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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.05.2004
Aktenzeichen: 14 Sa 126/03
Rechtsgebiete: ArbStättV, BGB, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ArbStättV § 34 Abs. 1
ArbStättV § 34
ArbStättV § 1 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 273
BGB § 242
BGB § 273 Abs. 1
BGB § 315
BGB § 1004
ZPO § 256 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 14 Sa 126/03

Verkündet am 11.05.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 14. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Witte, die ehrenamtliche Richterin Graf-Baier und die ehrenamtliche Richterin Röth-Ehrmann auf die mündliche Verhandlung vom 29.04.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 10.10.2003 - 1 Ca 180/03 - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 26.02.2003 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Im übrigen wird die Klage hinsichtlich Ziffer 1 des Antrages abgewiesen

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger vorläufig nicht verpflichtet ist, die Tätigkeit als Fahrausweisprüfer in Dienstkleidung gemäß Dienstkleiderordnung vom 07.11.2002 zu verrichten.

II. Die Beklagte trägt auch die Kosten der Berufung.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Dienstkleidung zu tragen hat und ob er wegen eines Verstoßes gegen entsprechende Anordnungen der Beklagten zu Recht ermahnt sowie abgemahnt worden ist.

Die Beklagte betreibt mit Sitz in K. öffentlichen Personennahverkehr. Der Kläger ist bei der Beklagten im Jahr 1975 eingetreten. Es ist die Geltung des BMT-G vereinbart. Nach langjähriger Tätigkeit als Bus- und Straßenbahnfahrer wird der Kläger inzwischen, aus gesundheitlichen Gründen, als Fahrausweisprüfer eingesetzt. Als solcher beginnt und beendet der Kläger entsprechend bisheriger Anordnung der Beklagten seinen Dienst im Betriebsgebäude der Beklagten in der T.straße in K., was der bisher überwiegenden Handhabung gegenüber sämtlichen Fahrausweisprüfern entspricht. Das Erscheinen im Betriebsgebäude dient dem An- und Abmelden; bis einschließlich des Jahres 2003 waren von den Fahrausweisprüfern bei Arbeitsende schriftliche Tagesmeldungen abzugeben.

Die von der Beklagten beschäftigten ca. 450 Straßenbahn- und Busfahrer tragen traditionsgemäß eine "Uniform" bzw. Dienstkleidung. Derart gekleidet erscheinen sie bereits zum Dienst, der, entsprechend dem Dienstplan, an den unterschiedlichen Stationen der zu befahrenden Strecke aufgenommen bzw. beendet wird. Für die Fahrausweisprüfer, von denen die Beklagte derzeit ca. 37 hauptamtliche Prüfer und 3 bis 4 Studenten in Nebentätigkeit beschäftigt, war das Tragen einer Dienstkleidung zunächst nicht üblich. Erstmals mit Wirkung zum 15.11.2002 wurde dies geändert. Die Beklagte hat mit ihrem Betriebsrat eine zum 15.11.2002 in Kraft gesetzte Dienstkleiderordnung vereinbart ("Dienstkleiderordnung der GmbH vom 07.11.2002"), derzufolge auch die Fahrausweisprüfer zum Anlegen der vorgesehenen Dienstkleidung verpflichtet sein sollen. Zum Herrendienstkleidungssortiment (vgl. im Einzelnen § 2.1 Dienstkleiderordnung) gehören etwa ein Sakko, eine Weste, eine Hose, ein Hemd sowie eine Krawatte.

Die Anzugteile (Hose, Sakko, Weste) bestehen aus blau-grauem feinerem Anzugstoff. Die Knöpfe von Sakko und Weste sind silbern; oberhalb der Taschenklappen sind dunkelrote Streifen appliziert. In Brusthöhe befindet sich linksseitig deutlich sicht- bzw. lesbar das Namenszeichen der Beklagten. Das Hemd ist blau-weiß längs gestreift. Die Krawatte ist rot und mit kleinen bunten Bahnen und Bussen als Muster versehen (vgl. auch die übergebenen Lichtbilder Bl. 100 und 101 der Akten).

Der Kläger vertritt die Auffassung, daß er der Aufforderung zum Tragen der Dienstkleidung nicht folgen müsse, weil die Beklagte keine Umkleideräume zur Verfügung stelle. Dies bedeute, daß der Kläger auch in seiner Freizeit, auf dem Weg zur Arbeitsstelle und im Anschluß an das Arbeitsende, Dienstkleidung tragen müsse. Mit dieser Dienstkleidung falle der Kläger ohne weiteres als Bediensteter der Beklagten auf. Das dem Kläger abverlangte Tragen der Dienstkleidung auch im privaten Bereich stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Privatspähre des Klägers dar. Die Beklagte weigere sich rechtswidrig, Umkleideräume zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte sei aufgrund der auch für sie geltenden Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) gehalten, Umkleidemöglichkeiten entsprechend § 34 Abs. 1 der ArbStättV zur Verfügung zu stellen. Der Kläger seinerseits könne die geschuldete arbeitsvertragliche Leistung als Fahrausweisprüfer solange verweigern, bis die Beklagte ihren Pflichten nachgekommen sei. Die Beklagte habe den Kläger darüber hinaus zu Unrecht mit Schreiben vom 20.01.2003 und vom 28.01.2003 (Vor.A. Bl. 12 u. 17 f.) ermahnt sowie mit weiterem Schreiben vom 26.02.2003 (vgl. Vor.A. Bl. 7) abgemahnt, weil der Kläger seinen Dienst nach Inkrafttreten der Dienstkleiderordnung in Privatkleidung verrichtet habe. Deshalb seien diese Schreiben zu entfernen.

Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlichen Anträgen des Klägers in vollem Umfang entsprochen. Es hat entschieden, daß der Kläger berechtigt ist, ohne das Tragen der angeordneten Berufskleidung die Tätigkeit als Fahrausweisprüfer bei der Beklagten auszuüben, solange die Beklagte keine Umkleideräume im Sinne von § 34 ArbStättV dem Kläger zur Verfügung stellt. Außerdem ist die Beklagte verurteilt, die Schreiben vom 20.01.2003, 28.01.2003 und vom 26.02.2003 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei zur Schaffung von Umkleideräumen nach § 34 ArbStättV verpflichtet. Diese Vorschrift schütze auch den einzelnen Arbeitnehmer, also auch den Kläger. Solange die Beklagte ihrer Verpflichtung nicht entsprochen habe bzw. in der Zukunft nicht entspreche, stehe dem Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht gem. den §§ 273, 242 BGB zu. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sei auch nicht unverhältnismäßig. Der Kläger beginne seine Arbeitstätigkeit im Betriebsgebäude der Beklagten. Ausreichend und erforderlich sei es deshalb, entsprechende Umkleidemöglichkeiten im Betriebsgebäude einzurichten. Der Kläger habe auch kein abmahnungswürdiges Fehlverhalten gezeigt, so daß die gleichwohl an den Kläger gerichteten Schreiben vom 20.01.2003, 28.01.2003 und 26.02.2003 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen seien. Zur näheren Sachdarstellung wird im Einzelnen auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 10.10.2003 Bezug genommen.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen und unverändert geltend, sie sei nicht verpflichtet, dem Kläger einen Umkleideraum zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsstätten des Klägers seien in Straßen- und Schienenfahrzeugen im öffentlichen Verkehr. Derartige Arbeitsstätten seien gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 ArbStättV vom Geltungsbereich des Gesetzes ausdrücklich ausgenommen.

Die Arbeit der Fahrausweisprüfer finde auch ausschließlich auf den Fahrzeugen statt. Seit dem Jahr 2004 erschöpfe sich der Aufenthalt auf dem Betriebsgelände im An- bzw. Abmelden. Den Fahrausweisprüfern seien inzwischen sog. Handerfassungsgeräte zur Erfassung der Meldungen überlassen, so daß diese Meldungen in einigen Sekunden eingelesen würden. Abgesehen davon träten die Fahrausweisprüfer ihren Dienst nicht zwingend im Betriebsgebäude an. Die Beklagte habe bereits angeordnet, daß der Dienst, wie beim Fahrpersonal, auf der Strecke begonnen bzw. beendet werde. In Konsequenz der arbeitsgerichtlichen Entscheidung müsste jeweils vor Ort für Umkleideräume gesorgt werden, was die Zumutbarkeitsgrenze bei Weitem übersteige. Insoweit gibt die Beklagte Euro 20.000,00 für eine Neubauplanung, Euro 120.000,00 für die Neubauerrichtung und Euro 10.000,00 jährlich für den Unterhalt an.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 10.10.2003 - 1 Ca 180/03 - wird im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, mit folgender teilweiser geänderter Antragstellung:

Es wird festgestellt, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, mit der angeordneten Berufskleidung die Tätigkeit als Fahrausweisprüfer bei der Beklagten auszuüben, solange die Beklagte keine Umkleideräume im Sinne von § 34 Arbeitsstättenverordnung dem Kläger zur Verfügung stellt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst der Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist überwiegend nicht begründet.

Der Kläger ist derzeit nicht verpflichtet, seinen Dienst in der ihm vorgeschriebenen Dienstkleidung zu verrichten. Das ist auf den im Berufungsverfahren geänderten Antrag des Klägers hin festzustellen.

1.

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen. Die begehrte Feststellung betrifft ein Rechtsverhältnis i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO; auch hat der Kläger das erforderliche rechtliche Interesse an der Feststellung.

2.

Der Kläger weigert sich zu Recht, seine Arbeit in der vorgeschriebenen Dienstkleidung zu versehen, weil und solange die Beklagte ihm keine Umkleidemöglichkeit zur Verfügung stellt, die es dem Kläger erlaubt, sich privat, vor und nach der Arbeit, ohne das Tragen einer Dienstkleidung bewegen zu können.

Rechtsgrundlage ist § 273 Abs. 1 BGB. Der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist insoweit zu folgen.

a.)

aa.) Zwar hält die Berufungskammer § 34 Abs. 1 ArbStättV nicht für einschlägig. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, der Kläger könne unter Berufung auf § 34 Abs. 1 ArbStättV ein Leistungsverweigerungsrecht durchsetzen, kann mithin nicht geteilt werden. Vielmehr ist, entsprechend der Argumentation der Beklagten, § 1 Abs. 2 Nr. 2 ArbStättV zu beachten, wonach für Arbeitsstätten in Straßen-, Schienen- und Luftfahrzeugen im öffentlichen Verkehr die Verordnung nicht gilt.

Zu den Arbeitsstätten gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 ArbStättV gehören nicht nur diejenigen des Fahrpersonals wie des Bus- und Straßenbahnfahrers. Auch die Fahrausweisprüfer haben Arbeitsstätten in Straßen- und Schienenfahrzeugen im öffentlichen Verkehr. Daß diese Fahrzeuge selbst nicht gem. den Anforderungen der ArbStättV ausgerüstet sein müssen, hat das Arbeitsgericht bereits festgestellt.

Es ist darüber hinaus aber auch nicht ersichtlich, insbesondere vom Kläger nicht hinreichend dargetan, daß im Betriebsgebäude der Beklagten in der T.straße in K. Arbeitsstätten existierten, die Einrichtungen nach § 34 Abs. 1 ArbStättV erforderten. Der Kläger beruft sich lediglich darauf, daß er selbst - wie die übrigen Fahrausweisprüfer - sich dort zu Beginn und nach Beendigung der Tätigkeit an- bzw. abzumelden hat. Damit liegen hinsichtlich des Betriebsgebäudes aber noch nicht die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 ArbStättV vor. Denn bei der Tätigkeit "An- und Abmelden" bedarf es nicht des Tragens besonderer Arbeitskleidung. Daß der Kläger auch bei diesen Tätigkeiten die Dienstkleidung bereits bzw. noch trägt, ist vielmehr eine Folge des vom Kläger beanstandeten Mißstandes, wonach der Kläger keine Möglichkeit besitzt, sich zum Zweck seines Einsatzes als Fahrausweisprüfer umzukleiden. Daß die Beklagte vom Kläger etwa verlangte, die Dienstkleidung auch beim An- und Abmelden zu tragen, ist nicht ersichtlich.

bb.) Aus dem zuvor Gesagten folgt aber nicht, daß die Beklagte nicht nur das Tragen von Dienstkleidung anordnen, sondern damit zusammenhängend auch noch bestimmen könnte, daß der Kläger in Uniform bereits zum Dienst zu erscheinen und nach Arbeitsende keine Möglichkeit hat, in Privatkleidung seiner Wege zu gehen. Derartiges folgt insbesondere aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 ArbStättV.

Die ArbStättV regelt nicht die Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber das Tragen einer Dienstkleidung anordnen kann.

Wie auch das Arbeitsgericht bereits festgestellt hat, darf und soll der Beklagten nicht die Befugnis abgesprochen werden, kraft ihres arbeitgeberseitigen Direktionsrechts auch für die Fahrausweisprüfer das Tragen der Dienstkleidung anzuordnen. Derartige Dienstkleidung wird üblicherweise auch als "Uniform" bezeichnet. Es handelt sich um solche Kleidungsstücke, die auf Anordnung des Arbeitgebers zur besonderen Kenntlichmachung im dienstlichen Interesse während der Arbeitszeit zu tragen sind.

Hiermit soll dem Interesse des Arbeitgebers Rechnung getragen werden, daß sein Personal mit einem bestimmten einheitlichen äußeren Erscheinungsbild auftritt (vgl. hierzu etwa auch § 67 S. 2 BAT). Es besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, welches die Beklagte beachtet hat.

Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht betrifft naturgemäß das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer.

Dagegen steht dem Arbeitgeber keine Befugnis zu, auch die Privatsphäre des Arbeitnehmers zu reglementieren. Dementsprechend kann der Arbeitgeber zwar zum Zweck der Ausübung der geschuldeten Tätigkeit das Tragen von Dienstkleidung anordnen. Ihm fehlt jedoch die Befugnis, dem Arbeitnehmer das Tragen einer Uniform auch im Privatbereich aufzugeben. Dadurch würde das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Nichts anderes geschieht im Streitfall tatsächlich aber, indem die Beklagte für die Fahrausweisprüfer keine Umkleidemöglichkeit zur Verfügung stellt.

cc.) Es handelt sich auch keineswegs um einen unbedeutenden und deshalb vom Kläger hinzunehmenden Eingriff in seine Privatspähre. Mit dem vorgeschriebenen Sakko, Hose, Hemd und Krawatte bekleidet fällt der Kläger ohne weiteres als Träger einer Dienstkleidung auf. Das ergibt sich nicht nur aus dem aufgenähten Namenszeichen der Beklagten. Materialien und Farben des Anzuges sind insgesamt charakteristisch für eine Uniform. Der Kläger wird durch das in Streit stehende Tragen der Uniform in seinem Persönlichkeitsrecht vor allem dadurch nicht unerheblich beinträchtigt, daß er sich nach Arbeitsende zunächst einmal nach Hause begeben muß, um seine Kleidung zu wechseln.

Freitzeitgestaltung direkt im Anschluß an das Arbeitsende ist mithin ausgeschlossen.

dd.) Auf die berechtigten privaten Belange der Fahrausweisprüfer, also auch des Klägers, hatte die Beklagte bei Ausübung ihres Direktionsrechts Rücksicht zu nehmen. Auch hier ist § 315 BGB heranzuziehen.

Ein überwiegendes schützenswertes Interesse der Beklagten, um des Tragens der Dienstkleidung bei Ausübung der Tätigkeit als Fahrausweisprüfer willen auch das teilweise Tragen im privaten Bereich anzuordnen, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Einmal ist, insoweit im Unterschied zu den Bus- und Straßenbahnfahrern, festzustellen, daß die Beklagte in der Vergangenheit keine Notwendigkeit gesehen hatte, das Tragen einer Dienstkleidung vorzuschreiben. Dies bedeutet, daß zugunsten der Beklagten keine Sachzwänge zur Anordnung der Dienstkleidung angeführt werden können.

Überdies hat die Beklagte auch nicht hinreichend dargetan, daß ihr die Schaffung einer angemessenen Umkleidemöglichkeit für die Fahrausweisprüfer unzumutbar ist. Insoweit geht es um Umkleidemöglichkeiten lediglich für ca. 40 Personen, die auch nicht alle gleichzeitig ihren Dienst beginnen bzw. beenden. Daß/weshalb tatsächlich die von der Beklagten im Schriftsatz vom 09.02.2004 nur pauschal mitgeteilten Kosten anfielen, ist nicht ersichtlich. Mit derart pauschalen Angaben vermag die Beklagte ausreichende Gründe für die Beeinträchtigung der Privatsphäre ihrer Fahrausweisprüfer nicht darzutun. Insbesondere kann der Beklagten nicht gefolgt werden, wenn sie meint, gleichzeitig auch für ca. 450 Straßenbahn- und Busfahrer Umkleideräume schaffen zu müssen. Es handelt sich um unterschiedlich zu beurteilende Sachverhalte. Die Fahrausweisprüfer können, was sich aus der bisherigen Praxis ableiten lässt, ihren Dienst im Betriebsgebäude beginnen und beenden. Daran ändert auch nichts die Mitteilung der Beklagten, diese Regelung sei nicht zwingend und man sei hiervon auch schon abgewichen. Im Gegensatz dazu stellt sich der Einsatz der Straßenbahn- und Busfahrer wesentlich anders dar. Bei der Einteilung ihres Fahrpersonals ist die Beklagte auf eine unmittelbare Ablösung auf der Strecke angewiesen. Darüber hinaus kann sich die Beklagte gegenüber dem Fahrpersonal auf eine jahrzehntelange Übung berufen. Eine derartige Übung, den Dienst in Uniform zu verrichten, besteht im Bereich der Fahrausweisprüfer nicht.

II.

1.

Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 26.02.2003 zu Unrecht abgemahnt. Insoweit bleibt es bei der angefochtenen Entscheidung.

In entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB hat der Arbeitnehmer ein Abwehrrecht gegenüber rechtswidrigen Abmahnungen. Eine solche rechtswidrige Abmahnung liegt dann vor, wenn sie nach Form und Inhalt geeignet ist, den Arbeitnehmer in seiner Stellung bzw. in seinem Fortkommen zu beeinträchtigen. Derartiges ist insbesondere dann der Fall, wenn die dem Arbeitnehmer vorgeworfene objektive Pflichtwidrigkeit tatsächlich nicht begangen worden, der erhobene Vorwurf also unzutreffend ist (ständige BAG-Rspr., vgl. etwa Urteil vom 05.08.1992 - 5 AZR 531/91, AP Nr. 8 zu § 611 BGB Abmahnung).

Mit der in Streit stehenden Abmahnung vom 26.02.2003 wird der Kläger rechtswidrig in seiner Stellung und seinem Fortkommen beeinträchtigt. Denn nach den oben gemachten Ausführungen war der Kläger nicht verpflichtet, seinen Dienst in der vorgesehenen vollständigen Dienstkleidung zu verrichten.

Dann hat der Kläger auch keine objektive Pflichtwidrigkeit begangen, indem er ohne Dienstkleidung zur Arbeit erschienen war.

2.

a.)

Hinsichtlich der Ermahnung vom 20.01.2003 liegen die Voraussetzungen für ein klageweise durchzusetzendes Abwehrrecht nicht vor. Der Kläger wird deshalb nicht in seiner Rechtsposition beeinträchtigt, weil ihm keinerlei Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis angedroht sind.

b.)

Das weitere Schreiben vom 28.01.2003 ist zwar als "Ermahnung" überschrieben. Tatsächlich handelt es sich jedoch inhaltlich um eine Abmahnung. Dem Kläger werden nämlich im letzten Absatz des Schreibens für den Fall der Verletzung von Verpflichtungen aus der Dienstkleiderordnung arbeitsvertragliche Konsequenzen angedroht. Deshalb kann der Kläger auch die Entfernung dieses Schreibens beanspruchen. Dies wurde bei der Abfassung und Verkündung der Urteilsformel übersehen.

* * *

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Nach § 72 Abs. 2 ArbGG ist die Revision zugelassen.



Ende der Entscheidung

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