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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 06.12.1999
Aktenzeichen: 15 Sa 79/99
Rechtsgebiete: MTV, ZPO, ArbGG, TVG, BGB, BAT 1975, BetrVG 1972


Vorschriften:

MTV § 11 Ziffer 3
MTV § 12
MTV § 12 Ziffer 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 222 Abs. 2
ZPO § 518
ZPO § 519
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 151
BGB § 157
BGB § 242
BGB § 611
BGB § 622 Abs. 1 Satz 2
BAT 1975 § 22
BAT 1975 § 23
BetrVG 1972 § 77
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
15 Sa 79/99

verkündet am 06.12.1999

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgerichts Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Winter und den ehrenamtlichen Richter Völkel auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 22. Juli 1999 - 2 Ca 117/99 - wird auf Kosten des Berufungsführers als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, für das Jahr 1998 die Jahressonderzahlung in der derselben Höhe zu leisten, wie sie im vorausgegangenen Jahr gewährt worden ist.

Der am 14. März 1945 geborene verheiratete Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 03./09. Mai 1979 mit Wirkung vom 1. Oktober 1979 als Reisender in die Dienste der Beklagten getreten. In dem Arbeitsvertrag war im Hinblick auf das Gehalt, die Arbeitszeit, den Urlaub und die Kündigungsfrist auf tarifvertragliche Bestimmungen Bezug genommen worden. Dem Kläger sind mit Schreiben vom 14. Mai 1981 und 14. Mai 1982 Gehaltsänderungen dergestalt mitgeteilt worden, dass sich das Tarifgehalt erhöht habe. Das Arbeitsverhältnis ist durch betriebsbedingte Kündigung vom 5. August 1998 zum 31. März 1999 beendet worden. Der Kläger erzielte zuletzt eine Bruttovergütung in Höhe von DM 4.732,00. Die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Ernährungsindustrie in Nordrhein-Westfalen. Der Kläger ist nicht gewerkschaftlich organisiert. Er hat seit Beginn des Arbeitsverhältnisses kalenderjährlich eine Sonderzahlung in zwei Teilen erhalten. Diese beliefen sich im Jahre 1980 auf 110 %, im Jahr 1981 auf 115 %, im Jahr 1982 auf 125 %, in den Jahren 1983 bis 1987 auf 130 %, im Jahr 1988 auf 135 %, im Jahr 1989 auf 142,5 %, in den Jahren 1990 bis 1996 auf 150 % und im Jahr 1997 auf 165 % seines monatlichen Bruttoverdienstes. Nach § 12 Ziffer 3 des Manteltarifvertrags der Nährmittelindustrie Nordrhein-Westfalen vom 27. August 1997 beträgt die Jahressonderzuwendung 165 % eines Monatseinkommens. Durch einen Zusatztarifvertrag, der ebenfalls zwischen dem Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie NRW und der Gewerkschaft NGG am 20. Mai 1998 für die Beklagte abgeschlossen worden ist, ist die Jahreszuwendung 1998 auf 65 % eines Monatseinkommens festgesetzt worden. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 25. Mai 1998 ihre Mitarbeiter über diesen abgeschlossenen Zusatztarifvertrag informiert. Der Kläger hat im November 1998 eine Jahressonderzahlung für 1998 in Höhe von DM 3.076,00 brutto entsprechend 65 % seines monatlichen Bruttoverdienstes erhalten. Die Beklagte zahlte die tarifliche Jahreszuwendung in gleicher Höhe an die organisierten wie an die nicht organisierten Arbeitnehmer.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage ausgeführt, im stehe auch für das Jahr 1998 eine Jahressonderzuwendung in Höhe von 165 % eines Monatseinkommens zu. Hinsichtlich der Jahressonderzahlung sei die Übernahme tariflicher Vorschriften weder einzelvertraglich vereinbart worden noch sei eine Änderungskündigung erfolgt. Der Arbeitsvertrag verweise lediglich auf eine im Einzelnen konkretisierte Auswahl tariflicher Vorschriften. Eine wirksame Einbeziehung des Firmentarifvertrages scheide schon mangels der arbeitsvertraglich vereinbarten Schriftform aus. Ihm stehe ein Anspruch auf die geltend gemachte Gratifikation infolge jahrelanger vorbehaltloser Zahlung im Wege betrieblicher Übung zu. Hinreichende Anhaltspunkte für die Einbeziehung des Manteltarifvertrages lägen nicht vor.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 4.732,00 brutto nebst 8,75 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 26. Januar 1999 zu bezahlen.

Die Beklagte hat zur Abwehr der Klage geltend gemacht, seit Beginn des Arbeitsverhältnisses sei die tarifvertraglich geregelte Sonderzahlung in der jeweiligen tariflichen Höhe geleistet worden. Die Auszahlung sei in zwei Teilen, nämlich als Urlaubsgeld und als Weihnachtsgeld erfolgt. Neben der Anwendung des Tarifvertrags bestehe keine betriebliche Übung. Es sei vielmehr ausschließlich auf die jeweils geltende tarifliche Regelung Bezug genommen worden. Die Absenkung der Jahressonderzahlung für das Jahr 1998 beruhe auf dem wirtschaftlichen Hintergrund ihrer katastrophalen Situation. Im Jahre 1996/97 habe sie einen Verlust in Höhe von 30,7 Millionen DM erlitten und für das Jahr 1997/98 sei ein Verlust in Höhe von ca. 22 Millionen DM prognostiziert worden. Sie meint, auf Grund der mehrfachen Bezugnahme auf tarifliche Regelungen im Arbeitsvertrag habe im Zweifel die Gleichstellung der nichtorganisierten mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern erfolgen sollen. Sie beruft sich darauf, dass, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden sei, die Gewährung tariflicher Leistungen so zu verstehen sei, dass die jeweils einschlägigen Tarifbestimmungen gelten sollten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch sein Urteil am 22. Juli 1999 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, § 12 des Manteltarifvertrages stelle mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit keine Anspruchsgrundlage dar. Es läge auch keine entsprechende schriftliche Vereinbarung gemäß dem Arbeitsvertrag vor. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung in Höhe der geltend gemachten 165 % scheitere schon daran, dass nach Ziffer 17 des Arbeitsvertrags jede Änderung des Vertrages der Schriftform bedurft habe. Jedenfalls habe der Kläger aufgrund des Verhaltens der Beklagten hinsichtlich der Gewährung einer Jahressonderzahlung nicht darauf vertrauen dürfen, er erhalte auch im Jahr 1998 eine Sonderzahlung in Höhe von 165 % eines Monatseinkommens. Es läge auch keine dreimalige vorbehaltlose Gewährung in Höhe von 165 % vor, denn in den vorausgegangenen Jahren sei die Jahressonderzahlung in unterschiedlicher Höhe geleistet worden. Es liege nur eine Bindung dem Grund nach aber nicht hinsichtlich der Höhe vor. Auch habe sich die Reduzierung im Rahmen billigen Ermessens gehalten.

Gegen diese am 28. Juli 1999 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 18. August 1999 eingelegten Berufung, die er vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ausgeführt hat.

Der Kläger macht insbesondere geltend, der Hinweis des Arbeitsgerichts auf die Schriftform sei unzutreffend. Der Beklagte habe durch ständige formfreie Gewährung der Sondergratifikation ihm gegenüber zu erkennen gegeben, dass sie die Wirksamkeit der Vereinbarung, auf der die Zahlungen beruhten, nicht von der Beachtung der schriftlichen Form habe abhängig machen wollen. Zwar habe die Beklagte das Entstehen einer betrieblichen Übung in Abrede gestellt, sich jedoch selbst nicht auf die Nichtbeachtung des Schriftformerfordernisses berufen. Eine solche Berufung wäre jedenfalls auch rechtsmissbräuchlich, denn seit 10 Jahren habe er jährlich eine stets der Höhe nach zunehmende Sondergratifikation erhalten. Seiner Auffassung nach sei eine Bindung der Beklagten sowohl im Hinblick auf den Grund als auch im Hinblick auf die Höhe eingetreten. Es sei auf die sich stets zu Gunsten der Arbeitnehmer verändernde mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Sondergratifikation abzustellen. In den Jahren 1990 bis 1996 sei ihm sechsmal eine Sonderzahlung in Höhe von 150 % gewährt worden. Durch die Leistung im Jahr 1997 in Höhe von 165 % sei die betriebliche Übung nicht aufgegeben worden. Ein Anspruch scheitere auch nicht deswegen, weil sich die Beklagte hinsichtlich der Höhe nicht an einem für ihn erkennbaren System orientiert habe. Für ihn sei erkennbar das System gewesen, dass er eine Jahressonderzahlung bekommen solle und, wenn sie nicht erhöht würde, zumindest in Höhe des Vorjahres ausbezahlt werde. Es liege auch keine Auszahlung nach Gutdünken im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor, denn die Beklagte berufe sich selbst darauf nicht. Entscheidend sei die Frage, ob infolge des Abschlusses des Zusatztarifvertrages der in der Vergangenheit aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung entstandene Anspruch für ihn, den Kläger, habe geändert werden können. Er meint, eine Änderung habe nur mittels einer Änderungskündigung erfolgen können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 27. Juli 1999 - Az.: 2 Ca 117/99 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 4.732,00 (brutto) nebst 8,75 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 26. Januar 1999 zu bezahlen.

Die Beklagte, die um Zurückweisung der Berufung bittet, beruft sich insbesondere darauf, der Kläger habe seit 1980 die Jahressonderzahlung jeweils in der tariflichen Höhe erhalten. Somit stehe ihm auch für das Jahr 1998 nur ein Anspruch in der nunmehrigen tariflichen Höhe von 65 % zu. Inhalt der betrieblichen Übung sei es gewesen, allen Arbeitnehmern unabhängig von der Tarifgebundenheit die Tarifbedingungen zu gewähren. Durch die mehrfachen Erhöhungen, die sie weitergegeben habe, sei eine betriebliche dynamische Übung entstanden. In einem tarifgebundenen Unternehmen könne kein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers dahingehend unterstellt werden, der über die Gleichstellung der nicht organisierten mit den organisierten Arbeitnehmern hinausgehe. Ob eine im Arbeitsvertrag enthaltene Schriftformabrede dem Entstehen einer betrieblichen Übung entgegenstehe, sei umstritten.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Kläger gegen das seine Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts vom 22. Juli 1999 ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 ArbGG) statthaft. Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes in Höhe des erfolglos klageweise geltend gemachten Betrages festgesetzt. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und, nachdem auf den gem. § 222 Abs. 2 ZPO fristgerechten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die Frist antragsgemäß verlängert worden war, rechtzeitig und ordnungsgemäß ausgeführt worden. Hinsichtlich des Datums der angefochtenen Entscheidung ist dem Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers offensichtlich ein Diktatfehler unterlaufen. Die angegriffene Entscheidung datiert nicht vom 27. sondern vom 22. Juli 1999. Die somit gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO zulässige Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger kann für sein letztes Beschäftigungsjahr keine höhere als die zur Auszahlung gekommene Jahressonderzahlung beanspruchen.

II.

Der Kläger kann aus keinem Rechtsgrund für das Jahr 1998 eine höhere als die im gewährte Jahressonderzahlung beanspruchen. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen.

1. Entsprechend dem Vorbringen des Klägers in der Klageschrift, der erhobene Anspruch auf Auszahlung der Jahressonderzahlung in Höhe von 165 % des Monats-Bruttogehaltes sei im Arbeitsvertrag selbst nicht geregelt, hat das Arbeitsgericht einen arbeitsvertraglichen Anspruch verneint.

2. Ein tarifvertraglicher Anspruch in der geltend gemachten Höhe scheidet zum einen schon deswegen aus, weil es an dem Erfordernis der beiderseitigen Tarifgebundenheit gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG mangelt. Nur die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Ernährungsindustrie in Nordrhein-Westfalen, während der Kläger nicht gewerkschaftlich organisiert ist. Zum anderen ist § 12 des MTV der Nährmittelindustrie Nordrhein-Westfalen vom 27. August 1997, wonach die Sonderzuwendung 165 % eines Monatseinkommens beträgt und in zwei Teilen ausbezahlt wird, durch den Zusatztarifvertrag von 20. Mai 1998 geändert worden. Darin ist bestimmt, daß die Sonderzuwendung mit der Entgeltabrechnung für den Monat November ausbezahlt wird und im Jahre 1998 65 % eines Monatseinkommens beträgt. Gegen die Abänderung des Manteltarifvertrags durch den Zusatztarifvertrag, der nur für die Beklagte abgeschlossen worden ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere trifft die vom Kläger im ersten Rechtszug vertretene Auffassung, der firmenbezogene Verbandstarifvertrag sei von anderen Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden, nicht zu. Tarifvertragsparteien sowohl des Manteltarifvertrags aus dem Jahr 1997 als auch des Zusatztarifvertrages sind ausweislich der angeführten Tarifvertragsparteien der Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie NRW, Krefeld einerseits und die Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten, Landesbezirk NRW, Düsseldorf andererseits. Dies galt auch schon für den von der Beklagten im zweiten Rechtszug vorgelegten Einheitlichen Manteltarifvertrag vom 10. Juni 1980, der fachlich "aus dem Bereich der Gewürzmittelindustrie" für die Beklagte galt.

3. Ob die unter Ziffer 17 des Arbeitsvertrages vom 03./09. Mai 1979 getroffene Regelung, nach welcher jegliche Änderung des Vertrages der Schriftform bedarf, einerseits, wie vom Kläger vertreten, der Einbeziehung des Firmentarifvertrages entgegensteht, und andererseits, wie vom Arbeitsgericht vertreten, dem Entstehen von Ansprüchen aus dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung aufgrund des langjährigen Verhaltens der Beklagten hinsichtlich der Gewährung einer Jahressonderzuwendung entgegensteht, kann dahinstehen. Das Arbeitsgericht hat die Abweisung der Klage unabhängig davon damit begründet, der Kläger habe aufgrund des Verhaltens der Beklagten hinsichtlich der Gewährung einer Jahressonderzahlung nicht darauf schließen dürfen, auch im Jahr 1998 werde eine Sonderzuwendung in Höhe von 165 % eines Monatsgehalts gewährt. Der Kläger würde sich widersprüchlich verhalten, wenn er die Anwendung des Firmentarifvertrags unter Hinweis auf das Schriftformerfordernis abwehren wollte, obwohl die Jahressonderzahlungen seit Beginn des Arbeitsverhältnisses gewährt worden sind und ihm die tarifvertraglichen Steigerungen wie allen anderen Arbeitnehmer unabhängig von der Tarifgebundenheit zugute gekommen sind.

4. Offen bleiben kann auch, ob die für die Beklagte aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie in Nordrhein-Westfalen geltenden tarifvertraglichen Regelungen zumindest aufgrund stillschweigender Bezugnahme insgesamt Anwendung finden. Insoweit hat die Beklagte auf eine neuere höchstrichterliche Entscheidung (vgl. BAG, Urteil vom 19. Januar 1999 - 1 AZR 606/98, EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 10) verwiesen, wonach die Gewährung tariflicher Leistungen, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist, im Zweifel so zu verstehen ist, dass alle einschlägigen Tarifbestimmungen gelten sollen. Dabei hat das BAG hervorgehoben, dass sich die einzelvertragliche Bezugnahme auch auf Teile eines Tarifvertrages beschränken könne. Es hat aber auch ausgeführt, die einzelvertragliche Verweisung auf Tarifverträge solle, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden sei, regelmäßig zur Gleichstellung der Außenseiter mit den Gewerkschaftsmitgliedern führen. In diesem Falle könne aus der Anwendung wesentlicher Tarifbedingungen, insbesondere aus der Gewährung des Tariflohns, geschlossen werden, das Arbeitsverhältnis solle insgesamt den einschlägigen Tarifverträgen unterliegen, es sei denn, besondere Umstände des Einzelfalls sprächen gegen einen solchen Schluss, beispielsweise Nichtgewährung bestimmter Leistungen an Unorganisierte. Eine sich auf sämtliche Gegenstände der einschlägigen tariflichen Regelung beziehende konkludente Verweisung umfasse auch den Arbeitnehmer belastende Tarifbestimmungen.

Nach dem Inhalt des die Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildenden Arbeitsvertrages haben die Parteien hinsichtlich der wesentlichen Arbeitsbedingungen auf tarifliche Regelungen Bezug genommen. Diese umfassten das Gehalt, wobei dem Kläger mit Schreiben vom 14. Mai 1981 und 14. Mai 1982 Gehaltsänderungen dergestalt mitgeteilt worden sind, dass sich das Tarifgehalt erhöht habe, die Arbeitszeit, den Urlaub und die Kündigungsfrist. Während hinsichtlich der Arbeitszeit und des Urlaubs auf die gültigen tariflichen Bestimmungen bzw. die zur Zeit gültigen tarifvertraglichen Bestimmungen Bezug genommen worden ist, erfolgte die Einstufung nach der Vereinbarung zwischen der Sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft der Ernährungsindustrie im Lande Nordrhein-Westfalen. Hinsichtlich der Kündigungsfrist haben die Parteien im ursprünglichen Arbeitsvertrag offensichtlich eine eigenständige Regelung getroffen, denn sie haben entsprechend der vormaligen Regelungen in § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB eine beiderseitige Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vereinbart. Nur im Übrigen sollten die jeweils gültigen Vorschriften des Manteltarifvertrages der Back- und Puddingpulver-, Teigwaren-, Gewürz- und Schälmühlenindustrie in Nordrhein-Westfalen gelten. Im Manteltarifvertrag dieses Industriezweiges vom 10. Juni 1980 war demgegenüber für Angestellte als Regelkündigungsfrist für beide Teile eine solche von 6 Wochen zum Quartalsende vorgesehen. Erst im Jahre 1990 haben die Arbeitsvertragsparteien die unter Ziffer 14 des Arbeitsvertrages getroffene Regelung die Kündigung betreffend an die manteltariflichen Vorschriften angepasst. Sie haben darüber hinausgehend bestimmt, die Kündigung könne sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen, im Falle einer mündlichen Kündigung sei sie unverzüglich schriftlich zu bestätigen.

Im Hinblick auf die dargestellten Besonderheiten - statische Verweisung auf die tarifvertraglichen Regelungen den Urlaub betreffend, Bezugnahme auf die regelmäßige tarifliche Kündigungsfrist erst zu einem Zeitpunkt, als der Kläger schon die Einhaltung einer verlängerten Kündigungsfrist beanspruchen konnte - erscheint es zweifelhaft, ob die manteltariflichen Regelungen in ihrer Gesamtheit aufgrund stillschweigender Bezugnahme Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden sind. Da die Beklagte jedoch hinsichtlich der Jahressonderzuwendungen nicht nur die Terminologie des Manteltarifvertrags übernommen hat, denn sie hat in der Gehaltsabrechnung für November 1998 die Sonderzahlung mit "JSZ Weihn.- Geld" bezeichnet, sondern die Jahressonderzahlungen seit dem ersten Kalenderjahr des Beschäftigungsverhältnisses in der tarifvertraglichen Höhe gewährt hat, wobei sie nicht zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer differenziert hat, haben die Arbeitsvertragsparteien konkludent die im Unternehmen der Beklagten geltenden tarifvertraglichen Vorschriften, die die Jahressonderzahlungen regeln, in Bezug genommen.

5. Im Ergebnis übereinstimmend gehen die Parteien mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass sich die Vertragsbeziehungen der Parteien nur aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der betrieblichen Übung zu einem Anspruch auf Jahressonderzahlung ausgestaltet haben können.

a) Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 16. September 1998 - 5 AZR 598/97, AP Nr. 54 zu § 242 BGB Betriebliche Übung), von der auch das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, ist unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung des Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Will der Arbeitgeber verhindern, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. In welcher Form dies geschieht, ist nicht entscheidend; erforderlich ist jedoch, dass der Vorbehalt klar und unmissverständlich kundgetan wird (vgl. BAG, Urteil vom 16. April 1997 - 10 AZR 705/96, AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).

b) Während der Kläger die Auffassung vertritt, es sei eine Bindung der Beklagten sowohl im Hinblick auf den Grund als auch im Hinblick auf die Höhe der Jahressonderzuwendung eingetreten, meint die Beklagte, in ihrem Unternehmen habe die betriebliche Übung die Gleichstellung der Außenseiter mit den organisierten Arbeitnehmern umfasst. Der Kläger führt zur Erläuterung seiner Auffassung aus, er habe angesichts des Umstandes, dass zu keinem Zeitpunkt eine Reduzierung der noch im Vorjahr bezahlten Jahreszuwendung stattgefunden habe, die Jahressonderzuwendung vielmehr jedes Jahr entweder in der Höhe des Vorjahres ausbezahlt oder aber erhöht worden sei, davon ausgehen dürfen, die Beklagte habe sich ihm gegenüber zum einen zur Bezahlung einer Jahressonderzuwendung dem Grunde nach verpflichtet und zudem die Verpflichtung eingehen wollen, diese Jahressonderzuwendung nicht zu seinen Lasten zu reduzieren. Demgegenüber macht die Beklagte geltend, die tarifvertraglichen Regelungen, die Jahressonderzuwendungen betreffend seien auf Grund stillschweigender Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Es habe die Gleichstellung der Außenseiter mit den Gewerkschaftsmitgliedern herbeigeführt werden sollen.

c) Der Kläger, der sich allein an den Prozentsätzen orientiert, lässt unberücksichtigt, woraus sich die Prozentsätze ergeben haben und dass die Beklagte an alle Arbeitnehmer, gleich ob sie organisiert oder nicht organisiert waren, die Jahressonderzahlung entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen in zwei Teilen in der tarifvertraglich bestimmten Höhe gezahlt hat. Mit dem Kläger ist davon auszugehen, dass die "Gutdünken-Rechtsprechung" des BAG (vgl. Urteil vom 28. Februar 1996 - 10 AZR 516/95, AP Nr. 192 zu § 611 BGB Gratifikation) nicht anzuwenden ist. Diese verneint einen Anspruch schon dem Grunde nach, wenn - für den Arbeitnehmer erkennbar - ein Weihnachtsgeld dreimalig in unterschiedlicher Höhe bezahlt worden ist. Der Kläger kann jedoch nicht damit gehört werden, die Beklagte habe in den Jahren 1990 bis 1996 mindestens sechsmal vorbehaltlos eine Sondergratifikation in Höhe von 150 % eines Monats-Bruttogehalts gewährt, so dass eine Verpflichtung der Beklagten begründet worden sei, auch in den Folgejahren eine jährliche Sondergratifikation mindestens in derselben Höhe zu bezahlen. Die Erhöhung zu seinen Gunsten im Jahr 1997 ändere daran nichts. Der Kläger verkennt, dass aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der betrieblichen Übung nur vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen erwachsen können. Die Üblichkeit bestimmt sich nicht nur aus dem Verhalten der Beklagten für einen begrenzten Zeitraum, vielmehr sind alle Umstände zu berücksichtigen.

Wenn es auch vorliegend an einer vertraglichen Bezugnahmeklausel auf die Bestimmungen des Manteltarifvertrages die Jahressonderzahlung betreffend fehlt, deren Sinn und Zweck in der Gleichbehandlung der unorganisierten mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern besteht (vgl. BAG, Urteil vom 4. September 1996 - 4 AZR 135/95, BAGE 84, 97 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifverträge), so hat sich doch die Beklagte unstreitig bei der Gewährung der Jahressonderzahlungen nach den einschlägigen Tarifverträgen gerichtet. Nach § 11 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages vom 10. Juni 1980 belief sich die Jahressonderzuwendung im Jahr 1980 auf 110 %, im Jahr 1981 auf 115 %, im Jahr 1982 auf 125 % und im Jahr 1983 auf 130 % eines Monatseinkommens. In dieser Höhe hat der Kläger die Jahressonderzuwendungen auch erhalten. Auch in den folgenden Jahren bis einschließlich 1997 sind die Jahressonderzuwendungen entsprechend den Prozentsätzen der jeweils geltenden tarifvertraglichen Regelungen an den Kläger ausbezahlt worden. Die Auszahlung erfolgte auch entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen (§ 11 Ziffer 2 MTV 1980 und § 12 Ziffer 2 MTV 1997) in zwei Teilen, nämlich bei Urlaubsantritt und anlässlich des Weihnachtsfestes. Die Beklagte hat auch in der Gehaltsabrechnung, wie sie vom Kläger für den Monat November 1998 vorgelegt worden ist, durch die Bezeichnung der Sonderzahlung als "JSZ Weihn.-Geld" erkennbar auf die Terminologie des Tarifvertrages Bezug genommen, denn JSZ steht für Jahressonderzahlung. Aus der jeweiligen Höhe der Jahressonderzahlung, der Auszahlung in zwei Teilen und der entsprechenden abgekürzten Bezeichnung folgt, dass auf die im Unternehmen der Beklagten infolge ihrer Tarifgebundenheit zur Anwendung kommenden jeweiligen tariflichen Bestimmungen die Jahressonderzahlungen betreffend stillschweigend Bezug genommen worden ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nicht ausdrücklich darauf verwiesen hat, sie gewähre die Jahressonderzahlung entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen. In diesem Falle läge keine stillschweigende sondern eine ausdrückliche Bezugnahme vor.

d) Da sich die tarifgebundene Beklagte bei der Gewährung der Jahressonderzahlung nach den einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen gerichtet hat, konnte der Kläger auch für das Jahr 1998 eine Sonderzahlung nur in Höhe der tariflichen Regelung beanspruchen, die die Beklagte gegenüber den organisierten Arbeitnehmern zur Auszahlung verpflichtet. Die manteltarifvertragliche Regelung ist durch die Tarifvertragsparteien für das Unternehmen der Beklagten durch den Zusatztarifvertrag abgeändert worden. Die Abänderung betraf nicht nur die Auszahlungsmodalität - Auszahlung mit der Entgeltabrechnung für den Monat November - sondern auch die Höhe der Jahreszuwendung, die für das Jahr 1998 auf 65 % abgesenkt wurde. Von dieser Abänderung wurde auch der Anspruch des Klägers unmittelbar erfasst, denn dieser richtete und richtet sich nach den im Unternehmen anwendbaren tarifvertraglichen Bestimmungen. Durch einen nachfolgenden Tarifvertrag können die Arbeitsbedingungen auch zum Nachteil der Arbeitnehmer verschlechtert werden (vgl. BAG, Urteil vom 9. Juli 1997 - 4 AZR 635/95, AP Nr. 233 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Da der Zusatztarifvertrag im Monat Mai 1998 abgeschlossen worden ist und die Beklagte nach dem vom Kläger mit der Klageschrift zur Gerichtsakte gereichten Schreiben vom 25. Mai 1998 ihre Mitarbeiter von der Änderung unterrichtet hat, stehen der Änderung die Grundsätze des Vertrauensschutzes nicht entgegen (vgl. BAG, Urteil vom 20. April 1999 - 1 AZR 631/98, EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 64; auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Wie die tarifgebundenen Arbeitnehmer muss auch der nicht der Gewerkschaft angehörige Kläger die tarifvertraglich zulässige Abänderung der Tarifbestimmung die Jahressonderzahlung betreffend hinnehmen, denn er kann auf Grund betrieblicher Übung eine Sonderzahlung nur nach den einschlägigen tariflichen Regelungen beanspruchen. Dies hat zur Folge, daß entgegen der Auffassung des Klägers für die Kürzung der Jahressonderzahlung auf 65 % des Monats-Bruttogehalts im Jahr 1998 eine Änderungskündigung nicht erforderlich war. Ebensowenig unterliegt die Angemessenheit der Reduzierung der Jahressonderzahlung einer Billigkeitskontrolle, denn die Beklagte hat entsprechend der betrieblichen Übung, auch an die nicht organisierten Arbeitnehmer die Sonderzahlung nach den einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen zu zahlen, gehandelt. Der Hinweis des Kläger darauf, dem kollektiven Günstigkeitsvergleich sei nicht Rechnung getragen worden, ist verfehlt. Vorliegend kollidiert nicht ein Anspruch auf Grund einer betrieblichen Übung mit einem Tarifvertrag, sondern die betriebliche Übung bestand darin, dass auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer die Sonderzahlung entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen erhalten haben und erhalten sollten.

III.

1. Da somit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts kein Erfolg haben konnte, hat er die im zweiten Rechtszug entstandenen Kosten gem. § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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