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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.08.2003
Aktenzeichen: 15 Sa 60/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB §§ 116 ff.
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 613 a
BGB § 625
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 15 Sa 60/03

verkündet am 18.08.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Dr. Hauke, und die ehrenamtliche Richterin Thon auf die mündliche Verhandlung vom 18.08.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. Januar 2003 - Az: 4 Ca 4908/02 - wird auf Kosten des Berufungsführers als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer wegen einer Betriebsstillegung erklärten Kündigung und darüber, ob das Ende des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich hinausgeschoben oder ob das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist unzulässig befristet worden ist.

Der am 04. Juli 1947 geborene Kläger ist verheiratet und war seit dem 12. Oktober 1987 als Lagerarbeiter bei der Beklagten gegen einen Monatslohn von 2.100,00 € beschäftigt. Die Beklagte betrieb einen Großhandel mit ca. 90 Mitarbeitern. Ein Betriebsrat ist bei ihr nicht gebildet worden. Die Beklagte hatte von einer in Konkurs gegangenen Firma einen Betrieb übernommen und ihn als Betriebsstätte weitergeführt. Dort war der Vertrieb von Langprodukten (Profilstahl/Rohre) angesiedelt. Die Betriebsstätte in veräußerte die Beklagte aufgrund einer Vereinbarung mit der Firma vom 27. Februar 2002 mit Wirkung zum 01. März 2002. Die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer sind auf die Firma übergegangen.

Nach einem Gutachten eines Wirtschaftsprüfers bezüglich der Hauptniederlassung in Feuerbach vom 10. April 2002 ergab sich, dass für eine Fortführung keine wirtschaftlich guten Aussichten bestünden. Deshalb haben die Gesellschafter am 24. April 2002 die Auflösung der Gesellschaft und die Stillegung des Geschäftsbetriebes des Stammhauses in beschlossen. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und den übrigen Arbeitnehmern, soweit keine Zustimmungen erforderlich waren, Ende April 2002 unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31. Oktober 2002. Dagegen hat sich der Kläger mit der am 10. Mai 2002 erhobenen Klage gewandt. Eine Massenentlassungsanzeige ist am 14. Mai 2002 beim Arbeitsamt eingegangen. Aufgrund eines Bescheides vom 17. Juni 2002 wurde eine Freifrist für die Zeit vom 15. Juni bis 12. September 2002 für 22 Arbeitnehmer und aufgrund einer weiteren Anzeige vom 27. August 2002 eine Freifrist vom 28. September bis 26. Oktober für 35 Arbeitnehmer festgesetzt.

Die Beklagte hat ihren Betrieb im Wesentlichen mit Ablauf des November 2002 stillgelegt. Der Kläger hat bis Oktober/November als Lagerarbeiter gearbeitet. Seitdem gab es kein Lager mehr. Bis auf restliche Abwicklungsarbeiten, mit denen nur eine Hand voll von Arbeitnehmern beschäftigt worden ist, sind dort keine weiteren Tätigkeiten angefallen. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aufgrund von Krankheitsfällen und Urlaub verschiedener Mitarbeiter sei mit ihr im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart worden, der neue Kündigungstermin laute 31.12.2002. Mit einem weiteren Schreiben vom 05. D3zember 2002 ist das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Januar 2003 aufgrund der anfallenden Restarbeiten verlängert worden. Eine gleichlautende Verlängerung erfolgte mit Schreiben vom 09. Januar 2003 bis zum 28. Februar 2003. Der Kläger hat am 20. Dezember 2002 und am 15. Januar 2003 Entfristungsklagen eingereicht. In der Folgezeit sind weitere Verlängerungen, nämlich solche vom 05. Februar bis zum 31. März, vom 14. März bis zum 30. April und vom 08. April bis zum 31. Mai 2003 erfolgt, die vom Kläger mit einer weiteren Klage vom 22. April 2003 angegriffen worden sind. Sämtliche Schreiben sind vom Kläger unterzeichnet worden. Darüber hinaus hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut am 31. Mai 2003 gekündigt.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Verlängerungen seien unwirksam, da es sich dabei um Befristungen handle. Es gebe auch keinen Kündigungsgrund. Die soziale Auswahl sei unzutreffend; auch fehle es an einer Massenentlassungsanzeige bezogen auf den Entlassungstermin 31. Januar 2003. Das vormals zwischen den Parteien bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis sei seitens der Beklagten nachträglich befristet worden. Mit der Auflösung der Beklagten mit dem Stichtag 30. April 2003 und der Durchführung der Liquidation sei nicht die Stillegung des Geschäftsbetriebes beschlossen worden. Im Hinblick auf die behauptete Stillegung des Geschäftsbetriebes sei kein Endzeitpunkt festgelegt worden. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei zwar ein Stilllegungsbeschluss geplant gewesen aber noch nicht endgültig gefasst gewesen. Es handele sich offensichtlich um eine Vorratskündigung. Auch habe die Beklagte mit Wirkung zum August neue über das Arbeitsamt gekommene Mitarbeiter beschäftigt. Ihm habe aus Auswahlgesichtspunkten angeboten werden müssen, bei der Firma tätig zu sein.

Der Kläger hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder aufgrund Kündigung der Beklagten vom 25.04.2002 mit Ablauf des 31.10.2002 noch mit Ablauf des 31.12.2002 geendet hat, noch mit Ablauf des 31.01.2003, noch mit Ablauf des 28.02.2003 enden wird.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder aufgrund Befristung zum 31.12.2002 geendet hat, noch mit Ablauf des 31.01.2003, noch mit Ablauf des 28.02.2003 enden wird.

Die Beklagte hat zur Abwehr der Klage im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen im Hinblick auf die Liquidation der Gesellschaft und die Stillegung des Handelsbetriebes sozial gerechtfertigt. Eine Massenentlassungsanzeige sei erfolgt. Die Parteien hätten sich geeinigt, dass die ursprüngliche Kündigung erst zum 31. Januar 2003 wirken solle. Am 24. April 2002 sei sogleich der Beschluss gefasst worden sofort, die Vorräte im schnellstmöglichen Umfange zu veräußern, die Sachanlagen abzubauen und nach Möglichkeit zu veräußern sowie langfristige Vertragsverhältnisse zu kündigen. In der Abbauphase sei noch in geringem Umfang Ware verkauft worden. Die Stillegung habe im November 2002 abgeschlossen sein sollen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch sein Urteil vom 21. Januar 2003 abgewiesen und angenommen, die Entfristungs- sowie die Kündigungsschutzklage seien unbegründet. Das Arbeitsverhältnis habe am 28. Februar 2003 geendet. Die vom Kläger erhobene Entfristungsklage sei zulässig aber unbegründet. Es lägen keine Befristungen vor. Die Wirkung der ausgesprochenen Kündigung habe auf einen späteren Zeitpunkt bezogen werden sollen. Die Kündigungsschutzklage sei unbegründet. Die Stillegung des gesamten Betriebes stelle ein dringendes betriebliches Erfordernis dar. Der Endzeitpunkt für die Abwicklung des Betriebes habe anhand der einzuhaltenden Kündigungsfristen ermittelt werden können, da nach dem Beschluss schnellstmöglich habe gekündigt werden sollen. Nach der getroffenen Entscheidung habe der Beschäftigungsbedarf mit Ablauf der Kündigungsfrist gefehlt. Dass es dann tatsächlich anders gekommen sei, spiele als nach Kündigungsausspruch eingetretene Umstände keine Rolle. Eine Sozialauswahl sei nicht erforderlich gewesen.

Gegen diese am 15. April 2003 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 14. Mai 2003 eingereichten Berufung, die er mit dem am 11. Juli 2003 zum Landesarbeitsgericht eingereichten Fax ausgeführt hat.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe nach der Kündigung vom 25. April 2002 zum 30. Oktober 2002 mehrfach und wiederholt eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Schließlich habe noch eine Verlängerung bis zum 30. Juni 2003 erfolgen sollen. Davon sei die Beklagte abgerückt, nachdem er am 22. April 2003 Klage erhoben habe. Bei den Verlängerungen handele es sich um Befristungen. Sachgründe für die wiederholten Befristungen lägen nicht vor. Bei Ausspruch der Kündigung im April 2002 habe festgestanden, dass ab Oktober/November die Vielzahl der Mitarbeiter ausgeschieden sein würde. Die ursprüngliche Kündigung sei aufgrund der Verlängerung als zurückgenommen anzusehen, so dass zunächst einmal ein befristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Im Übrigen sei nach dem Gesellschafterbeschluss vorgesehen gewesen, die Arbeitsverhältnisse nicht lediglich zum nächst zulässigen Zeitpunkt sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt unter Berücksichtigung des personellen Bedarfs in der Liquidationsphase zu kündigen. Seine Weiterbeschäftigung ab Ende Oktober 2003 habe nicht auf einem nach Kündigungsausspruch eingetretenen Umstand basiert, sondern habe auf der von der Beklagten sich vorbehaltenen Flexibilität beruht. Jedenfalls habe sich ihre Prognose nachträglich als unzutreffend herausgestellt.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart 4 Ca 4908/02, verkündet am 21.01.2003, wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung weder zum 31.12.2002 noch mit Ablauf des 31.01.2003 noch mit Ablauf des 28.02.2003 geendet hat.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund Kündigung der Beklagten vom 25.04.2002 mit Ablauf des 31.10.2002 noch mit Ablauf des 31.12.2002 noch mit Ablauf des 31.01.2003 noch mit Ablauf des 28.02.2003 geendet hat.

Die Beklagte wendet ein, sie habe sich auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers mit ihm mehrfach über das Hinausschieben des Kündigungstermins mit einer verlängerten Auslauffrist verständigt. Zunächst habe sie sich mit dem Gedanken getragen, die Aufräumarbeiten einem Fremdbetrieb zu übertragen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers hin habe sie ihn dann für diese Arbeiten eingesetzt. Die streitbefangenen Befristungen seien durch die einmal vollzogene Betriebsstillegung und den damit verbundenen Bedarf sachlich gerechtfertigt und durch die Eigenart der nach dem 31.10.2002 erbrachten Arbeitsleistung unterlegt. Der Betrieb sei Ende Oktober 2002 nach Abverkauf restlicher Warenbestände vollständig stillgelegt worden. Alle Arbeitnehmer seien entlassen worden. Es seien nur noch Entrümpelungs- und Abbrucharbeiten durchgeführt worden. Ein Umschlag von Handelsware sei nicht mehr erfolgt.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, dem Kläger sei im Zusammenhang mit den Schreiben vom Oktober und Dezember 2002, Januar, Februar, März und April 2003 gesagt worden, die Kündigungsfrist werde verlängert, durch Vernehmung des vormaligen Geschäftsführers der Komplementär GmbH der Beklagten. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 18. August 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Arbeitsgerichts vom 21. Januar 2003 ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG). Die Parteien streiten über das Bestehen und die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß ausgeführt worden. Es ist somit gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässig. In der Sache kann es jedoch keinen Erfolg haben. Die Kündigung vom 25. April 2002 ist nicht sozial ungerechtfertigt, denn sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Die zunächst mit dem Endtermin 31. Oktober 2002 ausgesprochene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht zu diesem Zeitpunkt beendet. Die Parteien haben einverständlich den Beendigungszeitpunkt im Hinblick auf die durchzuführenden Aufräumungsarbeiten hinausgeschoben. Entgegen der Auffassung des Klägers sind nach Ablauf der zunächst gewählten Kündigungsfrist nicht wiederholt auf zwei bzw. jeweils einen Monat befristete Arbeitsverträge abgeschlossen worden.

II.

Der Kläger, der im Berufungsrechtzug zunächst einen Haupt- und einen Hilfsantrag angekündigt hat, ist letztlich zu den erstinstanzlichen Anträgen zurückgekehrt. Er wendet sich somit weiterhin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 25. April 2002 und macht darüber hinaus geltend, die vermeintlichen Befristungsabreden seien unwirksam. Da die Parteien, wie die Auslegung ergibt, keine befristeten Arbeitsverträge abgeschlossen sondern nur den Endtermin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinausgeschoben haben, steht der Entscheidung durch die Berufungskammer nicht entgegen, dass der Kläger die weiteren einvernehmlichen Verlängerungen bis zuletzt 31. Mai 2003 in einem weiteren Verfahren als unwirksame Befristungen angegriffen hat. Die weitere Kündigung vom 31. Mai 2003 geht ins Leere, da das Arbeitsverhältnis mit dem 31. Mai 2003 beendet worden ist.

III.

Die Parteien haben weder vor Ablauf der am 31. Oktober 2002 endenden von der Beklagten zutreffend gewählten Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB) einen auf zwei Monate (November und Dezember 2002) noch im Anschluss daran mehrere jeweils auf einen Monat befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Sie haben vielmehr, nachdem der bisherige arbeitstechnische Zweck des Betriebes weggefallen war und der Kläger deshalb nicht mehr als Lagerarbeiter beschäftigt werden konnte, den Endtermin der Kündigung hinausgeschoben, wobei der Kläger nur noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt werden konnte.

1. Das im Oktober 1987 begründete Arbeitsverhältnis konnte, da der Kläger im Jahr 1947 geboren worden und die Kündigung am 02. Mai 2002 zugegangen ist, nur unter Wahrung einer Frist von fünf Monaten zum Ende eines Kalendermonats und somit zum 31. Oktober 2002 ordentlich gekündigt werden.

2. Den von der Beklagten zutreffend gewählten Endtermin haben die Parteien einverständlich wiederholt hinausgeschoben, ohne dass jeweils neue befristete Arbeitsverträge abgeschlossen worden wären. Dies gilt schon nach dem Wortlaut des Schreibens vom 28. Oktober 2002, denn dort ist die getroffene bzw. darin enthaltene Vereinbarung festgehalten worden, dass der "neue Kündigungstermin" im Hinblick auf Krankheitsfälle und Urlaub 31.12.2002 lauten sollte. Angesichts des Wortlauts des Schreibens bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme des Klägers, wie sie von ihm im ersten und auch im zweiten Rechtszug geltend gemacht und vom Arbeitsgericht zutreffend zurückgewiesen worden sind, von der Kündigung zum 31. Oktober 2002 sei Abstand genommen bzw. die Kündigung sei aufgrund Verlängerung als zurückgenommen anzusehen. Eine Kündigung kann als eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nicht einseitig zurückgenommen werden (vgl. BAG, Urteil v. 06. Februar 1992 - 2 AZR 408/91, AP Nr. 13 zu § 119 BGB).

Die Parteien haben sich vielmehr darauf verständigt, den Endtermin der Kündigungsfrist auf den 31. Dezember 2002 zu verschieben.

3. Entsprechendes gilt für die nachfolgenden Vereinbarungen vom 05. Dezember 2002, 09. Januar, 05. Februar, 14. März und 08. April 2003.

a) Die Berufungskammer ist nicht etwa deswegen an der Auslegung dieser Vereinbarungen nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB gehindert, weil die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung "die streitbefangenen Befristungen als durch den mit der vollzogenen Betriebsstillegung verbundenen Bedarf sachlich gerechtfertigt" verteidigt hat. Darin liegt nur eine Äußerung einer Rechtsauffassung, nicht jedoch das Zugestehen einer Tatsache.

b) Die Parteien haben sich letztlich auf das Auslaufen der Kündigungsfrist mit dem 31. Mai 2003 geeinigt. Diese Einigung beruhte entgegen der Behauptung der Beklagten nicht "nachgerade auf dem Wunsch des Klägers", vielmehr hat sie dem Kläger entsprechende Angebote unterbreitet, die von diesem angenommen worden sind.

c) Während der Inhalt des Schreibens vom 28. Oktober 2002 eindeutig ist, wonach sich der Kläger mit seiner Unterschrift damit einverstanden erklärt hat, dass Ende der Kündigungsfrist auf den 31. Dezember 2002 festzulegen, gilt dies nicht im gleichen Maße für die weiteren, jeweils auch vom Kläger unterzeichneten Schreiben. Dort lautet es jeweils, dass "wir das Arbeitsverhältnis" bzw. "das Arbeitsverhältnis in beidseitigem Einvernehmen" verlängern. Das in den beiden Schreiben vom 05. Dezember 2002 und 09. Januar 2003 gewählte Pronomen "wir" ist, wie der als Zeuge vernommene Unterzeichner des Schreibens auf Seiten der Beklagten, der zum damaligen Zeitpunkt noch Geschäftsführer war, diese Funktion jedoch zum Zeitpunkt seiner Einvernahme nicht mehr ausübte, bekundet hat, als seine Identifizierung mit der Beklagten, jedoch nicht als Bezeichnung für zwei Vertragsparteien zu verstehen. Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um eine rechtlich nicht zulässige, einseitige Verlängerung der Kündigungsfrist. Vielmehr haben sich die Parteien auf eine Verlängerung der Kündigungsfrist verständigt.

Ob eine bestimmte Äußerung eine Willenserklärung i.S.d. §§ 116 ff. BGB darstellt, richtet sich nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Um eine Willenserklärung handelt es sich, wenn sich der Erklärung ein bestimmter Rechtsfolgewillen entnehmen lässt. Dieser kann auf die Begründung eines Rechts, seine inhaltliche Änderung und dessen Aufhebung gerichtet sein. Bei der Auslegung einer empfangsbedürftigen Erklärung kommt es nach §§ 133, 157 BGB darauf an, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut, sodann sind die Begleitumstände der Erklärung in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. BAG, Urteil v. 16. Mai 2002 - 8 AZR 460/01, AP Nr. 21 zu §§ 22, 23 BAT-O).

Von diesen Grundsätzen ausgehend kann nicht von einem Neuabschluss jeweils auf einen Monat befristeter Arbeitsverträge ausgegangen werden. Nach dem Wortlaut der Schreiben ab dem 05. Dezember 2002 sollte "das Arbeitsverhältnis" verlängert werden. In den drei Schreiben vom 05. Februar, 14. März und 08. April 2003 ist jeweils am Ende des Klammerzusatzes hinzugefügt worden: "Wirkung der Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt". Daraus wird jeweils deutlich, dass nur der Endtermin einverständlich hinausgeschoben werden sollte. Dafür sprechen auch die Begleitumstände. Zwar hat die Beweisaufnahme nicht die Behauptung der Beklagten bestätigt, dem Kläger sei im Zusammenhang mit den jeweiligen Schreiben gesagt worden, die Kündigungsfrist werde verlängert. Der als Zeuge vernommene vormalige Geschäftsführer der Komplementär GmbH konnte sich nicht daran erinnern, den Begriff der Verlängerung der Kündigungsfrist gebraucht zu haben, wenn es auch nach seinen Vorstellungen darum ging, jeweils den Endtermin hinauszuschieben, weil nur noch entsprechende Aufräumarbeiten durchzuführen waren. Wie der persönlich angehörte Kläger ausgeführt hat, hat er bis Oktober/November 2002 als Lagerarbeiter gearbeitet. Seitdem gab es das Lager nicht mehr. Der Kläger war als Lagerarbeiter eingestellt und beschäftigt worden. Da das Lager aufgelöst war, gab es keine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als Lagerarbeiter mehr. Es waren nur noch Aufräumarbeiten auszuführen, die ihrer Natur nach nicht auf Dauer anfallen konnten. Des weiteren hat der Kläger auf die Frage, was er im Zusammenhang mit der Unterschriftsleistung auf die mehreren Schreiben wollte, geantwortet, er habe Aufräumarbeiten ausführen wollen, solange solche noch vorhanden waren. Damit war für den Kläger erkennbar, dass er wegen des Wegfalls des arbeitstechnischen Zweckes des Betriebes nicht mehr als Lagerarbeiter eingesetzt werden konnte. Es verblieben nur noch auf Zeit Aufräumarbeiten. Die Ausführung solcher Arbeiten lag im Interesse des Klägers, da er einerseits im Hinblick auf sein Lebensalter nicht ohne weiteres eine neue Stelle als Lagerarbeiter bei einem anderen Arbeitgeber antreten konnte und andererseits durch das Hinausschieben der Wirkung der Kündigung erst zu einem späteren Zeitpunkt und damit länger Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen musste bzw. kann.

d) Da die Parteien einverständlich die Wirkung, d.h. den Endtermin, der Kündigung auf einen späteren als zunächst zutreffend gewählten Zeitpunkt festgelegt haben, haben sie nicht nur keine jeweils befristeten Arbeitsverträge abgeschlossen, es scheidet auch eine stillschweigende Verlängerung nach § 625 BGB aus. Zwar ist das Arbeitsverhältnis mit Wissen der Beklagten fortgesetzt worden. Ein die Rechtsfolge des § 625 BGB ausschließender Widerspruch liegt nicht nur in dem Angebot einer befristeten Weiterbeschäftigung (vgl. BAG, Urteil v. 25. Juni 1987 - 2 AZR 541/86, AP Nr. 14 zu § 620 BGB Bedingung), sondern auch in dem Angebot, die Wirkung einer Kündigung erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen (vgl. BAG, Urteil v. 04. November 1981 -5 AZR 646/79, AP Nr. 3 zu § 543 ZPO 1977).

4. Da zum maßgebenden Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein von Gesetzes wegen anerkannter Kündigungsgrund vorlag, ist das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung letztlich mit dem 31. Mai 2003 beendet worden.

a) Das Arbeitsgericht ist zutreffend von den höchstrichterlichen Grundsätzen ausgegangen, wonach dringende betriebliche Erfordernisse, die eine (ordentliche) Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen, sich aus der unternehmerischen Entscheidung ergeben können, die werbende Tätigkeit mit sofortiger Wirkung einzustellen, allen Arbeitnehmern mit der für sie einschlägigen Kündigungsfrist zu kündigen und mit den bis zur endgültigen Betriebsstillegung dann noch vorhandenen Arbeitskräften die restlichen Aufträge abzuarbeiten (zuletzt: BAG, Urteil v. 07. März 2002 - 2 AZR 147/01, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 116).

b) Fehlt geht die Auffassung des Berufungsklägers, aus der vorgelegten Niederschrift der Gesellschafterversammlung ergebe sich zwar die Auflösung der Beklagten und ihre Liquidation nicht aber, dass die Stillegung des Geschäftsbetriebes damit beschlossen worden sei. Ausweislich der Niederschrift über die simultanen Gesellschafterversammlungen der Kommanditgesellschaft und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin ist diese als Liquidatorin aufgerufen worden, "mit der beschlossenen Auflösung und der dieser folgenden Liquidation die Stillegung des lagerhaltenden Handelsbetriebes in die Wege zu leiten" (vgl. IV. 4 der Niederschrift). Da die Liquidatorin aufgerufen worden ist, die Stillegung des lagerhaltenden Handelsbetriebes in die Wege zu leiten, können ernsthafte Zweifel an einem Stilllegungsbeschluss nicht bestehen. Ein solcher ergibt sich darüber hinaus unzweideutig aus den des Weiteren dort aufgeführten vorzunehmenden Maßnahmen. Unter IV. 4 f der Niederschrift über die simultanen Gesellschafterversammlungen ist als eine solche Maßnahme die Anzeige der Stillegung bei Behörden und Verbänden vorgesehen.

c) Soweit der Kläger einen Vortrag dazu vermisst, wann bzw. zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Stellen in Wegfall geraten sollten, ergibt sich dies aus den weiteren Maßgaben unter IV. 4 e des gemeinsamen Gesellschafterbeschlusses, dass die weitere Liquidation unter Mitberücksichtigung der "Auslauffristen" der jeweiligen Arbeitsverhältnisse so bald wie möglich abgeschlossen werden sollte. Aus der Zusammenschau der der Liquidatoren übertragenen Aufgaben ergibt sich, dass die Beklagte die schnellstmögliche dauerhafte Aufhebung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen ihr und den von ihr beschäftigten Arbeitnehmern beschlossen hat. Die unternehmerische Entscheidung hatte im Kündigungszeitpunkt durch die konkrete Planung der zur Durchführung der Betriebsstillegung erforderlichen Maßnahmen bereits greifbare Formen angenommen. Der Kläger führt selbst aus, bei Ausspruch der von ihm angegriffenen Kündigung habe festgestanden, dass ab Oktober/November die Vielzahl der (insgesamt 90) Mitarbeiter der Beklagten ausgeschieden sein werde.

d) Bei der von der Beklagten erklärten Kündigung handelt es sich entgegen der Annahme des Klägers schon deswegen nicht um eine Vorratskündigung, weil der Stilllegungsbeschluss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits gefasst war (vgl. BAG, Urteil v. 12. April 2002 -2 AZR 256/01, AP Nr. 120 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Da die Stillegung des lagerhaltenden Handelsbetriebes beschlossen worden war, lag der Kündigungsgrund des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit vor.

5. Soweit der Kläger schließlich im ersten Rechtszug geltend gemacht hat, ihm habe aus Sozialauswahlgesichtspunkten angeboten werden müssen, bei der Firma künftig tätig zu sein, verkennt er, dass die Betriebsstätte der Beklagten zum 01. März 2002 veräußert worden ist. Wenn der Kläger diesem Betriebsteil angehört hätte, wäre sein Abeitsverhältnis auf die Übernehmerin gemäß § 613 a BGB übergegangen (vgl. BAG, Urteil v. 13. Februar 2003 - 8 AZR 102/02, AP Nr. 245 zu § 613 a BGB). Der Kläger hat nicht geltend gemacht, er sei bei dem Vertrieb von Langprodukten eingesetzt gewesen und habe diesem Betriebsteil zugehört. Der den Vertrieb von Langprodukten umfassende Teil der Beklagten ist an die Firma veräußert worden. Da zum Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Klägers dieser Betriebsteil nicht mehr zur Beklagten gehörte, schied eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten mit den in diesem Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmern aus.

IV.

1. Da die Berufung des Klägers somit ohne Erfolg bleiben musste, hat er die dadurch entstandenen Kosten gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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