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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 05.04.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 124/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 519
ZPO § 520
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 15 Sa 124/03

verkündet am 05.04.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Dr. Hauke und den ehrenamtlichen Richter Hertel auf die mündliche Verhandlung vom 05.04.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 26. November 2003 - Az.: 5 Ca 535/02 - wird auf Kosten des Berufungsführers als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung vom 19. September 2002 zum 31. März 2003. Über die des Weiteren wegen einer Selbstbeurlaubung ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 16. September 2002 und die ebenfalls zum 31. März 2003 erklärte ordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 19. September 2002 ist durch Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 19. März 2003 entschieden worden.

Der am 03. Mai 1957 geborene verheiratete Kläger, der noch zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, ist mit Wirkung vom 06. Juni 1977 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten getreten. Das Arbeitsverhältnis ist Mitte Juni 2002 im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen. Der Bruttomonatsverdienst des Klägers belief sich zuletzt auf 2.875,00 €. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet worden.

Der Kläger war als Entkerner in der Abteilung Sandguss beschäftigt, wo er Gussprodukte vom Sand abzuklopfen hatte. Dabei war ein Presslufthammer und ein Kran zu benutzen und es war eine unergonomische Haltung bei der Arbeit einzunehmen. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag der Metallindustrie N./N. Anwendung. Der Kläger weist ab dem Jahr 1995 krankheitsbedingte Fehlzeiten, die im Wesentlichen auf Bandscheibenbeschwerden beruhen, in folgendem Umfange auf: Im Jahr 1995 63 Arbeitstage bei sechs Fehlfällen, welche zu einer Entgeltfortzahlungssumme von 6.132,36 € führten; im Jahr 1996 20 Arbeitsunfähigkeitstage wiederum bei sechs Fehlfällen mit Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 2.108,92 €; im Jahr 1997 70 Arbeitstage bei vier Fehlfällen mit Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 8.167,63 €; im Jahr 1998 23 krankheitsbedingte Fehltage bei vier Fehlfällen und Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 2.936,68 €; im Jahr 1999 96 Arbeitstage bei drei Fehlfällen und 6.782,26 € Entgeltfortzahlungskosten und zuzüglich 22 Tage wegen eines Arbeitsunfalls. Im Jahre 2000 185 krankheitsbedingte Fehltage bei zwei Fehlfällen und Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 5.419,69 € zuzüglich zwölf Tage wegen eines Arbeitsunfalls; im Jahre 2001 59 Arbeitstage bei drei Fehlfällen und 6.855,80 € Entgeltfortzahlungskosten und zusätzlich zehn Tage wegen eines Arbeitsunfalls und im Jahre 2002 bis zum Ausspruch der Kündigung 52 Arbeitstage bei drei Fehlfällen und 6.559,68 € Entgeltfortzahlungskosten.

Die Beklagte hat den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 05. September 2002 angehört. Der Betriebsrat hat das Anhörungsschreiben am 12. September 2002 ohne eine Stellungnahme zurückgegeben. Das Arbeitsverhältnis ist mit Schreiben vom 19. September 2002 zum 31. März 2003 gekündigt worden. Der Kläger war nach Ausspruch der Kündigung bis Mitte Februar 2003 weiterhin arbeitsunfähig. Er hat sich in der Zeit vom 04. Februar bis 25. Februar 2004 einer Kurmaßnahme unterzogen. In einer schriftlichen Stellungnahme des Betriebsarztes vom 23. September 2003 ist nach einer Arbeitsplatzbesichtigung zu den Arbeitsumständen insbesondere ausgeführt worden, bei der Arbeit sei gebückte, vornübergeneigte Haltung und Haltungen aus der Drehung heraus notwendig; die Arbeit könne als mittelschwer bis sehr schwer eingestuft werden. Das Arbeitsgericht hat schriftliche Auskünfte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt, auf die sich der Kläger berufen und die er von ihrer Schweigepflicht entbunden hat.

Der Kläger hat geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis sei durch die noch streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst worden. Zwar seien die krankheitsbedingten Fehlzeiten wie aufgeführt aufgetreten, welche auch im Wesentlichen auf Bandscheibenbeschwerden zurückzuführen seien. Die behandelnden Ärzte hätten ihm ebenso wie der Vertrauensarzt der AOK, wo er sich Mitte Dezember 2002 zu einer Untersuchung eingefunden habe, erklärt, er könne nach einer Kur, die er unverzüglich nach der Untersuchung beim Vertrauensarzt beantragt habe, soweit geheilt werden, dass aller Voraussicht nach künftig keine Fehlzeiten in größerem Umfange mehr auftreten würden. Es bestehe daher keine negative Zukunftsprognose.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.09.2002 zum 31.03.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat zur Abwehr der Klage geltend gemacht, dem Vortrag des Klägers, die Fehltage seien im Wesentlichen auf Bandscheibenprobleme zurückzuführen, stehe entgegen, dass Entgeltfortzahlungskosten in erheblichem Umfange für die Dauer von jeweils über sechs Wochen ausgelöst worden seien. Der Kläger habe durch sein Vorbringen die negative Prognose nicht beseitigt. Die Beklagte hat auf wirtschaftliche Belastungen durch die Entgeltfortzahlung in erheblichem Umfange hingewiesen. Die Ausfallzeiten des Klägers seien teilweise durch den Einsatz von Leiharbeitskräften kompensiert worden, dadurch sei sie mit 133,50 € pro Arbeitstag belastet worden. Soweit keine Leiharbeitnehmer eingesetzt worden seien, hätten Kollegen aus der eigenen oder anderen Produktionslinien aushelfen müssen. Die erforderliche Interessenabwägung stehe einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Die hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers hätten keine betrieblichen Ursachen. Die vom Kläger versäumte Vorstellung beim Werksarzt am 19. Oktober 2001 sowie die erfolgte Vorstellung am 20. September 2000 ließen erkennen, dass der Kläger nicht an einer Senkung seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten interessiert gewesen sei. Auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz könne der Kläger mangels Vorhandenseins nicht eingesetzt werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch sein Schlussurteil vom 26. November 2003 abgewiesen, weil die Kündigung auf Grund häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten gerechtfertigt sei. Die Fehlzeiten in der Vergangenheit - insbesondere in den letzten drei Jahren von durchschnittlich über 50 Arbeitstagen - indizierten eine negative Prognose. Auf Grund der eingeholten Arztaussagen stehe auch fest, dass der Kläger auf Grund des bestehenden Krankheitsbildes auch künftig erhebliche Fehlzeiten haben werde. Dort sei von nachweisbaren degenerativen Schäden die Rede. Soweit bei einzelnen Fehltagen die Art der Erkrankung nicht dargelegt worden sei, würden diese bezüglich der negativen Prognose als zugestanden gelten. Eine etwaige nicht weiter begründete Besserung der Beschwerden durch eine zumal zum Kündigungszeitpunkt noch nicht beantragte Kur sei ärztlicherseits nicht bestätigt worden. Die betrieblichen Interessen der Beklagten seien höher einzustufen als die des Klägers. Soweit der Kläger die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates geltend gemacht habe, fehle es an einem entsprechenden Vorbringen.

Gegen diese am 06. Dezember 2003 zugestellte Entscheidung hat der Kläger sowohl durch seinen vormaligen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten als auch durch den nunmehr im zweiten Rechtszug für den Kläger tätigen Prozessbevollmächtigten Berufung einlegen lassen. Die Frist zur Begründung des Rechtsmittels ist durch Verfügung vom 29. Januar 2004 bis zum 02. März 2004 verlängert worden. Die Rechtsmittelbegründung ist per Fax am 01. März 2004 und am 03. März 2004 im Original dem Landesarbeitsgericht übermittelt worden.

Der Kläger macht geltend, es bestehe keine negative Zukunftsprognose. Die Feststellung des Arbeitsgerichts, auf Grund der Grundleiden sei auch in Zukunft mit Fehlzeiten von mindestens 40 Arbeitstagen pro Jahr auszugehen, sei nicht richtig. Nach den Stellungnahmen der beiden Ärzte seien die Arbeitsunfähigkeitszeiten überwiegend auf andere Ursachen als Rückenleiden und Asthma Bronchiale zurückzuführen. Dies folge auch aus dem von ihm nunmehr zur Gerichtsakte gereichten Computerausdruck der AOK. Bei den Arbeitsunfähigkeitszeiten handele es sich zu einem großen Teil um Allerweltskrankheiten und seien auch teilweise auf Unfälle zurückzuführen, denen kein chronischer Krankheitswert zugemessen werden könne. Nachdem er im Jahr 1999 das Rauchen aufgegeben habe, sei keine Rede mehr von Asthma Bronchiale.

Außerdem rügt der Kläger, die gutachterliche Stellungnahme des Dr. R. sei von persönlicher Antipathie beeinflusst. Zudem sei dessen Einschätzung zu widersprechen, weil dieser Arzt ihn seit dem 14. August 2002 nicht mehr behandelt habe. Die Feststellungen der beiden Ärzte seien objektiv nicht richtig, weil ihm, dem Kläger, ärztlicherseits auch vom Hausarzt und in der Kur gesagt worden sei, es seien keine ernsthaften Wirbelsäulenschäden vorhanden, die seine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigten. Die Arbeit sei nicht mit ungewöhnlichen körperlichen Belastungen verbunden, die einer Ausübung mit altersgemäßen Rückenbeschwerden entgegenstehen würden. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Einholung eines weiteren Gutachtens unterlassen. Die ihn behandelnden Hausärzte hätten nicht berücksichtigen können, welche Einflüsse die von ihm damals beabsichtigte und zwischenzeitlich durchgeführte Kur auf seine körperliche Verfassung haben werde. Es könne auch von keiner Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ausgegangen werden. Weder die Beklagte noch das Arbeitsgericht hätten eine Unterscheidung danach getroffen, auf welchen Erkrankungen die geleisteten Lohnfortzahlungen zurückzuführen seien. Bei Weglassen untypischer Erkrankungen sei zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er weder in der Vergangenheit die 6-Wochen-Grenze jeweils überschritten habe noch eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt sei. Er rügt des Weiteren, im Rahmen der Interessenabwägung sei nicht berücksichtigt worden, dass die Rückenbeschwerden infolge der Belastungen am Arbeitsplatz aufgetreten seien. Er führt weiter aus, die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bleibe bestritten.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 26.11.2003 wird abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.09.2002 nicht zum 31.03.2003 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Sie verweist darauf, das Arbeitsgericht sei auf Grund der dargelegten krankheitsbedingten Fehlzeiten von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Der Kläger habe selbst ausgeführt, die Fehlzeiten seien im Wesentlichen auf Bandscheibenbeschwerden zurückzuführen. Beide Ärzte hätten unter anderem einen nachhaltigen degenerativen Schaden an der Lendenwirbelsäule des Klägers festgestellt. Dies werde auch durch den vom Kläger zur Gerichtakte gereichten Auszug der AOK bestätigt. Soweit sich der Kläger auf eine Stellungnahme des Hausarztes vom 22. Januar 2004 berufe, handele es sich zum einen um eine Momentaufnahme, die keine Aussage zum relevanten Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung enthalte, und zum anderen sei dieser Arzt ein Facharzt für Innere Medizin. Es sei auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen. Die Kurmaßnahme habe aber erst 18 Monate nach dem maßgeblichen Zeitpunkt in der Zeit vom 04. bis 25. Februar 2004 stattgefunden.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Schlussurteil vom 26. November 2003 ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG), denn die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung des im Jahre 1977 begründeten Arbeitsverhältnisses. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ordnungsgemäß ausgeführt worden.

Auch wenn für den Kläger sowohl durch seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten durch den am 15. Dezember 2003 beim Landesarbeitsgericht eingereichten Schriftsatz als auch durch seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten mit dem am 30. Dezember 2003 im Original und am Folgetag als Fax zum Berufungsgericht gelangten Schriftsatz das Rechtsmittel der Berufung eingelegt worden ist, handelt es sich dabei nur um eine Berufung. Während nach der alten Rechtslage jede Erklärung, es werde Berufung eingelegt, eine selbstständige Frist zur Begründung des Rechtsmittels auslöste (vgl. BAG, Urteil v. 17. Oktober 1995 - 3 AZR 863/94, AP Nr. 66 zu § 518 ZPO), weil der Lauf der Begründungsfrist mit der Einlegung der Begründung begann, beginnt die zweimonatige Begründungsfrist nach der Änderung des § 66 Abs. 1 ArbGG durch Art. 30 Nr. 8 des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887 [1915]) mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Arbeitsgerichts. Sie endete somit unabhängig davon, dass mehrfach Berufung eingelegt worden ist, an sich mit Ablauf des 06. Februar 2004. Auf den rechtzeitig gestellten Antrag hin ist die Frist zur Berufungsbegründung durch Verfügung vom 29. Januar 2004 bis zum 02. März 2004 verlängert worden. Der Begründungsschriftsatz ist am 01. März 2004 dem Landesarbeitsgericht per Telefax übermittelt worden. Die somit gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässige Berufung ist jedoch in der Sache ohne Erfolg.

II.

Nachdem die beiden weiteren von der Beklagten erklärten Kündigungen nach der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts durch sein Teilurteil vom 19. März 2003 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst haben, ist dieses durch die ordentliche personenbedingte Kündigung vom 19. September 2002 mit dem 31. März 2003 beendet worden. Die Angriffe des Klägers gegen das klagabweisende Schlussurteil sind zum Teil völlig unzureichend und zum Teil nicht hinreichend substanziiert ausgeführt worden.

1. Soweit sich der Kläger auch im zweiten Rechtszug damit begnügt, die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats zu bestreiten, kann er damit nicht gehört werden. Während der Kläger mit seiner Klagschrift vom 18. September 2002, mit welcher er sich gegen die außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung vom 16. September 2002 gewandt hat, noch geltend gemacht hat, eine Beteiligung des Betriebsrats habe vor dem die außerordentliche Kündigung angeblich begründenden Anlass stattgefunden, hat er nach der Vorlage des mehrere Seiten umfassenden Anhörungsschreibens vom 05. September 2002 die beabsichtigte personenbedingte Kündigung betreffend und die fehlende Stellungnahme des Betriebsrats vom 12. September 2002 dazu schriftsätzlich nicht Stellung genommen.

Hat der Arbeitgeber den Anhörungsbogen und die Stellungnahme des Betriebsrats vorgelegt, genügt der klagende Arbeitnehmer seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht, wenn er lediglich pauschal die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestreitet. Begnügt sich der Arbeitnehmer wie vorliegend der Kläger mit der unsubstanziierten Beanstandung der Betriebsratsanhörung, so ist sein Vorbringen unbeachtlich (vgl. BAG, Urteil v. 20. Januar 2000 - 2 AZR 379/99, AP Nr. 38 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Urteil v. 16. März 2000 - 2 AZR 75/99, AP Nr. 114 zu § 102 BetrVG 1972). Die Kündigung vom 19. September 2002 ist daher nicht bereits nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

2. Das Arbeitsgericht ist unter Berücksichtigung der höchstrichterlich aufgestellten Grundsätze, nach denen die Wirksamkeit einer aus krankheitsbedingten Gründen erklärte Kündigung zu prüfen ist, zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, die noch streitgegenständliche Kündigung vom 19. September 2002 zum 31. März 2003 habe das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Die vom Kläger dagegen vorgebrachten Angriffe sind nicht geeignet, seiner Berufung zum Erfolg zu verhelfen.

a) Bei einer Kündigung wegen wiederholter krankheitsbedingter Fehlzeiten hat der Arbeitgeber wie gegenüber dem Betriebsrat auch im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung die Fehlzeiten nach Zahl, Dauer und zeitlicher Abfolge genau zu bezeichnen. Hinsichtlich der anzustellenden Prognose können häufige Erkrankungen in der Vergangenheit für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen (vgl. BAG, Urteil v. 06. September 1989 - 2 AZR 19/89, AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Für eine Prognose scheiden solche Erkrankungen in der Vergangenheit aus, bei denen keine Wiederholungsgefahr besteht, weil sie entweder ausgeheilt sind, es sich um einmalige Ereignisse handelt oder sie auf Unfällen beruhen (vgl. BAG, Urteil v. 14. Januar 1993 - 2 AZR 343/92, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 30).

Hat der Arbeitgeber die Fehlzeiten in der Vergangenheit ordnungsgemäß dargelegt und sich auf die Indizwirkung dieser Fehlzeiten für die Zukunft berufen, hat der gekündigte Arbeitnehmer die Indizwirkung durch entsprechendes Vorbringen zu erschüttern.

Vorliegend hat die Beklagte sowohl in dem an den Betriebsrat gerichteten Anhörungsschreiben als auch in der Klagerwiderung die Fehlzeiten des Klägers seit dem Jahr 1995 nach der Anzahl, der Dauer und der zeitlichen Abfolge vorgetragen, wobei sie für die Jahre ab 1999 die durch Arbeitsunfälle verursachten Arbeitsunfähigkeitszeiten gesondert ausgewiesen hat. Die Beklagte hat sich auch darauf berufen, die in der Vergangenheit aufgetretenen Fehlzeiten indizierten eine negative Gesundheitsprognose für die Zukunft. Der Kläger hat als Erwiderung darauf vortragen lassen, die aufgeführten krankheitsbedingten Fehlzeiten würden nicht bestritten, sie seien im Wesentlichen auf Bandscheibenbeschwerden zurückzuführen. Das Arbeitsgericht, welches bezüglich der beiden den Kläger behandelnden, von ihrer Schweigepflicht entbundenen Ärzte eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage gemäß Beschluss vom 27. August 2003 angeordnet hat, ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sowohl die im Vordergrund stehenden Beschwerden der Wirbelsäule als auch die Lungenbeschwerden den Schluss rechtfertigten, es sei auch künftig mit Fehlzeiten mindestens im Rahmen von vierzig Arbeitstagen pro Jahr zu rechnen. Diese Feststellung bekämpft der Kläger erfolglos als unrichtig. Weder ist den Stellungnahmen der beiden Ärzte noch dem vom Kläger vorgelegten Computerausdruck der Krankenkasse zu entnehmen, die Arbeitsunfähigkeitszeiten in der Vergangenheit seien überwiegend auf andere Ursachen als auf Rückenleiden und Asthma Bronchiale/chronischen Husten zurückzuführen. Während der eine Arzt (Dr. M.) nur Rückenschmerzen und chronischen Husten erwähnt, führt der andere Arzt (R.) zwar diverse Probleme wie akute Infekte, Kreuzschmerzen, Handgelenksprobleme, Verstauchung Sprunggelenk an, aber weder der Arzt noch der Kläger führen konkret an, bei welchen Erkrankungen keine Wiederholungsgefahr bestehen soll. Soweit der Kläger pauschal auf den Inhalt der von ihm im zweiten Rechtszug vorgelegten Computerausdrucke der Krankenkasse die Jahre 1993 bis 2003 betreffend verweist, genügt er zum einen damit nicht der ihm obliegenden Darlegungslast und zum anderen ergibt sich daraus das Gegenteil dessen, was der Kläger behauptet. Kreuzschmerzen werden darin noch im Jahre 2003 aufgeführt und das angeblich wegen Aufgabe des Rauchens im Jahre 1999 nicht mehr bestehende Leiden Asthma Bronchiale/chronischer Husten sind noch für die Jahre 2001 und 2002 als Krankheitsursachen in dem Computerausdruck aufgeführt.

b) Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, die beiden vom Arbeitsgericht eingeholten Stellungnahmen der den Kläger behandelnden Ärzte seien nicht geeignet, die von der Beklagten geltend gemachte negative Zukunftsprognose zu beweisen. Die Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin und Sportmedizin ist nicht deswegen von persönlichen Antipathien beeinflusst, weil darin zum einen auf auffallend lange Rekonvaleszenz verwiesen worden ist und der Zusatz "Arbeitsplatzprobleme" mit einem Fragezeichen versehen worden ist und zum anderen bezüglich der nachweisbaren degenerativen Veränderungen der LWS ausgeführt worden ist, seit dem Jahre 1995 seien mehr als 300 Tage Arbeitsunfähigkeit angefallen. Der Kläger hat in den Jahren 1998 bis zur Kündigung insgesamt 415 krankheitsbedingte Fehltage aufzuweisen. Wenn der Arzt in seiner Stellungnahme auch die Jahre vor 1998 einbezieht, so ergibt sich daraus keine Antipathie, wohl aber das langjährige Bestehen dieser Erkrankung.

Nicht deswegen, weil der andere Arzt in seiner Stellungnahme ausgeführt hat, eine genauere Beurteilung würde eine erneute Untersuchung erfordern, war das Arbeitsgericht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Mediziner Dr. M. hat zu der ihm vorgelegten Beweisfrage, welche Zukunftsprognose hinsichtlich des Auftretens gleichartiger Arbeitsunfähigkeitszeiten gestellt werden könne, ausgeführt, wegen des schweren degenerativen LWS-Schadens seien auch in Zukunft Arbeitsunfähigkeitszeiten zu erwarten. Zwar sind von dem Arzt keine zeitlichen Angaben gemacht worden. Dies war angesichts der Art der Erkrankung und der hohen Fehlzeiten in der Vergangenheit auch nicht erforderlich, denn bei einem schweren degenerativen LWS- Schaden ist eine Ausheilung nicht zu erwarten.

c) Der Schlussfolgerung des Klägers, die Feststellungen der beiden befragten Mediziner seien objektiv nicht richtig, weil ihm wiederholt ärztlicherseits erklärt worden sei, es sei kein ernsthafter Wirbelsäulenschaden, welcher seine Arbeitsfähigkeit beeinträchtige, vorhanden, verkennt nicht nur die Rechtslage; die Schlussfolgerung kann auch nicht aus den eingereichten Unterlagen abgeleitet werden.

So verkennt der Kläger schon grundsätzlich, dass die Wirksamkeit einer Kündigung nur nach den objektiven Verhältnissen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beurteilt werden kann. Später eintretende Veränderungen bezüglich der Kündigungsgründe können die Wirksamkeit einer Kündigung nicht hindern (vgl. BAG, Urteil v. 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung). Auch für die Beurteilung einer krankheitsbedingten Kündigung ist allein auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen (vgl. BAG, Urteil v. 15. August 1984 - 7 AZR 536/82, AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Urteil v. 29. April 1999 - 2 AZR 431/98, BAGE 91, 217 = AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

Der Kläger kann sich somit weder auf das Attest eines Facharztes für Innere Medizin vom 22. Januar 2004 noch auf den Inhalt der Entlassungsmitteilung vom 03. Februar 2004 der Reha-Klinik Ü. berufen, denn sowohl in dem Attest als auch in der Entlassungsmitteilung wird auf den Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der jeweiligen Erstellung, nicht jedoch auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 19. September 2002 abgestellt.

Inhaltlich nimmt das Attest des Facharztes für Innere Medizin zu den degenerativen Veränderungen der LWS überhaupt keine Stellung. Aus dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik ergibt sich, dass die Kurmaßnahme des Hausarztes auf Grund der Diagnosen Adipositas (Fettleibigkeit) und Asthma Bronchiale befürwortet worden ist. Das Heilverfahren ist auf Anraten eines Anwalts und auf Veranlassung des Hausarztes durchgeführt worden. Hinsichtlich der von den beiden zur schriftlichen Stellungnahme vom Arbeitsgericht aufgeforderten Ärzte festgestellten "nachweisbaren degenerativen Veränderungen der LWS" werden in dem Entlassungsbericht, der zu einer nahezu neunzehn Monate nach der Kündigung durchgeführten Kurmaßnahme erstellt worden ist, als vorhandene Beschwerden solche bei langem Sitzen im LWS-Bereich angeführt, bezüglich des Bewegungsapparats eine leichte skoliotische WS mit Schulter- und Beckenhochstand links bei physiologischer Krümmung der Sagittalebene diagnostiziert und als Rehabilitationsdiagnosen u. a. redizivierende Dorsalgien (= in Abständen wiederkehrende Rückenbeschwerden) genannt. Unter dem Punkt "Sozialmedizinische Epikrise" lautet es, der Kläger sei einvernehmlich arbeitsfähig entlassen, er sei für seine bisher ausgeübte Tätigkeit als angelernter Maschinenformer ohne Einschränkung vollschichtig belastbar und ihm seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere Tätigkeiten ohne Einschränkungen vollschichtig zuzumuten. Die in dem Entlassungsbericht angeführte Tätigkeit "angelernter Maschinenformer" steht nicht in Übereinstimmung mit der dem Kläger unstreitig obliegenden Tätigkeit eines "Entkerners", bei welcher ein Presslufthammer und ein Kran zu benutzen und eine unergonomische Haltung einzunehmen war. Anhaltspunkte dafür, dass die den Entlassungsbericht zu verantwortende Person dieselben Kenntnisse bezüglich des Arbeitsplatzes, auf dem der Kläger eingesetzt war, hatte, wie der Arzt für Arbeitsmedizin, sind nicht ersichtlich. Dieser Arzt hat in seinem Schreiben vom 23. September 2003 vielmehr den Arbeitsplatz angeführt, den der Kläger zuletzt ausfüllen sollte, und bemerkt, die Arbeit könne als mittelschwer bis sehr schwer eingestuft werden. Der Entlassungsbericht der Reha-Klinik ist folglich von anderen als den tatsächlich gegebenen Verhältnissen ausgegangen.

3. Die mangelnde ausreichende Darlegung der jeweiligen Ursachen für die einzelnen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wirkt sich auch hinsichtlich der zweiten Prüfungsstufe aus, bei er es darauf ankommt, dass die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen werden. Als eine Art der Beeinträchtigung kommt eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers in Betracht. Davon ist auszugehen, wenn für die Zukunft mit immer neuen, außergewöhnlich hohen Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen ist, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sein werden. Die Beklagte hat in dem von ihr angeführten Zeitraum 1995 bis 2002 insgesamt Entgeltfortzahlung in Höhe von 44.496,68 € geleistet und damit jährlich im Durchschnitt 1,93 Monatslöhne. Da das Arbeitsgericht zutreffend auch für die Zukunft von Fehlzeiten von mindestens vierzig Arbeitstagen pro Jahr ausgegangen ist, überschreiten die zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten den maßgeblichen Zeitraum von sechs Wochen.

4. Schließlich lässt die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts keinen Rechtsfehler erkennen. Das Arbeitsgericht hat sowohl das Lebensalter als auch die Beschäftigungsdauer wie auch die Unterhaltspflichten und die Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt. Demgegenüber führt der Kläger keine Gesichtspunkte an, die zusätzlich hätten Berücksichtigung finden müssen. Im Gegenteil stehen der bisherigen Beschäftigungsdauer von 25 Jahren weitere 20 Jahre gegenüber, die der Kläger bis zum Eintritt des regelmäßigen Rentenalters noch zurücklegen müsste, so dass die Beklagte über einen sehr langen Zeitraum mit erheblichen Entgeltfortzahlungskosten belastet würde.

Soweit der Kläger geltend macht, die Rückenbeschwerden seien gerade infolge der Belastung am Arbeitsplatz aufgetreten, rechtfertigt auch dies keine andere Beurteilung. Die Beklagte hat unbestritten geltend gemacht, der Kläger könne mangels vorhandener freier Arbeitsplätze nicht auf einem anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz eingesetzt werden, so dass sich weder die Grundlage der Gesundheitsprognose noch die bezüglich der wirtschaftlichen Belastung der Beklagten ändert.

III.

1. Da der Kläger somit mit seiner Berufung gegen das seine Klage abweisende Schlussurteil des Arbeitsgerichts keinen Erfolg haben konnte, hat er die dadurch entstandenen Kosten gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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