuelle Fördermaßnahmen

- Möglichkeiten zum sozialen Lernen, Einüben sozialer Kompetenz

- Kooperation mit der Schule, Hausaufgabenbetreuung und schulische Förderung

- Gestaltung der Wohn-Atmosphäre und des häuslichen Umfeldes

Der zeitliche Anteil macht 71% der Gesamtarbeitszeit aus.

b) Organisation / Organisatorische Funktion

- Verwaltungsarbeiten, Übergabe- und Teamgespräche, Fahrdienste

- Erstellen von Entwicklungsberichten, Teilnahme an Hilfeplangesprächen

Dieser Bereich umfasst 16% der Gesamtarbeitszeit.

c) Freizeiten / Gruppenübergreifende Maßnahmen

- Unterbreitung von Freizeit- und Spielangeboten

- Gestaltung von Festen und Ferienzeiten

Dies umfasst etwa 10% der Gesamtarbeitszeit.

d) Elternarbeit

- Führen von Elterngesprächen

- Durchführung von Elternarbeit

Diese Tätigkeit umfasst ca. 3% der Gesamtarbeitszeit.

Der typische Tagesablauf der Klägerin als Erzieherin in einer Wohngruppe ist wie folgt:

6:30 Uhr:

Individuelles Wecken der Kinder, teilweise mehrmals. Waschen der Kinder kontrollieren, Sicherstellen der Frühstücksvorbereitungen

7:00 Uhr:

Frühstück

7:30 Uhr:

Kontrollieren, ob Zähne geputzt und Ämter gemacht werden

7:45 Uhr:

Kontrollieren der Schulsachen, gemeinsamer Gang zur Schule, Gespräch mit Lehrer, abschließend Rückkehr zur Gruppe, Kontrolle des Gruppenhauses, vorläufiges Dienstende

12:00 Uhr:

Vorbereiten des Nachmittagsdienstes, Kontrolle des Gruppenhauses, Verwaltungsarbeiten

13:00 Uhr:

Abholung der Kinder von der Schule, Kontaktgespräch mit Lehrern

13:15 Uhr:

Gemeinsames Mittagessen

14:00 Uhr:

Sicherstellen, dass einzelne Jungen rechtzeitig und zuverlässig zur Berufsvorbereitung, zu Therapien, zu Praktika, zu Arbeitsgemeinschaften weggehen

ebenfalls 14:00 Uhr:

Tagesangebot laut Wochenplan mit dem Rest der Gruppe durchführen, z.B. Sporthalle, Schwimmbadbesuch, Exkursion

16:00 Uhr:

Gemeinsame Einnahme der Zwischenmahlzeit vor den Hausaufgaben

16:30 - 17:30 Uhr:

"Stille Stunde" - individuelle Hilfestellung bei den Hausaufgaben durch mehrere Kollegen, Erfolgskontrolle

17:30 Uhr:

Vorbereiten des Abendessens

18:00 Uhr:

Abendessen

ab 18:30 Uhr:

Vorstrukturierung des abendlichen Ablaufs, Ausgänger in Ausgang entlassen, Küchenkontrolle, Regelung individueller Angelegenheiten

19:00 Uhr:

Gemeinsames Abendprogramm der Gruppe auf Wochenplan

21:00 Uhr:

Kontrolle der Vollzähligkeit und individuellen Befindlichkeit, Veranlassen des Waschens, Zähne putzen, Vorbereiten zum ins Bett gehen

21:30 Uhr:

Kontrolle, dass alle Jungen im Bett sind, evtl. Durchführen von Abendritualen wie Geschichte vorlesen etc.

22:00 Uhr

Licht aus im Haus, Übergabe der Dienstgeschäfte an den Nachtdiensterzieher bzw. selbst Durchführen der Schlafbereitschaft

Nachdem Herr S. als Heimleiter ausgeschieden war, gelangte die Beklagte im März 2005 zu der Auffassung, dass die Klägerin zu Unrecht in die Vergütungsgruppe IV BAT eingruppiert sei und ihr - auch nach erfolgtem Bewährungsaufstieg - nur Vergütung nach der Vergütungsgruppe Vb BAT zustehe. Daher begehrte sie von dem bei ihr bestehenden Betriebsrat die Zustimmung zu einer korrigierenden Rückgruppierung der Klägerin und weiterer acht Mitarbeiter. Auf Anfrage des Betriebsrats vom 14.12.2005 teilte Herr S. in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 17.12.2005 folgendes mit:

"... Wie Sie wissen, war ich von 1992 bis August 2003 Heimleiter im damaligen Landesjugendheim Schloss Stutensee (incl. HWH). Unser Träger war der Landeswohlfahrtsverband Baden. 1992 hatte das Heim 4 Wohngruppen und 2 Tagesgruppen, 2003 hatte das Heim 4 Wohngruppen und 12 Tagesgruppen.

Wir haben unsere Betreuungskapazität in diesem Zeitraum stark ausgedehnt und hatten demzufolge großen Personalbedarf. Personalausschreibungen brachten in der Regel zu wenig Bewerbungen geeigneter Erzieher, vorwiegend waren es Bewerbungen von Kindergärtnerinnen und selten war ein männlicher Bewerber darunter. Die Bewerbungen von Sozialpädagogen waren oft überzeugend, weil ihre Ausbildung umfassender war.

Es war für mich wichtig, die pädagogische Leistung des Heims auf möglichst hohem Niveau zu sichern. Deshalb habe ich im Bereich der Personalausstattung des Heims angestrebt, die Mitarbeiterteams je Gruppe mit Sozialpädagogen, Erziehern und ggf. Berufspraktikanten zu besetzen.

Neben der Qualität der pädagogischen Leistung hatte ich natürlich auch die Entwicklung der Personalkosten zu berücksichtigen. Aus der Kombination der Eingruppierung in BAT Vb/IVb für Sozialpädagogen, BAT Vb für Erzieher und der Praktikantenvergütungen ergibt sich in der Regel ein Personalkostenmittelwert auf dem Niveau des Erzieher-E. (E. = Erzieher, 35 Jahre, verh., 2 Kinder, sofern ich mich richtig erinnere). Im übrigen ist zu bedenken, dass die Personalkosten für ältere Erzieher über den Personalkosten junger Sozialpädagogen liegen und dass mehrere Erzieher in Stutensee seit Abschluss ihrer Heilpädagogischen Zusatzausbildung eine Vergütungszulage erhalten.

Aus unternehmerischer Sicht entsprach die Einstellung von Sozialpädagogen nach BAT Vb/IVb neben der Einstellung von Erziehern sowohl der Qualitätssicherung im pädagogischen Bereich als auch den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen.

Die Diskussion über die Abgrenzung der Tätigkeit eines Sozialpädagogen von der Tätigkeit eines Erziehers wird schon seit 1968 geführt und im Tarifrecht konnte keine eindeutige Definition festgelegt werden.

Die allgemeine Erzieherausbildung ist in der Regel für heilpädagogisch konzipierte Heime mit extrem schwierigem Klientel nicht ausreichend. Aus diesem Grund hat sich der Landeswohlfahrtsverband Baden bereits Anfang der 70er Jahre entschlossen, eine spezielle Fachschule für Jugend- und Heimerziehung in Flehingen einzurichten, der später noch ein Bildungsgang "Heilpädagogik" angegliedert wurde.

Zwei Unterschiede in den Ausbildungsgängen von Erziehern und Sozialpädagogen möchte ich besonders erwähnen, weil sie für die konzeptionelle Ausrichtung des Heimes damals für mich relevant waren:

Die Fachhochschulen für Sozialpädagogik bieten im Fach Psychologie wesentlich mehr Lehrstunden als die Fachschulen für Heimerziehung. Dieser Unterschied in der Ausbildung ist für ein heilpädagogisches Kinderheim nicht unbedeutend. In den Lehrfächern Lebensweltotientierter Sozialer Arbeit lernen Sozialpädagogen begleitende, stützende, beratende und kompensatorische Hilfen kennen, mit dem Ziel, die verbundenen Ressourcen im Lebensfeld/in der Familie zu erkennen und zu mobilisieren, so dass eine ergänzende Tagesgruppenbetreuung sinnvoll ist und eine Fremdunterbringung im Heim vermieden werden kann.

Die Dezentralisierung der großen Heime und eine Lebensweltorientierte Soziale Arbeit sind Kernkonzepte heutiger Jugendhilfe.

Zum Ende meiner Tätigkeit in Stutensee wurden niederschwellige (und für die Jugendämter preisgünstige) Hilfeangebote angedacht, insbesondere Soziale Gruppenarbeit und Sozialpädagogische Familienhilfe. Auch für die Durchführung dieser Lebensfeldorientierten Hilfen sind Sozialpädagogen aufgrund ihrer Ausbildung gut geeignet.

Die im BAT vorgegebene Vergütungsgruppe IVb für Sozialpädagogen ist ein Eckwert, dessen Einhaltung Sozialpädagogen in der Regel erwarten können. Untertariflich bezahlte Sozialpädagogen werden ständig auf der Suche sein nach einem Arbeitsplatz mit tarifgerechter Bezahlung. Dies erhöht die Fluktuationsrate. Kinder, deren Verhaltensstörungen behoben werden sollen, benötigen langfristige und verläßliche personale Beziehungen zu ihren Betreuern. Eine hohe Fluktuationsrate wirkt hier kontraproduktiv und ist m.E. von der Heimleitung nicht zu verantworten."

Mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Beschluss vom 07.04.2006 (Az.: 1 BV 4/05) ersetzte das Arbeitsgericht die verweigerte Zustimmung mit der Begründung, die Klägerin und acht ihrer Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen seien zutreffend in die Vergütungsgruppe Vc, Fallgruppe 5 BAT einzugruppieren.

Daraufhin vollzog die Beklagte gegenüber der inzwischen in den TVöD übergeleiteten Klägerin ab dem 01.07.2006 eine entsprechende Rückgruppierung, welche einen monatlichen Gehaltsverlust von 271,91 Euro brutto zur Folge hat.

Nach schriftlichem Protest vom 01.08.2006 hat die Klägerin am 01.12.2006 hiergegen Klage erhoben und vorgetragen, als Sozialpädagogin beschäftigt und entsprechend eingruppiert worden zu sein. Sie hat behauptet, einen vertraglichen Anspruch auf die entsprechende Vergütung zu haben. Wenngleich der Vertrag eine "Gruppenerzieher-Tätigkeit" zum Gegenstand habe, so habe man sich aber doch konstitutiv auf eine Vergütung nach der Gruppe Vb zum BAT verständigt. Dies sei durch den Änderungsvertrag vom 25.01.1995 zusätzlich bekräftigt worden; die dort vereinbarte Vergütungsgruppe IVb sei für Erzieherinnen tarifvertraglich nicht vorgesehen.

Ausweislich der Stellenanzeige vom 30.08.1992 habe die Beklagte u.a. auch eine Sozialpädagogin für die zu besetzende Stelle gesucht. Die Klägerin habe sich ausweislich ihres Schreiben vom 11.09.1992 ausschließlich hierauf beworben. Herr S. habe ihr zugesagt, dass sie die Vergütung einer Sozialpädagogin erhalten solle. Der Rechtsvorgänger der Beklagten habe sich daher hinsichtlich dieser Eingruppierung nicht geirrt; es sei ihm gerade darum gegangen, die besetzte Stelle von einer Diplom-Sozialpädagogin ausüben zu lassen. In der Folgezeit sei sie auch als Diplom-Sozialpädagogin beschäftigt worden. Ihre Aufgabe habe nämlich auch darin bestanden, etwaige Probleme und die Entwicklung der Jugendlichen zu beobachten, zu analysieren und entsprechende pädagogische Konzepte zu entwickeln, die ihr nur wegen ihrer Ausbildung möglich gewesen seien. Das Gepräge ihrer Tätigkeit liege auf sozialpädagogischen Gebiet, wenngleich ihre Tätigkeit im alltäglichen Geschehen (rein äußerlich) als Erziehertätigkeit erscheine.

Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.359,55 brutto zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin seit 01.07.2006 nach Vergütungsgruppe 9 Stufe 5 TVöD zu vergüten ist.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, die Klägerin habe zwar eine Ausbildung zur Diplom-Sozialpädagogin (FH) absolviert, werde aber nur als Erzieherin beschäftigt. Die ursprüngliche und später im Wege des Bewährungsaufstiegs erfolgte Eingruppierung sei irrtümlich erfolgt. Tatsächlich sei die Klägerin richtigerweise eingruppiert in die Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 5 BAT und infolge des Bewährungsaufstiegs nach Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 5 BAT. Die Tätigkeiten der Klägerin seien solche einer Erzieherin, nicht aber die einer Sozialpädagogin. Die Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagogin setze demgegenüber eine stärkere konzeptionelle Prägung voraus, wohingegen die reine Erziehung mehr durch ausführende Arbeiten fürsorgerischer und bewahrender Art geprägt sei.

Nur vereinzelt sei die Klägerin auch als Sozialpädagogin tätig geworden, ohne dass dies prägend für ihre Tätigkeit gewesen sei. Die Teilnahme an sogenannten Hilfeplan-Gesprächen und an der Erstellung von Entwicklungsberichten habe nur einen zeitlichen Umfang von etwa 10% ausgemacht.

Ihre stringent nach festen Dienstplänen organisierte Tätigkeit führe zu einem einheitlichen - erzieherischen - Arbeitsergebnis, da alle Mitarbeiter einer Gruppe, gleichgültig ob Erzieher oder Sozialpädagogen, dieselbe Tätigkeit unterschiedslos verrichteten.

Die Beklagte hat die Behauptung der Klägerin bestritten, dass der Angabe der Vergütungsgruppe in den Verträgen vom 29.10.1992 und 25.01.1995 konstitutive Wirkung habe beigemessen werden sollen. Eine Individualvereinbarung hinsichtlich der Vergütungshöhe hätte allenfalls dann zustandekommen können, wenn der Rechtsvorgänger der Beklagten die Klägerin bewusst aus dem Lohngefüge der Anlage 1 zum BAT habe herausheben wollen. Hierfür gebe es jedoch keine Anhaltspunkte. Die Unterzeichnung des Vertrages durch den Verbandsdirektor sei ein reiner Routinevorgang gewesen, nicht aber eine bewusste Entscheidung mit dem Ziel, eine übertarifliche Leistung zu gewähren. Auch Herr S. sei irrtümlich der unzutreffenden Auffassung gewesen, dass gelernte Sozialpädagogen, die als Erzieher tätig werden, allein wegen ihrer Vorbildung und Qualifikation in die höhere Vergütungsgruppe einzugruppieren seien, ohne dass es auf die vertraglich zugewiesene Tätigkeit ankomme. Herr S. habe weder den Ursprungsvertrag noch den Änderungsvertrag unterzeichnet.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.01.2007 die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:

Die Klägerin erfülle weder die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 10 der Vergütungsgruppen für den Sozial- und Erziehungsdienst nach Maßgabe der Anlage 1a zum BAT (VKA) noch die des Bewährungsaufstiegs nach Maßgabe der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 17, weil weniger als die Hälfte der Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen dieser Vergütungsgruppe entspräche. Die Klägerin werde nämlich nicht vertragsgemäß mit einer ihrer Ausbildung entsprechenden Tätigkeit beschäftigt. Maßgeblich sei allein ihr Einsatz als Wohngruppenerzieherin in einer Erziehungsgruppe mit verhaltensauffälligen und milieugeschädigten Kindern und Jugendlichen. Die Klägerin sei eine "sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten - Erziehung - und zwar besonders schwierige fachliche Tätigkeiten i.S. der Fallgruppe 5 der Vergütungsgruppe Vc" ausübe. Dies folge aus der Protokollerklärung Nr. 6d, nach der Tätigkeiten in geschlossenen (gesicherten) Gruppen besonders schwierige fachliche Tätigkeiten seien. Im Wege des Bewährungsaufstieges sei sie richtigerweise eingruppiert in die Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 5.

Die vertraglich übertragenen Tätigkeiten gehörten zum Berufsbild einer Erzieherin, da weitgehend durch eine familienersetzende Funktion gekennzeichnet.

Die Beklagte sei berechtigt gewesen, diese falsche Eingruppierung ohne Ausspruch einer Änderungskündigung zu korrigieren, weil eine individuelle arbeitsvertragliche Zusage einer übertariflichen Vergütung angesichts eines Eingruppierungsirrtums nicht erteilt worden sei. Grundsätzlich sei nämlich eine vertraglich erfolgte Eingruppierungsmitteilung nicht in der Weise auszulegen, dass dem Angestellten ein eigenständiger, von den tariflichen Bestimmungen unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf diese höhere Vergütung zustehen solle. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände könne ein Arbeitnehmer eine derartige Bedeutung nicht annehmen, weil der öffentliche Dienst grundsätzlich nicht mehr gewähren wolle, als dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zustehe. Dem Ursprungsvertrag und dem Änderungsvertrag sei ein eigenständiger Anspruch auf eine übertarifliche Vergütung nicht zu entnehmen. Der Rechtsvorgänger der Beklagten habe nicht in bewusster Abweichung von den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung des BAT eine übertarifliche Vergütung zusagen wollen. Insoweit sei der Vortrag der Klägerin widersprüchlich, wenn sie ausführe, die Beklagte habe sie tarifvertraglich zu Recht zunächst nach Vergütungsgruppe Vb, später nach Vergütungsgruppe IVb BAT vergütet. Die Klägerin habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Eingruppierung nach Vergütungsgruppe Vb respektive IVb BAT richtig und dass bei der Einstellung von einer zutreffenden Eingruppierung ausgegangen worden sei, weil die Klägerin auch die maßgeblichen Merkmale der Vergütungsgruppe für Sozialpädagogen erfülle. Mit diesem Vortrag sei es nicht zu vereinbaren, dass die Klägerin an anderer Stelle ausführe, die Beklagte bzw. ihr Rechtsvorgänger habe genau gewusst, dass Sozialpädagogen in der Tätigkeit von Erziehern nicht wie Sozialpädagogen vergütet werden dürften, dem Rechtsvorgänger dies jedoch gleichgültig gewesen sei und er sich bewusst für eine übertarifliche Vergütung entschieden habe.

Heimleiter S. habe offenkundig gerade die von ihm inhaltlich falsch beurteilten tarifvertraglichen Erfordernisse nicht erfüllen wollen und nicht das Bewusstsein gehabt, von der Tarifsystematik abzuweichen.

Auch die Angabe in der Stellenanzeige sei kein Indiz für ein bewusstes Abweichen hiervon.

Die möglicherweise im Vorfeld des schriftlichen Vertrages geschlossene Vereinbarung sei wegen des Schriftformerfordernisses von § 4 BAT respektive § 2 TVöD bedeutungslos.

Die Rückgruppierung habe auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, wenngleich die höhere Vergütung der Klägerin länger als ein Jahrzehnt gewährt worden sei. Neben dem erforderlichen Zeitmoment sei das sogenannte Umstandsmoment für die Anwendung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht erfüllt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und wiederholt im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Zum Beweis für ihre Behauptung, die höhere Vergütung sei konstitutiv ohne Irrtum vereinbart worden, beruft sie sich auf das Zeugnis von Herrn S. für den Fall, dass sich dies nicht bereits aus seinem - von der Beklagten erstmals im Kammertermin vom 22.08.2007 vorgelegten - Schreiben vom 17.12.2005 ergebe.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 17.01.2007 - Az.: 5 Ca 303/06 - wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 30.11.2006 zu bezahlen EUR 1.359,55 brutto zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.12.2006.

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin ab dem 01.12.2006 nach der Vergütungsgruppe 9 Stufe 5 TVöD zu vergüten ist.

Die Beklagte beantragt kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hält die von der Klägerin aufgestellte Behauptung einer übertariflichen Individualzusage für unsubstantiiert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die fristgerecht eingelegte und ausgeführte Berufung der Klägerin ist begründet.

a) Das Berufungsgericht lässt offen, ob die Klägerin objektiv aufgrund "... gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten" einer Sozialpädagogin i.S. von § 22 BAT i.V.m. Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 10/IVb Fallgruppe 17 ausübt. Dies könnte jedoch der Fall sein, wenn bejaht wird, dass die stärkere konzeptionelle Prägung zur Veränderung der Lebenslage und Lebensqualität der Jugendlichen und der Veränderung der sie bedingenden gesellschaftlichen Strukturen sowie zur Beeinflussung von Fehlentwicklungen (vgl. BAG, 26.07.1995 - Az.: 4 AZR 318/94 -) auch dann vorliegt, wenn diese - überwiegend inneren - Umstände in der erzieherischen Alltagsarbeit von der Klägerin von Fall zu Fall mitbedacht werden und in diese erzieherische Arbeit miteinfließen. Die Kammer neigt in diesem Zusammenhang jedoch zu der Annahme, dass angesichts der auch vom Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) bejahten teilweisen Überschneidung beider Berufsbilder eine Abgrenzung nicht allein anhand einer quantitativen Beurteilung der äußeren Arbeitsabläufe erfolgen kann, also nicht allein danach, welcher äußere Aspekt prägend und schwerpunktbildend ist. Letztlich kann dies wohl nicht alleinentscheidend sein, denn die qualitativ höhere Ausbildung des Sozialpädagogen führt in der Regel dazu, dass auch die erzieherische Alltagsarbeit durch konzeptuelle Überlegungen mitbeeinflusst wird und dass in der Regel dann, wenn entsprechende Probleme bei der Lebensbewältigung eines Jugendlichen auftauchen, diese auch entsprechend in der Alltagsarbeit miteinbezogen werden.

b) Ebenso kann offenbleiben, ob die Parteien mit konstitutiver Wirkung eine übertarifliche Gehaltsvereinbarung getroffen haben (sofern ein tariflicher Anspruch auf die höhere Vergütung nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen nicht gegeben ist). Hierzu hätte es einer weiteren Aufklärung darüber bedurft, ob und in welcher Weise gegenüber der Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen durch Herrn S. (der als Zeuge nicht zur Verfügung stand) konkludent oder ausdrücklich entsprechende Erklärungen abgegeben wurden.

Ein Verstoß gegen das tarifrechtliche Schriftformgebot von Nebenabreden dürfte nicht vorliegen, da es sich um eine Hauptabrede handelt.

c) Die korrigierende Rückgruppierung scheitert im vorliegenden Fall an Treu und Glauben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, kann es im Einzelfall gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, wenn sich der Arbeitgeber auf die Fehlerhaftigkeit der bisherigen tariflichen Bewertung beruft. Nach diesem Grundsatz ist ein Verhalten dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere Umstände der Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Seite für die andere Seite ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen entstanden ist. Ein solches Vertrauen kann auch durch Umstände begründet werden, die erst nach der Eingruppierung eingetreten sind. Dies kann sich aus der Gesamtschau einzelner Umstände ergeben, von denen jeder für sich genommen allein keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand begründen kann (so nahezu wörtlich jüngst: BAG 14.09.2005, Az.: 4 AZR 348/04, unter II 1 der Entscheidungsgründe, abgedruckt in ZTR 2007/253 ff.).

Maßgeblich ist - wie allgemein bei der Verwirkung - nicht nur das Vorliegen eines Zeitmoments, also die lange Dauer der Gewährung der höheren Vergütung, sondern auch des sogenannten Umstandsmoments, aus welchem das Vertrauen in den Fortbestand des vergütungsrechtlichen Status Quo resultiert.

Im vorliegenden Fall ist das Zeitmoment ersichtlich erfüllt: Mehr als ein Jahrzehnt hat die Klägerin vorbehaltslos die höhere Vergütung erhalten. Auch in der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, mit welcher Verwirkung bejaht worden war, betrug der Zeitraum etwa zehn Jahre.

Es besteht im übrigen ein gewisses Wechselverhältnis zwischen dem sogenannten Zeitmoment und dem sogenannten Umstandsmoment insofern, als etwas geringere Anforderungen an letzteres zu stellen sind, wenn das Zeitmoment - wie vorliegend - einen ungewöhnlich langen Zeitraum erfasst.

Zum Umstandsmoment im einzelnen:

Die Festlegungen in § 1 und 2 des Ursprungsvertrages vom 29.10.1992 sind - zumal aus der Sicht der Klägerin als Erklärungsempfängerin - nicht eindeutig. Während § 2 - bei fachkundiger Kenntnis von § 22 BAT - erkennen lässt, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten nur das vergüten wolle, was exakt dem Gebot der sogenannten "Tarifautomatik" entspricht, sieht demgegenüber § 1 vor, dass die Klägerin nach der Vergütungsgruppe Vb vergütet werden solle, obwohl dies die Tätigkeitsmerkmale für eine Gruppenerzieherin eben nicht vorsehen, wenn diese nicht zugleich Tätigkeiten einer Sozialpädagogin erfüllt.

§ 1 nimmt also eine Differenzierung vor zwischen der Funktion "Tätigkeit" einerseits und der Funktion "Vergütungshöhe" andererseits. Das Differieren hinsichtlich beider vertraglichen Aussagen kann nicht ohne das vorangehende Geschehen beurteilt werden: Wird die Stellenanzeige vom 30.08.1992 mit in den Blick genommen, so ist auch hier diese Zweigleisigkeit deutlich angelegt, weil sowohl mehrere Erzieher als auch mehrere Sozialpädagogen gesucht wurden.

Die Klägerin hat ausgehend von dieser Zweigleisigkeit in ihrem Bewerbungsschreiben vom 11.09.1992 ausdrücklich auf ihre (nahezu abgeschlossene und später mit staatlicher Anerkennung versehene) Ausbildung zur Diplom-Sozialpädagogin hingewiesen und ausführlich ihren bisherigen Ausbildungsstand und die insoweit absolvierten Praktika erwähnt. Damit hat sie unmissverständlich zu erkennen gegeben, ausschließlich als Diplom-Sozialpädagogin tätig werden und gewissermaßen das zweite Gleis befahren zu wollen. Aus der Sicht der Klägerin war die Reaktion des Rechtsvorgängers der Beklagten die Festschreibung der entsprechenden höheren Vergütung in § 1 des Vertrages.

Bereits dies begründete ein entsprechendes Vertrauen der Klägerin, dass dies die zutreffende Vergütung sei.

Hilfsweise:

Der Rechtsvorgänger der Beklagten hat es in diesem Zusammenhang zumindest pflichtwidrig unterlassen, bei Vertragsschluss darauf hinzuweisen, dass die ausschließliche Wahrnehmung einer Gruppenerzieher-Tätigkeit diese höhere Vergütung womöglich nicht rechtfertige.

Weiter hilfsweise:

Der Rechtsvorgänger der Beklagten ist - soweit ersichtlich - in einer Vielzahl von Fällen damals ebenso verfahren, wie aus dem Zustimmungsersetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 07.04.2006 (Az.: 1 BV 4/05) geschlossen werden kann. Daher beinhalten die §§ 1 und 2 des Anstellungsvertrages allgemeine Geschäftsbedingungen. Selbst wenn jedoch § 305c Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung kommen sollte, so stellt es doch einen allgemeinen Grundsatz dar (welcher bereits vor Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB zur Anwendung gelangt), dass Mehrdeutigkeiten bei der Auslegung von Vertragsbedingungen zu Lasten desjenigen gehen, der als Verwender hierfür verantwortlich ist. Dies ist jedoch die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger.

Weiter hilfsweise:

Der Rechtsvorgänger der Beklagten ließ die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin ausschließlich durch den damaligen Heimleiter, Herrn S., führen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Wenngleich Herr S. nicht ausdrücklich Abschlussvollmacht hatte, weil sowohl der Ursprungsvertrag als auch der spätere Abänderungsvertrag nach dem Bewährungsaufstieg vom jeweiligen Verbandsdirektor unterzeichnet wurde, so bestimmte er doch bis zu seinem Ausscheiden maßgeblich die Eingruppierungspraxis des Rechtsvorgängers der Beklagten (ob hieraus auch auf Anscheinsvollmacht oder Duldungsvollmacht zu schließen ist, bedarf keiner Klärung). Letzteres ergibt sich aus dem von der Beklagten zweitinstanzlich vorgelegten Schreiben von Herrn S. vom 17.12.2005. Hierin kommt unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Arbeitgeberin großen Wert auf die Anhebung des Niveaus der Erziehungsarbeit legte, insbesondere dass das Ausbildungsniveau der Sozialpädagogen die erzieherische Arbeit durch eine Kombination beider Berufsgruppen beeinflussen sollte (vgl. insbesondere die Absätze 3-5 seines Schreibens). Dies ist zumindest ein - vorliegend nicht widerlegtes - starkes Indiz dafür, dass dieses Interesse auch gegenüber der Klägerin im Rahmen der Vertragsgespräche zum Ausdruck gebracht und demgemäß auch in § 1 des Ursprungsvertrages durch die Aufnahme der höheren Vergütungsgruppe Vb fixiert worden war. Das hiervon ausgehende Vertrauen stellt ein weiteres Umstandsmoment im vorgenannten Sinne dar.

Es wird weiter verstärkt durch den Abänderungsvertrag nach Ablauf der zweijährigen Bewährungszeit. Die Klägerin durfte zumindest subjektiv annehmen, dass die Voraussetzung der Bewährung, nämlich die inhaltliche Richtigkeit der Ausgangs-Vergütung, überprüft worden war.

Nach alldem konnte die Klägerin die Nachzahlung der vorenthaltenen Vergütungsteile für die Monate Juli bis November 2006 in unstreitiger Höhe von 1.359,55 Euro brutto nebst Zinsen verlangen, so dass auch ihr Feststellungsantrag hinsichtlich der Vergütungsgruppe 9 Stufe 5 des TVöD für die Zeit ab dem 01.12.2006 begründet war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da - soweit ersichtlich - weitere acht Sozialpädagoginnen, deren Rechtsstreitigkeiten vor anderen Kammern desselben Gerichtes anhängig sind, sich in der gleichen rechtlichen Situation befinden.

Ende der Entscheidung

Zurück