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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.03.2000
Aktenzeichen: 13 Sa 89/99
Rechtsgebiete: TV SozSich., BGB, EStG


Vorschriften:

TV SozSich. § 4
TV SozSich. § 4 Ziff. 1
TV SozSich. § 4 Ziff. 1 a
TV SozSich. § 5
TV SozSich. § 7 Ziff. 1 Buchstabe a)
TV SozSich. § 8 Ziff. 1 a
BGB § 181
BGB § 616
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
13 Sa 89/99

verkündet am 16. März 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 13. Kammer in Mannheim - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Althaus, den ehrenamtlichen Richter Baier und den ehrenamtlichen Richter Spanrunft auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2000 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 27.07.1999 - Az.: 6 Ca 582/98 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Überbrückungsbeihilfe gemäß Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - TV Soziale Sicherung - (TV SozSich).

Der 1946 geborene Kläger war in der Zeit vom 02.06.1965 bis Januar 1972 und 01.11.1973 bis 31.03.1998 als Fernmeldetechniker bei den französischen Stationierungsstreitkräften in Baden-Baden beschäftigt. Er verdiente zuletzt DM 6.891,00 brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme die Tarifverträge für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - TV AL II (frz) - und demzufolge der o.a. Tarifvertrag Anwendung. Im Zusammenhang mit dem Rückzug der französischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und dem damit verbundenen Abbau auch der zivilen Einrichtungen endete das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den französischen Streitkräften gemäß Aufhebungsvertrag vom 31.03.1998.

Nach dem Ausscheiden gründete der Kläger als Alleingesellschafter die A. B. GmbH - ... durch notarielle Urkunde, der der Gesellschaftsvertrag (ABl. 14) zugrunde lag. Der Kläger bestellte sich zugleich namens der Gesellschaft zum Alleingeschäftsführer, der von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war. Namens der Gesellschaft schloss er mit sich einen Gesellschafter-Geschäftsführervertrag (ABl. 16 ff.), in dem es u.a. heißt:

"...

(1) Der Gesellschaftsführer wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 27.04.1998 bestellt. Er beginnt seine Tätigkeit ab 01.04.1998.

...

§ 4 Vertretung und Geschäftsführung

(1) Der Geschäftsführer vertritt die GmbH gerichtlich und außergerichtlich und führt die Geschäfte. Er ist alleinvertretungs- und alleingeschäftsführungsberechtigt.

...

§ 5 Arbeitszeit

Die Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen und ist vom Geschäftsführer in diesem Rahmen frei und eigenverantwortlich zu gestalten.

...

§ 8 Vergütung

(1) Der Geschäftsführer erhält eine monatliche feste Vergütung in Höhe von DM 3.500,-- brutto, fällig jeweils am Monatsende.

...

§ 9 Urlaub

(1) Dem Geschäftsführer steht ein Erholungsurlaub von 30 Werktagen (Arbeitstagen) für das Kalenderjahr zu.

(2) Ist es betrieblich notwendig, dass der Geschäftsführer einen Teil oder den ganzen Jahresurlaub bis zum 30.03. des Folgejahres nicht nehmen kann, so hat er Anspruch auf zusätzliche anteilige Vergütung gemäß § 9 Abs. 1 dieses Vertrages. Der Vergütungsanspruch ist durch entsprechende Erklärung des Geschäftsführers spätestens bis zum 30.04. des entsprechenden Jahres fällig.

..."

Mit Schreiben vom 29.07.1998, welches 2 Tage später bei der Beklagten einging, beantragte der Kläger Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich. Nachdem die Beklagte dieses Begehren abgelehnt hatte, erhob der Kläger am 23.11.1998 vorliegende Klage, mit der er eine monatliche Überbrückungsbeihilfe für das Jahr 1998 in Höhe von DM 3.339,00 geltend macht. Er nimmt für sich in Anspruch, dass eine anderweitige Beschäftigung i.S. des TV SozSich auch bei einer selbständigen Tätigkeit vorliege, da maßgeblich allein sei, dass eine Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in einen Arbeitsprozess stattgefunden habe. Mit der Gründung der GmbH habe er seine Fähigkeiten im Telekommunikationsbereich genutzt, um eine drohende Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Da er insgesamt mehr als 25 Jahre bei den französischen Stationierungsstreitkräften gearbeitet habe und das 50. Lebensjahr vollendet sei, stehe ihm die Überbrückungsbeihilfe ohne zeitliche Begrenzung zu.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für das Jahr 1998 eine Überbrückungsbeihilfe i.H.v. DM 26.712,-- brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.1999 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für das Jahr 1999 sowie die folgenden Jahre an den Kläger eine Überbrückungsbeihilfe gem. §§ 4 Ziff. 1a, 5 TV SozSich vom 15.04.1971 zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und diese damit begründet, dass mit dem Begriff des Arbeitsentgelts aus anderweitiger Beschäftigung lediglich Arbeitsentgelte aus unselbständiger sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit gemeint sein können.

Mit seinem Urteil vom 27.07.1999 hat das Arbeitsgericht Karlsruhe der Klage teilweise stattgegeben und geurteilt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für das Jahr 1998 eine Überbrückungsbeihilfe in Höhe von DM 26.712,-- brutto (i.W.: sechsundzwanzigtausendsiebenhundertzwölf 00/100 Deutsche Mark) nebst 4% Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.1999 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Zeit vom 01.01.1999 bis zum 30.04.2003 an den Kläger eine Überbrückungsbeihilfe gem. §§ 4 Ziff. 1a, 5 Tarifvertrag Soziale Sicherung vom 15.04.1971 zu bezahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf DM 74.793,60.

In den Gründen, auf die der Einzelheiten wegen verwiesen wird, hat es den Anspruch für teilweise begründet angesehen. Der Kläger habe einen Anspruch gemäß § 7 Ziff. 1 Buchstabe a) TV SozSich auf insgesamt DM 26.712,00 brutto für die Zeit vom 01.05.1998 bis 31.12.1998. Dies ergebe sich aus einer Auslegung des § 4 Ziff. 1a) TV SozSich. Hiernach seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass mit Arbeitsentgelt nur Arbeitsentgelt aus nichtselbständiger Tätigkeit gemeint sein solle. Nachdem der Antrag des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe erst am 31.07.1998 beim Amt für Verteidigungslasten eingegangen sei, habe er gem. § 8 Ziff. 1a) TV SozSich Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erst ab Mai 1998 und nicht ab April.

Bei der Bemessung der Dauer hat das Arbeitsgericht angenommen, die frühere Beschäftigung vom 02.06.1965 bis Januar 1972 sei nicht mitzuberücksichtigen. Aus diesen Gründen sei der Anspruch des Klägers auf die Zeit bis 31.03.2003 hinaus begrenzt. Insoweit sei die Klage abzuweisen, auch wenn dies versehentlich im Tenor unterblieben sei.

Gegen dieses der Beklagten am 09.09.1999 zugestellte Urteil hat diese am 29.09.1999 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 29.11.1999 am 12.11.1999 begründet. Sie macht geltend, das Arbeitsgericht vertrete zu Unrecht die Rechtsauffassung, dass der Kläger nach § 4 Ziff. 1 TV SozSich Überbrückungsbeihilfe zu erhalten habe, da sein Einkommen kein "Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung" im tariflichen Sinne sei. Dies ergebe sich aus einer Auslegung des Begriffs "Arbeitsentgelt", worin nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gemeint seien. Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit sei hingegen Gewinn. Bei dem Gesellschafter-Geschäftsführervertrag handele es sich auch nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um einen Dienstvertrag. Vorsorglich sei zu bestreiten, dass der Kläger eine arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit von mehr als 21 Stunden habe.

Die Beklagte beantragt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe (6 Ca 582/98) vom 27.07.1999 im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits

3. Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung. Er verteidigt das angegriffene Urteil und meint, die Hinweise auf das Sozialversicherungsrecht vermögen der Beklagten nicht zu helfen, da die Begriffe Arbeitsentgelt und Beschäftigung in arbeitsrechtlicher Hinsicht zu beurteilen seien. Danach sei das Gehalt eines Geschäftsführers Arbeitsentgelt aus einer anderweitigen Beschäftigung i.S. des Tarifvertrages. Hätte dies ausgeschlossen werden sollen, hätte dies eindeutig in § 4 TV SozSich festgehalten werden müssen.

Auch nach Steuerrecht werde die Vergütung eines Geschäftsführers einer nichtselbständigen Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugeordnet. Bei einer Einkommensteuererklärung würden Geschäftsführergehälter in der Anlage N (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) angegeben.

Der Kläger arbeite nicht nur regelmäßig mehr als 21 Stunden, er arbeite erheblich mehr als 40 Stunden.

Das Arbeitsamt habe dem Kläger von vornherein signalisiert, dass in Anbetracht seines Alters von 52 Jahren eine Einstellung bei einem Arbeitgeber aussichtslos sei. Er habe deshalb vor der Alternative gestanden, sich entweder arbeitslos zu melden mit der Folge, dass ihm in diesem Fall unstreitig eine Überbrückungsbeihilfe gewährt und die Sozialkassen damit mit monatlich DM 6.891,00 belastet würden; die andere Alternative, die er gewählt habe, habe darin bestanden, eine GmbH zu gründen und sich als Geschäftsführer zu bestellen, um eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Sinn und Zweck des Betriebs komme bei dieser Alternative voll zum tragen, die Sozialkassen würden entlastet und der Kläger würde in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert. Es sei lebensfremd und würde den Vorstellungen des Tarifvertrages zuwiderlaufen, wenn dem Kläger einzig und allein die Möglichkeit der Arbeitslosigkeit verbliebe, um einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu erhalten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1 ArbGG, 518 Abs. 1 und 2, 519 Abs. 2 und 3 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Die Kammer kann der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts nicht folgen. Die Einkünfte des Klägers sind kein "Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung" i.S. des TV SozSich. Dessen wesentliche Vorschriften lauten:

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte

b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen...,

c) zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder zum Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfall.

...

5. a) Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung

...

25 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung.

b) Arbeitnehmer, die nicht unter Abs. a) fallen, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 bei einer am Tage ihrer Entlassung nachzuweisenden Beschäftigungszeit und einem voll- endeten Lebensalter von bis zum Ablauf von ... ... ... 15 Jahre 50 Jahren 5 Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

§ 4 Ausschluss der Zahlung und Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfen und Beitragszuschüsse

1. Überbrückungsbeihilfe und Beitragszuschuss werden nicht gezahlt für Zeiten,

a) die mehr als 3 Monate vor dem Tag liegen, an dem der Antrag bei dem zuständigen Amt für Verteidigungslasten eingegangen ist,

...

2. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, der zahlenden Behörde

a) die zur Feststellung der Anspruchsberechtigung (§ 2) und die zur Berechnung der Leistungen (§§ 4, 6) benötigten Unterlagen innerhalb einer Frist von drei Monaten vorzulegen, und

...

3. Kommt der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen nach vorstehender Ziffer 2a) trotz schriftlicher Aufforderung nicht nach, so stehen ihm Leistungen nach diesem Tarifvertrag für die Zeiten nicht zu, für die er seine Nachweispflicht nicht innerhalb der Dreimonatsfrist erfüllt.

Die Bestimmungen des TV AL II (frz) lauten, soweit vorliegend von Interesse, wie folgt:

§ 4 Anrechenbare Beschäftigungszeit

1. Anrechenbare Beschäftigungszeit im Sinne des Tarifvertrages ist die bei den französischen Stationierungsstreitkräften sowie die im Geltungsbereich des "TV AL II" ohne Unterbrechung zurückgelegte Zeit.

2. a) Die anrechenbare Beschäftigungszeit gilt als nicht unterbrochen, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden spätestens zum ersten Arbeitstag nach Ablauf von drei Monaten von den Stationierungsstreitkräften (Ziff. 1) erneut eingestellt worden ist - es sei denn, dass er aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausgeschieden ist.

b) Die anrechenbare Beschäftigungszeit gilt ferner als nicht unterbrochen, wenn der Arbeitnehmer, der wegen Personalabbaues entlassen wurde oder aus diesem Grund sein Beschäftigungsverhältnis im Einvernehmen mit der Beschäftigungsdienststelle beendet hatte.

...

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Zulässigkeit der Klage angenommen. Auf dessen Begründung kann insoweit Bezug genommen werden. Es ist überdies auch für den vorliegenden Tarifvertrag bereits höchstrichterlich anerkannt (BAG, Urteil vom 16.07.1998, NZA 1999, S. 217 f.), zumal zwischen den Parteien lediglich im Streit ist, wie der Begriff Arbeitsentgelt und anderweitige Beschäftigung auszulegen ist.

1. Das vom Kläger bezogene Geschäftsführergehalt ist kein Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung. Dies ergibt eine Auslegung der Tarifnorm.

Tarifnormen sind zunächst aus sich selbst heraus auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Verwenden Tarifvertragsparteien rechtlich mit bestimmten Inhalten umgrenzte Begriffe, so ist anzunehmen, dass sie deren allgemeine Bedeutung verwenden wollten.

Mit Arbeitsentgelt wird gemeinhin die Vergütung aus nichtselbständiger Tätigkeit gemeint. Dies umfasst die Löhne der Arbeiter und die Gehälter der Angestellten. Für Personen, die in einem freien Dienstverhältnis oder als Organe von Gesellschaften beschäftigt werden, werden gewöhnlich die Begriffe "Bezüge" oder "Vergütung" verwendet. Auch der vorliegende Gesellschafter-Geschäftsführervertrag des Klägers verwendet in § 8 die Bezeichnung Vergütung. Das Gesetz über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle regelt lediglich die Ansprüche von Arbeitnehmern. Bei GmbH-Geschäftsführern kann im Falle der Erkrankung allein § 616 BGB in Betracht kommen (vgl. Erfurter Kommentar, EFZG, § 1 Rz. 12).

Allerdings kann die Bestellung eines Geschäftsführers von einem Arbeitsverhältnis begleitet sein. Dies nimmt die Rechtsprechung insbesondere dann an, wenn jemand aus der bisherigen Stellung als Arbeitnehmer in die des Geschäftsführers überwechselt, die Vergütungshöhe aber unverändert bleibt oder ausdrücklich Arbeitsverträge abgeschlossen worden sind.

Auch § 14 Abs. 1 spricht von "Arbeitsentgelt", wenn es um die Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld geht. Auch dies gilt nur für Arbeitnehmer.

2. Auch der Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen ergibt, dass es sich bei Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung um solches aus abhängiger Tätigkeit handelt. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 a) TV SozSich liegt eine "anderweitige Beschäftigung" nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Eine solche regelmäßige Arbeitszeit gibt es nur im Rahmen abhängiger Arbeitsverhältnisse. Der Selbständige regelt seine Arbeitszeit nach Umsatz, Auftragslage, persönlicher Schaffenskraft, Einkommensnotwendigkeit, Kreativ- und anderen Einflussfaktoren, nicht aber einer Regelmäßigkeit. Die Regelmäßigkeit der Arbeitszeit bestimmt sich nach dem dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Vertrag. Auch der Gesellschafter-Geschäftsführervertrag, den der Kläger namens der Gesellschaft mit sich abgeschlossen hat, regelt die Arbeitszeit "nach den betrieblichen Erfordernissen". Einen Einfluss auf die Gehaltshöhe sollte dies nicht haben. Mit der Protokollnotiz sollte offensichtlich vermieden werden, dass Arbeitnehmer mit geringen Einkünften und entsprechend geringen Verdiensten den hohen Differenzbetrag als Übergangsgeld in Anspruch nehmen können, obwohl der Hauptzweck, in andere Arbeitsverhältnisse einzutreten, nicht erreicht wird.

3. Wollten die Tarifvertragsparteien auch Einkünfte aus selbständigen Tätigkeiten erfassen, so hätten die Berechnungsregelungen der Höhe der Überbrückungsbeihilfe um Vorschriften ergänzt werden müssen, wie erzielte Gewinne zu berücksichtigen sind. Dabei kann es keine Rolle spielen, dass Gewinne nach Unternehmensgründungen in den ersten Jahren nicht auftreten, da diese in aller Regel für Investitionen verwendet werden. Investitionen mehren in aller Regel das Anlagevermögen und sind auch insoweit verdeckte Gewinne.

Hinzu kommt, worauf die Beklagte zu Recht verweist, dass der Kläger als Alleingesellschafter-Geschäftsführer die Höhe seines Gehalts selbst bestimmen kann und damit bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit auch darüber befindet, in welcher Höhe die Überbrückungsbeihilfe zu zahlen ist.

4. Dem Arbeitsgericht ist zuzugestehen, dass Sinn und Zweck des Tarifvertrages ist, die soziale Sicherung der Arbeitnehmer im Anschluss an den Verlust des Arbeitsplatzes bei den Stationierungsstreitkräften durch die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu erreichen. Richtig ist auch, dass dieses Sicherungsbedürfnis bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht geringer zu veranschlagen ist. Dies zwang die Tarifvertragsparteien aber nicht, das Überbrückungsgeld auch dann zu zahlen, wenn ein Arbeitnehmer nicht in ein anderes Arbeitsverhältnis eintritt, sondern selbständig tätig wird. Auch wenn die Tarifvertragsparteien an sich bei ihrer rechtssetzenden Tätigkeit an den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung gebunden sind (vgl. BAG, Urteil vom 23.02.1995, AP Nr. 5 zu § 42 TV AL II, und vom 17.10.1995, NZA 1996, S. 556), so liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht vor. Solches ist nur dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien die tatsächlichen Gleichheiten und Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte nicht ausreichend berücksichtigt haben und diese so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssten. Bei der unterschiedlichen Behandlung von Personengruppen müssen die Gründe für die vorgesehene Differenzierung von solchem Gewicht sein, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.09.1997, AuR 1998, S. 41, und BAG, Urteil vom 23.02.1995, a.a.O.).

Eine solche ungleiche Behandlung von Arbeitnehmern, die nach dem Ausscheiden bei den französischen Stationierungsstreitkräften in ein unselbständiges Arbeitsverhältnis treten, und denen, die sich selbständig machen, ist mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Beide Gruppen unterliegen sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Während abhängig Beschäftigte in aller Regel aus ihrem Arbeitseinkommen die einzige Grundlage ihrer Existenz beziehen und ihretwegen die Rechtsordnung das gesamte Arbeitsrecht in der Breite seines Spektrums zur Verfügung stellt, haben Selbständige völlig andere Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit. Diese müssen daher mit jenen nicht gleichbehandelt werden, sie werden es auch sonst in der Rechtsordnung nicht.

III.

Sind daher vorliegend die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld nach dem TV SozSich nicht gegeben, war die Klage abzuweisen, das diesem Ergebnis entgegenstehende Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe deshalb abzuändern und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (§ 91 ZPO). Die Revision war der grundsätzlichen Bedeutung wegen zuzulassen. Die Rechtsfrage ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Ende der Entscheidung

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