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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 10.04.2007
Aktenzeichen: 12 Ta 7/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 51 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 51 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 141 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 141 Abs. 3
Dem Grunde nach darf ein Ordnungsgeld wegen Missachtung der Anordnung zum persönlichen Erscheinen nur verhängt werden, wenn eine gebotene Aufklärung des Sachverhaltes nicht möglich war und wenn deswegen der Prozess verzögert wurde.

Die Höhe des Ordnungsgeldes hat sich an den jeweiligen vollprozessualen Folgen des Ausbleibens zu orientieren und sollte sich zumindest an dem zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen orientieren.


Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 08.03.2007 - Az.: 8 Ca 6/07 -, mit welchem gegen den Kläger wegen unentschuldigten Ausbleibens im Gütetermin vom 13.02.2007 ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 500,00 (i. W.: fünfhundert) verhängt wurde, aufgehoben.

Gründe:

I.

Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers hat das Arbeitsgericht Gütetermin anberaumt und das persönliche Erscheinen des Klägers zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur gütlichen Einigung angeordnet.

In diesem Gütetermin hat sich Folgendes ereignet:

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat seinen Mandanten "wegen Erkrankung" entschuldigt.

Das Arbeitsgericht hat daraufhin dem Kläger zur Vermeidung eines empfindlichen Ordnungsgeldes aufgegeben, sein Ausbleiben hinreichend binnen 14 Tagen zu entschuldigen und glaubhaft zu machen.

Der Beklagtenvertreter hat sodann umfassend zu den Kündigungsgründen vorgetragen.

Der Klägervertreter hat daraufhin erklärt, ohne Rücksprache mit dem Kläger hierzu keine Stellung nehmen zu können.

Anschließend haben die Parteien einen gerichtlich protokollierten Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Generalabgeltung abgeschlossen, der für den Kläger bis zum 27.02.2007 widerruflich gewesen ist.

Für den Fall des Widerrufes haben die Parteivertreter sich mit einem kurzfristig anzuberaumenden zweiten Gütetermin in Anwesenheit des Klägers einverstanden erklärt.

Der Kläger hat diesen Vergleich nicht widerrufen.

Am 08.03.2007 hat das Arbeitsgericht gegen den Kläger ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 500,00 (i. W.: fünfhundert) verhängt und zur Begründung ausgeführt, die angestrebte allseitige Erörterung der Sach- und Rechtslage im Gütetermin sei an dem Fernbleiben des Klägers gescheitert. Die Höhe des gewählten Ordnungsgeldes erscheine als angemessen.

Mit Schriftsatz vom 09.03., am 13.03. bei Gericht eingegangen, hat der Klägervertreter eine am 12.02.2007 für die Zeit bis zum 16.02.2007 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Facharztes für Innere Medizin zur Akte gereicht und mit Schriftsatz vom 22.03.2007 gegen den am Vortag zugestellten Ordnungsgeld-Beschluss Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat ihr mit der Begründung nicht abgeholfen, aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gehe nicht hervor, ob der Kläger tatsächlich reise- bzw. verhandlungsunfähig gewesen sei.

II.

Die fristgerecht erhobene Beschwerde ist begründet.

Obwohl die Anordnung des persönlichen Erscheinens im Zeitpunkt seiner Verfügung zulässig, wenn nicht sogar geboten war, so war die Verhängung des Ordnungsgeldes doch rechtswidrig.

1. Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist der Vorsitzende des Arbeitsgerichtes befugt, das persönliche Erscheinen der Parteien "in jeder Lage des Rechtsstreites" insbesondere auch aus Gründen der Unmittelbarkeit der mündlichen Verhandlung anzuordnen. Diese Vorschrift ist weitergehend als die von § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach dies nur zur Aufklärung des Sachverhaltes statthaft ist.

Bei Missachtung der Anordnung des Vorsitzenden des Arbeitsgerichtes findet gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die Vorschrift von § 141 Abs. 3 ZPO entsprechende Anwendung. Nach dessen Satz 1 kann gegen die Partei, die im Termin ausgeblieben ist, ein Ordnungsgeld verhängt werden. Nach dessen Satz 2 gilt dies jedoch dann nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist.

Wenngleich die Verhängung des Ordnungsgeldes im Ermessen des Gerichtes steht, so ist sie nicht frei von gesetzlichen Vorgaben, sondern orientiert sich an den Zwecken für die jeweilige Anordnung. Die Verhängung des Ordnungsgeldes dient jedoch keineswegs dazu, allgemeinen Ungehorsam gegenüber der richterlichen Anordnung zu ahnden, sie hat keine Disziplinierungsfunktion und ist insbesondere nicht Selbstzweck (Hauck-Helml, Arbeitsgerichtsgesetz, Kommentar 3. Aufl., Rndz. 4 zu § 51).

2. Im vorliegenden Fall war zwar eine Aufklärung des Kündigungssachverhaltes ohne Anwesenheit des Klägers im Gütetermin nicht möglich, aber sie war angesichts des im selben Termin geschlossenen Vergleiches überhaupt nicht erforderlich. Zumindest bestand ein an den Zwecken der Anordnung orientiertes Interesse an der Verhängung eines Ordnungsgeldes keinesfalls mehr im Zeitpunkt der Verkündung des angegriffenen Beschlusses. Zu diesem Termin war der gerichtlich protokollierte Vergleich bereits bestandskräftig geworden, weil der Kläger vom seinem Widerrufsrecht kein Gebraucht gemacht hatte.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass in der Regel eine klagende Partei auch nicht zur inhaltlichen Einlassung verpflichtet ist, weil sie sich nicht selbst belasten muss. Daher macht die Erzwingung bloßer Anwesenheit, ohne dass ein Aufklärungszweck verfolgt wird, wenig Sinn (so nahezu wörtlich Zöller, ZPO, 21. Aufl., Rndz. 12 zu § 141 ZPO m. w. N.).

3. Dem Kläger hätte im übrigen Gelegenheit gegeben werden sollen, die - in der Tat - missverständliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzubessern durch Offenbarung der Art und der Intensität der behaupteten Erkrankung.

4. Auch die Höhe des Ordnungsgeldes war dem Anlass ersichtlich nicht angemessen. Wenn die Angabe des Klägers im PKH-Vordruck über sein monatliches Bruttoeinkommen - nach Herausrechnung des 13. Gehaltes - von zirka EUR 1.900,00 richtig war, betrug das verhängte Ordnungsgeld weit mehr als 1/3 des dem Kläger und seiner Ehefrau zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens. Derart empfindlich sollte eine Partei aus derart folgenlosem Anlass nicht zur Ordnung gerufen werden.

Ende der Entscheidung

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