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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 49/04
Rechtsgebiete: MTV Metallindustrie Baden-Württemberg, ArbGG, ZPO, BGB, GewO, TVG


Vorschriften:

MTV Metallindustrie Baden-Württemberg § 7
MTV Metallindustrie Baden-Württemberg § 7.1
MTV Metallindustrie Baden-Württemberg § 7.1.1
MTV Metallindustrie Baden-Württemberg § 7.1.3.
MTV Metallindustrie Baden-Württemberg § 18
ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 138
BGB § 242
BGB § 315
BGB § 315 Abs. 1
BGB § 315 Abs. 3
GewO § 106
TVG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 13 Sa 49/04

Verkündet am 20.04.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 13. Kammer - durch den Richter am Arbeitsgericht Gneiting, den ehrenamtlichen Richter Cibis und die ehrenamtliche Richterin Kober auf die mündliche Verhandlung vom 19.01.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim, Kammern Heidelberg, vom 28.07.2004 - Az.: 6 Ca 27/04 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Anschlußberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Differenzlohn zwischen dem auf Basis einer 35-Stunden-Woche abgerechneten Entgelt und der bei einer 40-Stunden-Woche zu bezahlenden Vergütung.

Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst beschäftigt.

Im Zusammenhang mit der Verlegung des förmlichen Dienstsitzes des Klägers nach H. teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27.03.2002 folgendes mit:

Mit der Verlegung Ihres Dienstsitzes nach H. zum 01.04.2002 gelten für Sie die Bestimmungen des Tarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden. In diesem Zusammenhang wird auch eine Umstellung bzw. neue tarifliche Eingruppierung Ihrer derzeitigen Gehaltsbezüge erforderlich.

Wir bieten Ihnen hiermit nachfolgende Gehaltsbezüge per 01.04.2002 an:

T 7, IRWAZ 40 Stunden

EUR 4.549,00 Grundgehalt EUR 398,89 Tarifliche Leistungszulage EUR 4.938,00 Gesamtgehalt

Unter dem Datum des 01.04.2002 erklärte sich der Kläger mit diesen Regelungen einverstanden.

Im Jahr 2003 war der Kläger mit zehn weiteren Kollegen als Verkaufsförderer im Gebiet N. tätig. Zum 30.04.2004 gab die Beklagte die Verkaufsförderung auf. Seit 01.05.2004 betreut der Kläger das Verkaufsgebiet O..

Mit Schreiben vom 23.07.2003 kündigte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf § 7.1.3 des Manteltarifvertrags für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden (künftig: Manteltarifvertrag, MTV) an, daß die mit dem Kläger vereinbarte Arbeitszeit ab 01.11.2003 auf die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden angepaßt werde. § 7 MTV lautet:

Regelmäßige Arbeitszeit 7.1 Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden.

7.1.1 Soll für einzelne Beschäftigte die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, bedarf dies der Zustimmung des Beschäftigten.

Lehnen Beschäftigte die Verlängerung ihrer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ab, so darf ihnen daraus kein Nachteil entstehen.

7.1.2 Bei der Vereinbarung einer solchen Arbeitszeit bis zu 40 Stunden erhalten Beschäftige eine dieser Arbeitszeit entsprechende Bezahlung.

7.1.3 Die vereinbarte Arbeitszeit kann auf Wunsch des Beschäftigten oder des Arbeitgebers mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten geändert werden, es sei denn, sie wird einvernehmlich früher geändert. Das Arbeitsentgelt wird entsprechend angepaßt.

7.1.4 Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat jeweils zum Ende eines Kalenderhalbjahres die Beschäftigten mit verlängerter individueller regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit mit, deren Anzahl 18 % aller Beschäftigen des Betriebes nicht übersteigen darf.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Wochenarbeitszeit einseitig von 40 auf 35 Stunden zu reduzieren. Durch die Vereinbarung vom 27.03./01.04.2002 sei mit dem Kläger eine individuelle Arbeitszeit außerhalb der tariflichen Bestimmungen vereinbart worden. Der Beklagten sei die Reduzierung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 7.1.3 auf 35 Wochenstunden nur dann eröffnet, wenn sie Rahmenbedingungen schaffe, die es dem Kläger ermöglichten, tatsächlich eine 35-Stunden-Woche einzuhalten. Dem gegenüber leiste der Kläger in erheblichem Umfang selbst bei Zugrundelegung einer 40-Stunden-Woche Überstunden. Daher habe die Beklagte dem Kläger die Differenz zwischen der auf Basis einer 35-Stunden-Woche errechneten Vergütung zu der dem Kläger für eine 40-Stunden-Woche zustehenden Vergütung in Höhe von monatlich 652,93 € brutto zu bezahlen.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate November 2003 bis Mai 2004 eine Gehaltsnachzahlung in Höhe von € 4.570,51 brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe von der ihr zustehenden Gestaltungsmöglichkeit des § 7.1.3 MTV Gebrauch gemacht.

Mit dem der Beklagten am 03.08.2004 zugestellten Urteil vom 28.07.2004 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht erkennbar, daß sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung zur Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit innerhalb billigem Ermessen bewegt habe.

Mit der am 03.09.2004 erhobenen und nach entsprechender Fristverlängerung am 04.11.2004 begründeten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung. Die Beklagte macht geltend, selbst soweit § 315 BGB auf die Reduzierung der Arbeitszeit nach § 7.1.3 MTV Anwendung fände, entspräche die Entscheidung der Beklagten billigem Ermessen. Bis auf zwei Mitarbeiter sei bei allen anderen der elf in der Verkaufsförderung eingesetzten Mitarbeiter die Arbeitszeit auf 35 Stunden festgesetzt beziehungsweise reduziert worden. Die zwei mit 40 Stunden beschäftigten Mitarbeiter hätten das größte Gebiet zu betreuen und die umfangreichste Reisetätigkeit zu bewerkstelligen gehabt. Im Jahre 2003 habe der Kläger lediglich 91 Reisetage gegenüber 176 bzw. 178 Reisetagen der beiden mit 40 Stunden beschäftigen Kollegen erreicht. Bis auf die zwei großen Verkaufsgebiete sei die vertraglich geforderte Tätigkeit im Rahmen einer 35-Stunden-Woche leistbar.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 28.07.2004 -Az.: 6 Ca 27/04 - wird abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, auch die Mitarbeiter H. und P. seien bis 30.04.2004 im Rahmen einer 40-Stunden-Woche in der Verkaufsförderung eingesetzt gewesen.

Der Kläger führt aus, in Folge einer Gehaltserhöhung stehe ihm ab März 2004 über die vom Arbeitsgericht zugesprochene Differenzvergütung hinaus ein zusätzlicher monatlicher Betrag von € 9,79 zu. Weiter habe er - zusätzlich zu dem erstinstanzlich für die Monate November 2003 bis März 2004 geltend gemachten Differenzbetrag - Anspruch auf die Differenzvergütung für die Monate Juni bis Dezember 2004 sowie für das Weihnachtsgeld der Jahre 2003 und 2004 und die Urlaubsvergütung für das Jahr 2004. Hinsichtlich der Berechnung der einzelnen Differenzbeträge wird auf Seite 2 f. des Schriftsatzes des Klägers vom 09.12.2004 verwiesen (ABl. 25 f.).

Der Kläger beantragt daher im Wege der Anschlußberufung,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Berufungsklägerin/Beklagte insgesamt zu verurteilen, an den Berufungsbeklagten/Kläger neben dem bereits ausgeurteilten Betrag von € 4.570,51 brutto eine weitere Gehaltsnachzahlung in Höhe von € 5.849,22 brutto, mithin insgesamt € 10.419,73 brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Begründungsfrist ordnungsgemäß begründet worden, so daß sie nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO zulässig ist.

Auch die am Montag, dem 13.12.2004, eingegangene Anschlußberufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Frist zur Berufungserwiderung erhoben worden, denn die Berufungsbegründung war dem Kläger am 12.11.2004 zugestellt worden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Differenzvergütung. Die Beklagte war berechtigt, zum 01.11.2003 die Arbeitszeit des Klägers auf 35 Wochenstunden und proportional hierzu sein Monatsentgelt abzusenken.

1. Zwischen den Parteien bestand keine vom Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden unabhängige Vereinbarung einer Wochenarbeitszeit. Die Geltung der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden wurde mit der Vereinbarung vom 27.03./01.04.2002 zwischen den Parteien ausdrücklich festgeschrieben.

Hinsichtlich der Höhe der wöchentlichen Arbeitszeit weist die Vereinbarung ausdrücklich eine "IRWAZ" von 40 Stunden aus. Damit nimmt die Vereinbarung Bezug auf die gebräuchliche Abkürzung der verlängerten "individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit", wie sie in § 7.1.1 MTV definiert wird. Anhaltspunkte, daß zwischen den Parteien eine von den Regeln des MTV unabhängige Wochenarbeitszeit vereinbart werden sollte, können weder der Vereinbarung vom 27.03./01.04.2002 entnommen werden, noch sind sie sonst ersichtlich.

2. Die Kammer hat nicht aufzuklären, ob die von der Beklagten angeführten Gründe für ihre Entscheidung, die Arbeitszeit des Klägers zum 01.11.2003 auf 35 Wochenstunden abzusenken, tatsächlich zutreffen. Gemäß § 7.1.3 MTV kann die vereinbarte erhöhte Arbeitszeit auf Wunsch des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten abgeändert werden. Das Änderungsbegehren ist kein der Kontrolle des § 315 Abs. 3 BGB unterfallendes Leistungsbestimmungsrecht. Seine Ausübung steht im freien Ermessen der Arbeitsvertragsparteien (a. A. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.08.2003, 10 Sa 513/03).

a) Zwar handelt es sich bei dem Änderungswunsch nach § 7.1.3 MTV um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Die Ausübung gesetzlicher oder tariflich eingeräumter Gestaltungsrechte untersteht aber nicht stets dem Vorbehalt billigen Ermessens.

Räumt eine gesetzliche oder tarifliche Regelung dem Arbeitgeber (oder wie hier beiden Vertragsparteien) ein einseitiges Gestaltungsrecht ein, ist im Wege der Auslegung zu prüfen, ob die Rechtsausübung gemäß § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen erfolgen oder der Entscheidungsspielraum erweitert und die Ausübung des Rechts in das freie Ermessen der Partei gestellt werden soll (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1999, 6 AZR 130/98).

b) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Daher ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG, Beschluß vom 19.08.2004, 8 ABR 52/03; Urteil vom 21.03.2001, 10 AZR 41/00 = AP Nr. 75 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

c) Im vorliegenden Fall ergibt eine Auslegung des § 7.1 MTV, daß die Entscheidung zur Absenkung der gemäß 7.1.1 MTV verlängerten Arbeitszeit auf die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit in das freie Ermessen sowohl des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers gestellt ist.

Der Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung ergibt keinen Hinweis darauf, daß der Wunsch einer Absenkung der individuell erhöhten regelmäßigen Wochenarbeitszeit unter Abwägung aller wesentlichen Umstände des Falles und unter angemessener Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen erfolgen müßte. Voraussetzungen des Absenkungsbegehrens werden in dem Manteltarifvertrag nicht genannt. Hieraus alleine kann aber kein sicheres Auslegungsergebnis gewonnen werden, denn § 315 BGB setzt nicht voraus, daß die Norm, die das einseitige Leistungsbestimmungsrecht einräumt, einen Hinweis auf die Bindung des Ermessens enthält.

Ein Auslegungsergebnis ergibt sich aber aus dem systematischen Zusammenhang des § 7.1.3 MTV und dem darin zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck dieser Regelung.

Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien beträgt im Anwendungsbereich des Manteltarifvertrags die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden. Zwar läßt der Manteltarifvertrag von diesem Grundsatz in beschränktem Umfang die Ausnahme einer verlängerten regelmäßigen Arbeitszeit von bis zu 40 Wochenstunden zu. Doch ist diese Ausnahme an zwei Voraussetzungen gebunden: Zum einen müssen beide Vertragsparteien hiermit einverstanden sein; zum anderen darf der Arbeitgeber eine erhöhte Wochenarbeitszeit mit höchstens 18 % aller Beschäftigen eines Betriebes vereinbaren. Während also die Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit stark reglementiert ist, benennt der Manteltarifvertrag für die Rückführung der Wochenarbeitszeit auf die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit keine Voraussetzungen außer der Einhaltung einer Ankündigungsfrist von drei Monaten.

Durch die unbeschränkte Möglichkeit der Absenkung der ausnahmsweise erhöhten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sollte der Grundsatz der tariflichen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden gestärkt werden. Die regelmäßige individuelle Wochenarbeitszeit soll auf die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit zurückgeführt werden, sobald das für die Erhöhung vorausgesetzte Einverständnis beider Parteien des Arbeitsvertrages weggefallen ist. Eine Billigkeitsprüfung des jeweiligen Absenkungswunsches scheidet aus, weil der Tarifvertrag das Ergebnis der Absenkung, die tarifliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden, als billig voraussetzt.

Ebensowenig wie der Arbeitnehmer bei seinem Wunsch auf Absenkung der individuell erhöhten regelmäßigen Wochenarbeitszeit entgegenstehende betriebliche Interessen berücksichtigen muß, hat der Arbeitgeber Interessen des Arbeitnehmers - etwa auf weiteren Bezug des erhöhten Entgelts oder an einer geringeren Leistungsdichte - abzuwägen.

d) Die tarifvertragliche Regelung greift auch nicht unverhältnismäßig in die Rechte des von seinem Arbeitsverdienst zur Existenzsicherung abhängigen Arbeitnehmers ein.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Erweiterung des Leistungsbestimmungsrechts des Arbeitgebers durch Tarifvertrag statthaft. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber innerhalb eines tarifvertraglich festgelegten Rahmens unter den im Tarifvertrag zu regelnden Voraussetzungen eine feststehende tarifliche Wochenarbeitszeit verlängern oder zu ihr zurückkehren kann (BAG, Urteil vom 10.07.2003, 6 AZR 372/02 = AP Nr. 6 zu § 9 TVAL II; Urteil vom 26.06.1985, 4 AZR 585/83 = AP Nr. 4 zu § 9 TVAL II; Urteil vom 29.01.1986, 4 AZR 531/84; vgl. auch Urteil vom 23.09.2004, 6 AZR 442/03).

Die tarifliche Regelung begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, weil sie die Ausübung des einseitigen Gestaltungsrechts in das freie Ermessen des Arbeitgebers stellt. Zwar bindet § 106 GewO die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers grundsätzlich an das billige Ermessen. Dies schließt aber eine abweichende tarifliche Regelung nicht aus, sofern diese nicht zu einer Umgehung der nicht tarifdispositiven Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Mindestschutzes führt (Rost, Festschrift für Dieterich, S. 505, 511, 515 u. 518). Diese Grenze ist aber angesichts des tariflich vorgegebenen beschränkten Rahmens der Arbeitszeit nicht überschritten.

Anders als bei einzelvertraglich eingeräumten Gestaltungsrechten kann bei tariflichen Regelungen, die das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers erweitern, nicht davon ausgegangen werden, daß dies Ausdruck einer gestörten Vertragsparität ist. Vielmehr haben sie die Vermutung eines angemessenen Ausgleichs der Interessen der Arbeitnehmer am unveränderten Fortbestand ihrer Arbeitsverhältnisse und des Interesses des Arbeitgebers an flexibler Gestaltung der Arbeitsbedingungen für sich und unterliegen insoweit keiner Prüfung ihrer sachlichen Berechtigung (vgl. Rost, a.a.O., S. 518).

Das Absenkungsbegehren berührt auch nicht die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. Allerdings geht mit der Absenkung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden eine proportionale Minderung des Gehalts in Höhe von 12,5 % einher. Dies zwingt die Tarifvertragsparteien aber nicht dazu, die Absenkungsentscheidung des Arbeitgebers billigem Ermessen zu unterstellen. Auf eine dauerhafte Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit (und des damit proportional erhöhten Entgelts) kann nach der tarifvertraglichen Regelung keine der Arbeitsvertragsparteien vertrauen. Zur Anpassung der im Hinblick auf die Erhöhung getroffenen Dispositionen des Vertragspartners dient alleine die Ankündigungsfrist von drei Monaten. Die erleichterte Absenkungsmöglichkeit stellt den Arbeitnehmer nicht schlechter als den Beschäftigten, bei dem nach einem längeren Zeitraum, in dem er mit seinem Einverständnis regelmäßig zu Mehrarbeit herangezogen wurde, die Mehrarbeit in Wegfall kommt. In beiden Fällen ist der Schutz des Arbeitnehmers bereits durch die tarifliche Wochenarbeitszeit gewährleistet.

Hinzu kommt, daß der Arbeitgeber auch bei der Ausübung freien Ermessens rechtlich nicht ungebunden ist. Vielmehr hat der Arbeitgeber die allgemeinen Schranken der Rechtsausübung, insbesondere den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, das Willkürverbot sowie die Grundsätze von Treu und Glauben zu beachten. In diesem Rahmen hat das Bundesarbeitsgericht die Ausübung eines tarifvertraglich eingeräumten Rechts, die über die tariflich festgelegte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus in einem tariflich vorgegebenen Rahmen verlängerte regelmäßige Wochenarbeitszeit wieder entsprechend zu verkürzen als unbedenklich erachtet (BAG, Urteil vom 26.06.1985 a.a.O.; Urteil vom 29.01.1986, a.a.O.; vgl. Urteil vom 10.07.2003 a.a.O.).

3. Die Entscheidung der Beklagten zur Absenkung der regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers verstößt nicht gegen §§ 138, 242 BGB oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Für einen Verstoß gegen diese allgemeinen Rechtsschranken ist der Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Er hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine willkürliche, treuwidrige oder gleichheitswidrige Rechtsausübung der Beklagten ergeben würde.

Ein Verstoß gegen § 242 BGB ergibt sich insbesondere nicht aus der bisher vom Kläger für seine arbeitsvertragliche Tätigkeit tatsächlich aufgewendeten Arbeitszeit, die seinen Angaben zufolge 40 Wochenstunden überstieg. Es obliegt der freien unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, wie intensiv sie die Verkaufsförderung bzw. die Vertriebsbemühungen in einem Verkaufsgebiet gestalten will. Wie der Kläger selbst zutreffend ausführt, muß die Beklagte bei einer Absenkung der Wochenarbeitszeit hinnehmen, daß der Kläger für seine arbeitsvertraglichen Aufgaben auch nur noch 35 Wochenstunden aufwendet und hierdurch gegebenenfalls bisher mögliche Vertriebsbemühungen in Wegfall kommen.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, auch seine Kollegen H. und P. seien mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden in der Verkaufsförderung beschäftigt worden, ergibt sich hieraus kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist erst berührt, wenn der Arbeitgeber eine Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer nach einem bestimmten, erkennbaren und generalisierenden Prinzip besser stellt (BAG, Urteil vom 23.08.1995, 5 AZR 293/94 = NZA 1995, 829). Demgegenüber hat der Kläger weder eine Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer benannt, noch ein generalisierendes Prinzip der Beklagten, aufgrund dessen der Kläger weiterhin mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden hätte beschäftigt werden müssen.

Schließlich hat der Kläger auch keine Umstände vorgetragen, die sachfremde Erwägungen der Beklagten bei ihrer Entscheidung über die Absenkung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers nahelegen würden.

III.

Da die Reduzierung der Arbeitszeit des Klägers zulässig war, bestehen auch die mit der Anschlußberufung geltend gemachten weiteren Differenzlohnansprüche nicht. Auf die Frage einer rechtzeitigen Geltendmachung dieser Ansprüche im Sinne von § 18 MTV kommt es daher nicht an.

IV.

Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreites zu tragen, § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. mit § 91 Abs. 1 ZPO.

Im Hinblick auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.08.2003, 10 Sa 513/03) wird die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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