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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.02.2005
Aktenzeichen: 14 Sa 115/04
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 112
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 14 Sa 115/04

Verkündet am 15.02.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 14. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Witte, den ehrenamtlichen Richter Rennig und den ehrenamtlichen Richter Wagner auf die mündliche Verhandlung vom 15.02.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schluß-Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 06.04.2004 - 4 Ca 219/03 - abgeändert:

Die Klage wird, soweit ihr über das Teilanerkenntnisurteil vom 17.02.2004 hinaus stattgegeben wurde, abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in erster Linie über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 22.04.2003 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung zum 31.07.2003. Daneben beansprucht der Kläger eine tarifliche Sonderzahlung in Form eines zusätzlichen Urlaubsgeldes.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sog. weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto und dergleichen betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hatte. Der Kläger, geboren am 21.08.1970, war seit dem 18.12.1995 - nach näherer Maßgabe eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.12.1995, Vor.A. Bl. 5 ff - bei der Beklagten in der Filiale M -N (Filiale 261) beschäftigt. Diese Filiale war ursprünglich mit ca. 36 Arbeitnehmern besetzt. Als Fachverkäufer für Computer bezog der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von ca. Euro 2.374,00.

Bei der Beklagten sind Regionalbetriebsräte gebildet. Mit dem u. a. für die Filiale 261 zuständigen Betriebsrat für die Region Süd und Südwest schloß die Beklagte am 13.02.2003 eine Vereinbarung ab, die u. a. einen Interessenausgleich sowie personelle Auswahlrichtlinien zum Gegenstand hat (vgl. Vor.A. Bl. 31 ff.). Hiernach ist geregelt, dass sämtliche in einer Anlage aufgeführten Filialen, darunter auch die Beschäftigungsfiliale des Klägers, zu "reinen Abverkaufsstellen umgestaltet" werden sollten. Hierzu (vgl. B § 1 der Vereinbarung) ist u. a. näher ausgeführt:

"B Interessenausgleich

§ 1 Betriebsänderung

Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat Planungen und sonstige Informationen zugänglich gemacht, die die Durchführung der nachfolgend beschriebenen Betriebsänderung und die damit verbundenen Maßnahmen betreffen. Der Betriebsrat bestätigt ausdrücklich, umfassend vor Abschluß dieser Vereinbarung durch den Arbeitgeber informiert worden zu sein, und zwar über folgende Änderungen:

1. Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, daß eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 (vier) Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung / Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepaßt.

2. Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeiter obliegt je nach Bedarf - die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bishherigen im Betrieb bestehende Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer - mit Ausnahme des Marktleiters - werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung. ..."

Hinsichtlich der Auswahl der in einer Filiale benötigten und demnach zu verbleibenden Arbeitnehmer enthält die Vereinbarung vom 13.02.2003 unter Buchstabe C näher ausgestaltete Auswahlrichtlinien. Der Kläger gehörte nach diesen Richtlinien nicht zu demjenigen Personenkreis, demgegenüber im Zusammenhang mit der Zuweisung einer Tätigkeit mit dem neuen Zuschnitt lediglich eine Änderungskündigung ausgesprochen werden sollte. Der Kläger erhielt statt dessen die in Streit stehende Beendigungskündigung. Das geschah auf dem Hintergrund der Absicht der Beklagten, den Personalbestand der Filiale 261 auf nur noch 12 Filialmitarbeiter einschließlich des Marktleiters zu reduzieren.

Im April 2003 wurde von der Beklagten per Inserat in der regionalen Presse sowie auch über die Bundesagentur für Arbeit für ihre Filialen Personalbedarf kundgetan ("Kaufmann/frau-Einzelhandel-Rundfunk, Fernsehen, Video...", vgl. im Einzelnen Vor.A. Bl. 12).

Das Arbeitsgericht hat sich der vom Kläger vertretenen Auffassung, der die in Streit stehende Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt hält, angeschlossen und mit Schlußurteil vom 06.04.2004 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. In Übereinstimmung mit dem Kläger könne nach der Überzeugung der Kammer nicht davon die Rede sein, dass der Weiterbeschäftigung des Klägers, ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen, dringende betriebliche Erfordernisse entgegengestanden hätten. Mit Rücksicht auf die noch vor Kündigungsausspruch auf unterschiedlichen Wegen von der Beklagten ausgeschriebenen Stellen hätte es der Beklagten zunächst oblegen, dem Kläger eine Stelle anzubieten. Die Beklagte hätte klarstellen müssen, dass es im Ablehnungsfalle zur Kündigung kommen werde und wäre verpflichtet gewesen, dem Kläger eine Bedenkzeit von einer Woche einzuräumen. Erst wenn dieser hiernach vorbehaltlos und endgültig nein gesagt hätte, wäre die Beendigungskündigung statthaft gewesen. Der Versuch der Beklagten, sich mit dem Hinweis zu rechtfertigen, dass sie ungeachtet der Stellenangebote bei Kündigungsausspruch über keine zur Besetzung freien Stellen verfügt habe, müsse scheitern.

Im Übrigen wird zur näheren Sachdarstellung auf das arbeitsgerichtliche Schlußurteil vom 06.04.2004 Bezug genommen.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung unverändert geltend, dass nach dem beschlossenen und bereits Ende April 2003 vollzogenen Umbau der Filiale M -N für den Kläger dauerhaft keine Beschäftigungsmöglichkeit als Fachverkäufer für Computer mehr bestanden habe. Die Beklagte habe, wie dies im Interessenaugleich vom 13.02.2003 niedergelegt sei, eine für die Arbeitsgerichte bindende Unternehmerentscheidung zur Umgestaltung der Beschäftigungsfiliale des Klägers in eine Discountfiliale getroffen. Es sei damit auch bindend entschieden worden, dass nach Umgestaltung des Marktes dort neben dem Marktleiter nur noch 11 Angestellte eingesetzt würden, die je nach Arbeitsanfall, als Verkäufer mit Kassen- und Lagertätigkeit eingesetzt würden. Dementsprechend hätten 11 Arbeitnehmer eine Änderungskündigung erhalten, im Übrigen seien, so auch gegenüber dem Kläger, Beendigungskündigungen auszusprechen gewesen. Das angefochtene Urteil vermöge auf diesem Hintergrund nicht zu überzeugen. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe es bei Kündigungsausspruch für den Kläger keinen freien Arbeitsplatz gegeben. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass im April 2003 "Stellenausschreibungen" erfolgt seien, denn dies sei, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, nur vorsorglich geschehen. Da die Beklagte mithin rechtswirksam zum 31.07.2003 das Arbeitsverhältnis gekündigt habe, stehe dem Kläger lediglich das bis dahin anteilig zu errechnende Urlaubsgeld zu, welches er bereits erhalten habe.

Die Beklagte beantragt:

Unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt:

Kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und nimmt im Übrigen Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zweitinstanzlichen Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Die Berufungskammer hat nach näherer Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 07.12.2004 über den von der Beklagten behaupteten Zeitpunkt des Umbaus der Filiale 261 sowie über die entsprechende Betriebsratsanhörung Beweis erhoben. Der Inhalt der Aussagen der hierüber vernommenen Zeugen W und H ergibt sich aus der Vernehmungsniederschrift vom 15.02.2005 (vgl. Bl. 61 bis 64 der Akten).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die in Streit stehende ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 22.04.2003 ist sozial gerechtfertigt und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.07.2003 beendet. Dementsprechend steht dem Kläger das tarifliche Urlaubsgeld nur anteilig (7/12) zu. Die Klage ist mithin, soweit hierüber noch durch das angefochtene Schlußurteil zu entscheiden war, in vollem Umfang abzuweisen.

Die streitgegenständliche Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gerechtfertigt.

1.

Inner- und außerbetriebliche Umstände begründen ein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sich diese Umstände konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. In der Regel entsteht das betriebliche Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang usf.), sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche Entwicklungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Die Zweckmäßigkeit einer derartigen Entscheidung ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt nachprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Zum Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordnete Arbeitskräftevolumen (Menge der aufzuwendenden Arbeitszeit) und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen. Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung überhaupt getroffen wurde und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Zwar muss nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein. Voraussetzung ist aber, dass die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist. Erschöpft sich die Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so rückt sie nahe an den Kündigungsentschluß heran. Da die Kündigungsentscheidung selbst nicht frei, sondern an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, ist der Arbeitgeber in solchen Fällen gehalten, seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich der Nachhaltigkeit ("Dauer") zu verdeutlichen, damit das Gericht prüfen kann, ob die Entscheidung im Sinne der oben aufgezeigten Anforderungen unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (ständige BAG-Rspr., vgl. etwa Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02, m. w. N.).

2.

Entsprechend den aufgezeigten Voraussetzungen ist die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung vom 22.04.2003 sozial gerechtfertigt.

a.)

Zunächst hat die Beklagte eine gestaltende Unternehmerentscheidung dahingehend getroffen, die bisherige Struktur u. a. der Filiale M -N in eine reine Abverkaufsstelle umzugestalten. Diese Entscheidung findet ihren Niederschlag in der mit dem zuständigen Betriebsrat getroffenen Vereinbarung vom 13.02.2003. In diesem Interessenausgleich nach § 112 BetrVG ist im Einzelnen das Ob und Wie der Umgestaltung der Filialen geregelt. Insbesondere gehört hierzu die Umstellung von einer Fachfiliale mit entsprechender Beratung des Kunden auf einen Verkaufsbetrieb, in dem die Ware vom Kunden selbst zu entnehmen und zur Kasse zu befördern ist. Eine an den individuellen Kundenwünschen orientierte Beratung findet nicht mehr statt. Sie wird nur noch im Rahmen der geänderten und reduzierten personellen Ausstattung zur Verfügung gestellt, sodaß einer der umfassend für Kassentätigkeit, Pflege und Nachfüllen der Ware, Abwicklung von Gewährleistung sowie Lagertätigkeit eingesetzten Filialmitarbeiter eine Kundenberatung nur eingeschränkt, sofern es die übrigen Aufgaben gerade zulassen, vornehmen kann.

Die von der Beklagten getroffene Unternehmerentscheidung zur Umgestaltung ihrer Filialen erscheint in keiner Weise unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. Im Gegenteil. Sie ist betriebswirtschaftlich motiviert. Die Beklagte hat sich bei ihren Überlegungen im Zusammenhang mit der Festlegung der Anzahl der noch im Markt benötigten Mitarbeiter von einer erheblichen Reduzierung des Sortiments an Waren leiten lassen. Im Übrigen hat sie entschieden, neben dem Marktleiter nur noch so viele Filialkräfte zu beschäftigen, wie dies zum Funktionieren innerhalb der täglichen Öffnungszeiten erforderlich ist. Mit diesem Konzept sollte gewährleistet werden, im Unternehmen insgesamt zumindest zu einem ausgeglichenen Ergebnis zurückzukehren. Alles dies erscheint sowohl betriebswirtschaftlich als auch personalwirtschaftlich einleuchtend. Ob das von der Beklagten gewählte Konzept in der Praxis tatsächlich zum angestrebten Ergebnis führt, ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.

Bei Kündigungsausspruch lagen auch die greifbaren Formen der unternehmerischen Entscheidung vor. Denn bereits in der Vereinbarung mit dem Betriebsrat vom 13.02.2003 hat sich das Konzept zur Umgestaltung der Filialen manifestiert.

Die Umgestaltung der Filiale vom Fachbetrieb in eine Discountfiliale führt auch zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers in seiner bisherigen Funktion als Fachverkäufer Computer. Denn eine derartige Funktion besteht nicht mehr. Das unternehmerische Konzept der Beklagten besteht gerade darin, dass die außer einem Marktleiter noch im Markt beschäftigten weiteren 11 Mitarbeiter ausnahmslos jeweils noch für Verkauf, Kassen- sowie Lagertätigkeit nach Bedarf eingesetzt werden.

b.)

Die Beklagte hat auch bewiesen, dass sie entgegen ihrer ursprünglichen Absicht, wonach die Filiale M -N erst zum 01.01.2004 umgebaut werden sollte, den Umbau bereits zum 25.04.2003 beschlossen hatte. Eine solche zeitlich vorgezogene Maßnahme hat der Zeuge W bei seiner Vernehmung am 15.02.2005 glaubhaft bestätigt. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen sind nicht gegeben, zumal das vorgezogene Umbaudatum bereits in den Unterlagen der Beklagten zur Umbauplanung aufgeführt ist (Anlage B 5 zum erstinstanzlichen Schriftsatz der Beklagten vom 21.08.2003). Mithin war der Bedarf an der Arbeitsleistung des Klägers als Computerfachverkäufer bereits zum Kündigungstermin 31.07.2003 und nicht erst später entfallen.

Die Angaben des Zeugen W sind vom Zeugen H bestätigt worden. Der Zeuge H als Betriebsratsvorsitzender hat glaubhaft bestätigt, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger über das jeweils aktuelle planmäßige Umbaudatum einer jeden Filiale unterrichtet gewesen sei. Dass im Übrigen eine den Erfordernissen des § 102 Abs. 1 BetrVG genügende Anhörung zur Kündigung des Klägers erfolgt ist, kann angesichts der vorliegenden schriftlichen Anhörung (Anlage B 2, Vor.A. Bl. 37 ff) und auf dem Hintergrund der Vereinbarung der Betriebspartner vom 13.02.2003 nicht ernsthaft bezweifelt werden. Insoweit werden vom Kläger auch, soweit ersichtlich, zweitinstanzlich keine Einwendungen erhoben.

c.)

Die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl ist ordnungsgemäß. Denn sie hat sich bei der Frage, gegenüber welchen Arbeitnehmern eine Beendigungskündigung auszusprechen sei, an einem Punkteschema orientiert, welches mit der BAG-Rspr. übereinstimmt (vgl. BAG, Urteil vom 18.01.1990 - 2 AZR 357/89).

d.)

Entgegen der Argumentation des Klägers und entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts kann das Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses zur Kündigung des Klägers auch nicht wegen der von der Beklagten im April 2003 auf dem Arbeitsmarkt angebotenen Stellen in Frage gestellt werden.

Durch das in Rede stehende Angebot von Stellen ändert sich nichts an der getroffenen unternehmerischen Entscheidung, die Filiale M -N ab Ende April nach der neuen Konzeption und nur noch in der Besetzung mit 11 Angestellten und einem Marktleiter zu betreiben. Den dahingehenden Entschluß als solchen hat der Kläger - abgesehen vom maßgeblichen Datum des geplanten Umbaus - auch nicht in Abrede gestellt. Mithin verbleibt es dabei, dass die Beklagte über Ende April 2003 hinaus lediglich für 11 Angestellte Beschäftigungsbedarf hatte. Bei diesen 11 Arbeitsplätzen handelt es sich - im Verhältnis zum Kläger - auch keineswegs um freie Stellen, von denen eine dem Kläger in Verbindung mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung hätte angeboten werden müssen. Diese Stellen waren solange nicht frei, bevor nicht eine(r) derjenigen Arbeitnehmer/innen, die nach Maßgabe der getroffenen Sozialauswahl eine Änderungskündigung erhalten hatten, das ihnen gemachte Angebot vorbehaltslos ausgeschlagen hatten. Dies hätte wiederum vorausgesetzt, dass der betreffende Arbeitnehmer gegen die Änderungskündigung keine Klage erhoben hätte. Dass derart freie Arbeitsplätze bei Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger vorhanden gewesen seien, behauptet der Kläger selbst nicht. Entgegen der Argumentation des Klägers war es aber der Beklagten nicht verwehrt, die von ihr getroffene unternehmerische Entscheidung zum Umbau der Filiale M -N in der Art und Weise umzusetzen, dass sie zeitgleich die nach dem unternehmerischen Konzept erforderlichen Änderungs- sowie Beendigungskündigungen aussprechen durfte. Im Übrigen vermag die Berufungskammer aus der Tatsache vorsorglich auf dem Arbeitsmarkt veröffentlichter Stellenangebote für sich genommen keine Schlüsse auf das Vorhandensein freier Arbeitsplätze zu ziehen. Soweit der Kläger sich im Berufungsverfahren (vgl. Schriftsatz vom 29.10.2004) auch konkret auf die Neueinstellung verschiedener Arbeitnehmer bezogen hat, so ist von personellen Maßnahmen ohne zeitlichen Bezug zum Kündigungsausspruch auszugehen. Ein derartiger Bezug ist nicht ersichtlich, insbesondere vom Kläger nicht vorgetragen.

Nach § 92 ZPO trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens.

Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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